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Mittwoch. —. Nr 116. -— 21 Mai I8S«. Leipzig. Dlt Zeitung erscheint mit Ausnahme de« Montags täglich und wird Nachmittags -1 Uhr aus- gegeben. Preis für da« Vierteljahr 1V, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Dkiltschk Mgtmim JiliM , «Wahrheit vud Recht, Freiheit und TeschI» Zu beziehen durch alle Postämter de« 3»- und Auslandes, sowie durch di« Erpcditiv» in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. Preußen. -^-Berlin, 19. Mai. Das Urtel des Kriegsgerichts gegen Hrn. v. Rochow-Plessow lautet, wie wir hören, auf fünfjährige Einschließung in eine Festung. Der König soll dieses Urtel bestätigt und Hr. v. Rochow seine Strafe bereits angetreten haben. Hr. v. d. Marwitz, der bei dem Zweikampfe bekanntlich als Unparteiischer fungirte, und der Gecundant des Hrn. v. Rochow-Plessow, der Lieutenant v. Rochow, die Beide ebenfalls vor dem Kriegsgericht standen, sind, wie wir Horen, freige- sprochen worden, indem sie den Beweis lieferten, daß sie, soviel bei ihnen stand, nichts unterlassen hatten, um die Sache gütlich beizulegen. Bei dem Secundanten des Hrn. v. Hinckeldcy, dem Geh. Regierungsrath ».Münch hausen, war dies so offenbar, daß der Staatsanwalt es gar nicht für nö- lhig befunden haben soll, gegen denselben überhaupt eine Anklage zu erhe ben. — Es ist in der Presse jetzt allgemein von einem geheimen Ver trag die Rede, welcher noch neben dem Vertrag vom 15. April bestehen und dessen Inhalt sich namentlich auf Italien, die Donaufürstenthümer und die Türkei beziehen soll. Daran, daß noch ein geheimer Vertrag vorhan den, möchte wol kaum zu zweifeln sein; eine andere Frage ist es aber, ob DaS, was man über dessen Richtung äußerlich andeuten zu dürfen glaubt, begründet ist. Was Italien betrifft, so glauben wir das mit aller Bestimmt heit in Abrede stellen zu können. Wir hören nämlich, daß der Abschluß eines Vertrags zur Sicherung des Besitzstandes der italienischen Staaten während der pariser Conferenz zwar in Vorschlag gebracht worden, aber an den Bedingungen alsbald gescheitert ist, welche England für seine Mitbe- theiligung an diesem Vertrag aufstellen zu müssen glaubte. Diese Bedin gungen sollen sich in der Hauptsache auf ausgedehnte Reformen bezogen haben, deren Ausführung von den italienischen Staaten gefodert werden sollte. Nach diesem könnte noch übrigbleiben, daß ein solcher Vertrag zwischen Oesterreich und Frankreich allein abgeschlossen worden wäre. Eine solche An nahme wäre eines ähnlichen Präccdenz halber nicht ganz ohne scheinbaren Grund. Kurz nach dem Abschluß des Vertrags vom 2. Dec. 1854 zwischen Oester reich, Frankreich und England ist nämlich noch ein besonderer Vertrag zwi schen Frankreich und Oesterreich zustande gekommen, in welchem Frankreich sich zu einer Garantie für die österreichischen Besitzungen in Italien und den Territorialbestand der übrigen italienischen Staaten verpflichtete. Es ist dieser Vertrag bisjetzt geheimgehalten worden, seine Existenz kann aber darum nicht minder mit voller Bestimmtheit verbürgt werden, und man wird im Allgemeinen wol annehmen können, daß dieser Vertrag eine an Frankreich gestellte Bedingung für den Abschluß des Vertrags vom 2. Dec. 1854 gewesen sein dürfte. Die englische Regierung erhielt von diesem Ver- trag erst später Kenntniß, und zwar zu ihrem nicht geringen Erstaunen. Dieser für die Dauer des DecemberbündnisseS, resp. des Kriegs, abgeschlos sene Vertrag war mit der Wiederherstellung des Friedens natürlich erledigt. Daß Oesterreich eine Erneuerung dieses oder die Schaffung eines ähnlichen neuen Vertrags dringend wünschen mußte, ist um so begreiflicher, als der Zustand der italienischen Verhältnisse inzwischen nur noch bedrohlicher ge- worden war. Auf der andern Seile mußte Frankreich aber die entspre chende Gegenleistung vermissen, welche bei dem Abschluß eines solchen Ver trags doch immer Bedingung ist. Bei dem früher« Vertrage lag die Ge genleistung handgreiflich im Deccmbervertrage, und wenn hinsichtlich der Folgen dieses, letzter» Frankreich sich auch getäuscht gesehen hat, so lassen die bekannten Aeußerungen des Kaisers Napoleon im verflossenen Jahre bei Gelegenheit der Eröffnung des Gesetzgebenden Körpers darüber doch kei nen Zweifel übrig, wie er seinerseits die österreichische Gegenverpflichtung verstanden. Worin soll aber die Gegenleistung jetzt bestehen? Etwa darin, daß Oesterreich den Vertrag vom 15. April mit unterzeichnet hat? Die ser Vertrag hat seinen Werth; er bezieht sich aber nur auf Möglichkeiten, die eintreten können, auch nicht eintreten können, und an welche ernstlich zu denken es in den nächsten zwanzig Jahren gewiß kaum noch an der Zeit sein dürfte. Das Bedrohliche der italienischen Verhältnisse ist dagegen keine bloße Möglichkeit, sondern etwas sehr Thatsächlichcs, kein Fernes, sondern etwas sehr Naheliegendes. DaS Eine compensirt sich mit dem Andern also auch nicht im entferntesten. Hiervon abgesehen, kann in der Mitunterzcich- nung d«S Vertrags vom 15. April durch Oesterreich eine Gegenleistung für eine von Frankreich den italienischen Territorialverhältnisscn gegenüber zu übernehmende Garantie auch schon aus dem einfachen Grunde nicht erblickt werden, weil der Hauptzweck Oesterreichs bei dieser Mitunterzeichnung doch nur der war, sich durch die Fortsetzung seine» Allianzverhältnisscs zu den Westmächten vor einer, mit Recht oder Unrecht in Wien vielfach gefürch- leten einstigen thatsächlichen Rancune Rußlands schon beizeiten nach Mög lichkeit zu wahren. ES liegt das auf der Hand; noch deutlicher aber soll diese« Bestreben ausgesprochen sein in einem biSjeht noch gcheimgehaltenrn Separatartiktl zum Vertrage vom 15. April. Faßt man dieses mit dem vorhin Gesagten zusammen, so wird darüber kein Zweifel obwalten können, daß auch zwischen Oesterreich und Frankreich allein kein Vertrag in Bezug auf Italien existirt, und wenn man hierfür noch ein weiteres sehr bedeut sames Merkmal haben will, so bedenke man, daß Oesterreich sich im Sinne der Erlangung einer Garantie für seine italienische» Besitzungen bei den deutschen Staaten doch gewiß wol schwerlich so sehr bemühen würde, wenn cs eine solche Garantie von Seiten Frankreichs bereits hätte. Es wird der besonder« Bemerkung wol kaum noch bedürfen, wie nothwendig und wich tig, bei der gegenwärtigen Lage der italienischen Verhältnisse, eine genaue Feststellung des von uns erörterten Gegenstandes ist. — Die Commissare, welche die neuen Grenzverhältnissc zwischen den Donaufürstenthümern und Rußland an Ort und Stelle zu regulircn haben, sind jetzt allseitig ernannt, und sie werden demnächst an den Orr ihrer Bestimmung abgehen. — Der Preußische Staats-Anzeiger enthält die Städtcordnung für die Provinz Westfalen. — Wie dem Nürnberger Correspondcnten aus Berlin geschrieben wird, soll gegen den Abg. Seiffart wegen der Denkschrift über den Depeschen diebstahl erst jetzt nachträglich die Disciplinaruntersuchung eingeleitet werden. — Die Berliner Börsen-Zeitung sagt: „Wir können unsere gestrige Mit- theilung über die Stellung unserer Regierung zu der Sundzollfrage durch die Thatsache ergänzen, daß zwischen Preußen und England Verhandln«, gen schweben, um eine Verständigung mit England über die neuern ron Rußland, Schweden und Oldenburg acteptirtcn Ablösungsvorschläge deS kopcnhagener Cabmets herbcizuführen. Es ist Grund zu der Annahme vor handen, daß eine solche Verständigung gelinge und daß bann die Sund- zollangelegenheit überhaupt zu einer befriedigenden Lösung gebracht werde." — In Potsdam ist bereits das Gepäck der Kaiserin-Mutter von Rußland mit der dasselbe begleitenden Dienerschaft emgctroffen. Unter der letztem, die durch ihre glänzenden, zum Theil den, «ationälrussischen Co- stüm entlehnten Livreen die Aufmerksamkeit auf sich ziehe», machen na mentlich die wahrhaft riesigen Gestalten der kaiserlichen Portechaisenträgcr Sensation. — Eine Anzahl lutherischer Pastoren der Provinz Pommern halte in ei ner zu Naugard gehaltenen Versammlung in Bezug auf die Eheschei dung s frage Beschlüsse gefaßt, welche der Oberkirchcnraih in einem seiner Erlasse misbilligte. Von Seiten der Bctheiligten wird nun in der Evan gelischen Kirchen-Zeitung die Erklärung abgegeben, daß ihren Beschlüssen eine Deutung gegeben sei, die sie nicht beabsichtigt hätten. Aus diesem Grunde „werde auch durch jenen Erlaß des Oberkirchenraths in ihrem Ver halten nichts geändert werden; nur in dem einen Punkte werde eine Acn- derung eintreten, daß nicht der betreffende Geistliche oder die betroffene Partei dircct, sondern die Superinlendentur officicll in vorkommenden Fäl len an das Consistorium berichten werde". Der Vereinbarung dieser Geist lichen, Niemanden zu trauen, dem in einer Parochie die Trauung versagt ist, sind die Synoden Kammin, Treptow, Greifenberg und Naugard bci- getreten. (C.-B.) Rheinbach (am Niederrhein), 16. Mai. In unserer Nähe wurde in voriger Woche ein Pastor gefänglich eingczogcn und nach Bonn in das Gefängniß gebracht, weil er beschuldigt ist, sich mit cinem Mädchen unter 16 Jahren vergangen zu haben. Der Vorgang macht ein ganz ungewöbn- liches Aufsehen und dürfte, wenn die Klage sich als haltbar erweist, dcm- nächst vor den donner Assisen verhandelt werden. (Frkf. I.) — Aus Düsseldorf vom 16. Mai schreibt man der Frankfurter Postzei- tung: „Der frühere hiesige Polizeidircctor v. Faldcrn, der in den Jahren 1848 und 1849 hier eine besonders heroortretende Rolle spielte und später in den v. Stockum'schcn Proceß wegen Theilnahmc an einem bctrü- gcrischen Bankrott verwickelt war, aber nicht vor die Assisen gestellt werden konnte, weil er zur Zeit der Untersuchung von Geistesverwirrung befallen und deshalb damals auch voni Amte entfernt wurde, ist jetzt vom hiesigen königliche« Landgericht, da keine Besserung seiner Krankheit zu erwarten ist, mit allen gesetzlichen Folgen für intcrdicirt erklärt worden. Die Geistes- krankheit, an der er jetzt leidet, soll schon seit längerer Zeit bei ihm be merkbar gewesen sein und er auch zu Zeiten, als er noch im Amte war, unter den Einflüssen derselben gestanden haben." — Die Elberfelder Zeitung berichtet: „Am 17. Mai Abends ereignete sich auf dem Grünewalderberge (bei Elberfeld) folgender traurige Vor fall: Zwei Brüder, Namens Schneider, und Weber von Profession, ge- rielhen in Streit und schien nach Beendigung desselben die Sache abgc- macht zu sein; jedoch einer derselben begnügte sich nicht, ging nach Hause, lud ein Pistol, suchte seinen Bruder wieder auf und schoß auf ihn, sodaß er todt niederstürztr. Der Brudermörder ist bereits verhaftet."