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Amtsblatt der Kgl. Amtohauptmannschaft vnd der Kgl. Schulinspeclion zu Kauhen sowie des Königlichen Gerichtsamtes und -es Stadtrathes zu Dischofswerda. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabend« und kästet einschließlich der Sonn, abend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich l Mark LS Pfg. (IS Ngr.). Inserate «erden di« Dienttag« und Freitags früh S Uhr angenommen.— Deutschlands innere Verhältnisse. Ein Blick auf den gegenwärtigen Reichstag und seine letzten Verhandlungen zeigt un« leider, daß zwischen Regierung und Volksvertretung nicht die erwünschte Harmonie existirt. Die Session wurde diesmal ausnahmsweise mit einem vollen Hause und bei reichlich vorgefundener Arbeit eröffnet. Jedoch nahmen die Discussionen schnell einen Character an, durch welchen sich die aufrichtigsten Freunde des Reiches bitter enttäuscht sahen. So sehr da« Haus mit den Eröffnungen des ReichScanzlerS bezüglich des russisch-türkischen Krieges zufrieden sein konnte, so wenig angenehm verlief die Verhandlung über die TabackSsteuervorlage. Diese Steuervorlage mußte befremden schon durch ihre isolirte Erscheinung, während der Reichskanzler ausdrücklich ein Jahr vorher angeführt, „er werde nicht wieder mit einer einzelnen Vorlage kommen, sondern mit einem vollen Steuersystem." Ferner mußte die Form der Vorlage befremden, welche an sich nicht den Character eines organischen Gesetzes trug, das einem bestimmten System angehörend, die Sache nach einer bestimmten Richtung hin ent wickeln konnte, sondern vielmehr an Stelle des heutigen Systems etwas setzte, was weder Monopol, noch Licenz, noch freie Industrie war. Diese Form hat denn dazu geführt, daß sämmtliche Parteien des Reichstags nicht mit der Vorlage einverstanden waren, ohne sich dabei für Monopol rc. etwa zu entscheiden. Die Vorlage gab nun ferner Beranlaffu"^ zu sehr eigrnthümlichen Erörterungen. C ^-^a,en er klärte die Vorlage für das Richtige, wogegen er das Monopol als nicht Vortheilhaft für Deutschland er achtete, daneben aber anführte, daß diese Vorlage, die in Deutschland unnatürlich ausgedehnte Tabacks- production und Tabacksindustrie in die natürlichen gesunden Grenzen zurückdrängen solle. Im Allge meinen hat Niemand die Beobachtung bisher ge macht, daß unsere deutsche Tabacksindustrie eine ungesunde und unnatürliche wäre, vielmehr deutet Alles darauf hin, daß die Tabacksindustrie und die Tabacksproduction in Deutschland sehr gesund und naturwüchsig geworden. Parnbüler konnte daher mit Recht bemerken: „Es scheine ihm, daß der Herr Dreillnbdreißigster Jahrgang. Finanzminister selbst mit jeder Industrie im Vater lande unzufrieden sei!" Das Bundesrathsmitglied Borchardt enthüllte indessen seine Ansicht dahin, daß aus der Vorlage als Endziel das Monopol hervorgehen könnte. Nun trat Bismarck auf und erklärte: „er wünsche das Monopol." Am andern Tage erklärte Camp hausen, er sei auch immer für das Monopol gewesen und habe dies vor einem Jahre protokollarisch erklärt. Nun wird klar, daß im preußischen Ministerium die Frage in der Richtung des Monopols erledigt war. Gleichzeitig aber erklärte der Reichskanzler, daß Camphausen zunächst mit ihm einverstanden sei, — und er bisher keine Veranlassung gesehen habe, den öfter verlangten Dienstabschied de« Minister« anzu nehmen. Durch diese Erklärung mußten die Lonjec- turen bezüglich de» liberalen Majoritätsministeriums in einem sonderbaren Licht erscheinen. Man mag über das TabackSmonopol denken, wie man will, darüber wird man allgemein einver standen sein, daß die einschlägigen Fragen noch bei Weitem nicht reiflich genug erwogen worden sind, um eine definitive Entscheidung zuzulassen, und daß das Monopol nicht auf solchem Wege vor den Reichstag gebracht werden durfte. Es begreift sich deshalb auch, daß auf dem Boden einer solchen Situation eine Reformarbeit, wie sie in den letzten Monaten erörtert worden ist, nicht unternommen werden kann. Die Führer der nationalliberalen Partei sind entschlossen und haben dies auch, wie man hört, in Uebereinstimmung mit der gcsammten Fraktion bereits kundgegeben: so lange die von ihnen für nöthig gehaltenen konstitutionellen Garan tien nicht ausdrücklich zugestanden sind, sich weder auf persönliche noch auf sachliche Engagement» ein zulassen. Es ist ganz deutlich, daß die Verhandlungen des Canzlers mit Herrn v. Bennigsen, v. Forckenbeck, v. Stauffenberg rc., welche selbstredend zunächst nur informatorischen Character haben konnten, eine Reihe Grundsätze erwiesen haben, in denen keine oder keine volle Uebereinstimmung dieser Herren mit dem Canzler erzielt werden konnten. Damit ist aber nicht gesagt, daß diese Grundzüge al» absolute Conditionen hingcstellt waren; im Gegentheil, e» ist keinerlei endgültige DiScussion gefallen und es ist