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Pulsnitzer Anzeiger Ohorner Anzeiger Haupt- und Tageszeitung für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz und die Gemeinde Ohorn und Zwangsoergleich wird der für Aufträge etwa schon bewilligte Nachlaß hinfällig. Anzeigen sind an den ErschcinungStagen bis vormittags 10 Uhr aufzugeben. — Verlag: Mohr K Hoffmann. Druck: Karl Hoffmann und Gebrüder Mohr. Verantwortlich für den Heimatteil. Spori und Anzeigen Walter Hoffmann, Pulsnitz, für Politik und den übrigen Teil Walter Mohr, Pulsnitz. D. A. V.: 2250. Geschäftsstellen Albertstiaße 2 und Adolf-Hitler-Sttaße 4. Fernruf 518 und 550 Der Pulsnitzer Anzeiger ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft zu Kamenz, des Stadtrates zu Pulsnitz und des Gemcinderates zu Ohorn behördlicherseits bestimmte Blatt und enthält Bekanntmachungen des Amts gerichts Pulsnitz, sowie des Finanzamtes zu Kamenz 2Lr. 141 Freitag, den 19. Juni 1936 88. Jahrgang Diete Zeitung erscheint täglich mit Ausnahme der gesetzlichen Sonn- mib Feiertage Der Bezugspreis betrögt bei Abholung wöchentlich 45 Rpf-, bei Lieferung frei HauS 50 Rpi. Postbezug monatlich 2.80 RM. Iw Falle höherer Gewalt oder sonstiger Betriebsstörungen Hai der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Rückzahlung de« Bezugspreises. — Anzeigenpreise und Nachlaßsätze bei Wieder' Holungen nach Preisliste Nr. 8 sin unseren Geschäftsstellen erhältlich). Bei Konkurs Streikausdehnung in Belgien Trotz weitgehender Zugeständnisse der Negierung Brüssel, >8. Juni. Der belgische Streik, Ler bisher in der Hauptsache auf das Industriegebiet non Lüttich und Charleroi beschränkt war, hat jetzt auch die Haupt stadt Brüssel erfaßt. Vor allem in den Brüsseler Vor orten hat die Zahl der Streikenden eine starke Zunahme erfahren. Die Kommunisten versuchen, den Streik auf die Brüsseler Aeitungsbctricbe auszudehncn. Voraussichtlich wird auch das Personal der Eisenbahn die Arbeit nicder- Icgcn. Weiter wird damit gerechnet, daß das Brüsseler Straßeubahnpersona! und die Taxichauffeurc sich dem all gemeinen Ausstand anschließcn. Für die Regierung bedeutel diese Streikverschärfung eine große Enttäuschung, denn kurz vorher war unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten zwischen den Arbeit gebern und den Gewerkschaften eine Vereinbarung abgeschlossen worden, die die Bewilligung der Hauptforde rungen der Streikenden vorsah. Das Abkommen gewährte nn einzelnen allgemeine Lohnerhöhung aus der Grund lage eines täglichen Mindestlohnes von 32 Francs, be zahlten Urlaub von mindestens sechs Tagen, Sicherung der Gewerkschaftsorganisauonssreiheu und grundsätzliche Einführung der vwrzigstnndigen Arbeitswoche in den Industrien, in denen besonders schwierige und gesund- Heitgesährdende Arbeitsbedingungen vorliegen. Die von der Regierung ausgesprochene Hoffnung, daß die Streik welle nun zurückgehen würde, hat sich jedoch nicht erfüllt. Vielmehr bezeichnen die Streikenden die Zugeständnisse der Regierung und der Arbeitgeber als völlig unzuläng lich. Der Brüsseler Gcwerkschaftsbund Hai beschlossen, die amtliche Mitteilung der Negierung über die Einigung nicht zu beachten, vielmehr die Brüsseler Arbeiter auf- zusordern, sich der Streikbewegung anzuschließen. Panzerwagen in den Straßen Lüttichs In Lüttich versuchten die Streikenden, die Lebensmit telzusuhren abzuschnciden. Milchwagen, Gemüse- und Fluchtladungen transportierende Fahrzeuge wurden zur Umkehr gezwungen. Im Lütticher Stadtinnern ist die Lage so gespannt, daß die Sicherheitsbehörde den Einsatz von Panzerwagen an geordnet hat, die durch die Straßen patrouillieren. Zur Zeit sind Gendarmerieabteilungen in Stärke von tausend Wann in Lüttich zusammengezogen. Es wird mit weiteren Straßen- unruhen gerechnet. In der Gegend von Mons haben die Streikenden vielfach das Straßenpflaster ausgerissen und mit den Pflastersteinen Barrikaden errichtet. Feuergrfecht zwischen streikenden belgi schen Arbeitern und GendarmEN Zwei Tote Brüssel, 1S. Juni. Zu einem Feuergefecht zwischen streikenden Arbeitern und Gendarmerie ist es am Donnerstag abend in Mons Ville im Bezirk Bvrinage gekommen. Die Arbeiter hatten die Zufahrtsstraßen zu dem Ort durch Barri kaden versperrt und zur Behinderung der Gendarmerie Glas scherben ausgestrent. Am späten Nachmittag wurde ein größeres berittenes Gendarmerieaufgebot nach Monsville ge schickt, um die Ordnung wieder herzustellen. Als di« Truppen auf der Chaussee anritten, wurden sie zunächst mit Steinwürfen empfangen. Dann fielen von Leiten der Arbeiter Schüsse. ES entwickelte sich ein regelrechtes Feuergefecht. Die Arbeiter mußten schließlich die Flucht er greifen und liefen in da« nahegelegene sozialdemokratische Dolkshaus. Die Gendarmerie drang mit schußbereiten Kara binern nach und verhaftete alle Insassen. Später wurde vor dem kommunistischen Parteilokal ein 26jähriger Arbeiter tot «ufgefunden. Er hatte einen Bauchschuß. Aus Erregung über di« Vorfälle fiel aus der Straße kurz darauf eine 51jährige Fpau tot nieder. > Streikausschreitungen in Barcelona In Barcelona dauert der Streik im graphischen Ge werbe mit unverminderter Heftigkeit an. Von den Strei kenden wurde eine Reihe von Sabotageakten verübt, Ar beitswillige wurden verprügelt, und in mehreren Werk- statten, deren Belegschaften sich nicht der Streikparole an geschlossen hatten, wurden die Inneneinrichtungen und Maschinen zerschlagen und die Arbeiter mit vorgehaltenen Pistolen zur Niederlegung der Arbeit gezwungen. Der Generaldirektor der spanischen Polizei teilte mit, daß der auf ein großes Madrider Kaffeehaus verübte Ueberfall von Anarcho-Syndikalisten organisiert worden sei und daß er aus diesem Grunde die Schließung des anarcho-syndikalistischen Gewerkschaftshauses angeordnet .habe. , Erbittertes Gefecht zwischen Streikposten und Streikbrechern vor einer amerika nischen Werkzeugfabrik 14 Verwundete Men Yo rk, IS. Juni. Wie au« Kent (Ohio) gemeldet Wirh, kam es vor der dortigen Werkzeugfabrik, Lie seit zwei MoEen bestreikt wird, zu einem blutigen sechsstündigen Gefecht zwischen ungefähr 3000 Streikposten ,die mit Gewehren bewaffnet waren, und ebenfalls bewaffneten Streikbrechern. Bei Dem lebhaften Kugelwechsel wurden insgesamt 14 Mann verwundet, darunter einige schwer. Die Unruhen be gannen, als die Streikposten versuchten, zwei Lastkraftwagen mit Streikbrechern an der Einfahrt in die Fabrik zu hindern. Die Arbeitswilligen auf dem Lastkraftwagen eröffneten «in heftiges Gewehrfener und warfen Tränengasbomben, um sich Lie Einfahrt zu erzwingen, worauf die Streikposten das Feuer erwiderten. Die Streikposten gaben später die Belagerung der Fabrik auf. Sanktionen gescheitert Erklärung Edens im Unterhaus London, 19. Juni. Das Unterhaus begann die Aussprache über die Anshebung der Sanktionen mit dem üblichen Frage- und Antwortspiel. Das Haus war trotz der Wichtigkeit der zu erwartenden Ereignisse nur mäßig gefüllt. Die Gale rien für die Diplomaten und das Publikum waren aller dings bis auf den letzten Platz besetzt. Als Eden sich erhob, rief die Opposition ironisch: „Steh fest!" In seiner Rede vor dem Unterhaus erklärte Eden, die britische Regierung werde jeden Beschluß loyal durchfüh ren, der auf der kommenden Völkerbundsversammlung in Gens gefaßt werde. Die Regierung beabsichtige, auch diesmal die Führung zu übernehmen. Wenn sich die Frage erhebe, was der Völkerbund tun solle, so müsse man in erster Linie zugeben, daß "der Zweck, zu dem mau die Sanktionen auferlcgt habe, nicht er reicht worden sei. Nach reiflicher Erwägung sei er zu der Ansicht gekommen, das, die Fortsetzung der Sühnc- mastnahmcn, um damit einen Druck auf Italien auszu- üben, keinerlei Nutzen habe. Man habe sich eben schwer verrechnet. Der Feldzug der Italiener in Abessinien habe Erfolg gehabt. Daraus ergebe sich eine Lage, die nur durch eine militärische Aktion von außerhalb rückgängig gemacht werden könnte. Er st->llc die Frage, ob es irgendein Land gebe, das bereit sei, diese militärische Aktion zu ergreifen oder ob auch nur ein Teil der öffentlichen Meinung Groß britanniens bereit sei, dies zu tun. Wenn der Völkerbund die Absicht habe, in Abessinien einen Völkerbundsfriedeu zu erzwingen, dann müsse der Völkerbund zu einer Handlung schreiten, die unvermeidlich zum Krieg im Mittelmeer führe. Niemand könne aber Voraussagen, ob ein solcher Krieg auf das Mittelmeer beschränkt bleiben würde. Man könne nicht annehmen, daß der Völkerbund eine solche Entwicklung wolle. Die britische Regierung sei auf seinen Ratschlag, den er in seiner Eigenschaft als Außenminister gegeben habe, nach reiflicher Ücbcrlcgung zu dem Schluß gekommen, daß sic keine Macht habe, noch länger diese Maßnahmen sort- zusetzen, um einen Druck auf Italien auszuüben. (Zu rufe: „Schaudc!" bei der Opposition und Beifall der Rc- gicrungsanhänger). Die Gründe für diese Entscheidung beständen darin, daß nicht erwartet werden könne, daß die Fortführung der bestehenden Sanktionen die Lage Abessiniens wieder Herstellen werde, die zerstört wor den sei. Die britische Regierung sei nicht bereit, eine militä rische Aktion zu ergreifen. Eine Fortsetzung der Sanktionen würde aber nur zu einem Zusammenbruch der Sauktious- front führen, so daß sich der Völkerbund in Kürze in einer noch abträglicheren Lage als jetzt befinden würde. Die Zusicherungen auf Beistand im Falle eines An griffs im Mittelmeer, die Großbritannien gemäß Arti kel 16, Absatz 3, gegeben habe, würden während der Dauer der unsicheren Periode aufrechterhalten werden, die not wendigerweise aus die Aufhebung der Sanktionen folgen Würde. Angesichts der Erfahrungen der letzten Monate habe die Regierung beschlossen, im Mittelmeer ständig eine Vcrtcidigungspvsition aufrechtzuerhaltcn, die stärker sei als die vor Beginn des Streites. Die Völkerbundsreform müsse bis zur Herbsttagung verschoben werden, weil wohl kein Volk bereit sein würde, diese Frage auf der nächsten Versammlung zu behandeln. Er glaube, daß eine solche Prüfung nur erfolgen könne, nachdem die Sanktionen liquidiert seien. — Er wünsche klarzustellen, daß nach Ansicht der Regierung der Völker bund fortgeführt werden müsse. (Gelächter der Oppo sition.) Eden wandte sich hierauf Deutschland zu und sagte: „Die Mitarbeit Deutschlands ist für den Frieden Euro pas nicht zu entbehren, und wir wünschen nichts Besse res, als mit Deutschland zu diesem Zwecke zusammcn- zuarbciten". Minister Eden ging dann ans die Fühlungnahme mit Deutschland ein sowie auf die Gcneralstabsbesprcchungen. Zum Schluß erklärte er: Es war für uns und Europa wichtig, dessen versichert zu sein, daß Deutschland glaubt, daß ein Punkt erreicht worden ist, an dem es erklären kann, daß es den politischen Status Europas anerkennt, abgesehen davon natürlich, wie dieser späterhin durch freie Verhandlungen und Uebereinkommen abgeänderi wird. Eine offene und beruhigende Antwort auf diese Fragen, dessen bin ich sicher, würde ein Signal für die Rückkehr des Vertrauens sein. Wenn eine Versicherung über diesen Punkt gegeben werden könnte, würden alle Elemente in der gegenwärtigen Lage gegeben sein, die uns gestatten würden, den Versuch zu unternehmen, eine dauerhafte Regelung in Europa abzuschließen, die auf dem Verschwinden der entmilitarisierten Zone beruht. Das war das Hauptziel der Mitteilungen, die der britische Botschafter der deutschen Regierung am 6. Mai übermittelte. Die Fragen, die damals der deutschen Re gierung gestellt wurden, waren unserer Ansicht nach sehr notwendig. Aus diesem Grunde glaubt die Regierung, dazu berechtigt zu sein, eine baldige Antwort der deut schen Regierung zu erwarten, eine Antwort, die, wie wir hoffen, einen Fortschritt der Verhandlungen bedeutel, die wir in erster Linie erfolgreich verwirklicht zu sehen wünschen. Amtlicher Teil Seite 4