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Kernsprecher Wilsdruff 7K. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und Llmgegend Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrat» zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. W«»Ie«er x» Drucker: »ritz«, Asch««»« in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, sür den Inseratenteil: Artynr Zschunke, Heide in Wilsdruff. Nr. 163 Sonnabend de« 15. Juli 1S22. Amtlicher Teil. 81. Jahrgang Wegen Reinigung bleiben die Geschäftsräume im Verwaltungsgebäude Montag den 17. und Dienstag de« 18. Juli 1922 geschlossen. Dringliche Angelegenheiten werden an beiden Tagen vormittags von 11 bis 12 Uhr erledigt. Wilsdruff, am 12. Juli 1922. Ter Stadtrat. Vom 17. bis 31. Juli 1922 sollen die Schornsteine im hiesigen Stadtbezirke gereinigt werden. Wilsdruff, am 12. Juli 1922. E Der Stadtrat. Wir bitten höflichst, Anzeigen bis norm. 10 Uhr aufzngLben. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Im Reichstage ist durch ein Eingreifen der Gewerkschaf ten in die Beratungen über das Gesetz zum Schutz der Re publik eine neue Spannung hervorgerufen worden. * Die Essener Verhandlungen über den Tarif im Ruhr bergbau haben zu einer Einigung geführt. * Die Mörder Rathenaus werden jetzt, nachdem sich die bisherige Spur als irreführend herausgestellt hat, im Harz gesucht. * Nach Pariser Meldungen soll in einer vorläufigen Ant wort der Reparationskommission die von Deutschland erbetene Zurückbehaltung der fälligen Juli-Nate zugestanden werden. * Die Verhandlungen der Internationalen Konferenz im Haag über die russische Frage sind bisher ergebnislos ver laufen und drohen vollständig zu scheitern. Pfänderspiel? Das nette Moratoriumsgesuch der deutschen Regierung vtzi dem Reparationsausschuß in Paris hat dort und in London zunächst wie ein starker Steinwurf in einen mählich versumpfenden Teich gewirkt. Seitdem das Internatio nale Bankenkomitee die französische Hauptstadt verlassen hatte, unter Überreichung einer Denkschrift an die Entente regierungen voll ernstester Wahrheiten über den Stumpf sinn einer Machtpolitik, die Europa sehenden Auges völ- Ligem Ruin entgegentreibt, war es wieder still geworden Liber die Reparationssrage; knapp daß man sich mit den Sachlieferungsverträgen so nebenher beschäftigte, die ja auch schon seit Jahr und Tag weder leben noch sterben können. Nun hat der Mörderschuß auf Rathenau die Dinge erneut ins Rollen gebracht, und das mit einer so furchtbaren Gewaltsamkeit, daß selbst die verstockten Ge wissen der Franzosen sich, im ersten Augenblick wenigstens, einigermaßen empfänglich zeigen. „So wie bisher geht es nicht weiter," erklärte in der ersten Rathenau-Debatte Herr Dr. Wirth vor der deutschen Volksvertretung. So wie bisher geht es aber auch mit der Erfüllungspolitik nicht Weiler, das müssen jetzt selbst ihre unbedingtesten Vertreter diesseits wie jenseits der deutschen Grenzen zugeben. Die deutsche Regierung hält den Ententemächten vor, daß sich der Dollarkurs seit dem Mai 1921 von 60 auf 285 im März und auf 500 im Juli dieses Jahres erhöht hat. Das bedeute selbst für den schon auf 720 Millionen Gold mark ermäßigten Betrag der Barleistungen dieses Jahres die Aufbringung von 51,4 Milliarden Papiermark nach dem Märzstand und gar eine solche von 80 Milliarden nach dem Kurs dieser Tage, ungerechnet die sonstigen Devisen- verpflichtunegn des Reiches aus dem Versailler Vertrag in Höhe der Kleinigkeit von jetzt rund 66 Milliarden Pa piermark. Meibe es also bei den bisherigen Zahlungs verpflichtungen, so müßte mit einer weiteren rapide fort schreitenden Zerrüttung des finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens in Deutschland gerechnet werden. Des halb könne die deutsche Regierung unter den gegenwärtigen Verhältnissen die weiteren Leistungen von Barzahlungen zunächst nicht in Aussicht stellen und müsse beantragen, sie zu stunden. Für den 15. Juli habe sie zwar bereits den fälligen Betrag zur Verfügung, er würde ihr aber sehr fehlen, wenn die demnächst eintressenden ausländischen Getreidemengen zu bezahlen sind. Also würde es sich wohl empfehlen, ihr den erwähnten Betrag im Augenblick nicht zu entziehen. Die deutsche Negierung spricht des fer neren von dem „ungeheuren Ernst der gegenwärtigen Lage", die nur mit Unterstützung der Reparationskom mission zu bessern sei. Sie halte zur Wiederherstellung des Markkurses baldige Maßnahmen für erforderlich, die selbst verständlich über das Jahr 1922 hinausreichen müßten, auch für die Jahre 1923 und 1924 müßte Deutschland von Barzahlungsverpflichtungen freigemacht werden. Ein ungeschminktes Bild unseres ganzen Finanz- jammers, dem nun auch die Franzosen wohl oder übel ins Auge sehen müssen. Noch regen sich bei ihnen schwache Versuche, den altbeliebten Unterschied zu machen zwischen der elenden Staats- und der blühenden Privatwirtschaft in Deutschland. Aber damit können sie heute wirklich keinen deutschfeindlichen Hund mehr hinter dem Ofen hervor- locken. Selbst aus neutralen Kreisen, die uns noch bis vor kurzem nichts weniger als wohlwollend gegenüberstanden, hört man heute das Eingeständnis, daß der vielbewun- derte industrielle Aufschwung der letzten Jahre in Deutsch land doch offenbar nichts anderes als eine Scheinblüte ge wesen sei. Jetzt erst hebe sich der Vorhang und dahinter werde ein Trümmerhaufen sichtbar, der schon für nahe Zu kunft das schlimmst« befürchten lasse. Nicht viel anders denkt heute schon in England, wer dort überhaupt eines unbefangenen Urteils fähig ist, von Amerika nicht zu reden, aus das ja die bekannten Darlegungen des Morganschen Finanzkomitees einen sehr nachhaltigen Eindruck gemacht haben. In Frankreich war man unzweifelhaft auch schon seit Monaten so klug, nur hielt man es aus politischen Gründen immer noch für richtiger, sich dumm zu stellen. Heute sieht man endlich die Notwendigkeit ein, vorsichtig mit einzulenken in den Strom der öffentlichen Meinung, um nicht durch allzu hartnäckiges Festklammern an unhalt bar gewordenen Positionen wieder einmal ein europä isches Ärgernis zu geben. So soll also auch Herr Poin- carö sich mit der vorläufigen Nichteinziehung der Juli rate einverstanden erklärt haben, — womit ja kein irgend wie wesentlicher Anspruch unserer Gegner aufgegeben würde. Anders fchon steht es um seine Zustimmung zu der von Deutschland erbetenen Verlängerung und Erwei terung des Moratoriums. Hier mutz er natürlich ab warten, mutz prüfen und prüfen lassen, mutz überlegen und beraten, muß die Volksstimmung sich erst bilden, den üb lichen Schrei nach Pfändern und Garantien, wenn nicht gar nach Sanktionen, sich entwickeln lassen, — nur das eine weiß er heute schon, daß er bis zum 15. August so weit sein wird, einen bestimmten Entschluß fassen zu können. Also wieder einmal ein Spiel mit Fristen und Ter minen, mit Konferenzen und Verschleppungen? Gibt man sich nur den Schein, zugelernt zu haben, will aber in Wirk lichkeit alles beim alten lassen? Die Dinge entwickeln sich in diesem Sommer schon wieder schneller als in diesem Frühjahr, und niemand kann wissen, wie die Welt aus- sehen wird, wenn der Herbst ins Land kommt. Vier Wochen bedeuten ein Unendliches in diesem rasenden Ablauf der Dinge. Mit französischen Pfänderspielen ist nicht einmal Frankreich mehr, geschweige denn der todkranken Welt zu helfen. Parlament uns Gewerkschaften. (Von unserm parlamentarischen Mitarbeiters. Berlin, 13. Juli. Die Beratungen über das Gesetz zum Schutz der Re publik, die am Mittwoch abend bis zur Annahme sämt licher Paragraphen in zweiter Lesung geführt hatten, sind durch «in Eingreifen der Gewerkschaften in die par lamentarischen Arbeiten plötzlich wieder in ein kriti sches Stadium getreten. Die Vertreter der A. D. G. B. und der Afa erschienen am Nachmittag im Reichs tage und Hielten mit den Führern der S. P. D. und der U. S. P. D. ein« Besprechung ab, die zu dem Beschluß führte, daß das Schutzgesetz in der Form, in die es durch die Abänderungsanträge gebracht wurde, für die beiden sozialistischen Parteien nicht annehmbar sei, und daß unter diesen Umständen, wenn die Forderungen der Linken nicht noch gebilligt würden, nur die Auflösung des Reichstags übrig bleibe. Außerdem müsse man nach wie vor aus der Einbeziehung der U. S. P. D. in die Koa lition bestehen bleiben. Dieser Beschluß wurde sofort dem Reichskanzler und dem Reichspräsidenten Ebert mitgeteilt und erregte bei den bürgerlichen Parteien großes Aufsehen. Besonders die Demokraten erklärten sofort sehr energisch, daß von einem Zurückweichen des Parlaments vor den Ge werkschaften gar keine Rede sein könne, und daß die Sozialdemokratie all« Verantwortung dafür tragen müsse, wenn das Einigungswerk scheitere und durch die Neichs- tagsauflösung eine neue Erschütterung des Markkurses und unserer außenpolitischen Stellung herbeigeführt werde. Andere Parlamentarier beurteilten die Situation weniger ernst, und sprachen von einem Rückzugsgefecht der Linken, während die Sozialdemokraten selbst, die als ganze Frak tion zu den Abmachungen ihrer Führer überhaupt noch nicht Stellung genommen hatten, die Meinung vertraten, daß ein anderer Weg als der von ihnen gewünschte, nicht gangbar sei. Die Aktion ist noch völlig im Flusse, aber am Don nerstag überwog doch bereits die Auffassung im Reichs tage, daß auch diese Sache nicht so heiß gegessen würde, wie sie gekocht war. Die drei Koalitionsparteien traten zu Be ratungen zusammen, um erst einmal genau feftzustellsn, welche Einzelheiten am Schutzgesetz den Wünschen rechts und links am stärksten widersprechen, und wie man auf dem Wege gegenwärtiger Zugeständnisse zu einer mittleren Linie gelängen könnte, auf der das Gesetz von einer Mehrheit, die alle Parteien außer den Flügeln auf der äußersten Rechten und Linken umfaßt, angenommen werden könnte. Eine besondere Rolle spielt dabei der in zweiter Lesung angenommene demokratische Antrag, wel cher die Störung von Versammlungen unter schwere Strafe stellt. Die Volkspartei macht ihre Zustimmung zum ganzen Gesetz von der Erhaltung dieser Bestimmung ab hängig, während die Sozialdemokraten diesen Antrag Le- kämvien. Außer dem Schutzgesetz muß noch das Beamtendiszipli nargesetz und das Amnestiegesetz erledigt werden, dagegen wird man das Reichs-Kriminalpolizeigesetz nicht mehr be handeln, da die Länder sich dagegen ausgesprochen haben. Wenn durch Vermittlung der Herren Ebert und Wirth eine allerdings noch sehr fragliche Einigung erzielt werden sollte, hofft man, am Sonntag die Arbeit vor der gro ßen Sommerpause zu beenden, nicht ohne dabei noch den Rest der Steuergesetze und eine neue Diätenordnung für die nach soviel Aufregung und Streit schwer abgekämpften' Vokksboten selbst beschlossen zu haben. Aber noch weiß niemand, ob diese Hoffnung nicht durch die neue noch nicht erledigte Krisis wieder zerstört wird. Wo smö die Aaihenarr-MZrßer? Verwischte und neue Spuren. Berlin, 13. Juli. Man hat die Mörder des Ministers Dr. Rathenau be kanntlich in der Gegend von Gardelegen gesucht und durch ein Riesenaufgebot von Kriminalbeamten und Streifkom mandos der Schutzmannschaft aus Berlin und aus der Provinz Sachsen den ganzen Bezirk so gründlich absuchen lassen, daß Kern und Fischer hätten gefunden werden müssen, wenn sie überhaupt dort gewesen wären. Es hat sich aber nirgends eine Spur von ihnen finden lassen, und man darf vielleicht annehmen, daß die Spuren von be stimmter Seite künstlich verwischt worden sind, und daß man die Polizei auf falsche Fährten gelockt hat. Es ist da durch viel kostbare Zeit verloren gegangen, und wenn die Mörder wirklich bei Gardelegen sich aufgehalten haben sollten, so haben sie inzwischen doch, da sie ja über Fahr räder verfügen, sicher einen so großen Vorsprung gewon nen, daß man sie jetzt vielleicht in Süddeutschland zu suchen haben dürfte. Von» verschiedenen Seiten wird allerdings behauset, daß man sie noch immer in Mitteldeutschland zu suchen habe. Man will sie im Dorfe S ch ö ning e n b e j H elm» sted t gesehen haben. Von hier aus sollen sie über Qued linburg nachdem Harz gefahren sein, und angeblich die Bahn nach Thale benutzt haben. Hier sind sie aber nicht angekommen. Sollten sie sich jetzt tatsächlich im Harz befinden, so würde ihre weitere Verfolgung mit nicht ge ringen Schwierigkeiten verbunden sein, da sie sich in den dichten meilenweiten Harzwäldern lange Zeit verborgen halten könnten. Eine andere Spur soll nach Genthin führen. Es wäre, falls diese Spur nicht trügt, nicht aus geschlossen, daß die Mörder versuchen wollen, nach Berlin zu gelangen, um hier vielleicht ihre finanziellen Verhält nisse aufzubessern, denn sie sollen ja, wie bereits gemeldet wurde, mit Geldmitteln nicht eben allzureich versehen sein. Die Behörden warnen alle Kreise der Bevölkerung noch einmal dringend davor, den flüchtigen Mördern irgend welchen Beistand zu leisten. Wer ihnen Asyl gewährt oder sie in irgendeiner anderen Weise unterstützt, macht sich einer Begünstigung im Sinne des Strafgesetzbuches schuldig, und eine solche Begünstigung zieht schwere Freiheitsstrafen nach sich Gsuischer Reichstag. (242. Sitzung.) 6S. Berlin, 13. Juli.', -Der Reichstag beriet gestern in einer bis in die Nacht auA gedehnten Sitzung das Gesetz zum Schutz der Republik in zweiter Lesung. Sämtliche 18 Paragraphen wurden mit einer Anzahl von Abänderungsanträgen angenommen. Der vor gesehene Staatsgerichtshof soll nach der jetzigen Fassung eine Besetzung von drei Neichsgerichtsräten und sechs Laienrichtern haben. In der heutigen Sitzung wurde zuerst eine Anzahl kleiner Angelegenheiten erledigt. Der Gesetzentwurf, der die Regie rung ermächtigt, im Falle eines dringenden wirtschaftlichen Bedürfnisses nach Anhörung des Neichswirtschaftsrates mit Zustimmung des Reichsrates die Eingangszölle zu erhöhen, herabzusetzen oder neue Zölle einzufühven, wurde in zweiter und dritter Beratung angenommen. Weiter wurde der An trag der Koalitionsparteien ans Änderung der Reichsversicbe- rungsordnung in verwaltungstechnischen Fragen in zweiter und dritter Lesung angenommen, ebenso der Staatsvertrag über den Übergang der Staatseisenbahnen auf das Mach. Sodann kam man zur zweiten Beratung des Gesetzes über Straffreiheit für politische Straftaten. Nach dem vom Nnsschuß angenommenen Entwurf soll sich die Amnestie erstrecken auf Personen, die nach dem 4. August 19 0 und im Jahre 1921 an einem hochverräterischen Unter nehmen gegen das Reich teilgenommen haben oder die von den im Jahre 1921 errichteten außerordentlichen Gerichten verurteilt worden sind, sofern die Handlungen nicht lediglich äuf Roheit, Eigennutz oder sonstigen nichtpolitischen Beweg- gründen beruhen.