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Wöchentlich erscheinen d«! Nummern. PrönumerationS- Preis 22h Sgr. (- Wr.) viertelMrlich, 3 Thlr. sür das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. Staats-Zeitung (Friedrichsstr. Nr. 72); in der Provinz so >rie im Auslande b'i den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 66. Berlin, Montag den I. Juni 1840. Nord-Amerika,^ Der Untergang dreier Amerikanischer Dampfschiffe.") Der Untergang der Dampfschiffe ist so gut wie immer der Nachlässigkeit der Schiffsmannschaft, oder dem fehlerhaften Bau der Dampfkessel, oder auch der schlechten Beschaffenheit der Schiffe zu- zuschrciben. Bemerkcnswerth ist es, daß in England derartige Un glücksfälle weit seltener Vorkommen als in Nord-Amerika, denn während dort die Gesammtsumme aller verunglückten Dampfschiffe sich nur auf 23 beläuft, singt sie in dem letzteren Lande auf 26», obschon die Zahl der Englischen Damvfböte die der Nord-Amerika nischen bei weitem übertrifft. Diese sind fast alle nur sür die tzluß- Schifffahrt eingerichtet und so ziemlich unfähig, die See zu halten. Die Englischen Fahrzeuge dagegen sind für die Meer-Schifffahrt be rechnet und übertreffen jene an Größe und Festigkeit. Vornehmlich tritt aber die Ueberlcgcnhcit der Englischen Dampf-Flotte in den Kriegsschiffen hervor. Die Nord-Amerikaner besitzen nur ein ein ziges, die Engländer KV, und viele andere sind im Bau begriffen. Um sich zu überzeugen, daß die Englischen Dampfschiffs eine ungleich größere Sicherheit gewähren als die Amerikanischen, braucht man nur einen Blick auf die nachfolgenden Zahlen zu werfen. Zahl der Personen, welche auf den Dampfschiffen zu Schaden gekommen sind: In England inr Laufe von IN Jahren ... 6Z4 Mittlere Zahl gz In Nord-Amerika in einem Jahre .... IV80 Diese Zahlen sprechen wohl laut genug. Aus einem Berichte an den Kongreß der Bereinigten Staaten erhellt, daß die Zahl sämmtlicher in Nord-Amerika gebauten Dampf schiffe sich auf NNO beläuft. Von diesen sind 2t',t> verunglückt. Aus dem Berichte erhellt ferner auf das klarste, daß die meisten Ungliicks- fälle einzig und allein der Unvorsichtigkeit der Schiffsmannschaft und der schlechten Beschaffenheit der Schiffe zuzuschreiben sind, und daß sie leicht durch einige Achtsamkeit und Vorsicht hätten vermieden werden können. Einen Beleg hierzu, wenn cs eines solchen bedarf, liefert die Erzählung der drei letzten Unglücksfälle, welche in Nord- Amerika vorgekommen sind. l) Der Brand des „Ben Sherwood". Am Sonntage den 6. Mai I8Z7, erzählt ein Reisender, der sich auf diesem Schiffe befand, sollte der „Ben Sherwood" von Reu- Orleans abgchen. Die Passagiere, die sich an Bord befanden, trafen mancherlei Vorkehrungen zu einer Reise, die von einiger Dauer sepn sollte, ohne die geringste Besorgniß in sich aufkommen zu lassen. Hier ordneten junge Frauen ihre Sachen, dort liefen muntere Kinder umher oder schauten mit der Sorglosigkeit ihres Alters dem Rädcr- schlage und dem WcUcngeschäum zu. In der Kajüte gingen die Passagiere von Zeit zu Zeit an die Fenster, nm zu sehen, was draußen verginge. „Sieh nur, Heinrich", sagte Einer, „da fährt dpi „Lerington" vorüber." — „Ich möchte wohl auf demselben sepn", antwortete das Kmd mit träumerischer Miene. ' Die Kajüte befand sich auf dem oberen Verdecke. Im Vergleich mit der Größe des Schiffes war sie von sehr beschränktem Umfange, weil dieses zu den Baumwolle»-Schiffen gehörte. Diese werden so sehr überladen, daß nicht einmal das Verdeck frei bleibt. Ein solches Schiff kann ILM — 20W Ballen einnchmeu. Da die Schifffahrt erst seit kurzer Zeit wieder eröffnet war und die meisten Dampfböte ihre Fahrten noch nicht begonnen hatten, so fand sich eine bedeutende Anzahl von Passagieren an Bord des „Ben Sherwood", was. sonst schwerlich der Fall gewesen sepn würde, da derselbe-überladen und von schwerfälliger Bauart war. Der Himmel war heiter und wolkenlos; Hunderte von Zu schauern standen am Ufer, um ihren Freunden Lebewohl zu sagen odör ihnen Aufträge mitzugeben. Um lü Uhr setzte sich der „Ben Sherwood" in Bewegung, anfangs mit der Langsamkeit und Würde des Schwans, dann aber durchschnitt er rasch die trüben Wellen des Mississippis indem er dichte Rauchwolken zum Himmel aufsendete. Ein Mississippi-Dampfboot, welches mm Tonnen und eine dieser Last angemessene Maschine enthält, ist ein Wunder der menschlichen Er findungskraft. Man sehe es nur, gegen eine Strömung ankämpfcnd, die keine andere Kraft zu überwinden im Stande wäre, Tausende ') Aus dem u, PPM Capital» Marrpatt: von Meilen durch unbewohnte Gegenden zurücklegen.. Man sehe nur, wie es mit gleichmäßigem Schritte bald blühende Gegenden, bald unfruchtbare Ebenen oder ungeheure Sümpfe durchfliegt, in denen alles Leben erstorben zu sepn scheint, während cs selbst alle Elemente der Thäligkcit in seinem Innern birgt. In der Stille der Nacht, wenn Niemand wacht, außer dem wachhabenden Offizier auf dem Verdeck, wenn kein Geräusch ertönt, außer dem Rauschen der Wellen, dann drängt sich dem Geiste der Vergleich zwischen der Größe der Kunst und der Größe der Natur auf. Am Dienstag Abend kam ein anderes Dampfboot dem „Ben Sherwood" zuvor, weil dieser einige Zeit beim Fort Adams ange- halten hatte. Als mehrere Passagiere ihr Bedauern darüber aus sprachen, daß jenes früher in der Stadt Natchcz ankommen würde, erklärte der Capitain, dies könne er nicht zugeben, und er werde dasselbe um jeden Preis cinzuholcn suchen. Sobald die Geschäfte beendet waren, wegen welcher der „Ben Sherwood" bei Fort Adams ungehalten hatte, erging an die Schiffsmannschaft der Befehl, daS Feuct stärker zu schüren und die größtmögliche Kraft anzuwcndcn. Zur Befeuerung ihres Eifers wurde den Arbeitern ein Faß Brannt wein preisgegeben und ihnen gestattet, zu trinken, so viel sie wollten, woran sie es denn natürlich auch nicht fehlen ließen. Es war I I Uhr Abends; der Capitain zog sich in seine Kajüte zurück; nur ein Offizier blieb auf dem Verdeck, um Wache zu halten. Während das Boot die Entfernung von Fort Adams bis zur Mündung des Homochilta zurücklegte, entzündete sich das Holz, welches vor den Kesseln aufgcschichtet war, mehrmals, und der Brand wurde nur unvollständig gelöscht. Als das Boot rasch längs der Ufer dahinflog, rief ein Neger von fern, daß das Holz sich entzündet habe. „Schcere Dich zum Teufel!" war die Antwort „O, Massa!" entgegnete der Neger, „wenn Sie sich nicht vorsehen, werden Sie früher als ich zum Teufel komme«." Jndeß fuhr das Schiff immer weiter, indem cs dichte Rauchsäulen zum Himmel aufschickte und bei jedem Rädcrschlage in seinen Grundvesten erbebte, denn die Bewegung war äußerst schnell. Es mochte ein Uhr NachkS sepn, als ein Passagier, der auf dem Verdeck stand, plötzlich aus dem Holzstöße eine Fcucrsäulc hcrvor- brechcn sah. Es wäre damals ein Leichtes gewesen, das Feuer zu löschen, aber was vermochte der gute Wille weniger Besonnenen? In wenigen Augenblicken nahm das Feuer mit furchtbarer Schnellig keit übcrhmid, und als der Capitain auf das Verdeck stürzte, staud cs schon in Flammen. In kurzer Zeit verbreitete sich die Nachricht bon der drohenden Gefahr. Vergeblich suchte der Steuermann das Ufer zu gewiuneiw und da die Stricke des Steuers verbrannt waren, wurde das Schiff voin Strome fortgetragen, bis cs auf einer Sand bank sitzen blieb. Im ersten Schreck hatten sich einige Personen in eine Jolle ge flüchtet, welche hinten äugehängt war. Vergeblich bemühte sich ein Passagier/der weniger selbstsüchtig oder muthigcr war, sie zu bere den, daß sie die Böte den Frquen und Kindern überlassen möchten. Statt aller Antwort ergriff einer sein Messer und durchschnitt die Stricke, an'denen die Jolle befestigt war; in wenigen Augenblicken schlugen iudcß die Wellen über dem Boote zusammen, und keiner von denen, die sich darauf befanden, wurde gerettet. Hierauf wurde das zweite Boot hcruntergelaffen, aber cs füllte sich augenblicklich mit Wasser. Als diese letzte Hoffnung geschwunden war, entstand eine unbeschreibliche Verwirrung. Die Einen, und diese bildeten die Mehrzahl, stürzten sich in das Wasser, um dem Feuertode zu ent gehen, Andere liefen in furchtbarer Aufregung hin und her. Von Zeit zu Zeit verkündete ein dumpfes Geräusch, daß der Fluß wieder ein Opfer ausgenommen habe. Das herzzerreißende Geschrei der Frauen und Kinder, die erstickende Hitze, welche immer weiter um sich griff, das Knarren der Räder, welche nicht gehemmt lvorden waren, und das schmerzliche Geheul der Pferde, welche von den Flammen er griffen wurden, machten einen so furchtbaren Eindruck auf mich und prägten sich meinem Gedächtniß so fest ein, daß alle diese Töne noch jetzt oft mein Ohr umsummen. Ich schwamm dem Ufer zu, mit einer Mutter und einem Kinde hcladen- Zweimal sank jene, zweimal brachte ich sic wieder in die Höhe, aber meine Kräfte schwanden, und ich erlag unter dieser dop pelten Last. Die Mutter bemerkte cs: „Retten Sie mein Kind",' rief sie mir zu, und mich loslassend, sank sie unter. Ihre Aufopfe rung begeisterte mich zu neuen Anstrengungen, und mit Aufbietung aller meiner Kräfte gelangte ich mit dem Kinde ans Ufer. Kurz vorher hatte sich das Dampfboot von der Sandbank losgemacht und