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Feststellungen so rasch nicht. Vielleicht erhalten wir eine weitere Bestätigung und Ergänzung der gestrigen Depesche noch rechtzeitig genug, um sie am Schluffe unser« heutigen Blatte« mitzutheilen. Nicht blo« hier bei uns entstehen fabelhafte Ge rüchte von Schlachten, Siegen, Niederlagen, die als bald wieder in Nebelbilder zerstießen, sondern in Frank reich geht es ebenso. So z. B. sprach man am 28. Juli von einer großen Schlacht, die an den Ufern de« Rhein« stattgefnnden, von einem Uebergange der französischen Armee, von deren Eindringen in die Bairische Pfalz und dergleichen mehr, während nicht« von alledem sich bestätigte. ES ist eben überall dieselbe menschliche Natur, welche in solchen großen Momenten mittels der erhitzten Phantasie sich Dinge ausdenkt, die wirk lich sein könnten, aber e« nicht sind. Um so mehr muß der ruhige, nüchterne Verstand diese gefährlichen Phan- taSmagorien der erregten Einbildungskraft überwachen. Bon Operationen der französischen Flotte gegen unsere Küsten ist bisjetzt noch nicht« bekannt. Die Nachrichten über die Größe der Flotte, ihre nächste Bestimmung» eine zweite, auch mit Landungstruppen versehene Seeexpedition, die im Werke sei, und der gleichen mehr, lauten noch so unbestimmt, daß erst Näheres abzuwarten bleibt, um zu erkennen, was Wahres, was Uebertriebnes oder Falsches daran sei. In Bezug auf die bekannten, so großes Aufsehen erregenden diplomatischen Enthüllungen ist wieder ein höchst wichtiges neues Aktenstück erschienen, welches wir in einem nahezu wortgetreuen telegraphi schen AuSzuge heute früh in der Extra-Beilage unsern Lesern mittheilten. Nur einige wenige Stellen haben wir nachzutragen, welche zwar sachlich nichts hinzu fügen, aber interessant sind durch gewisse dazwischen gestreute Anmerkungen BiSmarck's von allgemein po litischem Charakter. So die Stelle: Ur. 177. Leipzig. Suchrin« a-ßt-Sonntag» täglich. Preis dierteljihrlich. » Thlr., j-de einzelne Nummer - Ngr. gen erfüllte, ängstliches Schweigen, Herumfragen nach Neuig keiten von außen her, ersichtliche Abspannung und Ueber- druß an dem Schauspiele ohne Zuschauer, in dem sie nun noch einmal mitzuwirken hatten, und dessen ganze Pracht und Herrlichkeit vielleicht morgen schon die Geschichte fort- gewischt hat. Es war ein trüber Tag.. Am Morgen schon war der Himmel grau bedeckt, und je weiter die Sitzung vorschritt, desto finsterer und unheimlicher wurde eS in den weiten Hallen. Ein schweres Gewitter zog herauf und mitten in die PlacetS hinein, die dem in Brocat gehüllten Greise die Unfehlbarkeit zuwiesen, blitzte und donnerte e» fast zwei Stunden lang ohne Unterlaß mit unheimlicher Ge walt. Immer dunkler wurde es in der Aula, die Stimmen wurden gezählt, das Protokoll festgestellt, und als die Se- erkläre des Loncils dem Papst dies neue Dogma zur Ver kündigung überbrachten, als er sich, von seinen Dienern gestützt, mühsam vom Sessel erhob, um die Worte de» Dogmas zu verlesen, da war cS am vollen Mittag so dunkel geworden, daß man eine Kerze herbeiholen mußte, bei deren Schein PiuS IX. die neue Wahrheit verlas. Es war ein wunderbarer Anblick, diese kleine mattbeleuchlete Gruppe in mitten der in tiefe Dämmerung gehüllten Pfeilermaffen; die zitternde Stimme verklang an den Wölbungen und iu dem Grollen des Donners, und al» mühsam der Act vollzogen» da applaudirten die Zuschauer nnd riesen ihr: „Es lebe der unfehlbare PapstI" als ob ein Schauspieler seine Sache gut gemacht. Lon der Anrede, die der Papst noch hielt, war nicht» zu verstehen. Es folgte ein Tedeum, und der große Tag war beendet. Es werden nicht viele im St.- Peter gewesen sein, die sich dem Gefühl entziehen konnten, daß eS der letzte große Tag de« alten päpstlichen Roms ge wesen. In Rom selbst glaubt niemand, daß die päpstliche Herrschaft den nahenden Krieg überdauern wird. Papst Pius IX. hat den letzten Tag, den das Papstthum noch sein nennen konnte, benutzt, um das Papstthum für unfehlbar zu erklären. Der Ring ist geschlossen, es bleibt nicht» mehr zu thun. Vorher war noch «in Letztes von der Opposition versucht worden Unter der Führung de» Erzbischof- von Pari» begab sich eine aus drei französischen und drer deut- Leipzig, 1. Ang. Unser Wunsch, die mit dem' heutigen Tage be gonnene Reihe der für die nächste Zeit eingerichteten allmorgendlichen Extra-Beilagen unsers Blattes mit einem Siegesberichte von einiger Bedeutung an zufangen und einzuweihen, ist nahezu in Erfüllung gegangen. Die Siegesnachricht kam sogar schon etwas früher, sodaß wir dieselbe schon gestern früh in einer Extra-Beilage mitthcilen konnten. Die Hoffnung da gegen, die in der gestrigen Depesche noch fehlenden Details des gemeldeten Zusammentreffens bis heute früh zu erhallen und somit in der heutigen Beilage mittheilen zu können, ist nicht verwirklicht worden. Wir müssen uns daher vorderhand mit der ganz po sitiven Versicherung von amtlicher Stelle aus begnü gen, daß ein mit „sehr bedeutender Ueberlegenheit" vom Feinde versuchter Angriff auf die Stellung un serer Truppen bei Saarbrücken „siegreich abgewiesen" worden ist. Die preußischen Siegesbulletin« schon im Jahre 1866 genossen des verdienten Rufes, niemals mehr, eher weniger zu sagen, als hinterher thatsächlich sich herausstellte. Wir dürfen daher vertrauen, daß auch dieses aus dem Hauptquartier selbst über Berlin kom mende und somit streng officielle Telegramm weder eine Uebertreibung noch eine Vertuschung enthält, und daß somit wirklich der erste größere Zusammenstoß einen für die deutschen Waffen günstigen Ausgang gehabt hat. Daß eine zweite, detaillirtere Depesche zur Zeit noch nicht vorliegt, darf nicht gerade wunderneh- men, da die erste vom Vormittag des Sonnabend, wo das Gefecht stattgefunden, bis nahezu Mitternacht ge braucht hat, ehe sie nach Berlin, und dann wieder einige Zeit, ehe sie an uns gelangte. Sofern aber unter „Details" die Zahl der Todten, Verwundeten, Vermißten rc. verstanden wird, geht es mit solchen Zum Jnfallibilitätsdogma. Wie bekannt hat in der ConcilSsitzung am 18. Juli iuRom die feierliche Verkündigung der Unfehlbarkeit stattgofunden. Wir entnehmen der augSburger All gemeinen Zeitung folgende Schilderung: Es war ein wunderliche» Schauspiel, diese ConcilSsitzung, die seit Monaten angepriesen und erkämpft wurde al« das letzte und höchste Resultat einer fast zweitausendjährigen Re- ligionSentwickelung, und die nun fast unbemerkt in dem Lärm der Ereignisse verhallen wird. Der Papst in rothem, reich mit Gold gesticktem Mantel und goldener spitzer Mütze saß in der Mitte auf dem Thron bewegungslos wie eine buntbemalte Statue, im großen Halbkreise, amphitheatralisch aufgebant, die Bischöfe und Cardinäle. Nach der feierlichen Eröffnung begann die öffentliche Abstimmung mit Namen», aufruf und dem eintönigen hundertfach wiederholten Placet. Aber trotz alledem konnten auch die Treuesten der Treuen sich de» Gefühl» der Beklommenheit nicht erwehren. Statt de» sttgerfrohen Jubel», der so manche der früher» Sitzun- Auch ein patriotisches Opfer, „ülslscketto", so ruft Benedetti, „blamirt, Da« sind wir — ich schrieb ja den Zettel; Doch er, dictirt hat mir er ihn, dictirt, Und ich ließ bei ihm liegen den Bettel." FürS Vaterland sich zum Gimpel Erklären — wie süß ist'S und simpel! „Sein Schreibjunge war ich, so ehrlich, so dumm, Nun muß er so schändlich unS kränken." „O bitte", ruft höflich das Publikum; Viel Dümmeres läßt sich ja denken!" „Nun?" „Zu glauben, mit güt'gem Verlaube, Daß an solch' eine Dummheit ich glaube!" IV. IV. Kriegslied. Mel.: Schleswig-Holstein rc. König Wilhelm läßt marschiren Deutsche eine Million. „Auf, mein Volk, ich will dich führen Wider den Napoleon!" ss: Von den Alpen bis zum Meer Vorwärts Marsch, du deutsches Heer! Soll das deutsche Volk sich beugen Vor der Welschen Uebermuth? Nein, ihr stolzen deutschen Eichen, Schüttelt euch in Sturmeswuth. :st Von den Alpen bis zum Meer Vorwärts Marsch, du deutsches Heer! :st Hei, wie froh die Fahnen fliegen In des Morgenrothes Glut! Laßt un« sterben oder siegen Kür der Freiheit heil'ges Gut! :s Von den Alpen bis zum Meer Vorwärts Marsch, du deutsches Heer! Vater, den wir freudig loben, Sei unS jetzt ein starker Hort. Horch, e« rauscht vonr Himmel droben Und eS tönt das GotteSwort: :!: Von den Alpen bis zum Meer Vorwärts Marsch, mein deutsches Heer! ss: bl. Vom 1. August d. I. an wird, solauge es die politischen Verhältnisse wiinscheuswerth machen, außer dein wie bisher täglich (außer Sonntags) nachmittags 3, resp. 5 Uhr in dem jetzigen Umfange ausgegebenen Hauptblatte täglich, auch Sonntags, eine Extra-Beilage der Deutschen Allgemeinen Zeitung erscheinen, Wochentags früh 9 Uhr, Sonntags 11 Uhr vormittags. Dieselbe ist fiir die leipziger Abonnenten, wie diese» bereits mitgetheilt, entweder in der Expedition der Deutsche» Allgemeinen Zeitung (Querstraße Nr. 29) oder der neu errichteten Abholungsstelle: iu der Buchhandlung und Leihbibliothek von Ferd. Seidel (Klostergasse Nr. 3 parterre, Eingang auch Markt Nr. 13, StieglitzeuS Hof), zu habe»; auf Wunsch wird sie denselben auch mit dem Hauptblätte zugebracht. Nicht-Abonnenten erhalten sie an beide» Stellen zum Preise von 1 Ngr. Nach auswärts kann die Extra-Beilage der Verkehrsstörungen und der bestehenden Posteinrichtnngen wegen zunächst nur mit dem Hauptblatte zusammen versandt werden; doch ist zu hoffe», daß i» dieser Beziehung bald eine Aenderung eintreten wird, welche die aparte Versendung derselben u,it den nächsten Züge» erlaubt. Die Nedaction der Deutschen Allgemeinen Zeitung hat sich zu dieser wesentlichen Erweiterung entschlossen, um die Leser so schnell als möglich von den wichtigen Ereignissen der nächsten Zeit in Kenntnis zu setzen, ohne zn einer Theilung des Blattes in zwei Ausgaben (wie sie 1864 stattfand) zurück- ziikthren, da diese Einrichtung mit vielfachen Unzuträglichkeiten verknüpft war. Nachabonnements ans die Deutsche Allgemeine Zeitung für die Monate August und September zu dem Preise von 1 Thlr. 10 Ngr. werden von der Expedition der Deutschen Allgemeinen Zeitung angenommen. Die Postämter nehme» nur Nachabonnemeuts auf das ganze Vierteljahr (Juli bis September) zum Preise von 2 Thlr». an. Ein jeder, welcher mit der intimern diplomatischen und militärischen Geschichte des Jahres 1866 vertraut ist, wird durch diese Clauseln (des Benedetti'schen Vertragsentwurfs) die Politik Hindurchschimmern sehen, welche Frankreich gleich zeitig gegenüber Italien, mit dem es ebenfalls heimlich verhandelte, und später gegenüber Preußen und Italien befolgte. Ebendahin gehört weiter die folgende Bemerkung Bismarck'S über den in dem Entwürfe in Aussicht genommenen „Congreß" (vor dem Kriege von 1866): Daß der in dem vorstehenden Allianzenlwurfe gedachte und später noch einmal vorgeschlagene Congreß die Wirkung gehabt haben würde, unser nur aus drei Monate geschloffene» Bündniß mit Italien ungenutzt zum Ablauf zu bringen, und wie Frankreich durch die weitern, Lustozza betreffenden Ver abredungen bemüht war, unsere Lage zu benachtheiligen und womöglich unsere Niederlage herbeizuführen, ist bekannt. Die „patriotischen Beklemmungen" des Ministers Rouher liefern einen Commentar über den weitern Verlauf. Ganz besonders wichtig aber ist, was Bismarck zu seiner Rechifertigung darüber sagt, daß er jene perfiden Anerbietungen Frankreichs nicht sofort, al« sie geschehen, vor den Augen Europas bloßgelegt habe, sondern erst jetzt damit herauSrücke. Eine öffentliche Bloßlegung ebenso wie eine entschiedene Ablehnung der französischen Zumuthungen würde den sofortigen Bruch zwischen Preußen und Frankreich zur unaus bleiblichen Folge gehabt haben. Bismarck wollte diesen und den dann unvermeidlichen gewaltigen Krieg wo möglich verhüten. Hören wir, wie er selbst sich dar über ausspricht: Die Unmöglichkeit, auf irgendwelche Anerbietungen der Art einzugehen, war für mich niemals zweifelhaft, wohl aber hielt ich eS im Interesse des Friedens für nützlich, den fran zösischen Staatsmännern die ihnen eigenthümlichen Illu sionen so lange zu belassen, al» dieses, ohne ihnen irgend welche auch nur mündliche Zusage zu machen, möglich sein würde. Ich vermuthete, daß die Vernichtung jeder fran zösischen Hoffnung den Frieden, den zn erhalten Deutsch lands und Europas Interesse war, gefährden würde. Ich Dienstag, Deutsche Allgemeine Zeitung. -M- Zuserliousgebühr - Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» s»r di-Sp-u-», ' ' " 7 i „ter EurgesoudtNgr.