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MchsMeUolksMullg «ez«a»prrls, > A»S«ab, L mU » Beilagen vlertey Dresden durch Boten 2,40 US fret Hau« 2.82 in Oesterreich Sich 2.IV F». In > Deutschland I RedalttonS-Sprechstunde: I« bi< II Uhr vormittag«. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit mit Unterhaltungsbeilage Die illustrierte Zeit und Sonntagsbeilage Feierabend ««zeigen, I Annahme von KeschllstSanzeigen bi« 10 Uhr, von FSmilien» anzeigen bi« 12 Uhr. Preis für dl« Petit-Spaltzeilc 2« im Reklame««» «« 4- I Für undeutlich geschriebene, sowie durch Fernsprecher aus- I gegebene «nzeigcn können wir die Berantwortlichleit für die Richtigkeit de« Texte« nicht übernehmen. Geschäftsstelle und Redaktion Dresden, Holbeinslratze 16 Nt. 277 Fernsprecher 136« Friedensgeläule! Konstantin opel, 4. Dezember. (Telegramm des Wiener K. K. Korrespondenzbureaus.) Der Waffenstillstand zwischen der Türkei einerseits, Bul garien, Serbien und Montenegro andererseits, ist unterzeichnet worden. Ein Aufatmen geht durch ganz Europa: Der Fried? ist gesichert, wenn auch vorerst nur ein Waffenstillstand erzielt worden ist. Dieser erfreuliche Ausgang ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen. Die wichtigste dürfte wohl die Erschöpfung der Balkanvölker sein. So lange sie von Sieg zu Sieg eilten, empfanden sie im Taumel des Erfolges nicht die Schwere der Opfer, die sie bringen mutzten, und kannten nur ein ungestümes Vorwärts. Vor Tscha- taldscha, Adrianopel und Skutari ist ihnen ein Halt ge boten worden, dort drängt sich ihnen die Erinnerung an den zurückgelegten Weg auf und mit Entsetzen überzählen sie die furchtbaren Opfer, die auf beiden Seiten dieses Weges liegen. Bang drängt sich ihnen die Frage auf: Kann das Volk noch mehr Blut lassen, ohne zu sterben? Dürfen wir noch mehr Siege um solchen Preis erringen? Die Jugend des bulgarischen Volkes ist auf dem Schlacht felde geblieben und auch die serbische Jungmannschaft hat dem Vaterlande schweren Tribut zahlen müssen. Mit einigem Bangen gehen die Staatsmänner und Könige der Balkanvölker ans Werk, um Gewinn und Ver lust abzuwägen und skeptisch Berechnungen über das Kom mende anzustellen. Die vielen und glänzenden Siege, die son den Balkanvölkern errungen worden such, lösen bei ihnen nicht die Freude aus, die sie vielleicht verdienten. Das heutige Geschlecht wird sich dieser Siege auch kaum er- freuen können: erst das Heranwachsende und kommende Ge schlecht wird sich ihrer freuen können. Der Friede wird den Balkanvölkern gewitz nicht leicht werden, denn sie werden gezwungen sein, manche ihrer im Verlaufe des siegreichen Feldzuges immer höher gespann ten Forderungen erheblich herabzumindern. Die Tscha- taldschalinie hätte zum Rubikon'- für die Türkei werden können, sie ist nicht überschritten worden und wird voraus sichtlich auch nicht überschritten werden. Das bedeutet ober für die Türkei die Sicherung eines wenn auch nur kleinen europäischen Besitzstandes. Auch Adriancpel und Skutari haben sich wacker gehalten, so datz die Türkei noch gewich tige ^Pfänder in der Hand behält, um einen nicht gar zu ungünstigen Friedensschlutz sich zu sichern. Die Lage der Türkei gestaltet sich dadurch noch günstiger, datz die Einig keit des Balkanbundes bereits erschüttert zu sein scheint. Zwischen Griechenland und Bulgarien sind die Reibungs flächen schon grotz und scharf geworden; die Interessenge meinschaft der Balkanvölker dürfte überhaupt auf eine harte Belastringsprobe gestellt werden, wenn es gilt, dis territorialen Eroberungen zu verteilen. Bulgarien hat die schwersten Opfer gebracht und die größte Arbeit ge- Dormerstag, den 5. Dezember 1912 Fernsprecher i3«6 II.Jahrg. leistet, hat aber an territorialem Besitz am tvenigsten er obert und nicht einmal Adrianopel zu Fall bringen können. Es wird kein leichtes Stück Arbeit sein, eine friedliche Aus einandersetzung über die Besitzveränderungen unter den Balkanstaaten herbeizuführen. Auf den jetzt abgeschlossenen Waffenstillstand wird aller Wahrscheinlichkeit nach bald der Frieden folgen, und die Weihnachtsglocken werden auch über dem verwüsteten Bal kan Frieden läuten. Ob dann der Krieg aber wirklich be endigt sein wird, oder ob der bevorstehende Friede weniger von Friedensliebe als vom Gefühle der Ermattung und Schwäche diktiert sein wird, bleibt abzuwarten. Fast möchte es scheinen, als ob die Balkanfrage durch den kommenden Frieden nicht gelöst werden wird. Die Türkei wird in Eu ropa bleiben, wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch Adria- nopcl und Skutari behalten. Der Friede zwischen den Bal kanvölkern unter sich und mit der Türkei wird vielleicht nur so lange währen, als die Ermattung nachhält, die Krieg und Seuchen jetzt verursacht haben. Auch der Tripleentente und dem Dreibunds steht noch eine schwierige Aufgabe be vor. Der Kampf um dis Vormacht zwischen ihnen ist immer noch nicht ausgefochtcn »norden; wird dieser Streit jetzt nicht ausgetragen, so geschieht es nicht aus ideeller Friedensliebe, sondern aus nüchternen, harten Erwägungen heraus. Trotz des Entgegenkommens der beiden Mächtegruppen auf dem Wege zur Verhinderung eines Uebergreifens des Balkan brandes auf anliegendes Gebiet ist nicht zu verkennen, datz die Spannring zwischen ihnen fortbesteht und jetzt auch kaum gelöst werden dürfte. Deutscher Reichstag Berlin, den 3. Dezember 19l2. Die auswärtige Politik Die kleinen Airfragen scheinen sich bei den Reichsboten besonderer Vorliebe zu erfreuen. Seit den tvenigen Tagen, seit denen der Reichstag wieder versammelt ist, ist silion eine ganze Reihe solcher Anfragen an die Negierung ge richtet. Auch heute wieder fühlen nicht weniger denn drei Abgeordnete das Bedürfnis, Auskunft über verschiedene Fragen zu heischen. Der Genosse Liebknecht glaubt nach Maßnahmen gegen die Einschleppung der Cholera aus der Türkei fragen zu müssen, bekommt aber zur Antwort, datz zu irgend welcher Beunruhigung nicht der mindeste Grund vorliegt. Nach diesem kurzen. Vorspiel wurde die Debatte über die auswärtige Politik fortgesetzt, die zunächst nichts Be merkenswertes zutage förderte. Aus der Ruhe wird das Haus etwas oufgcschreckt, als der polnische Redner T r a m p c zy n s k i in temperamentvoller Weise die preußische Polenpolitik, die nicht ohne Rückwirkung auf die auswärtige Politik bleiben könne, da sie bei ihrer Fortdauer Oesterreich bei seiner starken slawischen Bevölkerung die Aufrechterhaltung des Bündnisses mit Oesterreich unmöglich mache, zum Gegenstand feiner Erörterungen macht. Mag sich der Redner auch im Ton vergriffen haben, ein beson ders scharfer Ausfall gegen Preußen trägt ihm einen Ord nungsruf ein — in der Sache hat er zweifellos recht. Der Revisionist Dr. David kam nach dem Radikalen zu Worte; er kam mit einer langatmigen Polemik gegen die bürgerlichen Parteien. Das deutsch-östcrreichische Bünd nis sei nur ein Defensivbüudnis, d. h. beide Staaten wollten sich gegen einen Angriff von Rußland schützen. Wenn aber Oesterreich angreift, dann müssen wir nicht mobil machen; der Vertrag bindet nicht. Die österreichische Hof- und Kriegspartei wolle den Krieg, und das Zentrum stehe auf derselben Bahn wie diese. Deutschland sei kein bleibender Gefolgsmann Oesterreichs. Die Beziehungen zu England bessern sich und müssen immer mehr gebessert werden, tonst hat Rußland allein den Gewinn. Wir Sozialdemokraten sind Gegner deS Weltkrieges. Zum Schlüsse rühmte er gar die Sozialdemokratie als sine Partei, welche die ver faulten (l!) religiösen Werte erneuere; dabei bekannte er, datz er in Basel wieder in der Kirche gewesen sei und das tei eine der schönsten Stunden seines Lebens gewesen. Die Massen hörten auf, gedankenlose, willenlose Herden zu sein. In geradezu frivoler Weise schloß er mit dem Weih- 'nachtsgruß: „Friede den Menschen" und die jüdischen Sozialdemokraten riefen am lautesten Beifall. Das war. der beste Rahmen zu dieser Rede. Slbg. Fürst v. Löwen st ein gab die Antwort namens deS Zentrums sehr bestimmt und geschickt. Das Zentrum habe keine Beziehungen zu einer österreichischen Kriegspartei: aber cs halte am Wortlaut und Geists des Bündnisses fest. „Der Vorredner hat Herrn Abgeordneten Dr. Spahn vorgeworfen, eine Kriegsrede gehalten zu haben. Wenn man in Oesterreich nicht überall mit der Lammesgeduld zufrieden sein sollte, so könnte man daraus nicht sofort auf das Bestehen einer Kriegspartei schließen. Jedenfalls ist das Zentrum nicht der Vertrauensmann des Erzherzogs-Thronfolger. Was das Gebiet d"r hohen Kirchenpolitik des Herrn David angeht, so sehe ich tatsächlich nicht ein, was die Frage, „ob Durazzo serbischer oder alba nischer Hafen wird", mit der hohen KirchenpoUtik zu tun hat. Er hat dem Abgeordneten Spahn eine zu weitgehende Auslegung des Bündnisvertr aes mit Oesterreich vorge worfen, obgleich sich die Auslegung genau mit dem Sinn und Wortlaut des deutsch-österreichischen Vertrages deckt. Alle Parteien sind sich einig, abgesehen von der sozialdemo kratischen Seite, für ein energisches Eintreten für Oester reich. Es ist dies ein vitales Interesse Deutschlands. Die im vorigen Jahre bewilligten Heercscrweiterungen und die Bereitstellung der hierfür nötigen Mittel zur früheren Erzielung dieser Pläne haben den Frieden wirkungsvoll unterstützt. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und rechts.) Der internationale sozialistische Kongreß in Basel weist einen logischen Fehler auf. Die Redner forderten nämlich die Befreiung der Balkanvölkcr vom türkischen Joch, und diese Befreiung ist ohne Krieg nicht möglich. Auch der Ver teidigungskrieg des eigenen Landes wurde nicht unbedingt verurteilt, und eben noch hat .Herr David darauf hinge wiesen, datz Bebel bereit sei, mit dem Schwerte in der Hand Deutsche Politik Von GermanuS II. Die Deutschen sind das Volk des europäischen Festlan des, aber das geographische Deutschland ist, selbst wenn wir es in seinem ganzen Umfange betrachten, für ein Welt machtsvolk unzureichend: es braucht ein ergänzendes Hin terland mit der Aussicht aufs Ungemessene, und dieses Hin terland kann ihm nach der Lage der natürlichen Verhältnisse nur Oesterreich verschaffen. „Das wird nur deshalb so wenig erkannt," sagt A. V. Huber, „weil die leere phan tastische Großsprecherei, welche in diesen Dingen allein Ge hör findet, immer von der törichten Idee der Konkurrenz mit England in der ozeanischen Entwickelung berauscht ist, und dabei in fast allen einzelnen Momenten den Schein, die Phrase für die Wirklichkeit nimmt. Wer nur irgend eine lebendige Anschauung des wahren Verhältnisses, der natürlichen Gaben und des darin liegenden relativen Be rufes der britischen Inseln und Deutschlands zu einer ozea nischen Entwickelung hat — wer dann die Aussichten er wägt, die zum Beispiel eine deutsche Besiedelung der unte ren Donau und was sich alles daran knüpft, unter einem mäßigen Zollschutz gegen England eröffnet, der wird wahr lich keinen Augenblick darüber im Zweifel sein, wo der Hauptberuf Deutschlands liegt. Aber freilich zu einer lebendigen Anschauung des relativen Verhältnisses deS Pfundes, welches die verschiedenen Völker und Länder als Betriebskapital in die Weltgeschichte bringen, gehört etwas mehr, als man aus geographischen Karten und statistischen Handbüchern ersehen kann." Als preußischer Minister setzte Bismarck seine russen- sreundliche Politik fort. Am 1. Februar (863, kurz nach Ausbruch der polnischen Revolution, sandte er den General v. Alvensleben nach Petersburg und ließ der russischen Ne gierung die preußische Unterstützung lnsi der Niederwerfung des Polenaufstandes anbicten, und am 8. Februar bereits wurde die für Preußen und Deutschland so schmachvolle Kon vention in Berlin unterzeichnet. Wenn Bismarck seine in dieser Konvention zur Schau getragene Liebedienerei gegenüber Rußland damit zu ver teidigen versucht, daß er sagt, ein Sieg der aufständischen Polen hätte die Errichtung eines selbständigen Polens zur Folge gehabt, so wird wohl jeder verständig und gerecht Denkende darin mit mir übercinstimmen, daß dieses selbst- ständige Polen als Pufferstaat zwischen Rußland und Deutschland viel mehr ein Bedürfnis als eine Gefahr für das letztere bedeuten würde. Bismarcks russenfreundliche Politik stellte sich aber be kanntlich die Aufgabe, Rußlands Zustimmung zu der in Aussicht genommenen Zerstörung deS Deutschen Bundes und der damit in Verbindung stehenden weiteren Maßnah- men zu erkaufen Und ein realpolitisch urteilender Kenner der russischen Geschichte und Politik wird fragen, warum Bismarck für düse weit mehr im russischen als im preußi- schon Interesse gelegen« Politik erst noch einen Preis ge zahlt hat? Denn: „Der Schlag, der das deutsche Volk 1866 getroffen hat, sagt Wuttke (Die deutschen Zeitschriften und die öffentlich« Meinung, 2. Auflage. Seit« 22 ff.), war ein furchtbarer, einer der schlimmsten in seiner ganzen Geschichte. Auf den Verlust der deutschen Stellung in Italien will ich nicht ein- mal Wert legen. Im Osten mengen sich die Stämme, da ist der Deutsche noch nicht allerwärts in der Ueberzahl (auch in Posen nicht!), aber täglich macht er Fortschritte. Da liegt das Feld seiner Ausbreitung, seiner allmählichen Ver stärkung, einer reichen Entwickelung. Als der Kronprinz von Preußen die Höhen von Chlum einnahm, ging es ver- loren. Sowie Oesterreichs deutsche Stellung vernichtet war, war auch die vorwiegende Bedeutung deS Deutschtums in Oesterreich zugrunde gerichtet, war nicht bloß dein Staate Oesterreich, sondern überhaupt den Deutschen im Osten die schwerste Niederlage beigebracht und mit einem Schlage m ußte sich dort alles ändern; es ist dies lange vorher von Großdeutschen verkündet worden und kam denn jetzt. Nach dem Oesterreichs staatlich»« Verbindung mit dem übrigen Deutschland zerhauen war, gewann das Stammbewußtsein der nichtdeutschen Stämme erhöhte Berechtigung. Man zählte die Köpfe im Kaiserreich und der Nichtdeutschen gab es mehr als der Deutschen. Von nun an loderte das innere Zerwürfnis heftig empor. Die niedergeschlagenen Deutschen Oesterreichs zeigten sich kleinmütig und nachgiebig, die Na tionalitäten, wie man sich ansdrückt, richteten ihre Anstren- gungen wider sie. In Galizien wie in Ungarn wurden die Deutschen nahezu verdrängt, ihr Einfluß wenigstens ge brochen, die Sachsen in Siebenbürgen, die Jahrhunderte der magyarisclien Ucbergriffe sich glücklich erwehrt hatten, verloren ihre alten Rechte, müssen den nngariscl-en Reichs tag lxsichicken und von ihm Gesetze nehmen. Die Ungarn wurden das führende, das entscheidende Volk. Ein Magyar ist gegenwärtig Hauptminister Oesterreichs und der in eines Deutscl-en Munde schwer richtig zu bezeichnende Wunsh, Oesterreich möge seinen Schwerpunkt in Pest haben, ist rich- tig in Erfüllung gegangen. (Fortsetzung folgt.) kr' Ä