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Freitag. Nr. 1V. 4. Februar 1870. Weißerih-Zettung. M Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gcrichts-Iemter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und /rauensteiu. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Verantwortlichkr Nedarteur: Lsrt Fehne in VippotLiswatde. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, den 3. Februar. Wenn auch nicht nach den harmonischen Klängen der Trenkler'schen oder der Artillerie-Kapelle, so doch nach den muntern Märschen und Tänzen unser« heimischen Musikcorps, entfaltete sich gestern Nachmittag auf der Eisbahn unseres mittleren Teiches ein buntes ansprechendes Bild. Mehr oder minder geübte Schlittschuhfahrer, angehende oder vollendete Virtuosen und Birtuosinnen auf dem geflügelten Kothurn der winterlichen Bühne, gaben hier den zahlreich versammelten Zuschauern eine Production von Kraft und Geschicklichkeit, die vielleicht zahlreicheren Zuspruchs sich erfreut haben würde, wenn sie nicht in die Zeit des sanften Mittagsschläfchens gefallen wäre. — Punsch und Pfannkuchen, die Con ditor Kögel in seinem Wasserpalais seil hatte, die er auch heute Freitag und Sonntag bei abermaligen Con- certen wieder offeriren wird, fanden Zuspruch und stillten den in der frischen Winterluft erwachenden Appetit. Uebrigens hätte besagte Winterluft noch etwas frischer sein können, denn an manchen Stellen des Teiches ließ sich fast ebenso gut mit dem Kahne als mit den Schlittschuhen fortkommen. — Soeben benutzt unser Bürgerverein die in bedenklichem Schwinden begriffene Schlittenbahn zu einem Ausfluge nach Bärenburg, in einigen 20, theilS decorirten Schlitten, und wird dann Abends sein ord nungsmäßiges Concert auf dem Rathhause abhalten. — Wir wollen nicht verfehlen, unsere Leser auf das nächsten Sonntag stattfindende Concert unserer vereinigten Gesangskräste (siehe Inserat) auch noch hierdurch aufmerksam zu machen und zu zahlreichem Besuche desselben aufzusordern. Eine Probe aus den hier lange nicht gehörten „Jahreszeiten," der ganze „Frühling," dürfte für das musikliebende Publikum hoffentlich Anziehungskraft genug haben; dazu kommen aber noch mehrere andere Nummern, von denen wir uns eine treffliche Wirkung versprechen. Reichstadt. Wir müssen öffentlich die Ungebühr- lichkeiten rügen, die bei den am letzten Sonntag durch unser Dorf passirten Schlitten - Parthieen vorkamen. Gönnen wir auch gern den Theilnehmern an solchen, daß sie ihre Freude kund geben durch einen lauten Zuruf an einen ihnen Begegnenden, so mißbilligen wir entschieden das Gebühren, welche« von einigen Mit gliedern der au« Höckendorf hier durchfahrenden Parthie gehandhabt wurde. Während de« Glockenläutens in solcher Weise, wie da geschehen, zu schreien und distin- guirten Personen durch beleidigende Zurufe recht wehe zu thun, — da« verdient mehr als diese Rüge, und die Mahnung an Dienstherrschaften ist eine gerecht fertigte: ihren Leuten hinkünftig bei solchen Gelegen heiten ein anständiges Benehmen ernstlichst zu empfehlen. ° Frauenstein. Dem Vernehmen nach haben die städtischen Collegien nun beschlossen, die Superintendur und das Diaconat, sowie die Schulen, an ihren jetzigen Plätzen wieder aufzubauen und nicht, wie man früher einmal in Aussicht nahm, die beiden geistlichen Gebäude an die Stelle der Schulen am Markt, die letzteren da gegen an die Stelle des DiaconatS. — Am Mittwoch, 2. Februar, fand in den Schul localen nachträglich noch eine Christbescheerung für Kinder statt. Berlin. Einen erfreulichen Beweis von dem steigenden Einfluß, den die Neugestaltung Deutschlands in überseeischen Ländern gefunden, liefert der Handels und Schifffahrtsvertrag zwischen dem Zollverein und Japan, reffen Bestimmungen nur dadurch vollkommen zur Ausführung gelangen können, weil die Vertretung deutscher Interessen jetzt in der Macht des Norddeutschen BundeS-Consulates liegt. Der König von Preußen, als Repräsentant des Bundes, vertritt auch die Zollvereins staaten Japan gegenüber. Wie den übrigen Fremden, sind den Deutschen bestimmte Häfen des Landes zugäng lich; deutsche Ansiedler daselbst können sich 5 Meilen in deren Umkreise ungehindert bewegen, ihre Religions häuser bauen und ihren religiösen Gebräuchen huldigen. Streitigkeiten mit Japanesen entscheidet die japanesische Behörde, wie denn auch umgekehrt solche Streitigkeiten in Deutschland, da die Anwesenheit von japanesischen Agenten oder Konsuln und japanesischen Einwohnern bei uns als selbstverständlich in Betracht gezogen werden mußte, von deutschen Behörden entschieden werden. Verbrechen gegen Japanesen richten die deut schen Konsuln, und Verbrechen gegen Deutsche japane sische Behörden. Alle Rechte und Freiheiten, welche andere Staaten genießen, werden ohne Weiteres auch den Deutschen zu Theil u. s. w. Paris. Man organisirt jetzt hier ein republi kanisches Casino. — Die Exkönigin von Spanien läßt viele Renten an hiesiger Börse verkaufen, und sollen die Gelder bestimmt sein, eine neue monarchische Bewegung in Spanien zu bezahlen. Petersburg. Hier cursirt das Gerücht, es solle am Thronbesteigungstage de« Kaisers (19. Febr.) eine Art Bartholomäusnacht oder sicilianische Vesper in Scene gesetzt, die kaiserliche Familie ausgerottet, alle Deutschen ermordet und eine „rein slavische" Verwal tung organisirt werden. An 700 Personen seien durch vorgefundene Papiere compromittirt, Viele verhaftet oder verschwunden.