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Tharandt, Nasen, Siebentel)« und die Umgegenden. Amtsblatt für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 44. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. - Abonnemenlprcis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Psg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 74 Freitags den Dagesgefchichte. Aus naheliegenden, leider durchaus berechtigten Gründen hat man von amtlicher Seite über die Drei-Kaiserzusammenkunft voll ständiges Stillschweigen bewahrt. Es kann daher nicht auffallen, daß die bevorstehende Ankunft ves Fürsten Bismarck in Berlin lediglich mit dem Staatsrath in Verbindung gebracht wird, aber ebenso natür lich ist, daß alle Welt beim Lesen dieser Meldung zuerst an dasjenige hochbedeutsame Ereigniß denkt, über welches schon so viele Vermuth ungen laut geworden sind, ohne etwas Anderes, als die größte Wahr scheinlichkeit desselben festzustellen. Von gewissermaßen offiziöser Seite ist zugestanden worden, daß ein gleichzeitiges Zusammentreffen der drei Kaiser in Aussicht steht. Das „Reutersche Bureau" bringt diese Nachricht aus Wien und Berlin, die „Politische Korresp." aus Petersburg. Uebereinstimmend sind diese drei Depeschen in der An gabe, daß der Ort der Zusammenkunft auf russischem Boden liegen werde. Man spricht, anscheinend auf Grund von Beobachtungen über dort getroffene außerordentliche Vorbereitungen, von Skierniewice und Granika, doch werden daneben noch immer auch Teschen auf öster reichischem und Breslau auf deutschem Territorium genannt. Als wahrscheinlichste Zeit der Zusammenkunft können, nach den bekannt gewordenen Dispositionen über andere Reisen der Majestäten, die Tage vom 14. bis 20. September bezeichnet werden. Wenn nach der „Pol. Korr." der russische Minister des Auswärtigen, Giers, seinen Souverän nach Warschau begleitet, werden Fürst Bismarck und Graf Kalnoky vermuthlich ebenfalls die Gastfreundschaft des russischen Kai sers in Anspruch nehmen. Nach einem Telegramm der Wiener „Neuen Freien Presse" begleitet voraussichtlich Graf Hatzfeld den Kaiser Wilhelm. — Diese Monarchenbegegnung beginnt die Aufmerksamkeit der eng lischen Presse auf sich zu ziehen. Man hat in England das Gefühl, daß ein Zug friedlicher Verständigung durch die europäischen Völker geht, und man ist von dieser continentalen Bewegung keineswegs er baut. Mit einer rücksichtslosen Offenheit, welche sonst dem Charakter der brittischen Politik fernliegt, verkündet man jetzt der Welt, daß England alles aufbieten werde, die Versöhnung Europas zu hinter treiben und die Völker in Krieg und Unfrieden zu Hetzen. „Bismarcks Schachzüge", sagt der „Standard", waren früher darauf gerichtet, Frankreich zu vereinsamen, sie sollen jetzt die Vereinsamung Englands bezwecken. Es mag eine Zeit lang den Anschein haben, daß er damit Erfolg hat, aber die englischen Staatsmänner müßten denn doch von allen Göttern verlassen sein, wenn sie nicht Zwietracht zwischen den continentalen Freunden zu säen verständen." Diese englische Drohung vermag uns das Gruseln nicht zu lehren; wir haben Gladstone lange an seiner händelstiftenden Arbeit gesehen, aber bisher stets gefunden, daß er ein Theil ist „von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft". Der unausbleibliche Rückschlag gegen Glad stones Ränke ist eingetreten; der Hetzpolitik hat sich mit vollem Be wußtsein die Politik des Friedens entgegengesetzt. Eben deshalb ha ben wir uns bei Gladstones Feindschaft stets vortrefflich befunden. Aber wir danken dem „Standard" für das aufrichtige Wort, das er sich in unbewachter Stunde entschlüpfen ließ; denn dieses Wort setzt die englische Unterschrift unter die Behauptungen der deutschen Presse über das System der englischen Politik. Mag die „Times" heute wieder in einem spaltenlangen Artikel den Beweis antreten, daß Deutsch land mit all seiner Friedfertigkeit und Franzosenfreundlichkeit nur auf Frankreichs Verderben sinne, das unbedachte Wort des „Standard" verurtheilt all diese Liebesmühe von vornherein zur Hoffnungslosigkeit. In Paris lacht man über diese Purzelbäume der „Times". Deutsch land vermag den Franzosen kostenlos mehr zu bieten, als England ihnen opfern kann und mag. Solchen Thatsachen gegenüber zerflat- tern die Hetzartikel der englischen Presse im Winde. Der preußische Staatsrath wird in nächster Zeit einberufen werden. Ueber die Gegenstände, die demselben vorgelegt werden sollen, verlautet Folgendes: Neben der Organisation der Gewerbekam mern wird die in Z 100o der Gewerbeordnung niedergelegte Lehr lingsfrage zurBerathung kommen, fv daß der Antrag Ackermann wohl erst nach dem Beschlusse des Staatsrathes im Bundesrathe zur Entscheidung kommen wird. Bekanntlich sollen nach dem vom Könige genehmigten Regulativ die Berathungsgegenstände für gewöhnlich nicht dem Plenum des Staatsrathes, sondern einer engeren Versamm lung zur Begutachtung vorgelegt werden. Dieser engere Staatsrath setzt sich zusammen aus dem Präsidenten (Kronprinzen), sämmtlichen Mitgliedern des Staatsministeriums, dem Staatssekretär und einer der sieben Abtheilungen, in welche, entsprechend den Hauptzweigen des Staatsdienstes, die Körperschaft eingetheilt ist. Dazu treten dann noch vier aus den anderen Abtheilungen vom Könige jedesmal zu berufende Mitglieder hinzu. Dieser engere Staatsrath wird also, je nach dem zu berathenden Gegenstände, verschieden zusammengesetzt sein. Im nächsten Etat für das Reichsheer werden, wie das „B. T." erfährt, die Anforderungen im Ordinarium sich sowohl für das Preußische, als sächsische und mürttembergische Kontingent in verschie denartigem Maßstabe erhöhen. Die Mehrforderungeu werden jedoch angeblich nur mäßig sein und dem Vernehmen nach im Ganzen eine 12. September 1884, Million nicht viel überschreiten. Dagegen dürfte sich der Etat für außerordentliche Ausgaben, der im laufenden Rechnungsjahre 6,592,272 Mark, für Preußen 5,878,272, für Sachsen 360,650 Mk. und für Württemberg 353,350 Mk. beträgt, nicht unbedeutend steigern. Es ist eine eigene Erscheinung, daß in Hannover diejenige Partei, welche mit den Thatsachen, die sich vor nunmehr 18 Jahren vollzogen haben, auch jetzt noch nicht rechnen und sich in die neuen Verhältnisse nicht gern fügen mag, ihre erfolgreiche Thätigkeit noch immer fortsetzt. Mit sich verjüngender Kraft betreibt die Welfenpartei, die sich selbst deutsch-hannoversche Partei nennt, ihre Agitationen weiter. Und fchon hat sie sich zu dem bei bevorstehender Reichstagswahl zu erwar tenden Kampfe ernstlich gerüstet, auch ihre Kandidatenliste, um frühe auf dem Gefechtsplane einzutreffen, bereits veröffentlicht. Die Pro vinz Hannover zählt 19 Wahlkreise, und ziemlich für alle sind welfi- sche Kandidaten aufgestellt. Nur auf die beiden Kreise, welche auf Ostfriesland kommen, wird Verzicht geleistet. Die beiden bekannten Abgeordneten Windthorst und Brüel kandiviren selbstverständlich wieder in ihren bisherigen Wahlkreisen Meppen und Hannover. Alle übrigen Kandidaten gehören ausschließlich der hannoverschen Aristokratie an; zumeist sind sie Rittergutsbesitzer. Daß die Welfenpartei an ihren bisherigen Zielen auch heute noch unverrückt festhält, daß ihre Wünsche und Hoffnungen, obwohl ihnen doch jegliche Aussicht auf Erfüllung fehlt, immer die gleichen bleiben, das mögen folgende Worte beweisen, die neuerdings den Wählern zugerufen wurden: „Ein glänzender Wahl sieg unserer deutsch-hannoverschen Partei ist der beste, wenn auch still schweigende Protest des hannoverschen Volkes gegen die Wandlungen, denen es seit 1866 ausgesetzt gewesen ist. Ein solcher fortgesetzter kräftiger Protest schließt aber auch zugleich die einzige Möglichkeit in sich, daß unsere Wünsche und Hoffnungen auf Wiederherstellung eines eigenen Königreichs Hannover unter dem erlauchten Welfenhause inner halb des deutschen Reiches sich dereinst verwirklichen." Ueber die schon erwähnte deutsche Besitzergreifung der gesummten Küstenstrecke von Angra Pequena nördlich bis zur Grenze der portu giesischen Besitzungen meldet ein Reuter'sches Telegramm aus der Kapstadt, das unter deutschen Schutz gestellte Territorium erstrecke sich 80 Meilen ins Land hinein. Dasselbe würde also ungefähr die Aus dehnung Deutschlands haben. Gleichzeitig berichtet die „Hamb. Bör senhalle" von einer Verletzung der deutschen Flagge an der Goldküste. Darnach wird über Liverpool gemeldet, daß am 6. August die beiden an der Goldküste aufgepflanzten deutschen Flaggenstangen umgehauen und zertrümmert wurden, die eine von einem englischen Beamten, die andere von Negern des Togostammes. Ebenfalls wird gemeldet, daß Dr. Buchner, welcher als provisorischer deutscher Gouverneur in Ka merun zurückgelassen war, von den dortigen Negern insultirt worden ist, jedoch sich ohne Verletzung in eine der dortigen deutschen Fak toreien zurückziehen konnte. Ueber die Ankunft des russischen Kaiserpaares am 8. Sept, in Warschau wird gemeldet: Am Bahnhofe wurde das Kaiserpaar von den Behörden und einer Deputation der Warschauer Edelleute und Kaufleute mit Brod und Salz empfangen. Der Kaiser sagte: „Ich bitte, den Bewohnern Warschaus zu danken, ich bin sehr erfreut, hier zu sein.,. Die Gattin des Generalgouverneurs überreichte der Kaiserin ein prachtvolles Bouquet. Das Kaiserpaar sieht nicht gut aus. Nach der Begrüßung auf dem Bahnhofe erfolgte die Abfahrt nach dem Lazienki-Schloß. Auf dem ganzen langen Wege standen auf beiden Seiten der Straße von zehn zu zehn Schritten Polizisten und berittene Gendarmen. Die spalierbildende Bevölkerung, deren Benehmen muster haft war, begrüßte überall das Kaiserpaar mit lautem Hurrahrufen. Das Kaiserpaar fuhr in offenem zweispännigen Wagen in schärfstem Trab ohne jede Militärbedeckung vorerst in die griechische Kathedrale, wo es ein kurzes Gebet verrichtete. Auf der Weiterfahrt passirte man die katholische Kirche, wo ein Geistlicher dem Kaiser das Pacificale zum Kusse reichte. Um V2I2 Uhr fand eine Militärrevue statt. Im ersten Treffen waren die Grenadierregimenter Kaiser Franz Josef und Kaiser Wilhelm aufgestellt, im Ganzen gegen 80,000 Mann. Der Kaiser ritt in großer Suite. Den Zug eröffnete Gurko, dann folgte die kaiserliche Equipage, in welcher die Kaiserin und der Thronfolger faßen, daneben ritt der Kaiser. Von fremden OWeren war in der Suite nur General Werder. Das Abreiten der Fronten dauerte eine Stunde. Hierauf verließ die Kaiserin den Wagen und begab sich in das kaiserliche Zelt. Der Kaiser blieb zu Pferde und ließ die Trup pen defiliren. Nach Beendigung der Revue dankte der Kaiser den Regimentschefs für die gute Haltung der Truppen und kehrte zu Wagen nach dem Lazienki-Schloß zurück. Die sanitären Zustände Italiens stellen sich immer noch als wenig erquickliche dar. König Humbert hat sich aufs Neue nach dem Hauptseuchenherde, nach Neapel begeben, um durch seine Anwesenheit den moralischen Muth der Bevölkerung zn stärken. Das edle Bei spiel selbstvergessener Aufopferung, welches der König seinem Volke in schweren Tagen giebt, wird von dem intelligenten Theile der Na tion seiner vollen Tragweite nach gewürdigt, und selbst enragirte Re publikaner leugnen nicht oen mächtigen Eindruck, den das ebenso ritter-