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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.06.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110614028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911061402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911061402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-14
-
Monat
1911-06
-
Jahr
1911
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Bezugs-Preis Ar Ueipzl« »nv v,r»rr» »urch »nler, TrSar« ,»d Eordtt»»r, Umot tüßttch t»» puu» «rdrochi « Vt. «onatU, L.7Ü «l. oteneliohrl. Bei »nfen, FUtale» » Nn» «admeftrllr» adordolt iS Pt. «»»all. »trarllätzu. D»e» »<« V»I > »nnrrhald D«»i>chlan«, »nv drr deutfch«» Kolonien o'ettellädrl. » W MI» «onatt. t.AIPik a»»><hl Poildeltellueld Aren« In B«l«««n, Dänemark. vei> Donaaltaarrn, Jtalte» itorrmduc» Niedeeland«. Nor wegen Oeilerrexd-Ungarn, Nullland, kchwede» Schwrt« » Spante» An alle» Übrigen Siaaien »ui direv durch dl« tb«jchült»ir»lla d«a Klarte» «ddUUL Da» Uerviigar Lagedlarr «rlchrlar »mal täglich Sonn. » ffeienag» »u» morgen». Bdonnem»ni»-Ännadm, I»da»»>»goll» ll, bei unjeren Tragern. Filiale». Spediteure» und Nanadmeftellen, lowr« Poitamter» »ud vnesiräger» Oluraluariaukuvr«»» dvk. Nr. 163. Abend-Ausgabe. WpMer Tageblatt r-r.Än,chl.!" Handels^eitung. Amtsblatt des Nates und des Notizeiamtes der Htadt Leipzig. Anzriqen-Preis Ilir Inlerar, au» Uerpti» »»« Umgevu», di» lIpaltig»P«Nt»»ile L Pf-dl» Reklame, »eil» l Mk. von auswari» «> Pf. Neklaine» i-L Ml. Inleral, »on vedürde» im amu liche» Teil di» Per««»»!, SU Pf lbelchaltranielge» m« Plauoorlchrilirn » l» der Nvrndausgad« im vielte «iü6tit Nada« nach Taril Kellagegedül« lbelamt. aullag« b Mk p Taulend «rlt Poilgebubr. Irilbeilag« höhet Fefteneili» Äuiirüa« können nicht ,urüa. gejogen werden Für da» Srlcheinen a» veuimmtrn Tagen and Plagen wird kel», Garantie übernommen Sn,eigen - Ännahme .i»danni,,all« d, bet iamrlichen Filialen » alle- Annoncen. Groedilione» de» In. und Surlande» Dr»a «»» «irela, de» Velo«»«» Taue- dlatte» l! Pol». 2»dader Paul ttürlle» NedaNlon o»d <b»Ich<ilt»UeI' > Iohannrrgall« Haupt »Filiale Dre»«e»r Eeeitrali« 1. I lTelevdoo «LAX Mittwoch, üen 3um 19! l. 105. Jahrgang. Die vorliegende Aufgabe um,aßt 6 Seiten. Die Dahlen in Oesterreich. Die diesjährigen Neichsratswahlen in Oesterreich sind nach einem fast beispiellos heftigen Wahlkampfe, der am Wahltage selbst hier und da sogar zu bluti gen Schlägereien ausartete, am Dienstag vor sich ge gangen. Trotz der zahlreichen Kandidaten in vielen Wahlkreisen ist gleich im ersten Wahlgange die Ent scheidung über mehr als die Hälfte aller Mandate Les Abgeordnetenhauses gefallen. Während der poli tische Besitzstand der Südslawen und Italie ner ohne Veränderung bleibt, haben die Deutsch- Freiheitlichen namentlich auf Kosten der Christ lich-Sozialen Erfolge zu verzeichnen. Ganz besonders erfreulich sind die Siege der Deutschfreiheitlichen in den Landgemeindebezirken Aussig und Gablonz über die Sozialdemokraten; auch Linz ist den Sozialdemo kraten verloren gegangen; dafür sind sie anderswo infolge ihres starken Stimmenzuwachses in aussichts reiche Stichwahlen gelangt. Die Signatur des Wahlausfalls ist indes die gewaltige Niederlage der Christlich-Sozialen, die früher unter Luegers Führung die stärkste ausschlaggebende parla mentarische Gruppe bildeten. Ganz besonders auf fällig tritt das Mißgeschick Lieser Partei in ihrer ehemaligen Hochburg Wien in Erscheinung. Wäh rend dort noch 1907 im ersten Wahlgange 18 Christ lich-Sozial« gewählt wurden, gewannen diesmal auf den ersten Ansturm nur 5 Mitglieder dieser Partei in Wien ein Mandat. Die stark zum Klerikalismus neigende Politik des gegenwärtigen Führers der Christlich-Sozialen, Geßmann, hat damit eine recht deutliche Quittung erhalten. Ob sich die Partei noch sonderlich viel Mandate bei den Stichwahlen holt, bleibt abzuwarten. Bedauerlich ist, daß in Prag das Tschechentum große Erfolge zu verzeichnen gehabt ergebnisse liegen folgende Drahtmeldungen vor: Wien, 14 Juni. (Tel.) Dis gegen 6 Uhr früh waren 400 Wahlresultate bekannt; davon 232 endgültige. 168 Stichwahlen sind erforder lich. Gewählt wurden 59 Christlich-Soziale, 43 Sozialdemokraten, darunter 12 tschechische Sozialdemokraten (Autonomisten), 34 Mitglieüer des Tschechenklubs, 41 Mitglieder des Deutsch-Nationalen Verbandes, 1 Anhänger der deutschen Arbeiterpartei, 8 Mitglieder des Polen klubs, 5 Bukowina-Nuthenen, 17 Slowenisch-Katho lische, 5 Slawisch-Nationale (Kroaten), 7 Italienisch- Katholische, 2 Italienisch-Liberale, 2 Wilde, 1 Alt deutscher, 1 Jüdisch-Nationaler, 1 Altkonseroativer. Unter den Gewählten befinden sich der Christlich- Soziale Baron Fuchs, der rumänische Sozialdemo krat Erecravici (gewählt gegen den Deutsch- Freiheitlichen Skedl), ferner die Deutsch-Freiheit lichen Lecher,Urban, Schreiner, Delvert. der Altdeutsche I r o, der Jüdisch-Nationale Strau- cher, der Deutschradikale Wolf und der Jung tscheche Kramarc. Wien, 14. Juni. (Tel.) Im 20. Bezirk kam es nach Verkündigung des Wahlresultates zu großen Ausschreitungen. Sozialdemokraten griffen zwei Polizeibeamte an und warfen sie zu Boden. Die einjchrettende Wache wurde von der Menge mit Steinen beworfen, worauf die Beamten blank zogen. In dem Handgemenge wurden vier Polizeibeamte verletzt, einer erhielt einen Messerstich. Von den Demonstranten wurden gleichfalls vier, unter ihnen einer schwer, durch Säbelhiebe verwundet. Fünf Personen sind verhaftet worden. Prag, 14. Juni. (Tel.) In den Vorstädten kam es zu blutigen Kämpfen, in die die Polizei eingreifen mußt«. Ein Abgeordneter wurde blutig geschlagen. Oer internationale Seemsnnsltreik soll am heutigen Tage beginnen. Bis jetzt hat sich die Bewegung allerdings nur auf England, Holland und Belgien beschränkt, denn die See leute der deutschen und dänischen Nordsrehäfen haben sich dem Streik nicht angeschlossen. Begonnen hat die Bewegung schon vor einigen Wochen. Eine besondere Wirkung scheint sich die Streikleitung von dem Zusammenfallen der englischen Königskrönung und des Streikbeginns zu versprechen, die dadurch noch erhöht werden soll, daß zum Zeichen des Beginns um 7 Uhr abends — eine Rakete abgefeuert wird. — Wenn man bedenkt, in wie ausgiebiger Weife das Streikkomitee für die geplante Bewegung Reklame ge macht hat, so muß es geradezu grotesk wirken, wenn man sich einmal die letzten Nachrichten zifferngemäß ansieht. In Antwerpen umfaßte die Streik bewegung ganze 80 Matrosen. Trotzdem, daß das Syndikat der belgischen Seeleute ein Manifest ver breitet hat, in dem der allgemeine Ausstand erklärt wird, scheint die Wirkung der Hoffnung nicht zu ent- knivk»«-« a>i<> r D -Pi- Anwerbungen machen können. Allerdings haben sich all diese Dinge vor der offiziellen Eröffnung des Streiks abgespielt, und es ist immerhin noch möglich, daß die Situation kritisch wird, wenn die folgenden Drahtnachrichten recht behalten sollten. London, 14. Juni. (Tel.) Der Führer der Arbeiter Tom Mann ist in Liverpool an» gekommen, um den Ausstand zu leiten. Joseph Cott er, ein Mitglied des internationalen Aus schusses, erklärte, es seikeinTag für die Eröffnung des Ausstandes festgesetzt. Wenn der Streik ausbreche, würden alle großen Passagierdampfer der Ueberseelinien aufgehalten werden. Von der Streikleitung in Glasgow wurde erklärt, daß der Generalstreik der Seeleute bevorstehe; es wird aber abgelehnt, das genau: Datum vor morgen, wo Demonstrationen stattsinden sollen, bekannt zu geben. South Shields, 14. Juni. (Tel.) Der auf heute angesetzte Seemanns st reik wird nach den letzten Beschlüssen abends 7 Uhr beginnen. Das Signal wird durch Abfeuern einer Rakete gegeben werden. Amsterdam, 14. Juni. (Tel.) Eine Ver» sammlung der Seeleute beschloß ein stimmig die Verkündigung des allge meinen Aus st andcs bei sämtlichen Schiffahrts gesellschaften. Der Ausstand beginnt heute früh. politische Nachrichten. Graf Bernstorff Ehrendoktor der Universität Chicago. Chicago, 14. Juni. (Tel.) Der deutsche Botschafter Graf Bernstorff war Gast der Universität von Chicago. Bernstorff sprach vor der Universität über die Grundlagen des Deurschen Reiches. Die Universität verlieh dem Bot)chaster den Ehrendottorttlet. Zu Hills Abschied. Berlin, 14. Juni. (Tel.) In der ame rikanischen Botschaft verabschiedete sich gestern der Botschafter Hill mit seiner Gattin von den Angehörigen der amerikanischen Kolonie. Hill geht in der zweiten Hälfte des Juni nach Kiel, kehrt dann noch einmal nach Berlin zurück und tritt dann Anfang Juli eine Reise nach der Schweiz an, wo er den Sommer und Herbst verbringen will. Nachklänge der mexikanischen Unruhen. New York, 14. Juni. (Tel.) „Associated Preß" meldet aus Chihuahua: All« po litischen Gefangenen, darunter 14 Ameri kaner und 2 D eu t s ch e, die in der Schlacht bei Casar Grandes gefangen genommen wurden, sind srerge- lassen worden. Bor der Entscheidung. Washington, 14. Juni. (Tel.) Der Senat begann die Beratungen über das Eegenseitig- keitsabkommen mit Kanada. Kus Leimig uns Umgegend. Leipzig, 14 Juni. Wetterbericht der Kgl. Sächs. Landeswetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 15. Juni. Nordwestwind, wolkig, kühl, zeitweise Aussetzen der Niederschläge. Pöblberg: Berg nebelfrei, Nebel ringsumher. Fichtelberg: Nachts schwacher Nebel. * Auszeichnung. Die Königliche Kreishauptmann schaft Leipzig hat dem seit 14. Juni 1886 ununter brochen in der Flügel- und Pianinofabrik von Wilh. Schimmel L Co., Eroßherzl. Sächs. und König!. Ru mänischer Hoflieferant in Leipzig-Stötteritz, Christian- Weiße-Straße 20/22, beschäftigten Werkmeister Fried rich August Böhme in Leipzig-Stötteritz ein« Ve- lobigungsurkunde ausgestellt, die ihm heute in Gegenwart seines Arbeitgebers an Ratsstelle aus gehändigt wurde. * Der Leipziger Verband von Freunden der frei studentischen Bewegung, der es sich zur Aufgabe macht, die Arbeit der aufgelösten Freien Sludenrci'-chaft fort zusühren, veranstaltet am Freitag, den 16. Juni, abends 8>/r Uhr, :m Frcisrudentischen Kasino (König straße 10) einen Dislussionsabenü über das Thema: „D er Weltfriede n", das Referat hält Dr. Paul Roth. Am Montag, den 19. Juni, abends 8'-> Uhr, spricht im Freistudentisihen Kasino Frau Wolff- Arndt über das „Frauenstimmrecht". An schließend Diskussion. Der Leipziger Verband von Freunden der freistudentischen Beweaung veranstaltet in nächster Zeit einen ZyllusoonDiskussions abenaen über studentische Fragen. Fol gende Themen werden behandelt werden: Am Dicns tag, 20. Juni, „Das V e r t r e t u n g s p r i n z i p"; am Freitag 23. Juni, „Akademische Frei heit; am Donnerstag, 6. Juli, „Die Deutsche Freie Studentenschaft"; am Dienstag, 11. Juli, „Geschichte der Leipziger Freien Studentenschaf 1"; am Freitag, 14. Juli, „D e r Studentenausschuß". Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei. * Vom Rudolstädter 8. < . Gelegentlich der vor gestern in Rudolstadt zu Ende gegangenen Tagung des Rudolstädter Senioren-Konvents, der bekanntlich ein Verband von Corps aller deutschen Hochschulen ist, wurden in diesen Verband definitiv ausgenommen: die Korps „Cheruscia"-llniverfiiät Berlin (frühere freie Landsmannschaft, gegr. 1859) und „Saxonia"- Landwirtschastliche Hochschule Berlin, frühere Ver bindung. gegr. 1879). Als Renoncierende wurden akzipiert: die frühere freie Landsmannschaft „2i- lingia"-Universität Breslau und das Korps „Teu- tonla"-Dresden. * Verband der Seilermeifter. Am vorigen Sonn tag wurde in einer in Dresden stattgefundenen Ver sammlung selbständiger Seilermeister die Grün- Lung eines Verbandes für das König- reich Sachsen beschlossen. Die Versammlung war aus allen Teilen Sachsens gut besucht und wählte Herrn Seilermeister Bruno Bukweil aus Wald heim zum ersten, Herrn Seilerobermeister Linke aus Leipzig zum zweiten Vorsitzenden. Zu Schrift iübrer und Schellenberg und Töpfer aus Dresden be stimmt. * Selbstmordversuch. In der Wohnung seiner Dienstherrschaft in der Jakobstraße versuchte sich in vergangener Nacht ein 17jähriges Dienstmädchen durch Kochgas zu vergiften. Mittels eines Sauerstoffappa rates wurde das Mädchen wieder zum Bewußtsein gebracht. Lebensüberdruß soll der Grund der Tat sein. * Hoffnungsvoller Sprößling. Wegen Diebstahls wurde ein 16 Jahre alter Schlosserlehrling von hier verhaftet, der trotz seiner Jugend wiederholt mit den Gerichtsbehörden zu tun hatte. Erst kürzlich wurde der Bursche aus der Hast entlasten, wohin er wegen Einbruchsdiebstahls genommen worden war. Jetzt stahl er in einem Geschäft aus einer Registrierkasse 30 -k. Diese Summe wurde von der Kriminalpolizei auf der Arbeitsstelle des Verhafteten versteckt vor gefunden. * Herrenloses Fahrrad. In Verwahrung der Kriminalpolizei befindet sich ein Fahrrad, das herrenlos im Maldstraßenoiertel aufgefundcn wurde. Das Rad ist schwarz lackiert, hat graue Laufdecken, Frau Welt. 23) Roman von Erika Riedberg. (SiachViiict verboten.) Sie blieb draußen, immerfort bestrebt, ihre klop fenden Pulse zur Ruhe zu zwingen. Unzählige Mate wiederholte sie sich, daß ja diese ganze Angst über trieben sei, daß ja unmöglich etwas Schreckliches passiert sein könne — höchstens eine Gemüts- und Neroenkrise — und deren getraute sie sich mit Hilfe Peter Hochaufs Herr zu werden. Nur das Nichtbeantworten ihres Briefes, dieses Jubelrufes, das brannte und schmerzte. Sie war so bescheiden gewesen, hatte so ganz dem Künstler in ihm das Wort gelosten — alles Schwei gen begriffen und verziehen, keine weibliche Schwäche und Empfindlichkeit in sich aufkommen lasten. Alle Liebe und Sehnsucht des Weibes hatte sie niedergezwungen — er sollte Freiheit in seinem Streben und Kämpfen haben. Ganz unbeeinflußt bleiben. Er verlangte Unerhörtes in dem Egoismus seines Künstlertums — immer war sie gewillt gewesen, dies Unerhörte zu leisten — im völligen Zurucktreten. Aus eigener Laufbahn wußte sie, baß man in den Stunden Les Ringens keines Menschen Nähe verträgt. Und daß das Bewußtsein eines heimlichen, unver lierbaren Besitzes schon genügt, über Klippen und Dornen hinwegzugeleiten. Jetzt aber, so in seiner Nähe, wollte ihr Herz sein Recht. Ihre niedergezwungene Sehnsucht brach trium phierend hervor und schrie nach ihm, dem alles Fühlen und Denken gegolten seit ihrer Kindheit Tagen. So natürlich und unabänderlich wie der Sonne Licht war's, daß sie und Eberhard ßusammengehörten. Angst geteilte sich hinzu und warf sie gerade jetzt, zur Zeit ihres Debüts, in einen Strudel von Unklar heiten. Dies Warten hier draußen! Eine Qual war es in ihrer nervös gesteigerten Empfindungsfähigkeit. Gerade als ob Hochauf irgend etwas, das die Tür dort bergen konnte, für sie gefürchtet hätte. Mitten in ihrer peinvollen Erwartung kam ihr ein Lächeln sicher und sieghaft: Nur erst ihn wieder- sehen! Ein einziger Blick — und alles, mochte sein und drohen, was wollte — war wie nicht gewesen Sie hatten sich wieder wie einst — wie immer und allezeit. Nur jetzt, jetzt ein Ende, Gewißheit! Ihre Augen bohrten sich auf die Tür, hinter der Hochauf nun schon eine ganze Weile verschwunden war möchte sie sich doch endlich, endlich wieder öffnen! — Da — sie stand plötzlich kerzengrade, ohne sich von der Stelle rühren zu können — da trat er heraus, kam auf sie zu Und sein Antlitz trug einen Ausdruck! Ein Leuch ten ging von ihm aus — und in seinen Augen war ein Blick, wie er nur aus den Augen strahlt, die den Abglanz des Göttlichen geschaut haben, so rein und erhaben, wie es dem Sterblichen in einem jener seltenen Momente tiefsten Erfassens vergönnt ist. Er nahm ihre Hand. „Komm!" sprach er nur, und Rührung zuckte um seinen Mund . Mitten in seinem elenden, kahlen Atelier stand Eberhard Hoffner bewegungslos. Seine Hände um klammerten die Lehne eines Schemels, seine Augen loderten ihr in einem dunklen, tiefblauen Feuer ent gegen. Er tat keinen Schritt auf sie zu. Er sprach keinen Laut — nur seine Blicke lagen verzehrend auf ihrem Gesicht, wie sie nun sah und starrte — hinstarrte auf das, was sich vor ihr erhob, leuchtend — klar, sieg haft — die Allwissende, Allesverstehende, lächelnd Verzeihende — das erhabenste Frauenabbilü — Frau Welt — die ihr, ihr Antlitz trug. Bewegungslos, wie sie, verharrte Erdmuthe. Nur ihre Hände hatten sich verschlungen, und still rieselten Tränen über ihre Wangen. Ein Glück war in ihr, das in seiner Größe schmerzte, eine Andacht, die die Seele empor zu bis her ungekannten Höhen riß, ein Dank an die ewigen Mächte, der das Herz fast zersprengte — Ein Trinken von Ewigkeitsgedanken aus jenem weit offenen, weit hinausschauendcn Blick. Und plötzlich war eine Stimme nahe an ihrem Ohr, die flüsterte: „So sah ich dich und so hielt ich dich fest — damals auf Hoffnersholm, als ich die Ketten brach —" Sie antwortete ihm nicht. Sic reichte ihm nur, immer Auge in Auge mit ihrem Abbild, die Hand. „Ist es geworden — Erdmuthe? —" Da wandte sie ihm ihr tränenüberströmtes Ge- sicht zu „Ö du! Du Großer! Du Lieber! Geliebter!" Und plötzlich, wie erwachend zu rein menschlichem, heißem Glück, schrie sie laut auf — und warf ihm die Arme um den Hals und jauchzte: „O du dummer, dummer Bub!" Er faßte ihre beiden Hände und glitt zu ihren Füßen nieder. Alle Qual und rasende Spannung wich. Ein wun dervolles, seliges Ausruhen bei ihr, die sein Leben, seine Seele selbst war, kam über ihn. Glatt und blau war plötzlich die Flut, deren wilde Wogen ihn eben noch über schwarzen Abgründen hin und her geworfen. Der ganze unsagbare Zauber der Frauenliebe überströmte ihn wie eine warme, wonnige Well«. Er preßte sein Antlitz in die weichen Falten ihres Kleides. 2üg erschauernd fühlte er ihre Hände auf seinem Haar. „Du bist es, Erdmuthe! Du bist es." Sie beugte sich über ihn mit Tränen der Seligkeit und flüsterte: .Lieb hab ich dich — o so lieb." „Und ich dich!" Mit einem Ruck stand er auf den Füßen und hielt sie ui den Armen und küßte sie. Und sie gab seine Küste zurück und sagte lachend und weinend: „Mein geliebter, großer Junge!" Peter Hochauf war indessen noch immer mit strah lenden Augen um die Statue hcrumgegangen. Erstens wollte er die beiden nicht stören, zweitens konnte er sich nicht satt sehen. Dieser infame Bengel! Dieser Schlingel! Dieser Heimtücker! Das hatte er fcrtiagebracht! So hinter seinem Rücken! Wie wahnsinnig mußte der Mensch ja gearbeitet haben. Natürlich steckte die Sidonie teuren mit dazwischen, in jeder Linie erkannte er sie. Hochauf lächelte vor sich hin Nur der Kopf — der gehörte Erdmuthe Und es zeigte tiefe Erkenntnis, daß dort nicht Sidonies schönes Haupt thronte. So leicht hätte keiner, zu dem sie sich als Modell herabließ, am wenigsten ein so junger Künstler, inne gehalten vor der -chönbeit ihres Antlitzes in dem Erkennen: „Für dieses Kunstwerk paßt sie nicht." „Imponieren muß einem der Schlingel! Mir so gar! Aber freuen tul's mich! Ganz närrisch freuen! Wenn das hier erst in Marmorschön« prangt —! Bei allen Göttern — bätt's der Eberhard nicht gemacht, so möchte ich's wohl gemocht haben!" Er kam zu ihnen heran. „Nun Herrschaften, wieder mit den Füßen auf der Erde?" Sie sahen ihn stumm und mit solcher weltentrück ter Seligkeit an, daß ihm der gutmütige Spott ver ging. Er legte Eberhard den Arm um die «chulter. „Mein Jung«, ich hab nicht gedacht, daß du mich so bald beim Wort nehmen würdest. Weißt du, da mals, als ich die Skizze zu Frau Welt sah, oa sagte ich doch: Wenn du bas einmal später, viel, viel später fertig bringst, dann will ich stolz darauf sein, daß du mein Schüler gewesen bist. Erinnerst du dich?" Eberhards Augen leuchteten in beinahe unirdi schem Glanze. „Ja Onkel!" sprach er stockend. „Und nun —?" Ueber Peter Hochauf kam wieder die Rührung. Weiß der Kuckuck, diese beiden Menschenkinder und ihr Geschick griffen einem wunderbar ans Herz. „Und nun?^' sagte er mit aemachter Barichheit: „Nun sag ich's schon jetzt — zum Donnerwetter!" Da ließ Eberhard seine Braut. Seine ausgebrei teten Arme hob er zu seinem Werke empor, und laut rief er, daß es von den Wänden hallte: „Frau Welt! Frau Welt — habe Dank!" * * * Kommerzienrat Brückner hatte den Trinkspruch auf das Brautpaar ausgebracht. Schlicht, wie seine ganze Art war, hatte er ge- sprochen. Uno nur als fast einzig Persönliches mit leichtem Humor die zwei verschiedenen Welten gestreift, denen das Brautpaar aiigehöre. Stühlerückcn, Gläscrklingen, Glückwünschen, lau tes und fröhliches, leises und verwundertes, war vorbei. Alle saßen wieder, und alle Mienen suchten wieder nach dem gewohnten konventionellen Ausdruck. Die Verkündung dieser Verlobung hatte allerdings die Wirkung einer Bombe gehabt. Und aus der ganzen weiblichen Linie war kaum eine Seele, die Ruth Ernbcim ihr Glück gönnte. Sie war immer unbeliebt gewesen, die arme schicke, so tadellos aristokratische Ruth. Und nichts hatte ihre Mitscbwestern über ihre Vor züge bester trösten können, als daß sie sie laut und leise „Glücksjägerin" nannten. Nun sah man den Erfolg! Wahrhaftig, sie hatte es verstanden! Unbegreiflich nur daß der Brückner, ein Man», dem doch die Intelligenz auf der Stirn geschrieben stand, sich so balte kangen lasten! Na, aber vielleicht der Adel — das alte Wappen — man wußte ja, das zog noch immer —. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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