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Verordnungsblatt der Kreishauptmannschaft Bautzen als Konfistorialbehörde der Obcrlaufitz. A rn ts 6 latt der Aliitshaupfmamlschaften Bautzen und Löbau, dcZ Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, ingleichcn der StadtMr zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ L-er Handels- und G e w e r d e k a m m e r zn Zittau. Erscheinungsweise: Täglich abends mit Ausnahme der Sona- und Feteilage. Schriftlcitung und Gcichäftsstclle: Bauhen, Innere Lauenstrabe 4. Femsprrcher: Nr. 51. — Drahlnachrich!: AmlSblatl, Bautzen. Bezugspreis pro Monat: Bei Abholung in der MelchäftSstclle —.00 ,4! bei freier gukiellung in« Hau« 1.— „41 Anzeigenpreis: Die «gespaltene PeMzcile oder deren Raum >5 Psennige, in geeigneten Füllen Ermäßigung. Schwieriger Satz entsprechend teurer. Reklamen: Die «gespaltene Petitzcile «0 Psennige. Nr. 27 ». 12». Jahrgang Montag, den 28. November 1910, abends. Tas Wichtigste vom Tage. * Im Reichstage beantwortete am Sonnabend der Reichskanzler die sozialdemokratische Interpellation Uber die Königsberger Katserredc. * Die gestern im Zirkus Schumann zu Berlin versam melten 5000 Hausbesitzer nahmen eine Protestresolution gegen die Einführung der Reichszuwachssteuer an. In der Pforzheimer Edelmetllindustrie haben 10 000 Arbeiter die Arbeit eingestellt. * Ein neuer Passagier-Flugrekord wurde am gestrigen Sonntage auf der 200 Kiloineter langen Strecke Eta m pes —Blois —Etampes mit 3K Stunden auf gestellt. In den portugiesischen Provinzen Douro und Minto sind die Etsenbahnangestellten in den Ausstand getreten. Der griechische Ministerpräsident Venizelos hat am Sonntag in Larissa sein Reform-Programm entwickelt; dieses sieht u. a. die Vereinigung der Ministerien des Kriegs und der Marine vor, für welche Ressorts ausländische Instrukteure berufen werden sollen. In der auswärtigen Politik sott das Prinzip der Friedensliebe, auch gegenüber der Türkei, ab solut maßgebend sein. Die Pforte hat die Antwort der Schutzinüchte auf die letzte Protestnote erhalten. Die Mächte versprechen, bei den Kretern einzuschreiten. In der kretischen Nationalversammlung gab der Präsident der Regierung Maris seine Demission, weil die Partei Venizelos, zu der er gehört, darauf bestand, mit Kunduros Hand in Hand zu gehen. die meuternden Kriegsschiffe, die wieder in See gegangen waren, unter roter Flagge in den Hafen zuriickgekchrt und Haden sich, nachdem alle ihre Forderungen erfüllt sind, um 7 Uhr abends ergeben. Ihr Führer und -10 seiner Kameraden vom „Minas Ecraes" sind geflüchtet. Die von der brasilianischen Regie rung ernannten neuen Kommandanten übernahmen den Befehl. * Bei einem Brande in einem Fabrikgebäude in Newark (New-Jersey) sind iOPersoncnum gekommen. * W c t t e r a u s s i ch t sür Dienstag: Temperatur wenig geändert, zeitweise Niederschlag. ' Ausführliche« stehe an ander« Stelle Die Königsberger Kaiserrede im Reichstag. Von Rechts wegen hätte Genosse Ledebour am ver gangenen Sonnabend im Reichstage seinen großen Tag haben müssen. Ihm war die Rede zugefallen, die eigentlich das Privilegium August Bebels ist. Aberso alt und krank der auch ist, man hat immer noch das Empfinden, er hätte es weit besser machen können, als sein einstiger Nachfolger. Herr Ledebour wollte einmal nicht durch Superlative glänzen, aber die Folge davon war, daß er bei der ein einviertelstündigen Dauer seiner Rede vom Hundertsten ins Tausende kam, daß er über Tolstoi, Herrn Kulemann und alle möglichen abseits liegenden Dinge sprach, daß er gar keine Beweise für die Unerlaubtheit der Reden des Kaisers brachte, daß er aber zum Schluß sich recht eingehend über die republikanischen Ziele der Sozialdemokratie äußerte. Man weiß es ja, daß die Ge nossen Anhänger der republikanischen Staatsform sind, aber Herr Ledebour merkte garnicht, wie sehr er durch die breite Betonung dieser Tatsache den Eindruck der ganzen sozialdemokratischen Interpellation abschwächen mußte. Eigentlich war ja diese ganze Interpellation überhaupt überflüssig. Kein Mensch hat jemals angenommen, daß der Kaiser sich jeder wichtigeren Rede seit den Novembertagen des Jahres 1908 enthalten werde. Was an der Königs berger Rede Unwillen im Volke erweckt hatte, das war durch die scharfe Hervorhebung des Eottesgnadentums ent standen. Schon aber die bald darauf erfolgende Marien burger Rede des Kaisers gab eine Erklärung, die jedem loyalen Menschen genügen mußte, selbst eigentlich sogar einem Sozialdemokraten. Denn wenn der Kaiser auf dem Boden des Christentums steht, so ist das doch selbst nach sozialistischen Dogmen seine Privatangelegenheit. So war denn die ganze Interpellation von vornherein aussichts los, und nur die Genossen konnten mit einigen ihnen nahe stehenden Leuten anderer Meinung sein, weil sie sorgfältig jede Lektüre vermeiden, die nicht rot geschrieben und ge druckt ist. Dazu kam noch die schwächliche Haltung Lede- bours, der vergeblich die Rechte und das Zentrum in Harnisch zu bringen suchte, und dadurch selber auch an Feuer verlor. Unter diesen Umständen war es dem Reichs kanzler leicht, den sozialdemokratischen Redner abzufertigen. Es fehlte überhaupt gänzlich an der schwülen Stimmung, die im November des Jahres 1903 den Neichstagsreden jenen eigenartigen Stempel aufgedrückt hatte. Diesmal wurde nicht „Geschichte gemacht", und man saß auch nicht über Geschichte zu Gerichte. Es war ein verlorener Tag, wie es bei den Reichstagsverhandlungen leider so viele verlorene Tage gibt, und wenn auch Spitzen wie Freiherr v. Hertling, v. Heydebrandt und Basiermann sprachen, von einem „großen Tage" war nichts zu spüren. Das hatten manche schon vorher geahnt, und darum war sowohl der Besuch des Reichstages wie auch der Tribünen keineswegs übermäßig. Die Genossen werden an diesen Tag nicht mit Freuden zurückdenken. Mären sie von den Gegnern niedergeschrieen worden, man könnte sagen, sie hätten einen größeren Er folg gehabt. Statt dessen aber kam mehr und mehr eine satte Langeweile aus. Das ist der Punkt, wo eine Inter pellation einer Partei gefährlich zu werden beginnt und eine solche Langeweile läßt sich nicht künstlich Herstellen. Gewiegte Hörer mögen dazu die nötige Routine besitzen, der Masse läßt sich das nicht beibringen. Wenn etwas sie bewegt, dann kann sie nicht gleichgültig bleiben. Man merkt cs an den Atemzügen der Menge. Hätten konser vative und Zentrum sich laut unterhalten, auch dann hätte Ledebour vielleicht besser abgeschnitten. Aber das eisige Schweigen rechts und in der Mitte, und die vergeblichen Versuche des Redners, durch persönliche Anzapfungen wenigstens einzelne Eegenrufe zu erzielen, das alles machten die Sache tot. Bebel hat Feuer, er hat wenigstens Zeiten gehabt, wo er sehr viel natürliches Feuer hatte. Bei Ledebour hat man den Eindruck, als ob Zorn und Groll künstlich heraufgeschraubt sind. Bebel kann dem Feinde den Tod wünschen und ihm das ins Gesicht schreien, Lede bour macht den Feind gleich zweimal am liebsten tot und schwächt durch solche Uebertreibungen die Wirkung seiner Worte. Und wenn Ledebour nicht übertreiben kann, dann ist garnichts mehr an ihm interessant; dann ist er ein Philister, wie es deren Dutzende in der sozialdemokratischen Partei gibt. Die Sozialdemokratie steht vor großen Hoff nungen in der Entwicklung ihrer Partei, ein Tag, wie der Sonnabend vergangener Woche, beweist aber, daß auch ihr vielleicht die Dämmerung nicht fern ist. Alles läßt sich die Masse gefallen, nur langweilen darf sie sich nicht. Wenn aber die Stimmung vom Reichstage hinauswandelt in die Säle, wo in bier- und tabaksschwangerer Luft die Genossen ihre Volksversammlungen abhalten, dann ist es um sie geschehen. Dann braucht man keinen Verein zur Bekämpfung der Sozialdemokratie zu gründen und keine Gesetze zu schmieden, die den Genossen den Garaus machen sollen, wie Herr v. Heydebrandt das wünschte. Im Gegen teil, damit würde man sic nur zu neuem Leben erwecken und es würden wieder Charakteure emporkommen, in Leid und Verfolgung bewährt. Politische Nachrichten. Deutsches Reich. Das Reichsgericht Uber die rechtliche Stellung des Herzogs von Cumberland als braunschweigischer Landes herr. In dem bekannten Rechtsstreite der Familie Civry in Paris gegen den Herzog Ernst August von Cumber land, in zweiter Linie auch gegen den König Friedrich Augu st von Sachsen, liegt jetzt der ausführliche Wort laut der reichsgerichtlichen Entscheidung vor, die äußerst interessante Ausführungen des höchsten deutschen Gerichts hofes über die rechtliche Stellung des Herzogs von Cumber land als Landesherr von Braunschweig enthält. Die erb rechtlichen Ansprüche der Kläger waren, wie erinner lich, vom Oberlandesgericht Braunschweig rein sachlich wegen Verjährung abgewiesen worden, für die Fest ste l l u n g s k l a g e über die eheliche Abstammung der Gräfin Civry hatte sich das Oberlandesgericht auch gegen über dem Herzog von Cumberland für unzuständig erklärt mit der Begründung, der Herzog von Cumberland seinicht Landesherr des Herzogtums Braunschweig und könne deshalb, wenn außerhalb des Landes lebend, auch nicht etwa einen Wohnsitz in Braunschweig als Exterri torialer und damit einen in Braunschweig begründeten Gerichtsstand beanspruchen. Die gegen die Unzuständig ¬ keitserklärung gerichteten Nevisionsangriffe hat das Reichs gericht, wie folgt, zurückgewiesen: Ohne Rechtsverstoß nimmt der Berufungsrichtcr an, daß der Herzog von Cumberland nicht Landesherr des Herzogtums Braunschweig ist, also einen Wohnsitz in Braunschweig als Ex territorialer nicht hat. Die Berufung der Revision aus Völker recht und deutsches Privatfürstenrecht geht fehl. Nachdem das Herzogtum Braunschweig durch das Versasiungsgesetz vom 12. Ok tober 1832 seine staatsrechtlichen Verhältnisse konstitutionell ge ordnet hat, kommt für die Frage, von welchem Augenblicke an der thronfolgebcrechttgte Agnat des regierenden Hauses Landesherr ist, auf Völkerrecht und deutsches Privatfürstenrecht nichts weiter an. Die Aikfsassung aber, die der Berufungsrichtcr von dem be züglichen Inhalt der braunschweigischen Versassungsgesetze (vom 12. Oktober 1832, 16. Februar 1879, 4. Dezember 1902) hat, ist, wie die Kläger selbst anerkennen, jeder Nachprüfung in der Re ¬ visionsinstanz entzogen. Daß der Herzog von Cumberland schon als Mitglied des Gesamthauses Braunschweig- Lüneburg oder wenigstens als zur Thronfolge in Braun schweig bcruscner Agnat aus diesem Gesamthause das Recht der Exterritorialität besitze, und zwar derart, das; ihm als Exterri torialem ein Wohnsitz in Braunschweig znkomme, erweist sich ohne weiteres als irrig. Die Feststellungsklage war deshalb ohne Rechtsirrtum wegen Unzuständigkeit abzuweisen. Staatominister von Niiger und der Mittelstand. Die Ueberreichung der vom letzten sächsischen Mittelstandstage beschlossene Adresse an Herrn Finanzministcr vr. von Rüger fand dieser Tage durch eine Deputation der Miktelstandsvereinigung im Finanzministerium statt. Die Abordnung bestand aus den Vorstandsmitgliedern Inge nieur Th. Fritsch, Buchbinder-Obermeister Paul Unrasch und Rechtsanwalt Hans Kohlmann. In einer kurzen An sprache hob Herr Frisch nochmals die hervorragenden Ver dienste des scheidenden Finanzministers um die Hebung des gewerblichen Mittelstandes hervor. In herzlichem Tone dankte Exzellenz o. Rüger für die ihm gewordene Ehrung. Seine Sympathien hätten von jeher dem Mittelstände ge hört, und er habe stets gern dessen berechtigte Wünsche unterstützt. Wenn für ihn auch jetzt die Zeit vorüber fei, im Namen der Negierung programmatische Erklärungen abzugeben, so werde er doch stets die weitere Entwickelung der Mitclstandsbewegung, deren Kräftigung im Staats- interesie zu begrüßen sei, mit Interesse verfolgen. Mit dem Wunsche, daß dem Staatsminister noch ein recht angenehmer und langer Feierabend des Lebens fern von den Geschäften vergönnt sein möge, verabschiedete sich die Deputation. Zu den Landtagswahlen in Sachsen. Für die Land tagsersatzwahl im Wahlkreise Leipzig-Land hat sich ein Ausschuß gebildet, der die Kandidatur U nger unter stützt. In einer vom Ausschuß veranstalteten Versamm lung wurde folgende Resolution gefaßt: „Die in Leipzig aus den verschiedensten Orten des Wahlkreises versam melten Herren stellen einmütig als Kandidaten für die Er satzwahl im 23. ländlichen Wahlkreise Herrn Baumeister Otto Unger aus Mölkau auf. Sie halten es für durchaus angebracht, daß dem Wahlkreise ein Vertreter im Landtage werde, der unabhängig von der Verwaltungsbehörde im Sinne einer gesunden Fortentwickelung arbeitet." Unger er klärte, sich der n a t i o n a l l i b e r a l e n Fraktion an schließen zn wollen. Die Nationalliberalen werden seine Kandidatur unterstützen. Verschiedenen Meldungen zufolge wird der national liberale Landesverband mit der Fortschritt!. Volkspartei ein Abkommen zur Vermeidung liberaler Doppel kandidaturen treffen. Der Landesverband Evangelischer Arbeitervereine im Königreiche Sachsen hielt kürzlich im Eewerbehause zu Dresden eine V o r st a n d s s i tz u n g ab, die aus allen Landesteilen stark besucht war. Den Vorsitz führte Pfarrer Drechsler. Die Versammlung nahm mit Bedauern davon Kenntnis, daß sich die Vereine Eibau und Hirsch felde aufgelöst haben, dagegen besteht in Zöblitz die Aus sicht auf die Begründung eines neuen Ortsvereins. Neu bez. wieder ausgenommen wurden die Vereine Frohburg und Kesselsdorf; außerdem haben die Vereine Limbach und Leipzig-West um Anschluß an den Landesverband nach gesucht. Außerdem wird in der Nähe Leipzigs gegenwärtig eine Neugründung vorbereitet. Weiter beschloß die Ver sammlung noch die Eingliederung des Zwickauer Ver^ Landes als Kreisverband unter Beibehaltung seines eigenen Organs „Evangelischer Volksfreund". Ebenso wurde noch beschlossen, mit den preußischen Arbeitervereinen ein Kartell aufrecht zu erhalten. Zum Kassierer des Lan desverbandes wählte die Versammlung Lehrer Dietze- Dresden. Die nächste Landesverbandshauptversammlung wurde für Sonntag, den 19. März 1911, festgesetzt und soll in Lugau i. Erzgeb. abgehalten werden. Ein Antrag des Radeberger Kreisverbandes, der dahingeht, daß den anders Gesinnten auf der Arbeitsstelle mehr Schutz gegen Belästigungen gewährt werden soll, wurde abgelehnt, da gegen wurde der Wunsch ausgesprochen, derartige Fälle von Terrorismus, die von den Mitgliedern der sogenannten freien sozialdemokratischen Gewerkschaften gegen die Mit glieder der nationalen Gewerkschaften ausgellbt werden, zusammenzutragen. Ebenso wurde gewünscht, die Arbeit geberkreise zu veranlassen, ihre Tarifverträge nicht nur mit den sozialdemokratischen Gewerkschaften abzuschließen Der soziale Ausschuß wurde beauftragt, zu erwägen, welche Schritte in der Oeffentlichkeit getan werden können, um Tarifverträge zu verhindern, durch welche nichtsozial demokratische Arbeitgeber der Arbeit beraubt werden. Reichstagswahlen im Vogtlands. Im 23. sächsischen Reichstagswahlkreis Plauen-Stadt und ein Teil des oberen Vogtlandes werden die Nationalliberalen, wie ver lautet, bei der künftigen Reichstagswahl von der Aufstel-