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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PranumerationS- PreiS 22j Sgr. sf Thlr.j vierteljährlich, 3 Thaler für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man pränumerirt auf diese« Beiblatt der Allg.Pr. Staat«- Zeitung in Berlin in der Expedition iMohren - Straße Nr. 34); IN der Provinz so wie im Ausland« bei den Wohllöbl. Post - Acmiern. Literatur des Auslandes. I4S. Berlin, Mittwoch den 4. Dezember 1833. England. William Blake, ein ausgezeichneter Künstler, Dichter und Narr. William Blake wurde zu London den 28. November 1757 gebo ren. Sein Baler, ein achtbarer Mützcnhändlcr, der ihn zu demsel ben Gewerbe bestimmt Halle, gerielh in große Bestürzung, al« er be merkte, daß sein Sohn, anstatt sich im Rcchnenbuche zu üben, Bil der in die Ha»diu»g«bücher zeichnete und solche auch in da« Com- toir einschnitl. Aber Mr«. Blake, von mütterlicher Zärtlichkeit ge leitet, nahm diesen frühzeitigen Trieb nicht ungünstig aus. „Wer weiß", sagte sie zu ihrem Maune, „der Knabe kann eine« Tage« rin Künstler werde», und wird er auch als solcher, wen» man dem Sprüchwort glauben soll, kein großes Vermögen sammeln, so wird man doch von ihm sprechen; er wird Ruhm erwerben." Der Ruhm, dieser titele Kitzel einer Mutter, verführte auch bald den Mützcn- händlcr, der sich an einen Maler wandte und ihm seinen Sohn al« Zögling anbot. Da ihm aber der Maler zu kostspielige Bedingungen machte, so entschloß sich der kluge Krämer zu einem just« luiliuu. „Wilhelm", sagte er zu sich, „soll Kupferstecher werden, da« Lehr geld dafür ist geringer; auch wird er al« solcher immer ein Mann für sein Brod sepn, und sollte er auch nur Adreßkartcn für Mützen- händlcr in Küpser stechen." Den Tag darauf, nachdem Herr Blake diesen Entschluß gefaßt hatte, machte er eine neue Entdeckung, die ihn völlig davon über zeugte, daß sei» Sohn zum Handelsbetrieb unfähig sey. Er sand nämlich eine« seiner Lagerbüchcr, in dem fast jede Seite mit einer Figur oder einer Skizze, an der ein Ver« sich anschloß, ausgestattet war. Dichter und Künstler! es war Zeit, sich zu entscheiden. „Schnell, schnell, mein lieber Wilbam", sagte Herr Blake zu seinem Sohne, „komm mit mir nach der Grünsiraßc." In der Grünstraße wohnte nämlich der Kupferstecher Herr Bazire. Bei diesem trat der junge Blake, in einem Aller von 14 Jahren, aus sieben Jahre, wel ches die gewöhnliche Lehrzeit in England ist, in die Lehre. Die erste» Skizze» Blake « habe» sich verlöre», aber seine ersten Bcrse sind gedruckt worden. Allan Cuningham führt einige an, die zwar gedankenreich, aber inkorrekt und ohne Wohlklang sind. Wa« konnte man auch von einem Dichter von zwölf bi« fünfzehn Jahren erwarten? Unter Anderem zitirt Herr Allan von ihm einen Anruf an die Muse, der allen bekannten ähnlichen Anrufungen gleicht; aber von wahrhafter Kraft und Aufschwung zeugt ein kleine« Gedicht: „der Tiger". Wir wolle» c« hier ganz unabgeändert Wort für Wort in Prosa wiedergcbcn. „Der Tiger." „Tiger, Tiger, Du, dessen feuriger Blick funkelt in dem Walde der Nacht, welche unsterbliche Hand bildete da« schreckliche Ebenmaß Deine« Körper«?" „Zn welchen Gewässern oder in welchen entlegenen Schlünden brannte der ursprüngliche Strahl Deiner Augen? Aus welchen Fit- tigcn wagte er zu fliegen? Welche Hand wagte es, die Flam men zu ergreifen?" „Welcher Arm und welcher Verstand konnte die Fibern Deine« Herzens flechten ? und al« Dein Herz zu schlagen anfing, welche kühne Hand gab da die Form Deinen Gliedern?" „Auf welchem Amboß, mit welchem Hammer wurde Dein Kopf geschmiedet? Und welche starke Hand wagte es, sich zu legen aus Deine schreckliche Gestalt?" „Als von der Höbe ihrer Sphären die Sterne mit glänzenden Thränen die Himmel brsäctcn, lächelte da der Künstler sein Werk an? Hat derselbe, der das Lamm erschaffen, auch Dich gemacht?" Wer nur einige Belesenheit in de» Klassikern hat, dem werden hier gewiß die, wenn auch nicht stärkeren, aber doch einfacheren Bil der Thcokrits einsallen, deren sich dieser bei Beschreibung des Neme- dische» Löwen, der vom Herkules erlegt wurde, bedient. Von den Biographiecn Blakc'S werden noch einige Stellen au« seinem dramatischen Gedichte „Eduard III." besonder« hervorge hoben. Wir wollen hier eine Stelle aus einer Unterredung mitthei- len, die der schwarze Prinz mit seinem Vertrauten Cbandos eine» Tag vor der Schlacht bei Cressy hält. Diese Stelle zeugt schon von der überspannten Denkweise de« jungen Dichters. „Jetzt, da wir allein sind, John Chandos, will ich alle meine Hoffnungen frei aussprechen und meine Gedanken in dieser schwülen Luft umherschweisen lassen, wo tausend Todesbotcn hin uud her lau sen durch das verhäng,lißvolle Thal von Cressy; ich glaube sie zu sehen, wie sie unsere tapferen Krieger bewaffnen, wie sic das Schwerdt uni jeden Schenkel gürten, wie sie befestigen den funkelnden Helm an jede Stirn, wie sic die Sehne jede« Bogen« spannen und vor Freude Hüpfen beim Wwhern jede« Renners. Schon höre ich den Schlachtruf und das Getümmel des Haiidgcmenges; ich sehe die Ge spenster, wie sie sich setzen aus die Englischen Helme und den ver nichtenden Hauch des Krieges in die Rciheii der Feinde verbreiten." Bald darauf sehen zwei Ritter, die sich mit derselben Hitze un terhalten, der Eine, wie Frankreich wankt, gleich einer sterbenden Frau, wie der Himmel des Süden« erbleicht und sein Licht ähnlich wird der düsteren Helle, die da« Belt eine« Kranken erleuchtet; der Andere, wie die Seelen der Krieger die irdische Hülle verlassen und Theil nehmen am Gastmable der Göller, gchülll in Siegergewand. Alles, mil einem Worlc, will in diesem Drama eine figürliche Sprache rede», und alle poetische Bilder darin sind die säst handgreiflichen Formen einer mehr Narren- als Dichtcrbegeisterung. Indessen war Blake doch noch nicht so in einer anderen Welt, um die materiellen Interessen dieser gänzlich zu vernachlässigen. Seine Studien al« Kupferstecher-Lehrling machte er mit Eiser, und da er den ganzen Tag bei seinem Meister zubrachte, benutzte er die Nachtzeit, um sich seinen Lleblingsstudien al« Künstler und Dichter zu überlassen. So widmete er die Tage der Prosa de« Handwerks, die Nächte der Poesie. Für Blake hatte die Poesie eine doppelte Sprache, die der Farben und die der Verse; denn er begriff weder ein Gemälde ohne den begeisterten Kommenlar eine« Gedichts, noch ein Gedicht ohne die Erleuchtung eines Gemäldes. Unglücklicher weise konnte Blake dem Einflüsse des nächtlichen Lebens — wie Bpron irgendwo den Schlaf nennt — nicht widerstehen, und er glaubte vielleicht gearbeitet zu haben, wenn er nur geträumt batte; aber er erlangte allmälig die ziemlich seltene Fähigkeit, seine Träu mereien mit ihren Bildern und Farben, der relativen Wahrheit ge mäß, darzustellcn. Dies machte de» Anfang seiner Narrheit, indem er sich einbildete, von der Natur einen Sinn mehr als gewöhnlich erhalten zu haben. Uebrigens batte Blake noch keinesweges den Verdacht erregt, al« sähe c« in seinem Gehirn nicht richtig aus, und in einem Aller von 26 Jahren erregte sein Talent bei seinem Vater die Hoffnung, ihn bald als einen gcscheidlen Mann etablirt zu sehen; als aus ein mal unser Dichter-Künstler die erste Probe der Narrheit ablcgte, dir ihm der arme Krämer nur mit Muhe verzeihen konnte. Er heira- thcic aus Liebe! (Fortsetzung folgt.) Bibliographie. ket«r 8luizile. — Boni Bers, de« „Kin^s ovvn." 3 Bde. licbrew biblv. (Banderhovgbt'S Hebräische Bibel.) Pr. 15 Sh. Oiz-vst ns Information et«. (Zusammenstellung de« Wesentliche» aus den parlamentarischen Aktenstücken über Bevölkerung re.) Von John Marshall. 4. Pr. 42 Sb. Nemorisls ok trvo slsters. (Denkwürdigkeiten zweier Schwestern.) Pr. 5 Sh. Frankreich. Ueber Victor Hugo's neuestes Drama „Maria Tudor."') Als Pierre Corneille seinen „Cid" zum ersten Mal hatte ausführen lassen, schrieb ein Herr von Scuderi, ein schöner Geist damaliger Zeit, der die literarische Opposition der Salons in öffentlichen Blät tern repräsentirte, folgende Zeilen gegen den Beifall, den diese« Drama gesunden batte, und von welchem er glaubte, daß er ganz unverdient sey: „Es ist mit gewissen Stücken wie mit gewissen Thie len, die von fern wie Sterne anssehen und, in der Nähe betrach tet, nicht« als Würmchen sind. Nicht Alles, was glänzt, ist Gold; man sicht eben so oft Schönheiten, die auf Täuschung beruhen, al« wirkliche Schönheiten, und nicht selten nehmen wir den Schein de« Guten für das Gute selbst. Auch wundere ich mich nicht sehr, wenn Leute, die ihr Unheil nur in den Augen tragen, von dem Unheil desjenigen Sinnes, der am leichtesten täuscht, sich berücken lassen; '),Das unbedingte llrtbeil, das hier zu Gunsten Victor Hug»'« und seines neuen Drama'« ausgesprochen wird, dürste allerdings, um gerecht,u erscheinen, einigen Modisicationcn unterliegen müssen; wir haben wdoch seit kurzer Zeit in diesen Blattern so viele Stimmen gegen den Dichter ver nommen, daß es nicht mehr als billig ist, ihn auch wieder einmal von seiner Vollen Lichtseite betrachten zu lassen D. R.