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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.12.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111228023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911122802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911122802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-12
- Tag 1911-12-28
-
Monat
1911-12
-
Jahr
1911
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Bezugt-Prels st» L»tp»>, »»» «»r»n, »»rch «»jer» I»ta»i und So»»i«e,i, lt»I«ch in» yan» «»diat« « VI. «»»«U. «.7» »N. »tinulltdkl Vu» uni»»» iZ>Uat«n » An» «hmeliell»« ,da«d»U » PI. «onatl, L»«l. »I.N«I,LhkL V»»« »t« «.«, t»n«rhald Deuiichland» und der d»«N4e» Rolonte» »»«»leliSdkl ».«> «k„ «nnatl. lltv Vtt au,Ml PoI»d«»«Uu,ld S«»»«r t» Bald«» tänemarl. den ^anauvaatrn. Äraltra v»»»mdu>u. Sti,d»«ta»d« Xor- w»ara Orft»«,«d» Unuani. Vusitand. Schwede«, Schwel» u Soanlea. 2» all« «idnge« tzlaolrn nur dnatt »uich dt« (b«IchüU»ft«ll, da» «lalle» «ihLUllch. Da» L«l»»«„, ragadla« «»Ich««»» r«al tögttch. Sana» ». tVa>«na»» nui »ai-.a». Vd»nn«m»nl»->nnal>m« 2»I»»at»a»ll» de« »n>»,»n T»ü,»rn. AtUalan. Epeviteure» »ad AnnahmesteUen. lowir Poilämten» aad vrteükagenl. Stai«l»«»ra»t»»»at» lll Dt, Abend-Ausgabe. MMerTaMM ... s14«r lN^»—Ickl»v Lel.-Äuschi.i l« «r lt4«4 Handelszeitung. Tel.-Zinschl. 14 «92 tNa»taaI«l>v 14 «93 14 894 Amtsblatt des Nates «nd -es Nokizeiamtcs -er Ltadt Leipzig. Sazeigen-Preis ft» Sntaral» au» L«w«iu an» Um,«bun, dt» llpatti,« V«Ntt»il, SPI,vl»«»ciam»» »ell« I Ml. «an au»wSri» »> VI. ««Nomen UV Ml. Inleiat« »an «ehüiden lin amt» Uche» r,II »I, Pellttell. SN P» V«Ichält»ant»«a»n mir Pla»var1<t>rM«a im P»«y, »idödi Nadatt nach Tarts V,ilaa<a«dahi lbeiamt» auflaa« L Ml. » Taalend «in. Pallaebühk. TettbeNag« d-oer. FefterteUt« Autlroa« können nt<t>l »uni«» aeeoaen werden. !»ü, da» Erscheinen an bestimm«»« Tonen und Planen wird lei« Lar.ntt« übernommen. Anielaen-Annabm«^ 3»d»nni»aast» 8, bei sümtliche» ittliale» » allen Annoneen» Lraedtttanen de» In» and Au»lande». »rat an» Verla» »»» gliche» A Miirstea Inhaber: Paal Aürften. tledatttai »nd kbeschäsliftell«: Ivdannirgail« 8. -cupt« Filiale Dr«»d«a: Serftrab» ch 1 (Telephon Eli. Ur. 3SS. 105. Isyryanl» Dvnnersts-, üen 28. Dnemder l911. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 8 Setten. Das Wichtigste. * DieMaffenoergiftuuge« im »er« liuer städtifchen Obdach haben bereit» SV Todesfälle und über 100 Erkran kungen zur Folge gehabt. (S. des. Art.) * Italien beabsichtigt weitere vier Infan terie-Regimenter nach Tobruk und Der na zu entsenden. (S. bef. Art.) * Der türkische Kriegsminister ver öffentlicht ein Telegramm über einen türki schen Sieg bei Tobruk. (S. bef. Art.) * Nach einer Meldung aus Tanger wird eine Abteilung scherifischer Truppen als stän dige Besatzung nach Agadir entsandt wer den. (S. Pol. Nachr.) * Als Nachfolger des bisherigen persischen Schatzmeisters Shu st er wird der persische Zolldirektor, der Belgier Mornard, ge nannt. (S. bes. Art.) Die MsllelmergMung im Berliner ltüütilchen Gbüsch. In allen Bevölkerungskreisen erregt die Massen vergiftung im Berliner städtischen Obdach großes Aufsehen und allgemeine Teilnahme. Die einander immerfort und immer schlimmer auf dem Fuße fol genden Unglücksnachrichten werden auf das leb hafteste kommentiert. Eine völlig klare Darstellung liegt bis zur Stunde noch nicht vor, man mutz sich vielmehr aus den zahllosen Meldungen ein Bild von dem Unglück zu machen suchen. Wir verzeichnen zu nächst folgende Meldungen des offiziösen Tele graphenbureau»: Berlin. 28. Dezember. Nach den augestellten Ermittelungen in den Krankenhäusern, beim Der« band für erste Hils« und im Asyl für Obdachlose sind nunmehr von über 100 Erkrankungen etwa 50 tödlich verlaufe«. Die genaue Zabl an zugeben, ist ganz unmöglich, da fortgesetzt neue Erkrankungssälle gemeldet werden. Berlin, 28. Dezember. Die Ursache der Er krankungen im städtischen Asyl war bis in die späten Nachtstunden nicht einwandfrei auf geklärt. Die Nachforschungen wurden dadurch er schwert, daß die Mehrzahl der Personen, die Aus kunft geben könnten, bereits gestorben ist, und die in den Krankenhäusern liegenden Asylisten hohes Fieber haben. Trotze Wahrscheinlichkeit dürfte es für sich haben, dah mehrere Asylisten die Zentralmarkthalle am Alexanderplatz ausgesucht hatten, um sich dort vom Kehrichthaufen verdorbeneBücklinge.dievondenHänd- lern fortgeworfen worden waren, anzueignen. Diese Fische verkauften sie wieder gegen Schnaps anderen Asylisten, die sie wieder mit anderen Asylisten teilten. Kriminalkommissar Toussaint, der mit den Er mittlungen beauftragt ist, war mit einer großen An zahl Beamten den ganzen Tag über beschäftigt, um Feststellungen zu machen, ohne jedoch ein wirkl-cb greifbares Resultat zu erzielen. Daß es sich hoher Wahrscheinlichkeit nach um Nahrungsmittel vergiftung handelt, geht schon aus dem be merkenswerten Umstand hervor, daß nur Insas sen des nächtlichen Obdachs in der Fröbel- straße erkrankten, nicht aber auch Insassen deS in demselben Gebäude befindlichen Fansilienobdachs oder der anderen Obdachs. Aber auch von den zahlreichen Angestellten des Obdachs, die ständig um die Erkrankten beschäftigt waren und ihnen auch Hilfe leisteten, ist niemand erkrankt, ebensowenig die Aerzte. Ta der Verdacht bestand, daß die Erkrankungen und Todesfälle möglicherweise durch eine von einem Asylisten eingeschleppte Infektions krankheit verursacht worden sind und sich so weiterverbreitet haben, war, wie bereits gemeldet, die Sperre über das gesamte städtisch Oboach ver- hängt worden. Auf Anordnung der Staats anwaltschaft wurde deshalb noch die Obduktion einer der Leiche» angeordnet. Di« Amtsstellen wurden benachrichtigt, so daß bald nach 7 Uhr abends mit der Leichen öffnung durch die Gericytsärzte Geheimrat Professor Tr. Dtraßmaun und Medizinalrat Dr. Hosfmann begonnen werden konnte. Neben dem Staatsanwalt und dem ersuchten Richter waren Professor Lenz vom Institut für Infektionskrankheiten, Oberstabsarzt a. T. Dr. Hüttig und Kriminalkommissar Dr. Rocski, der Vorsteher des Leichenschauhauses, anwesend. Es wurde die Leiche des Aroeiters Max Voigt, eines der zuerst Gestorbenen, geöffnet. Abends 9 Uhr war die Obduktion beendet; si-e hatte allerdings nur ein vorläufiges Er gebnis. Tanach scheint eine Infektionskrankheit — man hatte mit Genickstarre, Typhus und Cholera gerichimt — so gut «i» au » - »s chl»ftß «. «Ist vielmehr anzuuehmen, daß eine Fischvergif tung vorliegt. Magen und Darmwände zeigten leicht gerötete und geschwollene Steifen, aber nicht in dem Maße, wie. sonst bei tödlich, verlaufenem Fischvergiftungen. Tie aus dem Institut für In fektionskrankheiten erschienenen Aerzte nahmen Teile des Magens und bessert Inhalt zur bakteriolo gischen Untersuchung mit. Tiefe Untersuch ung wird heute nachmittag gegen 2 Uhr abgeschlossen sein, und erst dann kann die Erkrankungsursache mit aller Bestimmtheit genannt werden. Die Obduktion der anderen Leichen ist für heute, morgen und übermorgen angeordnet worden. Tie Leichen sind alle in dem großen Kellerraum unter gebracht. Nachdem sie reichlich mit Karbol be gossen waren, wurde der Keller amtlich versiegelt. Eine amtliche Bekanntmachung wurde gestern kurz nach 10 Uhr abends ausgegeben. In dieser Veröffentlichung sind 30 Tot« und 4S Er krankungen verzeichnet; dies« nisdrwen Ziffern kom men daher, datz ein Teil der neuen Erkrankungen um Todesfälle sich erst später ereignete. Di« Bekannt machung hat solgenden Wortlaut: „Nach den Krankheitserscheinungen und dem Er gebnis der Sektion einer der unter den typischen Er scheinungen verstorbenen Personen handelt es sich jedenfalls nichtum ein« an st eckende Krank- heit, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Nahrungsmittelvergiftung. Die Quelle der letzteren ist nicht e rmitteIt worden. Es lft aber mit Sicherheit anzunehmen, datz es sich um Nah rungsmittel handelt, die in das städtische Obdach «rn- gefchleppt worden find. Es sind bis jetzt 45 Krank- heit-fälle gemeldet, wovon 30 tödlich verlaufen sind. In den letzten Stunden haben die Erkrankungen an Zahl und Heftigkeit nachgelassen. Die Sperre über das Obdach, d. h. das Verbot, das Oboach zu ver lassen, ist jetzt aufgehoben worden." Die amtliche Mitteilung stützt sich auf einen Be richt, «den der Kreisarzt Dr. Hüttig auf Grund des Obduktionsbefundes an das Polizeipräsidium er stattet hat. Vor dem Asyl in der Fröbelstratze zeigt« die Straße bis in die Nach- mitiagsstundm hinein kaum ein verändertes Bild gegen die sonstigen Tage. Die Fröbelstratze. in der nur die rechte Seite bebaut ist, liegt tagsüber ziemlich still da und weist nur wenige Passanten aus. Dasselbe Bild zeigte die Strotz« auch gestern, nur daß mehrere Schutzleute vor dem OHda'ch auf und ab patrouillierten, um die Sperre aufrechtzurrbalten. Nach 3 Uhr nachmittags änderte sichdas Bild. Von allen Seiten kamen die Obdachlosen in unab - sehbaren Scharen herangezagen, um Aufnahme rm Asyl zu suchen. Gegen 4s4 Uhr fuhren in rascher Folge Krankenwagen auf Krankenwaaen vor d. i städtischen Obdach vor. Zn Decken gehüllt, wurde eine Person nach der anderen von den in weiß: Kittel g-rkleidetcn Angestellten des A'yls in die Wa gen gehoben, die alsbald nach dem Krankenhaus da- v. i fuhren. Dor dem Obdach hatten sich inzwischen zahlreiche Neugierig« anqesammelt. Bis in di« späten Nachtstunden hinein dauert« das Ein- und Abfahren der Krankenwagen. Berliner Obdachlosigkeit. - Tie Massettvergtftung rm Obdachlosen asyl der Stadt Berlin hat von neuem die allgemeine Aufmerksamkeit auf einen der schwersten Schäden unserer Großstadtkultur 'gelenkt: auf die Obdach losigkeit vieler Tausende. Wenn man anläßlich jener Maisenvergiftung hört, daß im Städtischen Asyl der Reiclsshauptstadt die Tagesbenupung sich auf rund 2700 Köpfe stellt, so erscheint diese Zahl um so mehr erschreckend, als zu ihr noch die aus der Benutzung des Privatasyls sich ergebende htnzukommt. ES darf aber nicht vergessen werden, daß bei der Beurteilung der Berliner Obdachlosigkeit zwischen der seßhas- t e n und der n i ch t s e ß h a f t e n Bevölkerung unterschieden werden muß. Für die seßbafte Ve- völkerung Berlins besteht das sogenannte Familien obdach, in dem Familien, die zeitweise ohne Wohnung sind, Unterkunft finden, um nach einiger Zeit mein mit einer Beihilfe zum Mieten einer neuen Wohnung entlassen zu werden. Bon dieser Einrichtung wird nur ein bescheidener Gebrauch gemacht; e-Z befanden sich z. B. im Jahre 1907 im ganzen 807 Familien mit 2549 Köpfen, im Jahre 1908 1028 Familien mit 3181 Köpfen im Familienobdach. Wird das städtische Obdachlosenasyl daneben in ungleich größe- rem Maße aufgesucht, so geschieht das hauptiachlich von selten der nichtseßhaften Bevölkerungsclemente, bei denen vielfach Arbeitsscheu vorauSzusetzen ist M u e n st e r b e r g, ein hervorragender Kenne,- dieser Verhältnisse, schreibt hierüber in der neuesten Auslage des „Wörterbuchs für Volkswirtschaft" (Jena, Gustav Fischer): „Gerade die Kategorie der Arbeitsscl>euen ist es, die einen so erheblicl^n Anteil an der Obdachloiigkei: hat, daß sie tatsächlich mit den Bettlern und Land streichern viel identisch sind." Diese Auffassung wird durch die Tatsache be stätigt, daß die Benutzung der Asyle im Widerspruch zu allen übrigen Leistungen der Armenpflege auch in wirtschaftlich guten Jahren nicht nachgelasten hat. Im städtischen Obdach Berlins wurden nämlich in den Jahren 1905—1908 ausgenommen: rund 575 009 Personen, bzw. 549 000, bzw. 629 000, bzw. 866 000 Für daS Privatasyl deS Asylvereins für Obdachlos:' lauten die Ziffern in denselben Jahren: rund 309 Oou Personen, bzw. 302 000, bzw. 279 000, bzw. 310 00«' Tiefe Statistik rechtfertigt den Standpunkt des Dem schen Vereins für Armeiipslege und Wohltätigkeit, d?r für nicht seßhafte Obdachlose an der Forderung dc- Legitimation, bzw. deren Ersatz durch A r b ci tSlei stu ng festyält, und den Grundsatz voll ständiger Anonymität, der von der Privatwohltütig- keit vertreten wird, als berechtigt nicht anerkennt. Freilich ist die praktische Durchführung des vom Deutschen Verein für Armenpflege und Wohltätigkeit eingenommenen Standpunktes schwierig. Daß sie aber die einzige Möglichkeit bildet, um dem llebel der immer steigenden Benutzung der Asyle entgegen zuwirken, darin hat Muensterberg angesichts der sta tistischen Erfahrungen ohne Zweifel recht. Sozislüemokrstilche weitrnsHts» rertretzun?. Daß es der Sozialdemokratie doch immer noch möglich ist, einen höheren Grad von Frivolität bei ihrer Massenverhetzung zu erreichen, dafür bietet eine Weihnachtsbetrachtungdes.,Vorwärts" den Beweis. Es heißt am Schluß« dieser Aus führungen: „Die Frommen feiern heute di« Geburt ihres Heilands, ihres Erlösers. Das Proletariat weiß nichts von Erlösung, es ist nicht erlöst: aber es e r - wartet auch keinen Retter, keinen Messias, L«r es durch himmlische Gnad« emporzöge. Täglich aufs neue ans Kreuz der Zwangsarbeit geheftet, trägt es die Dornenkrone des Glends tief in die bleiche Stirn gepreßt. Täglich bringt es der Welt das Licht, und täglich wird es an -en Felsen der Not geschmiedet, und der Geier kapi talistischer Habsuchtzerfleischt täglich seine Brust und nährt sich von seinen Eingeweide n. Aber das Proletariat harrt nicht wie der Prometheus der griechischen Sage in Geduld des befreienden Halbgottes, und es beugt nicht duldend sein Haupt wie der Christus der Legende; der trotz aller Not täglich erstarkende Riese reckt seine mächtigen Glieder, um die Fesseln zu sprengen. . . . Das Proletariat wird zu menschenwürdigem Da sein gelangen, sobald es die Herrschaft des Bürger tums abgeworfen, sobald es nicht für den Profit weniger, sondern für den Bedarf der großen Masse arbeitet. Dann wird es nicht mehr notwendig sein, mit Gewalt fremde Märkte zu erobern, während zu Haus« das Volk hungert und friert, es wird undenkbar sein, daß sich Völker bekriegen, weil die Profitjäger der einen Nation mit denen der anderen in Streit geraten. . . . Das Proletariat bedarf keines Erlösers, es erlöst sich selbst." Es ist schade, daß der „Vorwärts" seine Aufsätze Hur erriet kde. Roman von H. Eonrths-Mahler. 19s (Nachdruck verboten.) „Bist du etwa schon tu ihn verliebt?' Eva lachte. „Ach nein. Weißt du, ich glaube, in einen Vetter kann man sich gar nicht verlieben. Der ist mehr so wie ein Bruder." Jutta schüttelte energisch das Wasser von den Händen. „Pöh, ich glaube sogar, eS geht ganz gut. Ich meine, — na, sieh mich doch nicht so erstaunt an. Hast du denn noch nicht gemerkt, daß Silvie Fritz heiraten will?" „Nein, — ich habe nichts bemerkt." „Dann bist du schön dumm, Ev'. Das merkt doch 'n Binder. Sie dreht sich ja bald die Augen aus dem Kopf nach ihm. Aus Liebe freilich nicht, — nur weil sie Majoratsherrin von Wollersheim werden will. Du und ich, wir können dann mit Mama hinüber in das Witwenhäuschen ziehen und uns von Silvie über die Achsel ansehen lassen, wenn sie vorher nicht vor Hochmut platzt. Aber ich leide es nicht, daß Fritz sie heiratet, daß du es nur weißt. Ich leide es auf keinen Fall." Und Plötzlich schossen ihr die Tränen aus den Augen, und sie warf sich an EvaS Brust. „Aber Jutta, liebe Jutta, — wie kannst du nur so reden! Selbst, wenn alles so wäre, wie du sagst, so müßtest du dich doch darin finden." „Nein, das tue ich nicht. Ach Ev', liebe Ev' — wir dürfen eS nicht leiden. Fritz rennt ja in sein Unglück, wenn er dies kalte, hochmütige Geschöpf heiratet. Und unglücklich soll er nicht werden; er ist ja so gut — so gut. Er verdient einen Engel zur Frau." Eva sah betroffen in daS zuckende, junge Gesicht der Schwester, in ihre angstvollen Augen. Was war mit der sonst so resoluten Jutta ge schehen? „Aber Jutz, kleiner Jutz! Ich glaube, Fritz würde ich auslachen, wenn er deine Angst um ihn sähe. Daß er sich etwas aus Silvie macht, glaube ich nicht. Es scheint mir eher, als ginge er ihr aus dem Wege, wo er kann," sagte sie tröstend. Jutta trocknete hastig ihre Tränen und atmete erleichtert auf. „Es wäre ja eine riesengroße Dummheit von ihm, sich fangen zu lassen. Er hat es mir auch schon selbst gesagt, daß er sie nicht mag." „Nun siehst du, — 8a brauchst du dir doch keine Sorge zu machen.". Jutta seufzte. „Ach Gott, — du kennst Silvie eben nicht. Wer weiß, was sie ihm für Fallstricke legt. Aber ich werde die Augen offen halten, das sage ich dir." Eva küßte sie lächelnd. „Nun mache dich aber schnell fertig, sonst kommen wir zu spät zu Tisch." Wenige Minuten später traten die Schwestern zusammen in das Speisezimmer. Man stand schon ihrer wartend hinter den hochlehnigen Sesseln. Wie bei Evas erstem Auftreten im Familienkreis richteten sich auch jetzt aller Augen auf sie. Diesmal jedoch mit ganz anderem Aus druck. Der Schmetterling war auS der häßlichen Raupe gekrochen. Und so plötzlich und über raschend hatte sich diese Umwandlung.vollzogen, daß sie niemand recht begreifen konnte. Fritz'S Lippen entfuhr ein leises: „Donner wetter"; und er starrte Eva bewundernd an. Silvie hörte eS und sah seinen Blick. Und von diesem Augenblick an haßte sie Eva, über die sie bisher nur gespottet hatte. Sie erkannte mit neiderfülltem Herzen, daß sie neben dieser anmutigen Erscheinung verblassen mußte. Frau von Woltersheim nahm die Lorgnette vor die etwas kurzsichtigen Augen und betrachtete Eva mit sehr geteilten Empfindungen. Wohl hatte ihr die Zofe von Evas Umwandlung berichtet. Aber auf diesen Anblick war sie denn doch nicht gefaßt gewesen. Diese Eva entpuppte sich ja in sehr überraschender Weise zu einer Schönheit. Das war ihr fast unangenehmer, als der wenig günstige Eindruck, den Eva zuerst gemacht hatte. Ihre eigenen Töchter würden schwerlich noch neben Eva zur Geltung kommen. Es war hohe Zeit, daß Silvie wenigstens sich verlobte, ehe Eva in die Gesellschaft eingeführt wurde. Wenn doch nur Fritz sich endlich für Silvie erklären wollte. Aber er schien jetzt nur Augen zu haben für seine neue Verwandle. Daß ihr dies Mäd chen auch gerade jetzt ins Haus schneien mußte. — Sie verbarg ihre Gefühle unter einigen lau anerkennenden Worten. Dafür aber strahlte Herr von WolterSheim über das ganze Gesicht und klopfte Eva zärtlich die Wange. „Bist ja mit einmal eine reizende junge Dame geworden, Evchen. Nun küß' Mama die Hand, daß sie dies Wunder an dir vollbracht hat," sagte er voll stolzer Freude. Eva hatte inzwischen schon gelernt, die Hand zu küssen. Sie tat es mit einem dankbaren Blick, stotterte aber unter den kühlen, scharfen Augen der Stiefmutter verlegen einige Worte hervor. Dann stolperte sie über den Teppich, als sie sich zu ihrem Platz begab; und als sie Silvies höhnisches Lächeln bemerkte, faßte sie so heftig nach ihrer Serviette, daß sie Messer und Gabel mit herunter riß. Natürlich wollte sie sich selbst danach bücken, da sie sich an die ständige Bedie nung nur schwer gewöhnen konnte. Aber ehe sie dazu kam, legte Fritz verstohlen mahnend die Hand auf ihren Arm. Da blieb sie steif und wie gebannt sitzen und ließ den Diener daS Ge fallene aufheben. Ihr Gesicht brannte vor Ver legenheit; sie empfand selbst nur zu wohl ihre Ungeschicklichkeit. Ihre Stiefmutter hatte scharf nach ihr hin übergesehen. Aber erst als der Diener sich ent fernt hatte, sagte sie ermahnend: „Du mußt dir ruhige Bewegungen ange wöhnen, Eva, und genau darauf achten, wie wir uns benehmen; damit du keinen Anlaß gibst, daß sich die Leute über dich mokieren." Nachdem sie ihren heimlichen Groll aus diese Weise ein wenig entladen hatte, fügte sie, ihres Gatten verfinstertes Gesicht streifend, liebens würdig hinzu: „Aber das wirst du bald alles lernen. ES fehlt dir ja nicht an Vorbildern." Eva war aber wieder einmal total verzagt u id hielt es für unmöglich,daß sie jedesmal sich so tadellos benehmen lernen würde wie zum Beispiel Silvie. — Jutta und Fritz schlossen noch an demselben Tage ein heimliches Schutz- und Trutzbündnis, um Eva vor Entgleisungen zu bewahren und ihr das Einleben auf Woltersheim so leicht als möglich zu machen. Fritz mochte Eva sehr gern leiden. Ihm und Jutta gegenüber gab sie sich auch ungezwungen, und da machte sie nie einen Fehler. Nur unter SilvicS und der Stiefmutter kühl-kritischen Augen passierte ihr allerlei Ungeschick. Auch dem Vater gegenüber gab sie sich in anmutiger Ungezwungenheit; und ihre liebevolle zärtliche Art wärmte ihm daS Herz. Schneller, als man hätte annehmen sollen, waren zwischen Vater und Tochter alle Hindernisse gefallen. Wolters heim freute sich aber doch, daß Eva schnelle Fortschritte machte in der Sicherheit des Be nehmens auch in Gegenwart der andern. Ihre natürliche Anmut kam ihr dabei zu Hilfe. Lorlsttzmig d« viorge»au»g«-»^
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