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Die Erben -er Staatspartei Reue Arbeitsgemeinschaften im Reichstag Vrudtinvläung auvvrvr Berllu, S. Okt. Die Aussichten der Deutschen Staats- »artet werben auch weiterhin tn politischen Kreisen lebhaft diskutiert» und es hat den Anschein, als ob unter den vterzehn Staatspartetlern die Neigung eines Kartellverhält nisse» »urDeutschenBolkSpartet mehr und mehr »onimmt. Dr. Scholz, der schon vor den Wahlen einen Versuch zur Bildung einer bürgerlichen Mtttelpartei gemacht Lat. der damals fchlschlug, tst durch den Zusammenbruch der staatSpartetltchen Tendenzen voll gerechtfertigt, was zu einer außerordentlichen Stärkung seiner Stellung in der volkSpartetltcheu Fraktion geführt hat. Diese» Plan hat Dr. Echolz neuerdings ausgenommen »nd betreibt nun die bürgerliche Einheitspartei auS «tner wesentlich stärkere« Position heraus, als dies vor de» Wahle« der Fall war, als ihm insbesondere die Demokrate« mit Spott und Hohn die kalte Schulter zeigten. Jetzt würde dle Deutsche Volkspartei vorschrciben, wen sie ausntmmt. und die betreffenden demokratischen Abgeordneten, die dafür überhaupt tn Frage kommen, mühten bescheiden bei ihr «»klopfen. damit ihnen die Tür. sei es zu einem Kar tell, sei «S zu einem H o sp t t a n te n v e r h ä l t n t s. aus gemacht wirb. Nur sollte man sich gerade in der Deutschen Staatspartet strengstens davor hüten, daß in ihr selbst nicht etwa durch eine Zusammenarbeit mit ehemals führenden demokratischen Persönlichkeiten die Tendenzen eines Links. abmarscheS Raum gewinnen. Tendenzen, die die Deutsche StaatSpartet bet einem nächsten Wahlgange nur noch weiter schwächen würben. Die Demokraten» die setzt zum Teil die Absicht haben, zur Deutsche« Bolkspartei zn stoben, würden sich also damit ab- siudeu müssen, daß die Deutsche BolkSpartei eiue bürger lich« Rechtspartei ist, die nichts mit eiuer verlassenen Mitte zu tu» haben will» «nd die mit einer nach links An schluß suchenden Soalitionspolitik Erfahrungen gemach« hat. die keinesfalls Anregung zu einer Wiederholung sein bürsten. Wie da» Nachrichtenbüro des VDZ. noch hört, rechnet «an tn unterrichteten Kreisen damit, daß die sechs volksnationalen Abgeordneten in der nächste« FraktionSsttzung der Deutschen Staatspartei am Mon tag osjiziell ihren Austritt auch aus der Fraktions- gemeinschast erklären werden. Bisher seien «och keine offiziellen Verband- lange» darüber geführt, wo die volksnationalen Ab- geordneten eine Arbeitsgemeinschaft eingehen werden, die ihnen die Ausschnstvcrtretung sichern würde. Eine lose Fühlungnahme mit dem ChristlichsoztalenVolkS- dienst in dieser Beziehung habe große Schwierig- leiten zutage gefördert. vorllnor Svkrlllloltung Mau will sich bemühen, alle kleine« Gruppen im Reichs tag, wozu auch die bäuerlichen z« rechnen wären, sür di« Idee einer umfassenden ArbeitSgemeinschast zu ge winnen. Dabei rechnet man damit, daß auch di« verbliebenen 1s StaatS- parteiler sich nochmals spalten könnten. Es wird als nicht ausgeschlossen bezeichnet, daß etwa der Abgeordnete Lemmer in absehbarer Zeit zur Bolksnatlonalen Reichsvereintgung Übertritt und daß ihm andere Demokraten folgen. Vom Christlich,ozialen Volksdicnst wird bestätigt, daß die sachlichen Verhandlungen sür den Zusammenschluß der fünf Konservativen sowie der drei Welsen mit den 14 Abgeord neten des Volksüienstes im günstigen Sinne abgeschlossen sind. Damit tst aus der Rechten eine neue Fraktion in Stärke von 22 Mann entstanden. Sie Demekraten belmllen den Namen SlaalSvaelei Berlin, S. Oktober. Die Führer der Deutschen Staats partet, der preußische Finanzminister Höpker-Aschoss und der ReichStagsabgeordnete Meyer, haben an dir Organi sationen in der Deutschen StaatSpartet, wo solche bereits be stehen. und an die Organisationen der Demokratischen Partei ein Rundschreiben gerichtet, in dem es heißt: Wir sind davon überzeugt, daß es notwendig ist. die Staatspartei al« solche aulrechtzuerhaltrn. Wir habe« den Wahlkampf als Staatspartei mit einem neuen Pro gramm geführt und sind schon aus diesem Grunde unseren Wäblern gegenüber verpflichtet, die Staatspartei aufrecht- zuerhaltcn. Wir würden eS lebhaft begrüßen, wenn die sungen liberalen Kräfte bet unö bleiben wltrdcn. Wo Orts gruppen der Staatspartei bereits gebildet wurden, sind sie unter allen Umständen aufrechtzuerhalten. In dem Rundschreiben wird weiter aus die Gründe ein- geganaen, die zum Auszug der Vo'ksnattonalen führten. Da bei wir- u. a. gesagt, eS stellte sich bald heraus, daß die Volks nationale Gruvpe eine Erweiterung Ser Staatspartet gar nicht wollte. In der Sitzung des HauptaktionSansschusies, die der Unterhaltung zwischen Minister Höpker-Aschoss und > Dr. Scholz vorausging, wurde von der Volksnationalen Grnvpe die Forderung aus gestellt, fedcn Versuch einer Verbindung mit Kräften der Deutschen Bolkspartei anfzugeben. Minister Höpker-Aschoss mußte mit aller Deutlichkeit erklären, baß er sich keine Vorschriften sür diese Verhandlung machen lasse, sondern sich volle Handlungsfreiheit Vorbehalte. Es wiederholt sich hier also das alte Svlel daß einer dem anderen oorwtrst. die Schuld am Zerwürfnis zu haben. Eine mm Rwisionsndk EchaM Neuyork. v. Oktober. Der frühere RcichSbankpräsident I Dr. Schacht nahm heute an einem Essen teil, das der Neu yorker Bond-Slub ihm zu Ehren veranstaltete. Ucber boos Personen aus führenden Bankkreisen waren erschienen. Dr. Schacht führte aus. er sei diesmal als Privatmann nach Amerika gekommen, um leine Freizeit zu einer ausgedehnten Studienreise zu benutzen. Gern sei er. obwohl Privatmann, der Einladung gefolgt um aus Wunsch seiner amerikanischen Freunde seine Ansicht über die augenblickliche Lage Deutsch, land» auSzulvrechen. Er habe leider feststeNen müssen, daß in Amerika im Augenblick ein unbehagliches Geiühl angesichts -er deutschen Zustände herrsche. Wer die geradezu über menschliche Geduld des deutschen Volkes gegenüber aller wirtschaftlichen Not und außcnpolttischen Bedrängnis objektiv beobachte, könne unmöglich überrascht davon sein, daß etn ko rechtlkbassenes Volk wie das deutsche seiner Empörung Ausdruck gebe. Daß die« nicht durch Gewalttaten, sondern durch den Stimmzettel geschehen sei. sei nur etn neuer Be weis dafür, daß das deutsche Volk daö ordnungssicbendste der Welt sei. Dtesentgen deutschen Zeitungen, -te solche falschen Nachrichten Uber eine bevorstehende Revolution in Deutsch land berichteten, begingen etn Verbrechen an der Welt. Etz ginge in Deutschland lediglich darum, ob das deutsche Volk genügend Beschäftigung sinken könne, nm am Leben zu bleiben. Roch sei -te wirtschaftliche Potenz Deutschlands unerschüttert. Aber die Reserven seien teils durch falsche Finanzpolitik, teils durch die Reparationen aufgebraucht, die nicht auS dem Ueber- schuß der Wirtschaft, sondern durch Ausnahme neuer Kredite geleistet worden seien. Im kommenden Winter müsse Deutsch land aus eine ArbettSlokenzahl von über vter Mil- llonenMenschen gcsaßt fein, ohne dabet auf irgendwelche Finanzreserven zuZickgreifen zu können. Dte Wahrheit sei nach seiner sesten persönlichen Ueberzengung, daß Deutschland an» eigener Kraft die Annuitäten d«S AonngpIanS nicht werde zahlen können. SA müßte aus Koste« der übrsqen Länder sonst seine« Außenhandel säst «m die Hälfte steigern. Tr glaub« nicht, baß die übrigen Völker gewillt seien, Deutsch land dle Zahlung der Annuitäten dadurch zu ermöglichen, daß sie zu solcher Steigerung des deutschen Warenexportes aus eigene Kosten bettrügen. ES könne deshalb nur ein« Frage d« Zeit sei», «um da» Reparativ usproblem eruent zur internationalen Diskussion stehe. Er könne sich unter keinen Umständen vorstellen, daß irgendeine Macht der Welt tn der Lage oder nur geneigt sei, Deutschlands politischen Schuld- Verpflichtungen einen Vorrang vor privaten Schuldverpflich tungen zu verschaffen. Eine Regierung, die etwas Derartiges versuchte, würde selbst jeden Kredit tn der Welt verlieren. Wie auch immer das Schicksal der Reparationen sein möge — Deutschland werde keinen seiner ausländischen Geldgeber jemals enttäuschen. Darin sei auch die Ponnganlelhe mit ein begriffen unbeschadet ihres politischen Ursprungs. Dte moralische SrebitWÜrdigkeit des deutschen Unter nehmertums sei ««verändert. Der deutsche Kaufmann, der Industrielle, der Landwirt ipürdeu keine Schuldver pflichtungen übernehmen» wenn sie nicht der ehrlichen Ansicht seien» Zinsen «nd Amortisationen auS der Pro duktion heranswirtschaste« zu können. Was aber den Kredit für öffentliche Körperschaften betreffe, so machten sich heute wette Kreise in Deutschland dte Kritik zu eigen, dte er vom ersten Tage seiner Amtsführung an der öffentlichen Finanzgebarung geübt habe. Die Forderung nach Beseitigung der sozialistischen Verschwendungswirtkchaft und nach stnanztcllcr Ordnung sei das Hauptproblem des Augen blicks. Dr. Schacht fuhr fort: Sie werden mich fragen, ob die Negierung stark genug sein wird, eine solche Politik der finan ziellen Ordnung durchzuführen. Ich erwidere darauf, baß «ns auch hier daS Ausland durch eine gerechtere Be handlung unserer «attvnale« und moralische« Forderun gen Helsen könnte. DaS deutsche Volk tst, tm ganzen genommen, viel zu ord nungsliebend, fleißig und ehrenhast, als baß es den Geist der Unordnung ober des Bolschewismus zur Herrschaft ge» langen lasten wird. Aber auch hinsichtlich der Reparationsabmachungen wird Deutschland im Rahmen der abgeschlossenen Verträge bleiben. Der Youngplan sieht etn« ökonomische Abwicklung des Repa- rattonsproblems vor. Er enthält aber auch alle Möglich keiten einer Neuanpassung, wenn die Unmöglichkeit einer exakten Durchführung sich ergeben sollte. Wenn trotz, dem eine psychologische Bcunruhtgung über das ReparatlonS- problem in der Welt herrscht, so aus dem Grunde, weil dte Politik das „sels Nqutdattng schme" des BouugvlanS tmHaag mit Sanktionen bepackt hat. Kampf um Preußen „Der Preis heißt Preußen." Mit diesen Worten hat kür»> kich die .^kreuzzeitung" die Entwicklung der tnnerpolitische« Situation in Deutschland treffend gekennzeichnet. Wenn auch zumeist von anderen Dingen gesprochen wurde, so hat sich doch um die Preußenfrage als den Schlüssel der politischen Konstellation so ziemlich alles gedreht, was tn den letzte« Tagen tn den Verhandlungen Brünings mit den Partei- fvhrern besprochen wurde. Der Grund ist ein zweifacher. Einmal hat es sich seit der Zerschlagung der alten RetchSver- fassung durch dle Revolution gezeigt, daß eine fruchtbare Re gierung tm Reich nicht möglich tst. wenn tm größten Lande eine andersgerichtete Negierung am Ruder tst Anstatt har monischer Zusammenarbeit entwickelt sich da etn Tauziehen zwischen beiden Setten der Wilhelmstraße, wobei die Reichs- gemalt gewöhnlich im Nachteil ist. weil daS Krastzentrum nun einmal bet Preußen liegt. Abgesehen vom Finanzmint- sterium, schweben die Reichsbehörden ohne Unterbau tn der Lust und sind den Schikanen der preußischen Verwaltung auf Gnade und Ungnade ausgeliesert. Der preußische Minister Höpker-Aschoff hat diesen Zustand mit der Behauptung ge kennzeichnet, daß die Halste seiner Arbeitskraft durch die Rei bereien mit dem Reich aufgezehrt werde, und anderseits wird Htndcnbnrg der Ausspruch in den Mund gelegt, daß er al» Reichsobcrhaupt noch nicht einmal einem preußischen Gen darmen befehlen könne. Alle Anläufe zur Neichsresorm haben an den Auswirkungen dieses verhängnisvollen Dualis mus noch nicht das geringste geändert, und darum war «S das ständtge Bestreben der Rechtsparteien von Helsserich über Hugenberg bis zu Hitler, und ihr« Voraussetzung für dte Be teiligung an der Verantwortung, daß dieser Gegensatz aus» geschaltet werde durch die Bildung homogener Regie rungen tn Preußen und im Reich. Dazu kommt jetzt all zweiter Grund dte Tatsache, daß das Ergebnis der Reichs» tagswahlen alle bisherigen politischen Kräfteverhältnisse über den Haufen geworfen hat und infolgedessen bas Preußen- parlament, in dem immer noch dte Sozialdemokratie mit Duldung des Zentrums, aus ein paar Stimmen Mehrheit gestützt, nach Willkür schaltet und waltet, wie etn Anachronis mus neben dem neuen Reichstag anmuter. Je mehr aber der Boden unter den Nachwirkungen de» Erdbebens vom 14. September schwankt, aus dem dir rore Bonzenherrschaft begründet tst. um so verzweifelter klam mert sich dte Sozialdemokratie an ihr letztes und stärkste» Bollwerk: die Macht tn Preußen. Nur aus dieser Rücksicht tst es zu erklären, baß sie tn dem delphischen Orakel ihres ersten Fraklionsbcschlusses der Regierung Brüning tn verschämten Worten vorläufige HilssstcUung gegen die bösen Nazis tn Aussicht stellt und mit einem Federstrich alle die Parolen vom Kamps gegen die Notverordnung verleugnet, mit denen sie in die Wahlchlacht gezogen war. Wie hieß eS doch damals? Sturz der Bürgerblockregierung. Aushebung ihrer arbeiterfeindlichen Verordnungen, weg mit Artikel 481 Und setzt, drei Wochen später, ist man bereit, nicht nur die Juliverordnungen unter Wahrung einiger Formalitäten »u schlucken, sondern auch noch das als antimarxistisch bezeichnet« neue Finanzprogramm Brünings in Kauf zu nehmen. Part» war Heinrich iV. eine Messe wert. Berlin wiegt für den Ge nossen Braun noch viel schwerer. Dafür opfert man tm Not fall nicht bloß verbrauchte Wahlparolen, sonder« sogar einige handfeste sozialistische Grundsätze. Brüning als Zentrums kanzler tm Reich hat nun einmal über seine Preußensraktto« den Schlüssel zur Preußcnkoaittion tn -er Hand. Ein Wink von ihm. und dte ganze Herrlichkeit ist zu Ende, die ganze» Minister-, Präsidenten- und Landratsposten sind weg auf Nimmerwiedersehen wie setzt ln Braunschmeig. Demgemäß hat auch der rote Preußenzar seine Verteidigung eingerichtet. Der Druck, den er aus die widerspenstige, well weiter radtka- ltsierte Reichstagsfraktton ausgcübt hat, mag nicht von Pappe gewesen sein. Zähneknirschend ist sie zu Kreuz gekrochen und hat dem Kanzler Brüning eine befristete Blankovollmacht ge geben, während draußen die sozialdemokratischen Mitglieder versammlungen wacker Kampsentschltcßungcn gegen dte Reichöregierung fassen dürfen. Dte Masse denkt und der Bonze lenkt. Otto Braun mtmt nach diesem Steg über dte eigen« Partei wieder den kaltschnäuzigen Diktator. Den ersten An trag auf Landtagsauflösung, der wohlgemerkt von der Wtrt- schaftspartet gekommen tst. lehnt er mit der hochmütige« Begründung ab: bas entspreche nicht den Gesetzen der Demo- Neute: ver »- Urakttalirer