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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.08.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110824019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911082401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911082401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-24
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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Dss Wichtigste. * Zn Leipzig in der Erenzstraße hat gestern «ine Frau Pieper ihr Schlaf Mädchen Lina Walle zu erdrosseln versucht und sich dann erhängt. lS. d. des. Art.) * Die Nachricht von der Befreiung des In genieurs Richter-Jena aus türkischen Räuber händen wird von deutscher amtlicher Seite be stätigt. (2. d. k>«s. Art.) * Erzherzog Karl Franz Josef kam bei einem Automobilunglück mit unbedeutenden Berletzungen davon. (S. Tageschr.) * General d'A made , der frühere Höchstkom mandierende der französischen Truppen in Marokko, wurde in Paris zu den Besprechungen über die Marokkosrage im Ministerrat hinzugezogen. (S. d. bes. Art.) * Bei einem Regimentscxerzieren in Walbronn wurden 5 Soldaten vom Blitz erschlagen. * Bei einer Dampferexplosion in der Nähe von Matadi (Französisch-Kongo) wurden 13 Personen in Stücke gerissen. (S. Tageschr.) * Aus dem Louvrein Paris wurde das unschätz bar wertvolle Gemälde „M o n n a Lisa" Leo nardo da Vincis geraubt. (S. Feuill. und Kunst u. Wisscnsch.) Die RuslSnüerkrrige sn üen Svchlchulen. Durch die Zeitungen ist in diesen Tagen eine Zusammenstellung über die Nationalitäten an den deutschen Universitäten gegangen. Die Frage war dorr vornehmlich statistisch abgehan- oelt. Es wurde mit Genugtuung konstatiert, das? die Zahl der ausländischen Besucher unserer Universitäten von Jahr zu Jahr gestiegen sei, 'ich aber im übrigen doch in sehr bescheidenen Grenzen hielte. Indes, möchte uns scheinen, ward so das Problem nicht ausgeschöpft. Diese Dinge lassen sich doch auch noch unter einem andern Gesichtswinkel betrachten, und zumal, wenn man auch die Technischen Hochschulen mit hineinzieht, wird sich kaum leugnen lassen, daß nach wie vor eine ganz ernsthafte Ausländerfrage an Deutschlands hohen Schulen besteht. Die Kommilitonen der Technischen Hochschulen klagten schon um die Mitte der achtziger Jahre über die fremdartigen Elemente, die ihnen in den Zeichensälen die besten Plätze wegnähmen und in Kolleg und Laboratorium allerlei unfreund liche Gewohnheiten mitbrächten. Die Studenten von der Universität schüttelten dazu im all gemeinen ungläubig die Köpfe. Was wußten sie schließlich von den „lästigen Ausländern" der civitas rwackemiog,! Die paar vornehmen Amerikaner und Engländer, die damals Staats- undVölkerrecht und Nationalökonomie studierten, waren wohlerzogene junge Leute, die in körper licher Kultur den Deutschen zum mindesten gleichkamen. Und von den russischen Aerztinnen, die sich in Kliniken und Kursen den Medizinern in die jungen Herzen stahlen, erfuhr man eigentlich nur vom Hörensagen. So hatte sich auf den Universitäten bei Professoren wie Studenten gegenüber diesen wiederholten Klagen aus den Kreisen der Technischen Hochschulen eine Stimmung heraus gebildet, die wir mit einem Schlagwort das „humanistische Vorurteil" nennen möchten. Da war ein berühmter Theologe, der ein halbes Dutzend intelligenter und fein gebildeter Ar menier zu seinen Hörern gezählt hatte; dort lehrte ein nicht minder bekannter Staatsrechtler, bei dem fast der ganze Nachwuchs der amerikani schen Diplomatie zu promovieren pflegte, und hier wieder erinnerte sich ein ausschlaggebender Nationalökonom, daß ihm liebe Schüler und Mitarbeiter in Tokio und Jokohama, in Sofia und Belgrad siedelten. Auch Professoren sind schließlich nicht von Stein. Die Tatsache, daß ihr Ruhm bis nach Erzerum und Eriwan ge drungen war und bis ins Land der kleinen Leute, da im Teehaus mild die Geisha singt» schmeichelte (das sei ohne Hohn und Bitternis gesagt) ihrer Eitelkeit, und sie sträubten sich gegen jede Einschnürung des ausländischen Zu zugs, in dem sie in diesen Fällen übrigens mit allem Fug — ein die Völker näherndes und verbindendes Moment sahen. Dem „humani stischen Vorurteil" gesellte sich aber noch ein anderes, das wir (warum soll man über natür liche Dinge nicht offen und freimütig reden?) das „demokratische" nennen möchten. Die Aus länder, über die sich die Studenten unserer Technischen Hochschulen beschwerten, waren näm lich im allgemeinen Russen und radikal ge richtete Ruffen im besonderen, und damit wur den allerlei demokratische und verwandte Emp findungsreihen ausgelöst. Es erschien nicht liberal, nicht gerecht und eines freien Volkes nicht würdig, ein eigenes akademisches Fremden recht zu statuieren. Wie liegen denn die Dinge in Wirklichkeit? Zunächst ist uns auch in diesen Stücken wie in allen anderen im heiligen Rußland die Gegen seitigkeit nicht verbürgt: Keine russische Uni versität, keine ihr entsprechende „höhere Lehr anstalt" würde sich einem deutschen Abiturienten öffnen, auch wenn der zehnmal ein Muster schüler gewesen wäre. Nun wird es ja gewiß keinem Deutschen beifallen, in Charkow, Odessa, Moskau oder Kasan den kastalischen Quell zu suchen und sich unter die dortigen Musensöhne zu mischen. Aber derlei Erwägungen dürfen auf die schlichte Rechtsfrage natürlich keinen Einfluß üben. Die lautet einfach: Wie kom men wir dazu, Söhnen eines Landes, das sich den unsrigen hermetisch verschließt, beson dere Benefizien zu gewähren. An Real schulen in Rußland — oder was der ge nügsame Russe so nennt — ist zwischen Njemen und Ural zwar kein Mangel. Aber die Schwierigkeit beginnt, wenn die Schule ab solviert ist. Dann ist Jungrußland allemal in Not; denn erstlich existieren außer dem Rigaer Polytechnikum im weiten Reich nur noch zwei oder drei „technologische Institute" und ein paar „Bergkorps", die etwa unseren Technischen Hochschulen und Bergakademien entsprechen, und dann tun sich ihre Tore auch nicht etwa unterschiedslos jedem Nealabiturienten auf. Der solcher Studien Beflissene muß vielmehr allerorten sich noch einem besonderen Aufnahme examen unterziehen; Sinn und Absicht dieser Examina aber ist, möglichst viele nicht aufzu nehmen. So ist es im Grunde die russische Un terrichtsverwaltung gewesen, die uns ihren Ab hub immer wieder freundnachbarlich zugeschoben hat; sie ließ diese unglücklichen Zwittergeschöpfe zwischen hungernden Proletariern und anmaßen den, halbwissenden Studenten zum Lande hin aus, und wir mußten sie hinterher in unsere deutschen Hörsäle, Bibliotheken und Laboratorien aufnehmen. Es hat wirklich mit der Sache der Freiheit, die auch uns ein teures Gut bedeutet, nichts zu tun, wenn diesen auf die Dauer unhaltbaren Zuständen ein Ende be reitet wird. Wollen die Herren Russen auch fürder bei uns studieren — gut: Wir sind nicht engherzig und fürchten auch ihre spätere Konkurrenz nicht. Aber die Waffen müssen mindestens gut und gleich sein: wenn die Söhne der deutschen Staats bürger das Abiturium gemacht haben müssen, dann sollen sich neben ihnen nicht mit gleichem Recht russische Jünglinge zeigen dürfen, die nach dem Ausmaß ihrer Kenntnisse höchstens die Reife für Tertia haben. Woraus zu sehen ist, daß auch dies Problem seine zwei Seiten hat. Die eine ist, daß man zwischen Universitäten und Hochschulen durchaus zu scheiden und die Frage sich oorzulegen hat, ob es einen Sinn hat, das Ausland in weitem Maße mit Kennt nissen auszurüsten, die über kurz oder lang unserer ohnehin schwer um die Absatzmärkte ringenden Exportindustrie das Terrain not wendig einengen müssen. Die andere bleibt nach wie vor die Sonderart dieser russischen Herren Kommilitonen. Der PMsck. Eine deutsche Firma in Tanger schreibt uns: „Die Affäre des geöffneten Postsacks für den Kreuzer „Berlin" vor Agadir ist ja wohl, was man so sagt, aufgeklärt worden. Wundern Sie sich nicht, wenn w i r Leute hier in Marokko den rundesten und nettesten Aufklärungen gegenüber, die sich auf die Wahrung des Briefgeheimnisses durch französische Be hörden beziehen, eine außerordentliche Portion Skepsis entgegenbringen. Ich persönlich habe von Anfang an damit gerechnet, daß es der Zufall ein mal mit sich bringen werde, daß gerade der Postsack für die „Berlin" irgend welche merkwürdigen Er lebnisse haben würde. Als die erste Nachricht da rüber eintraf, daß das Geschick tatsächlich so seltsam gescherzt hatte, atmet« ich auf wie jemand, der das Malten der Notwendigkeit vorgeahnt bat und nun seine Ahnungen erfüllt sicht. Ist es nicht auch merk würdig, was die Franzosen für ein Pech haben? Ein Dutzend Postsäcke steht iHnen zur Verfügung: und gerade mit dem wichtigsten, mir cem für sie interessan testen kommt diese „Unstimmigkeit" vor! Doch lassen wir das dahingestellt. Das merkwürdige ist mir nur, daß ein so seltener Zwischenfall eine so harmlose Aufklärung gerade in einem Lande finden konnte, in dem die Seltsamkeiten in der Bewahrung des Briefgeheimnisses ein Srück des politischen Systems sind. Wir hier draußen machen so unsere Erfahrungen, Erfahrungen, die uns veranlassen, neun Zehntel unserer Korrespondenz, trotz des Umweges und des dadurch bedingten Zeitverlustes, durch die deutsche Post gehen zu lassen. Sie werden wohl wissen, daß ein Stück der napoleonischen Erbschaft auch von den wütendsten Republikanern nie liquidiert worden ist: das schwarze Kabinett in Paris. Diese Zentralanstalt zur Zerstörung oes Geheimnisses irgendwie interessant scheinender Briefe arbeitet noch in der gleichen Weise, wenn auch mit vielfach ver besserter Methode Die Herren dort müssen die raf finiertesten Maschinen zur Verfügung haben und zudem kleine Bellachinis sein Denn einem Briefe, der das schwarze Kabinett in Paris passiert hat und dort geöffnet wurde, ist hinterher nicht das mindeste anzumerken. Der Beweis? Den kann ich Ihnen liefern: Ich habe mir einmal den kleinen Scherz erlaubt, einen Brief mit einer falschen Nachricht — Sie werden verstehen, daß ich darüber Schweige'! bewahre, welche es war — den gewöhnlichen Post weg gehen zu lassen. Die Nachricht klang nicht un wahrscheinlich, traf aber ganz und gar nicht zu. Ich hatte die Genugtuung, sie kurz darauf in der französischen Presse, die dem Qucn d'Orsay nahesteht, als Privattelegramm aus Tanger wieder zufinden. Der Brief wurde, wie verabredet, von dem Adressaten nicht geöffnet. Wir haben nachher gemeinsam den Umschlag durchaus studiert mit heißem Bemühen, cs ist uns aber nicht gelungen, auch nur die kleinste Verletzung daran zu entdecken. Unsere Firma unterhält Verbindungen auch nach den südlichen Hafen in Marokko. In einem davon — vermutlich in allen, doch weiß ich es nur von deni einen — besteht folgende nette Einrichtung, die freilich, soviel ich weiß, von den Weltpost- konserenzen in Bern und Rom nicht vorgesehen wurde: Gibt man dort bei dem französischen Tele graphenamte eine Depesche auf, so wird sic zu nächst dem höchsten französischen Machthaber am Platze zur Zensur vorgelegt. Findet der sie harmlos, so wird sie befördert: ist der gegenteiliger Meinuna so ist entweder der Draht dauernd besetzt oder es liegen Störungen vor: »ebenfalls ist es dann unmöglich, eine Depesche zu befördern. Briefe chiffrieren wir vielfach: bei einer Depesche aber nützt das nichts. Denn durch das Walten irgend welcher seltsamen Naturgesetze hat die Einlieferung einer chiffrierten Deveschc eines Deutschen bei dem französischen — oder scherifischen — Telegraphenamte stets die Störung des Kabels zur unmittelbaren Folae. Es hört sich vermutlich ganz amüsant an. wenn man von diesen Dingen erzählt. Was in Wirklichkeit für eine Unsumme an Aerger, Scherereien und geschäftlichen Schädigungen daraus resultiert, brauche ich Ihnen wohl nicht mehr ansein- anderzusetzen. Für das französische System sind jeden falls auch diese Details charakteristisch. Dank der De- pcschenpraxis und dem Eabinet noir kann man die offene Tür schon ein recht braves Stück zudrücken. lieber üie pariser verbanülunnen beobachten die maßgebenden französischen Kreise be greiflicherweise Stillschweigen. Ob die im gestri gen Abendblatt verzeichneten Mitteilungen der „Wiener Allg. Ztg." über die angeblichen, übrigens ungenügenden französischen Zugeständnisse irgendwel chen tatsächlichen Untergrund besitzen, ist daher immer noch fraglich. Bemerkenswert, aber verständlich ist, daß zu den Pariser Besprechungen General d'Amade, der frühere Oberkommandierende der französischen Trup pen in Marokko, zugezogen worden ist. Es liegen fol gend« Telegramme vor: Paris, 23. August. (Eig. Drahtmeld.) Neber den in der gestern nachmittag abgehaltcnen außerordent lichen Ministerratssitzung behandelten Gegenstand wird das strengste Stillschweigen bewahrt. Der Korrespondent der „Preß-Centralc" erfährt von einer hochsteheivden diplomatischen Persönlichkeit, daß man in der Sitzung über die Z u g e st ä n d n i s s e be raten hat, die Frankreich Deutschland in der Marokko angelegenheit machen will. Auch hat man schon die etwaigen Folgen erörtert, die bei einer Zurückweisung dieser Zugeständnisse ergriffen werden sollen. Das „Echo de Paris" hält es für ein schlechtes Zeichen, daß über die gestrig« Minister ratssitzung nichts der Oeffentlichkeit übergeben wer den darf. Paris, 23. August. (Eig. Drahtmeld.) Die An wesenheit d'Amädes, des ehemaligen Höchstkom- mandierenden der marokkanischen Truppen, in Paris wird mit den gegenwärtigen deutsch-französischen Ver handlungen ikber Marokko in Zusammenhang ge bracht. Der General wird aller Voraussicht nach vom Kriegsminister Messimy zu den in Paris ge pflogenen Besprechungen hinzugezogen worden sein. Gestern nachmittag wurde General d'Amade vom Kriegsminister empfangen und hatte eine längere Unterredung mit ihm. Eine Eingabe des Zentraloerdandes deutscher Industrieller. Mit Rücksicht auf die Erregurrg. die innerhalb der deutschen Industrie wegen des Ausganges der deutsch, französischen Verhandlungen in der Marokko- Angelegenheit herrscht, hat sich der Z e n t r a l- verband deutscher Industrieller veran laßt gesehen, dem Reichskanzler in einer Eingabe die Auffassung darzulegen, di« in weiten Kreisen der Industrie hinsichtlich der Bedeutung Marokkos für die deutsche Volkswirtschaft gehegt wird. Es wird in dieser Eingabe des näheren ausgefiihrt, daß nach An sicht namhafter Kenner Marokko ein Land ist, dessen wirtschaftliche Erschließung und Entwickelung der deutschen Industrie neue günstige Absatz möglichkeiten bringen wird, und das reiche Erdjchätze, besonders eisenreiche Erze birgt. Auch die von deutschen Interessenten unternommenen Ver suche. in Marokko die Wollschaszucht in größerem Umfange zu betreiben, sind mir günstigem Erfolgs gemacht worden, und es kann angenommen werden, daß auch ein ersprießlicher Anbau von Rohbaum wolle möglich ist. Daher betrachtet nicht nur unsere deutsche Eisenindustrie, die in hohem Maße auf die Einfuhr ausländischer Erze angewiesen ist. sondern auch die deutsche T e x t i l i n d u st r i e. die im Bezüge ihrer Rohmaterialien vom Auslande gänz lich abhängig ist, Marokko als ein Gebiet, das der deutschen Industrie für die Befriedigung ihrer wirt schaftlichen Bedürfnisse unbedingt gesichert blciben muß. Es wird sodann im einzelnen darauf hinqewiesen, welche bedeutenden Handels- und Industrielle,Ziehun gen zwischen Deutschland und Marokko bereits be stehen. daß deutsches Kapital mit vielen Millionen schon an industriellen Unternehmungen in Marokko beteiligt ist, und auch die deutschen Schifsahrtsinter- essen die französischen ganz allgemein und die eng lischen im Süden Marokkos sehr beträchtlich über treffen. Dies« Tatsachen lassen vom Standpunkt der deutschen Nationalwirtschaft aus die Forderung berechtigt erscheinen, daß das deutsche Interessengebiet in Marokko ungeschmälert erhalten und die dort bereits geschaffene Position deutscher Unternehmer für die Zukunft vor jeder Gefährdung unbedingt sicher- g e st e l l t werde. Wo Frankreich sich bisher die poli tische Herrschaft angeeignet hat. hat es immer ver standen, dies« Gebiete zugunsten seines eigenen Mark tes den anderen Nationen wirtschaftlich zu verschließen. Es wird somit l>es.immter, zuvcrlnpiger Bürgschaf ten dafür bedürfen, daß, wenn Frankreich auch in Marokko das politische Uebergewicht eingeräumt würde, hierdurch die bedeutsamen wirtschaftlichen In tercssen Deutschlands und seine Ansprüche auf unein geschränkten ZUettbewerb in keiner Weis« eine Beein trächtigung erfahren. Das entspricht den Aufgeber» des Deutschen Reiches als politische Großmacht, und das ist der entschiedene, einmütige Wille des deut schen Volkes und vor allem der deutschen Industrie. Zur Befreiung Richters. Die hochersreuliche Kunde von der Befreiung des Ingenieurs Richter aus den Räuberhänden, worüber wir bereits gestern abend Näheres berichteten, ist vom Auswärtigen Amt bestätigt worden. Richter be findet sich bereits in Elassona unter dem Schutz der türkischen Behörden. Einzelheiten über die Be freiung, besonders darüber, ob die Räuber das ge forderte Lösegeld erhalten haben oder nicht, liegen noch nicht vor. An Telegrammen können wir noch folgende veröffentlichen: Saloniki, 23. August. (E. D.) Die Auffin dung des Ingenieurs Richter erfolgte an der griechischen Grenze. Richter wurde zunächst den türkischen Behörden in Elassona übergebe». Jena, 23. August. Bei der Firma Karl Zeih ist ein Telegramm des Auswärtigen Amtes ein gegangen, wonach der deutsche Konsul in Salo niki bestätigt, daß Ingenieur Richter befreit ist und sich in Elassona befindet. — Aus Jena wird weiter berichtet: Durch die Nachricht von der Be freiung des Ingenieurs Richter war die bOjäbrige Mutter tief erschüttert. Sie hatte bereits Len Ent schluß gefaßt, trotz ihres hohen Alters selbst nach Saloniki zu fahren, weil sie glaubte, daß eine Mutter erreichen müßte, was allen anderen unmöglich er schien. In Jena war ein Ausschuß in Bildung be griffen, der die Reise der alten Dame init Rat und Tat unterstützen wollte, und auch von der Reichs regierung war ihr jede Förderung zugesagt worden. Die Meldung von tzichters Befreiung traf in Jena am Mittwoch in den Mittagsstunden ein und wurde von den Zeitungen durch Extrablätter bekannt gegeben. Richters Frau soll stets an seine baldige Befreiung geglaubt haben. Seit drei Monaten hat man sich im Deutschen Reiche nicht nur an Stammtischen und in Kaffee kränzchen mit der romantischen Entsührungsgeschichtc des Jenenser Ingenieurs Richter beschädigt, der seiner Sehnsucht nach dem griechischen Göttcrbcrge Befriedigung schaffen wollte, aber nicht ans Ziel seiner Wünsche gelangte, weil ihn eine boshafte gricchiich-türkische od,-r türkisch-griechische Räuberbande unter Führung Ser Herren Lolio und Strati an der Fortsetzung seines Weges hinderte, seine beiden Be gleiter, türkische Gendarmen, kurzerhand totschlug, den wissensdurstigen Reisenden selbst aber in unwirtliche Scyluchten entführte, um ein stattliches Lösegeld — 30 WO türkische Pfund — das ist nach unserem Geld« 1000 000 — zu erpressen. Die türkischen Behör ¬ den hatten Richter zwar vor seiner gefährlichen Reise gewarnt, aber das entband sie noch lang« nicht von der Verpflichtung, für rasche Befreiung dieses Man nes zu sorgen. Es bedurfte erst einiger wohlgemeinter Mahnungen von deutscher amtlicher Seite, bis die türkischen Behörden aus ihrer sprichwörtlichen Lässig keit aufgerüttelt worden waren. Schließlich wurde eine umfangreiche Durchsuchung des Olympgebirges durch türkische Gendarmen und Soldaten vorgenom men; und in d«n letzten Tagen hatte man sich sogar mit den griechischen Behörden wegen eines Ueber- tritts auf griechisches lfiebiet in Verbindung gesetzt, um den nun erst recht gefährdeten Richter ohne Löse geld durch Waffengewalt den Fängen seiner Räuber zu entreißen. Ob die Räuber dies« Verfolgung doch etwas nervös und ängstlich gemacht hat oder ob andere glückliche Umstände mitgewirkt haben, ist noch unsicher. Jedenfalls haben sich die Befürch tungen. Richter w--rde von den Räubern noch getötet werden, ehe die Verfolger ihnen die Beute abjagten,
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