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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.02.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020201016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902020101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902020101
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-02
- Tag 1902-02-01
-
Monat
1902-02
-
Jahr
1902
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Rrdaction-strich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten («gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsay entsprechend höher. — Gebühre» für Nachweisungen und Offerteuannahme 25 H (excl. Porto). Extra - Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: BormittagS 10 Uhr. Morge«.Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bet de« Filiale« und Annahmestellen je eine halb» Stund« früher. Anzeige« sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 86. Jahrgang. Nr. 57 Sonnabend den 1. Februar 1902. Die Zusammensetzung Les sächsischen Landtages und -ie Regierung. D Seit die konservativ-agrarische Partei durch die letzten Wahlen zu der ausschlaggebenden Stellung, die sie schon immer besaß, auch noch die unbedingte Majorität im sächsischen Landtage erlangt hat, erheben sich endlich verschiedene Stimmen, die der Ueberzeugung Ausdruck geben, daß es so nicht weiter gehe« könne. Besonder» charakteristisch ist dafür ein unlängst im „Sachsen-Spiegel" erschienener und ganz zweifellos auf Anregung von höherer Stelle verfaßter Artikel über das Drei- classenwahlrecht, in dem e» heißt: „In maßgebenden sächsischen Kreisen sieht mau denn auch, wenn wir recht unterrichtet sind, da» Dreiclassenwahlsystem uur al- einen Nothbehelf an, der dazu dienen sollte, einen Landtag zu schaffen, in dem über VersafsungSfragrn mit der »Lthigen Ruhe und Gründlichkeit verbandelt werden kann. Da dies nun erreicht ist, dürfte auch der Zeitpunct nicht mehr allzu fern sein, an dem der Landtag sich abermals mit der Wahlrechtsfrage zu befassen haben wird." (Da» hier Gesperrte war auch im „Sachsen- Spiegel" gesperrt gedruckt.) Wir glauben in der Annahme nicht zu irren, daß 1896 trotz der damaligen Zwangslage nicht nach dem schon damals als „unvollkommen" erkannte« Dreiclassenwahlsystem e gegriffen worden wäre, wenn nicht eine erdrückende Majorität sich dafür ausgesprochen und jede Einwendung kurzer Hand abgeschnitten hätte. Ohne diesen Druck wären schon damals die Abgeordnetensitze ander» vertheilt worden, nämlich nach der Zahl der Bevölkerung. E» wäre das unbedingte Uebergewicht des Lande» über die Städte beseitigt und der städtischen Bevölkerung eine ihrer geistigen uud wirthschastlichen Bedeutung entsprechende Vertretung geschaffen worden. Es wäre an Stelle der mundtodt gemachten socialdrmokratischen Partei einer bürgerlich-liberale« Partei der Weg frei gemacht worden, um eine der Bedeutung de» sächsischen Bürgerthum« ent sprechende Stärke zu erlangen. Daß da« damals nicht geschehen ist und nach Lage der Dinge nicht geschehe« konnte, ist höchst beklagenSwerth, denn natürlich ist eS jetzt sehr schwer, da- Unterlassene uachzuholen. Eine solche Correctur fordert von der herrschenden Partei eine patriotische Einsicht, di« wenigsten» dem engherzigen Parteigeiste fremd ist, eine Selbstverleugnung, zu der sich der Einzelne leichter durchringt, als eine Parter (wir kommen darauf noch zurück). Der erwähnte Artikel de» „Sachsen-Spiegel-" scheint ja auf eine solche Selbstentsagung zu rechnen, hoffentlich täuscht er sich nicht. Und in der Thal läge eia Entgegenkommen auch rm Interesse der Eouservativen. Sie würden damit ihrer politischen Einsicht und ihrer Regierung-fähigkeit da» beste Zeugniß au-stelle«; auch würden mit ihnen und von ihnen durchgeführte Reformen naturgemäß weniger radikal au»- fallen al« gegen sie erzwungene. Daß die Reformen aber schließlich erfolaen müssen trotz de» Sicherheitsventil«, da» die ReichStagSwablen bieten, da« folgt ebensosehr aus dem innersten Wesen de» Parlament», wie aü- den höchsten Interessen einer monarchischen Negierung. Ein Parlament, in dem tatsächlich nur eine Partei zur Geltung kommt» ist rin Widerspruch in sich selbst, ganz de- sonder» dann, wenn große geistig und wirthschastlich hervor ragende Gruppen der Bevölkerung dadurch einflußlos werden. Da- Parlament soll allen in der Bevölkerung, von den höchsten bis zu den niedrigsten Kreisen, vorhandenen Interessen zum Ausdruck verhelfen. Da- parlamentarische Leben beruht auf dem Zusammenstoß und Au-trag von Gegensätzen; eö verlangt mindesten» zwei Parteien, wir von alter-hrr schon der englische ParlameutariSmu» beweist. Bi- zu der Aenderung de» Wahlrecht» war diese zweite Partei in der Svcialdemokratie vorhanden, ein flußreich nicht so sehr durch di« Stimmeuzahl, al» durch die Euer-!« ihre» Auftreten», Da» »en« Wahlrecht vollre^zwar Unseren berliner Freunden hierdurch die ergebene Mittheilung, daß durch den be sonders in den letzten Jahren sich fortgesetzt erweiternden Kreis unserer Abonnenten und Inserenten in der Reichs hauptstadt wir uns veranlaßt gesehen haben, in Berlin 8V., Königgrätzerstraße 116, direct am Anhalter Bahnhof, eine Lilial - Expedition zu errichten, deren Eröffnung heute erfolgt ist. Anzeigen sowohl wie Abonnements werden hier zu denselben Bedingungen entgegengenommen und erledigt wie in unserer Haupt-Expedition in Leipzig. Unser gleichfalls dortselbst eingerichtetes Verkehrs - Vnrearr bietet unfern auf Reiseu befindlichen sächsischen Abonnenten Lesezimmer — Fernsprecher — Adreßbücher — Kursbücher — Stadtplane re., auch wird daselbst jede gewünschte Auskunft über Verkehrs verhältnisse, Hotels, Pensionen rc. bereitwilligst ertheilt. Leipzig, 1. Februar 1902. Leipriger lageblatt. nur deren übermäßige» Aaschwellrn verhindern, bat sie aber thatsächlich au» dem Landtag entfernt. Da hätte, wie ge sagt, mindesten» einer anderen Partei die Bahn frei gemacht werden müssen. Bei der Einführung drS Dreiclassenwahlsystem» beriefen sich seine Befürworter u. A. auch auf Preußen, beachteten aber nicht, daß in Preußen erstens eine viel größere Zahl der Wahlkreise dem liberalen Bürgerthum zufällt, und daß zweitens da- Centrum besteht: bier ist also für eine Mehrzahl von Parteien gesorgt. — Die derzeitigen sächsischen Zustände sind auch deshalb unhaltbar, weil sie dem Grund gedanken des Zweikammersystems widersprechen. Di-scS System soll doch in de» beiden Kammern nicht denselben, sondern verschiedenen Kreisen der Bevölkerung und Kräften des Staates Geltung verschaffen; darin liegt seine hohe Bedeutung. ES ist aber abermals ein Widerspruch in sich selbst, wenn beide Kammern im Wesentlichen dieselben Interessen vertreten. Dadurch verliert auch die Regierung die Möglichkeit, die Kammern gegen einander zu benutzen und dadurch, wie es ihre Aufgabe ist, zwischen den Gegensätzen zu vermitteln. Da» fuhrt uns zu dem zweiten Puncte, der uns noch viel wichtiger erscheint als der besprochene. Wir meinen, daß eine Verstärkung der bürgerlich-liberalen Vertreter vor Allem gefordert wird durch die ureigensten Interessen einer monarchischen Regierung. Ie länger je mehr besteht die Gefahr, daß die Regierung ins Schlepptau der konser vativ-agrarischen Landtag-Partei gerälh. So lange es aber monarchische Regierungen giebt, ist nichts für deren Ansehen gefährlicher gewesen als das Ueber- gewicht einer feudalistisch gefärbten Partei. Von den ältesten Zeiten her hat jede monarchische Regierung trotz aller bestehenden gesellschaftlichen Connexionen in der Aristo kratie den eigentlichen Gegner monarchischer Macht zu be kämpfen gehabt. Dieser Gegensatz nimmt heute natürlich andere Formen an, als zur Zeit der Fronde oder der Stein-Hardenberg'schen Gesetzgebung; aber in der oder jener Form hat von den ältesten Zeiten her eine übermächtig ge wordene Aristokratie stets die Regierung sich zu unterwerfen, ihren Interessen dienstbar zu machen gesucht. Gewiß ist daS in Sachsen noch lauge nicht so weit; aber daß diese Gefahr für die Regierung noch nicht dringend ist, das dankt sie weniger der sächsischen Verfassung, als der NeichSver- fassung. Die letztere mit ihrem allgemeinen Wahlrechte sorgt dafür, daß die konservativ-feudalistischen Parteibäume auch in Sachsen nicht in den Himmel wachsen, nnd gewährt der sächsischen Regierung in gewissem Sinne den Rückhalt, den ihr die sächsische Verfassung versagt. Trotzdem ist die Gefahr, daß die eigentliche Leitung der inneren sächsischen Politik dem Ministerium entfällt und an den Führer der einzigen Parlament-Partei übergeht, vorhanden. Wer daS nicht einsehen will, der braucht z. B. nur daran zu denken, wie vor zwei Jahren die Frage der Wohnungs gelder behandelt worden ist. Die Thronrede erklärte die Wohnungsgelder für durchaus nöthig, eS erfolgte aber unbegreif licher Weise keine diesen Worten des Königs entsprechende Vorlage. ES war offenes Geheimniß, daß diese Vorlage fertig vorhanden war, daß sie aber erst vorgelegt werden sollte auf Grund eines Antrags des Landtages. Schon hierbei fehlte der Negierung der Muth der Initiative, und nun trat daS Ungeheuerliche ein: die herrschende Partei zeigte der Regierung ihre Macht und stellte Len erwarteten Antrag nicht; wohl oder übel mußte nun die Regierung die Vorlage nachträglich bringen und erfuhr eine Abweisung. Die Sache wäre komisch, wenn sie nicht so furchtbar ernst wäre. Den Ministern persönlich ist aus diesem Vorgänge weniger ein Vorwurf zu machen (sie werden die Sache bitter genug empfunden haben); der Vorgang kommt auf Rechnung der Institutionen, denen die Minister ohnmächtig gegenüberslehen. Charakteristisch hierfür ist auch der in Nr. 2t deS „Tage blattes" (13. Januar Morgen-AuSgabe) abgedruüte sorgen schwere Artikel der „Leipziger Zeitung" über das Schicksal der Vermögenssteuer in der Ersten Kammer. Eine Partei, die sich allmächtig fühlt, macht von dieser Allmacht nur zu leicht Gebrauch. Dabei kommt sehr wesent lich in Betracht die Abschwächung der Verantwortlich keit, die jeder Collegiumsbeschluß, noch mehr jeder Partei beschluß dem Einzelnen bietet. Es dürfte nicht ganz selten vorkommen, daß der Einzelne etwas, was in seinem Interesse liegt, doch ans anderen Gründen für sich allein nicht thun würde, aber seine Bedenken unterdrückt, sobald er durch die Partei gedeckt ist. Die Einzelverantwortlichkeit ist eben stets viel feiner, als die einer Masse oder Körperschaft, n der jeder Einzelne sich auf die Anderen beruft und sich dadurch elbst beruhigt, daß er den Uebrigen gegenüber doch machtlos «i. So trifft auch den einzelnen Conservativen für die Zu bände kein persönlicher Vorwurf, ebenso wenig wie die Minister: um so dringender aber ertönt die Mahnung, die Institution zu bessern. Wir «rhrbrn diese Mahnung vor Allem im Interesse der Regierung und halten e- für patriotisch, rechtzeitig durch theoretische Erörterungen auf künftige Gefahren hinzuweisen. ES gilt jetzt vor Allem, die königliche Regierung zu stärken gegen die Allmacht der einen Partei. Da raus erhellt, daß wir selbstverständlich nicht auf eine Allmacht der liberalen Partei hinanSkommen, sondern auf ein Gleich gewicht, wobei deu Conservativen immer noch die Erste Kammer bliebe. Eine Regierung muß eben unabhängig von den Parteien sei«, muß zwei Eisen im Feuer haben. Dringend notbwendig ist deshalb eine starke bürger lich-liberale Partei. Wäre die schon vorhanden, so würde die Steuerreform wahrscheinlich eher erfolgt sein, so würde die finanzielle Lage wahrscheinlich jetzt besser sein, so würde die Negierung mehr Initiative Haden. Der Gang der sächsischen Steuerreform, verglichen mit dem Vorgehen Miquel'-, zeigt so recht die Gefahr, daß Sachsen den veränderten Bedürfnissen zu spät nachfolgt, die Gefahr, daß die Regierung nicht teilet, sondern geleitet wird. Vorn Kaiser Wilhelm II. wurde schon vor Jahren die Arußeruug erzäblt: „Früher hieß r»: Ja — aber! jetzt soll eS heißen: Ja — also! Auch Miquel ist «in Mann de» Ja — also". 8s von d vero, 4 ben trovato. Auch di« sächsische R^ienrng möchte wohl manchmal gern „Ja — also" sage«, der Landtag iadeß sagt »Ja — aber" und ist stärke. als die Regierung, weil er nur eine Partei hat. Hier ist Aenderung nöthig im Interesse einer starken Regierung, und gern greifen wir nochmals zurück auf den Artikel des „Sachsen-SpiegelS", von dem wir auSgegangen sind, da er zeigt, daß diese Dinge in Fluß kommen werden. Daß die Frage in Fluß kommen wird, beweist auck die zweite vom „Sachsen-Spiegel" Wen da» „Chemnitzer Tageblatt" abgegebene Erklärung. DwseS hatte behauptet, daß der oben citirte Artikel des „Sachsen-SpiegelS" „lediglich auf Combinationen ohne ofsicielle oder ossiciöse Grund lagen" beruhe. Der „Sachsen-Spiegel" spricht dem „Chemnitzer Tageblatt" jede Legitimation zu einer der artigen Behauptung ab und erklärt, daß auf dem Gebiete der sächsischen Politik tonangebende Persönlichkeiten nichts mit den gehässigen Angriffen des „Chemn. Tageblattes" zu thun haben. Also an'S Werk! Lieber heute als morgen! Der Krieg in Südafrika. Unterredung mit einem transvaalschen Staatsmann. Der Pariser „Tcmps" publiclrt aus Amsterdam ein Interview mit einem ehemaligen hohen Beamten der Transvaal-Republik. Dieser will ungenannt sein, da er in jedem Falle nach der afrikanischen Heimath zurückzu kehren wünscht; er machte folgende Aeußerungen: „Es ist unbestreitbar, daß die Engländer den Frieden w ü n s ch e n und daß sie den Krieg bedauern, für welchen sie nicht ausreichend vorbereitet gewesen sind. Wir Boeren haben weniger Eile nöthig, den Krieg zu beenden als unsere Gegner. Wir haben nicht viel mehr zu verlieren, während wir durch Ausdauer uud Geschicklichkeit viel gewinnen können, wenn wir auch nicht hoffen können, unsere volle Unabhängigkeit mV den Waffen zn erobern, io ist es doch gewiß, daß wir unseren Widerstand ins Unendliche zu verlängern vermögen, wo durch die Situation für England schwieriger und für uns besser würde. Die englische Armee zerfällt bereits. In London weiß man dies, und deshalb spricht man dort nicht mehr von bedingungs loser Unterwerfung. Wenn wir uns noch ein paar Monate halten, wäre England glücklich, uns Fricdensvvrschlägc machen zn können. Die Boeren ver mögen, ich wiederhole es, ins Unendliche den Widerstand fortzu setzen, aber unter einer Be dingung, daß sie genug Pferde haben. Diese Frage bietet für uns die einzige Schwierigkeit. Die Engländer, welche ohne Pferde zur Ohnmacht verurtheilt wären, haben bisher. Dank der Zaghaftigkeit der europäischen Mächte, welche behaupten, neutral zu sein, ihren Bedarf an Pferden und sonstigen Zugthicrcn decken können. Pferde und Maulthicre wurden von England iy Oester- rcich-Ungarn, Spanien, Portugal nnd Italien, auch in Nord- und Südamerika gekauft. Selbst in Holland kaufen Engländer Pferde, ja wohl, in Holland. Der Handel vollzieht sich offen bei Tageslicht. Ins besondere wird Brabant von englischen Agenten durchzogen. Anch Stroh wird für England in Holland, namentlich in der Provinz Fries land, gekauft, und eine holländische Locomotivfabrik hat kürzlich sechzehn Locomotiven nach dem Eap gesendet. Der Krieg wäre in wenigen Wochen beendet, wenn die cnropäischen Mächte die Gesetze der Neutralität streng be obachten würden." Auf die Frage des Correspondcnten, welche Be dingungen für den Frieden annehmbar wären, antwortete der transvaalsche Staatsmann: „Das ist eine sehr schwere Frage. Sie können sich vorstcllen, daß wir sehnlichst die volle Unabhängigkeit unseres Vaterlandes wünschen. Wir könnten dies erreichen, wenn die Neutralität der Mächte England zwingen würde, zu capituliren; aber das ist nicht zn erwarten. Wir wollen nichts von Unter werfung hören, nichts von dem provisorischen Colonial regime, nichts von Lostrennnng der Golddistricte. Aber was doch sein könnte? — Wenn wir wüßten, was man unter britischem Kaiserreich eigentlich verstehen kann, wenn ein kaiserliches Vollparlament be stünde, in welchem nach Abschluß des Frie de ns die Boerenrcpubliken vollberech tigt und ohne Einschränkung repräsen- ttrt sein würden, dann könnte man über den Anschluß an England sprechen. Die Herrschaft Englands wäre in diesem Falle nur eine Art Protektorat. Unsere Rasse würde sich bald wieder erholen, und man würde zuschen, was sich später machen ließe. Das ist eine rein persönliche Meinung, aber es wird — kann ich versichern — in Südafrika keinen dauernden Frieden geben ohne eine Lieser beiden Lösungen. Ent weder volle Unabhängigkeit der beiden Republiken ober Umgestaltung der englischen Verfassung auf -er gekenn zeichneten Grundlage." Die SrietzenSactio« gescheitert k * L«ndou, 31. Januar. (Telegramm.) „Times" schreibt: Di« gestern erlassene Verordnung de- Geheime» Rath», welche die Mobilisirung von neun weiteren Miltzbatailloneo verfügt, werde von der Nation al» willkommener Beweis betrachtet werden, daß die Regierung entschlossen sei, weiter zu kämpfen, bi- der Feind entweder die Waffen niederlegt oder eine Sicherheit dafür bietet, daß er bereit sei, die» zu den einzigen Bedingungen, die wir ihm zu bieten haben, zu thun. Da- britische Volk sehne sich aus- richtig nach Frieden unter diesen Bedingungen; aber da e-Balfour'- Wort dafür Hot, daß Niemand mit Ermächtigung der Boeren Bor schläge sür deren Annahme gemacht hat, ist r» nicht sehr sanguinisch hinsichtlich de- Ergebnisse- de- wohlgemeinten, wenn auch ungewöhn lichen Schritte» der holländischen Regierung und setzt sein Brr- trauen auf ander« Mittel, den Krieg zu einem schleunige« End» zu bringen. (Boss. As) * Lontzuu, 31. Januar. (Telegramm.) Lord Kitchenec meldet au» Pretoria unter dem 30. Januar: General French berichtet, daß im Nordosten der Lapcoloni« 26 Boeren gefangen genommen worden und ein Mann gefallen sei, die zu FouchK'S Commando gehörten, da- jetzt völlig zersprengt ist.— In dein Be richt über Dumoultu'S Tod sagt Lord Kitcheuer, Dumoulin sei bei AbrahamSkraal am Rietflusse durch Niruwenhout's Commando am 28. Januar angegriffen worden. Nach einem heftigen Gefechte seien di« Boeren mit Verlusten zurückgeschlagen worden. — Am 27. Januar nahm Major Driscoll nahe bei Markamsdrift ein kleines Boerenlager und machte 17 Gefangene, unter denen sich die Feld- cornetS Benter und Grobeiaar befanden. Letzterer erlag später seinen Wunden. Major DriScoll rückt jetzt gegen die Boeren vor, gegen die der gefallene Dumoulin gefochten hat. Deutsches Reich. Berlin, 31. Januar. (DerWerth derZeugen« aussagen und die Strafjustiz.) Bor einiger Zeit ging -ie Mittheilung des bekannten Criminalisten Prof. v. Liszt über ein von ihm angestelltes Experi ment zur Eonstatirung des Werthes von Zeugenaussagen durch den größten Thetl der Presse. Es handelte sich dabei um ein von dem Professor mit zwei Helfershelfern in- scenirtes Revolverattentat, nach welchem sofort die Zeugen des Vorganges vernommen wurden, und es ergab sich da bei die Unrichtigkeit der meisten Aussagen. An diese Mit theilung hatte Professor v. Liszt die Bemerkung geknüpft, wie wichtig die Wiederholung derartiger Versuche wäre, weil dadurch eine Reihe von Erfahr» ngss ätzen gewonnen werden dürfte, mit deren Hilfe der Werth von Aussagen sicherer beurtheilt werden könnte als gegen wärtig. An dieser Bemerkung nimmt in einer an die „Kreuzztg." gerichteten Zuschrift ein Richter lebhaften Anstoß. Er hält die Sammlung derartiger Erfahrungs sätze unter Umständen für schädlich, weil ein durch sie aus gestelltes Schema die freie Beweiswürdigung in spanische Stiefel schnüren würde, zum mindesten aber für über flüssig, weil die criminalistifchen Praktiker, Richter nnd Staatsanwälte, durch ihre tägliche Beschäftigung genügend psychologisch ausgebildet würden. „Das ,^iistil stumani a mo rckienum puto" eines iu der Schule der Praxis herangereiften Richters ist eine sicherere Garantie für eine gerechte, psychologische, individualisirende Straf rechtspflege, als die Veranstaltung criminalistischer Fort bildungskurse." Gewiß wäre es nachtheilig, wenn solche „Erfahrungssätze" sozusagen die unumstößliche Gesetz mäßigkeit mathematischer Lehrsätze erhalten und schema tisch und mechanisch angewendet werden sollten. Das aber will Professor v. Liszt zweifellos nicht, sondern er will nur, -atz sie dem Strafrechtspraktiker eine Stütze seien und ihn zur Vorsicht veranlassen sollen. Dies wäre durchaus von Bortheil, denn wir können keineswegs mit dem Verfasser der „Krcuzzeitnngs"-Zuschrift in der Ver herrlichung aller gegenwärtigen Strafrechtspraktiker über einstimmen. Der Wille zur objektiven psychologischen Prüfung ist ja gewiß immer vorhanden, aber es ist sehr die Frage, ob die Fähigkeit dazu mit der lang jährigen praktischen Beschäftigung nicht eher abnimmt, als zunimmt. Ein Richter, der viele Jahre lang immer nur in -er Strafjustiz thätig gewesen ist, gelangt leicht dahin, in dem Angeklagten von vornherein den Schul digen zu sehen und bei den Zeugenaussagen die belasten den Momente nicht nur, soweit sie vom Zeugen freiwillig vorgebracht werden, vorwiegend zu würdigen, sondern sie, sofern sie vom Zeugen nicht vorgebracht werden, durch eindringliches Befragen, ja geradezu Anfahren des Zeugen zu provociren. Manchem Richter ist dieses „Ausquetschen" der Zeugen so zur Natur geworden, daß sie gar kein Ge fühl mehr dafür haben, wie wenig durch diese Methode, Zeugenaussagen zu cxtrahiren, der objectiven Wahrhcits- crforschuttg gedient wird. Diese Neigung, auf jede Weise die Schuld des Angeklagten durch die Zeugenaussagen zu beweisen, wird noch gesteigert durch die Nervosität, der unsere Richter durch ihre ungeheuerliche Arbeits- übcrbürdung nothwendiger Weise verfallen. Vom prak tischen Standpunctc aus sind wir der Ueberzeugung, daß die richtige Würdigung von Zeugenaussagen durch die Richter sich durch eine wesentliche Entlastung der Richter viel eher erzielen ließe, als durch die Liszt'schen Experi mente, deren Nützlichkeit wir übrigens, wie bereits er wähnt, durchaus nicht bestreiten wollen. Je größer das Arbeitspensum ist, desto nervöser und ungeduldiger ist naturgemäß der Richter bei der Zeugenvernehmung, desto confufer wirb -er Zeuge und desto mehr entfernt sich das Bild, da» seine Aussage giebt, von der objectiven Wahr heit. In Berlin ist eS vor einigen Wochen vorgekommen, daß eine Strafsache, die auf 1 Uhr Nachmittags angesetzt war, nach 8 Uhr Abend» zur Verhandlung gelangte. Weber die Richter, die von 9 Uhr früh bis 8 Uhr Abends tcrminirt Haven, können nach elfstünbiger Arbeit eine Zeugenaussage richtig würdigen, noch auch können -ie Zeugen, die sieben Stunden in den Eorridoren herum gestanden haben, geistig frisch genug sein, um die von ibnen gemachten Wahrnehmungen anschaulich darzustrllc». In dieser Ucberlastung, die den Richter zur handwerks mäßigen Wahrnehmung seiner Thätigkeit zwingt, liegt der Krebsschaden unserer Strafjustiz. H- Berlin, 31. Januar. (Ausdehnung der Jnvalidenversichernngspslichtaufkleine Gewerbtreibende.) Gegenüber den Wünschen auf Ausdehnung der Jnvalidenversicherungspflicht aus kleine Gewerbtreibende wiesen wir schon vor einiger Zeit darauf hin, daß dem BundeSrathe eine Befugniß dazu be- reitS durch daS letzte JnvalidenversicherungSgesetz gegeben sei und daß er sicherlich im gegebenen Zeitpunkte davon auch Gebrauch machen werde. Regierungsseitig ist diese Ankündigung in der Petitionscommission des Reichstages bestätigt worden. Allen den kleinen Gcwcrbtrcibenden, welche auf diese Ausdehnung Werth legen, ist deshalb nur erneut zu rathen, ihr Verlangen dem BundeSrathe zu unterbreiten. Da» ReichS-versicherungSamt kann ar»
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