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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration?. Preis 22 Sgr. s; Tdlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen Ler Preußischm Monarchie. Magazin für die Man präiiumerirt auf dieses Beiblatt der AUg. Pr. Staal«- Zeitung in Berlin in der Erveditien (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so >vic im AnSIandc bei den Wobllvbl. Post - Aemiein. Literatur des Auslandes. 108. Berlin, Mittwoch den 7. September 1836. Frankreich. Hl)M<n stuf der Fluth. (Schluß.) Mehrer« Tage laug hing ich meinen ^träumen nach; da, als ich einst mit meinen Zöglingen lind meiner Fiiiilc am Mecresnser ging, sah ich unser» von uns einen Knaben, der manchmal in unser Haus kam, nm Früchte zu verkaufen. Ich rief ihn heran, und der Zufall wollte, daß ich ihn fragte, woher er komme. Ich habe viele unnütze Wege gemacht, antwortete er, Mademoiselle Pauline ist sehr betrübt, daß sie leine Blumen zum Geburtslage ihrer Muller Hal, aber der Nordwind, der in den letzten Tagen so anhaltend wehte, hat die Gärten völlig ausgcdörri. Und wer ist Demoiscllc Paulines fragte ich. ES ist Ihre Nachbarin; eine sehr gute Same und schön wie ein Engel. Sic unterrichtet mich im Lesen und Schreiben, so daß ich wohl einem Schulzenamt vo:stehen könnte, so gut wie mein Oheim, und da bei bezahlt sie mir meine Lemühunzcii stets sehr reichlich. Meine Neugier war zu sehr rege gemacht, als daß ich nicht auch andere Fragen balle lbnn sollen. Ich ersuhr, daß die Same» niemals au«gingcn,-daß das kleine Fenster, das vom Laubwerk verdeckt seh, das Schlasgcmach der Denioiscllc Pauline erhelle, und daß, wenn sie es des Morgens verlassen balle, sie es nicht eher wieder belral, als wenn sie sich des Abends zur Jiuhe begeben wollte. Wahrend des ganzen Spa zierganges war »k von den mannigsachstcn Gedanken bestürmt. Als meine Zöglinge hcimgekcbrt waren, machte ich mich nach einem ziemlich entfernt liegende» Garic» ans de» Weg, der immer mit dc» schönste» Blume» geschmückt war, wcil die Besitzerin desselben Borsorge getroffen haue, ihre Beete gegen die ansdörrcnden Seewinde zu schützen. In der Nacht, als ich mich überzeugt halte, daß Jedermann zur Rube war, stieg ich aus einen der Bäume, und ich fübltc mein Herz leb haft llopscn, als ich mich dem kleinen Fenster näherte; es war fest ver schlossen, und vollkommene Dunkelheit herrschte. Ich stellte eine Base mit Blume» auf eines ter Gesimse und stieg, ein wenig geschunden und dnrchkällct, wieder hinab. Ich wagte mich nicht zu der Zeit in de» Garten, da sie die Blumen gewahren mußte, ich sah nur im Laufe des Tages, daß sie mehl mehr da waren. Bald zog ich den kleinen Boleiigänger an mich; ich war glücklich, mit Jemanden rede» zu können, der ste gesehen und gesprochen batte. Ich wollte mich ihm auch gefällig erweisen und gab ihm Unterricht im Rechnen. Kurze Zeit, nachdem ich meine Lehrstunden mit ihm begönne» balle, sagte er mir: „Dcmoisellc Pauline ist sehr zufrieden, daß ich rechnen lcrne, und bat mir ausgetragcn, gegr» die guten Nachbarn ja recht dankbar zu sepn." Als ich hörte, laß cr mit ihr von mir gc- sprochc» balle, wagte ich nicht weiter zu fragen. Eines Tages stolzierte LouiS, — so bieß der kleine Knabe, — mu einem blauen Bande ein her, das, wie cr sagte, Scmoisclle Pauline ihm geschenkt bade. Ich bot ihm Geld dafür, aber er weigerte sich beharrlich, es berzngebcn. Aus dem Bande allein schloß ich, daß sie blond sehn müsse. Alles dies inlercfsirlc mich mehr, als ich beschreiben kann. Eines Abends war ter Horizont mit lange» rolhschimmernden Wol- kc»strciscn bedeckt, ter Südostwind stürmte heftig, und das Meer schien bis in seiner tiefsten Tiefe aufgeregt: die Weilen erhoben sich in der Ferne, ste stiegen Höber und böher und wälzten sich gegen das User Hera», als wollten sic es verschlingt». Endlich brach da» surchtbarste Unwetter los. Die ganze Gegend befand sich in großer Auslegung; meh rere Böte waren am vorhergehenden Tage auf den Fischsang gegangen und noch nicht wieder heimgekehrt. Die Frauen und Kinder irrten am Strande umher und spähten umsonst in die Ferne. Ei» hölzernes CbristRbild, welches unsern ter Kirche errichtet war, war von knieen- ten Betern umgebe». Endlich erblickte man in dem gelblichen Schimmer, dc» die sinkende Sonne »och über den Horizont hinstreule, die schwärz- Uchen Scgcl der beiden erwarteten Fahrzeuge. Ich kehrte in diesem Augenblick nach Hause zurück, 'um euch« die Sumte zu versäumen, da das Licht durch da« kleine FeiDU Mahlte. Das Zimmer war erhellt, und ich vernahm cine überaus zarte Stimme. — „Giuevra", sagte sie, „morgen früh, sobald Dn aufgeftanden bist, komm z» mir und berichte mir, ob sich irgend ein Unglück ereignet bat. Dies snrchibarc Unwetter erschreckt mich." — Ich Hörle darauf, wie sich die Tblir öffnete und schloß, und »ach dem geringeren Glanze zn urtbei- lcn, balle dic Magd eine« der Lichter nnt berausgtnommcn Kurze Zeit darauf vcrnabm ich, daß sie eiu Gebet au dic heilige Jungfrau, die Schutz-Palronin der Seeleute, richtete; ich horchte andächtig zu und betete mit ihr. Hieraus kehrte ich nach dem Strande zurück; die beiden Fahrzeuge waren kaum noch zwei Flintenschüsse vom User entfernt, aber das Meer brandete mit aller Gewalt gegen dassclbc an, so daß die Fischer genug zu lhun halten, um zu verhindern, daß die Wellen ihre Fahrzeuge er faßten und gegen die Klippe» schlenderte». Plötzlich trat ein Moment ein, wo der Wind stch völlig kegle, man vernahm nur ein scrncs, dumpfes Brausen; das Meer wuchs zur Ber- geshöhe, cs schien den Himmel zu berühren; da brach diese snrchlbare Wassermassc zusammen, sic war riugsnm mit weißem Schaum bedeckt und wälzte sich an die Küste heran Ein Schrei der Berzweiflung er tönte vom Ufer her. Die beiden Fahrzeuge schwebten auf dem Gipfel der Wellen, dann waren sic dem forschenden Auge entzöge». Bald darauf sah mati ste wieder, aber zur Hälfte zertrümmert, sie waren aus einan der geworfen, sie ballen sich gegenseitig vernichtet. Eine mächtige Welle erfaßte sie und warf sie an da« User, aber indem sie zurückrollic, riß sie auch die Fahrzeuge eine Strecke mit sich fort; da wurden diese von einer zweiten Wille ersaßt, die ste mit solcher Gewalt gegen die Küste schleuderte, daß diese mit ihren Trümmern bedeckt wurde. Die Fischer waren, bi« aus einen Mann und ei» Kind, sämmtlich gcrellct. Während dieser ganzen trostlosen Scene hatte ich säst nur an meine Nachbarin gedacht. Ich bältc mir irgend eine Gelegenheit gewünscht, ihr nützlich zu werten. Ich lieble, aber cs war eine Liebe, wie ste nur edlen Seele» eigen ist, eine Licbc, dic unS über alle« Gemeine erhebt und un« mit Helten,»ulh waffncl Da« Meer warf dcn Leichnam deS Kindes an«; Jedermann hielt e« sür todl, ich glaubte, noch cine schwache Spur des Leben« darin zu enltecken und rille, ihm alle die Sorgfalt zu widme», vhne welche die Einfall e« hätte sterbe» lassen. Ich Halle das Glück, das kleine Wesen ins Leben zurück zu ruse». Die Mutter fand nicht Zeit, mir zu tanke», sic citic mil ihrcm Kintc jubclnd nach Hause. Ich selbst rannle »ach kcm Garlen zurück und schrieb in Eile aus ein Stückchen Papier: „Der Sturm bat dic bkitcu Fischerbarkcn zertrümmert. Die Mensche» sind alle gcrellct, Iakob ausgcnommcn." Daraus kletterte ich binaus und befestigte meine Schrist ans Fenstcr. Als ich am antcreu Tage, zur Zcit ter Abeno-Dämmerung, in tcn Garten ging, sah ich mich plötzlich von mcbrcrcn Leuten umringt, die mich umarmien und mich mit Liebkosungen überhäuften; es waren dic Acttern des Kinde,, das ich ins Lebe» zurückzcrus,» halte. Ich fühlte mich von diese» Ariißerungk» der Dankbarkeit ergriffen, und kürch eine ganz natürliche Empstndung geleitet, blickte ich zu dem kleinen Fenster auf; c« schien mir, als ob stch Jemand hastig zurnckzog. Pauline hatte mich gesehen, mein HSrz schwoll vor Freuten. Am andere» Tage, es war gegen Mittag, stand da« Fenster ans; ich stieg auf de» Baum und konnte in« Zimmer sehen; es war sehr ein fach möblirt Ich sah mit leisem Zitter» ein schneeweißes Bett, den Teppich, den ste bettele» Halle, und dic Panloffcln, wclchc ihrc kleinc» Füße einhülllcn. Ich schloß von den Einzclbciien, die stch mir darbo- len, auf da« Ganzc; ich bcwmldcrlc die Zierlichkeit der Pantoffel» lind der Handschuhe, die aus dem Ti>chc lagen. Ich überlasse c« Ihnen, stch meine Freude zu denken, als ich an dem Fcnstcrgcsimse zwei lange Haare fand, die ste sich wahrscheinlich ausgeriffen Halle, al« sie sich vor hin so hastig zurückzog. „Und tiefe beiten Haare", nnlerbrach ihn seine Zuhörerin, „waren sie in Wahrheit blond «" Raoul hielt einen Augenblick inne und blickle die Dame mil einer Miene des Erstaunen« an, dann, wähnend, daß seinr Wörle nicht so sicher zu überzeugen vermöchte», und da er es überhaupt nicht zn lieben schien, die Heldin seine« Roman» genau zu beschreibe», öffnete cr dic Kapsel eilic« Ringes und sagte: „Hier sind dic Haare, ste habe» mich niemals verlassen." Daraus fuhr cr fort: Ich säumte nicht, ten kleinen Loui« wicdcrzuskhen. Pauline hatte ibn nach mir gefragt, sie batte die Dankbarkeit ter Aucher gesehen, sie batte stch tie einfache Tbat meine« Berdienstc« erzählen lassen und, al« ste die Freude ter Aeltern sah, gesagt: „Ich habe mich ter Thronen nicht erwehren können!" Heilige Thränen! Ich hätte die Hälfte mei ne« Herzblutes für den Besitz des Schnupfluchs gegeben, da« diese kost baren Perlen eingcsogc» Halle. Ich will nun geben, sagle der kleine LoulS, Demoisekc Pauline möchtt meiner bedürfen, ste wird nach Hause gekommen sehn. Nach Hause gekommen! rief ich, war sie kenn ausgegangsn? Ja, ste war mil ihrer Muller zur Messe. Ich eilte auf den Weg, der nach ter Kirche führte, aber als wir auf die Straße hinanSlralr», zeigte mir Loui» zwei Frauen, die in«