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HlhönbnM Tageblatt und und Mittwoch, den 9. November 1«81 Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. —— Der Abonnementspreis betrügt vierteljähr lich 1 Mk. 3« Pf. Bekanntmachung. Di- w-g<- d« im S-Pi-mb-- d»i-- l bei hiesiger Stadlkaffe gegen Rückgabe der Quartierbillets zu erheben. Waldenburg, am 7. November 1881. Der Stadtrat h. In Vertretung: Limmer, Stadlrath. Waldenburger Anzeiger Annahme von Inseraten für d.e nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg "Waldenburg, 8. November 1881. Bismarck und die Judenfrage. Fürst Bismarck soll sich, wie wir bereits gemeldet haben, kürzlich einem jüdischen Industriellen gegen über mißbilligend über die Judenhetze ausgesprochen haben. Aus diesem Anlasse gebärden sich urplötz lich der „Berliner Börsen-Courier" und das „Berkner Tageblatt" als intime Freunde des Reichslanzlers und feiern dessen Ausspruch als eine „große That." Die „Slaatsbürger-Ztg." bemerkt hierzu: Wir erblicken in „dieser großen That" durchaus nichts neues; denn niemals, weder durch Wort noch durch Schrift oder in irgend einer anderen Weise, hat der Fürst Bismarck das Gegentheil von dem bewiesen, was er in Varzin jenem jüdischen In dustriellen gegenüber geäußert haben soll. Woher — so fragen wir nun aber — kam die seitens der fortschrittlichen Presse so häufig colpor- tirle Behauptung, welche den Reichskanzler als einen Judenfeind stempelte: wer hat diese große Lüge in die Welt gesetzt? Die Sache erklärt sich sehr einfach aus der Oppo sition, welche die jüdische Presse dem Fürsten Bis marck in allem, was derselbe auch thun mochte, gemacht hat, wobei sie sich nicht scheute, jedes Journal zu verdächtigen, das in das Geheul: „Fort mit Bismarck!" nicht einzustimmen vermochte. Wie konnten die Leute, die den Fürsten Bismarck in den häßlichsten fratzenartigen Bildern alle Tage verunglimpften, etwas anderes vermuthen, als die Beherzigung der alten mosaischen Lehre: „Auge um Auge; Zahn um Zahn!" Da plötzlich kommt diesen Leuten die von einem ihrer Glaubens- und Stammesgenoffen verbürgte Kunde, daß der Fürst Bismarck gar nichts gegen die Juden habe, und daß er sogar die Oppositions stellung derselben wegen ihrer „angeborenen Neigung zur Kritik" entschuldige. Darüber ist nun allerdings große Freude in Israel; aber man vergißt ganz, daß dasselbe seiner großen Sünden wegen, welche es täglich gegen den Reichskanzler beging, alle Ursache hätte, im Sack und in der Asche Buße zu thun. Man vergißt die eigene Schuld in dem Jubel darüber, daß der große Staatsmann — dies ist er plötzlich wieder geworden — an der Spitze der Juden marschiren und die Stöcker und Henrici und wer sich sonst noch als antisemitisch gezeigt haben mag, m Paaren treiben wolle. Wunderbare Heilige, welche die Ironie in den Worten von der „angeborenen Neigung der Juden zur Kritik" gar nicht zu erkennen vermögen, welche nicht zu wissen scheinen, daß sich in diesen Worten die ganze Verachtung des Fürsten gegen diese Kritik ausprägt. Und Hal er etwa nicht recht? Kann man noch von einer sachlichen Kritik sprechen, wenn eine einzige gütige Aeußerung dessen, gegen den dieselbe gerichtet ist, hinreicht, um sie in ihr Nichts auszulösen? "Waldenburg, 8. November 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Kaiserin hat die Herbstcur in Baden been det und begiebt sich dieser Tage nach Koblenz. Fürst Bismarck wird am 11. d. M. in Berlin erwartet; man berichtet, daß der Reichskanzler den Reichstag persönlich eröffnen wolle. Gleichzeitig mit dem Fürsten wird Graf Szechenyi, der österreichische Botschafter, wieder in Berlin einlreffen. Herr Eugen Richter hat, wie jetzt feststeht, das Mandat für Hagen, Herr von Saucken-Tarpul- schen das für Labiau angenommen. Im dritten und fünften Berliner Reichstagswahlkretse müssen also Neuwahlen statifinden. Drei von Hamburg ausgewiesenen Sociatdemo- kra'en, dem Schuhmacher Hartmann (der frühere Retchslagsabgeordnete) und den Brüdern Kapell ist der Aufenthalt in Hamburg wieder gestattet worden. Gerüchtweise verlautet, daß auch noch einig: andere Ausgewiesene „begnadigt" worden sind. Die „Norddeutsche" sagt, bei Einführung des Tabaksmonopols soll der Tabak, namentlich ge ringere Sorten, nicht theurer verkauft werden, als er gegenwärtig im Einzelverkauf den Consumenten geliefert wird; die gegenwärtig unverhältnißmäßig großen Gewinnste von Händlern, Agenten und De- laillisten sollen Staatseinnahmen werden; nach zu verlässigen Berechnungen wird ein Nettoertrag von über 150 Millionen aus dem Monopol erzielt werden. Nun kommen doch noch mehrere Socialdemv- kraten in den Reichstag. Liebknecht ist in Mainz schon gewählt. Heute meldet der Telegraph, daß in Breslau die beiden Socialdemokraten Hasen clever und Kräcker in der Stichwahl durchgekommen sind. In Bingen wurde in der Stichwahl Bam berger gewählt. Oesterreich. Die österreichische Delegation genehmigte die Budgets des gemeinsamen obersten Rechnungshofes, des gemeinsamen Finanzministeriums, des Ministe riums des Aeußern nach den Ausschußanträgen. Im Laufe der Debatte hoben mehrere Redner lobend die Thätigkeit des verstorbenen Haymerle hervor. Der Seclionschef Kallay erklärt mit Bezug auf seine Aeußerungen im Ausschüsse, daß die Beziehungen aller Mächte die besten sind, aber trotzdem sei eine gewisse Gradation in der Intimität vorhanden, es können zwischen den Mächten, auch wenn die gegen seitigen Beziehungen die besten, Meinungsdifferenzen auftauchen, die aber eben um so leichter beseitigt werden, je besser diese Beziehungen sind. Frankreich. Nachrichten aus Tunis bestätigen das Anerbieten der Unterwerfung zahlreicher Stämme. Das Journal „Paris" erklärt alle Gerüchte über die Zusammensetzung des neuen Cabinets für verfrüht und bemerkt, Gambetta habe bisher Nie mandem irgend welche Eröffnungen gemacht. Die Dinge blieben daher wie sie sind, bis Gambetta offiziell beauftragt werde, ein neues Cabinet zu bilden. Das Journal „Paris" glaubt versichern zu können, das neue Cabinet würde am Tage nach der Ertheilung des bezüglichen Auftrages an Gam betta im „Journal officiel" publizirt werden. In der Depulirtenkammer fand die Fortsetzung der Interpellation betreffs Tunis statt. Der De putate Naquet warf dem Ministerium vor, in der Kammer nicht die Wahrheit gesagt zu haben, kciti- sirte das Mobilisirungssystem und hob schließlich hervor, nach parlamentarischer Tradition dürfe kein Mitglied des jetzigen Ministeriums in das neue Kabinet eintreten. Lesaure mißbilligte die Leitung Farres und die Sanitäisverwaltung. Italien. Der deutsche Kronprinz hat anläßlich der Entrevue in Wien ein Schreiben an König Hum bert gerichtet, in welchem er denselben zu dem Schritte beglückwünschte, welcher Italien auch Deutschland näher gebracht habe. England. In der Regierung nahestehenden politischen Krei sen heißt es, daß dieselbe beabsichtige, das Parla ment auf Donnerstag, den 19. Januar, zur Wie deraufnahme der Parlamentsgeschäfte einzuberufen. Der Zweck, welchen dieselbe im Auge habe, die Session drei Wochen früher als gewöhnlich zu be ginnen, sei der, die Bradlaugh-Schwierigkeit aus dem Wege zu räumen und neue Bestimmungen für die künftigen Debatten festzusetzen, ohne dem Gange der gewöhnlichen Geschäfte des Hauses Eintrag zu thun. Die gegenwärtige Vertagungsperiode läuft mit dem 19. December ab. Serbien. Es erscheint ganz wahrscheinlich, daß die nächste Skupschtina bereits Vie Erhebung Serbiens zum Königreiche proclamiren werde. Einwendungen dagegen werden von keiner Seite erwartet, wenn nur der Titel „König von Serbien" und nicht „König der Serben" lautet. Letzterer stieße auf den entschiedensten Widerspruch Oesterreichs. Atts dem Mnldenthale. — Bei dem am 7. d. in Zwickau statlgefundenen Viehmarkle waren 268 Rinder, 168 große und 163 kleine Schweine zum Verkauf ausgestellt. --- Die Schwäne des Zwickauer Schwanenteiches hoben von einem bis jetzt leider noch nicht entdeck ten Feind zu leiden und sind schon vier dieser lieb lichen Thiere von demselben getödtet worden. Das vierte dieser Thiere wurde am Freitag früh todtge- bisien in den Anlagen aufgefunden. Nach den zurückgelaffenen Spuren ist das Thier wiederum unmittelbar am Schwanenhäuschen getödtet worden. — Der freisinnig-reichstreue und der Fortfchritts- verein in Zwickau haben beschlossen, bei der bevor stehenden Stichwahl im 18. Reichstagswahlkreise nunmehr die Candidatur des von conservativer Seite ausgestellten Commerzienrath Kürzel in Crimmitschau zu unterstützen und ihre Mitglieder zur BetheUigung an der Wahl im Sinne dieses Beschlusses aufzu fordern. — Zahlreiche Mitglieder des in Liquidation be findlichen Creditvereins zu Wechselburg hallen sich am 6. d. im Gasthof zur grünen Tanne versammelt, um darüber zu berathen, wie es bei der solidarischen Hastverbindlichkeil am leichtesten gelingen möge, den zu deckenden Betrag von 126,000 Mk. aufzubringen. Man beschloß, einen Haflschutzverein zu gründen; für denselben sind bereits 40—50,000 Mark ge zeichnet worden und darf wohl nicht an dem Zu standekommen desselben gezweifelt werden, weil er namentlich für die minderbemittelten Interessenten von großem Voitheil sein dürfte. Aus dem Lachsenlande. — Die Bulletins von Sonntag und Montag über das Befinden Ihrer Maj. der Königin lauten gleichfalls beruhigend. Zwar ist, der langen Krank-