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Vater ans das Schreiben des Lokalkomitees eingegangen war, gelangte nach der Begrüßungsrede des Präsidenten v. Orterer zur Verlesung; sie lautet: Pins IUR X. Geliebter Sohn, Gruß und apostolischen Legen! Das Schreiben, das du jüngst im Namen des vorbe reitenden Komitees der kaholischen Generalversammlung an Uns gerichtet hast, bestimmt Uns aus zweifachem Grunde, such mit besonderer Freude Unseren Dank und Unser vor zügliches Wohlwollen zu bekunden. Tie gemeinsame, glück- wünschende Huldigung, die ihr Uns zum Antritt des durch Gottes gnädige Fügung Uns anvertrauten apostolischen 'Oberhirtenamtes habt darbringen »vollen, legt Zeugnis ab öon der kirchlichen Ehrfurcht und Liebe, die euch alle in Gehorsam und Ergebenheit gegen den apostolischen Stuhl so enge untereinander verbindet. Die Tatsache aber, daß nunmehr bereits das fünf zigste Jahr seit dem Beginn euerer Geucralversammlungen glücklich vollendet worden, berechtigt wie von selbst zu der sicheren Hoffnung, daß die gegenwärtige, wie ihr meldet, unmittelbar bevorstehende Jubelversammlung sich feierlicher und großartiger gestalten werde, als je eine der früheren. Darin liegt nun ein wahlberechtigter glücklicher Anlaß zu c.ner gleich gemeinsamen Freude für alle: nämlich zunächst für Uns, die Wir, ans der Hochwarte des apostolischen Stuhles »vie von hohem Bergesgipfel Umschau haltend, mit Herzensfreude erfüllt werden, indem Wir so viele aus den Scharen eueres Verbandes hervorgegangeneu Vertei diger des Glaubens so tapfer gegen den Andrang der Irr- tümer kämpfen sehen; sodann für euch, indem ihr das Au- denken an die vergangenen Zeiten erneuernd, im Hinblick auf so viele Beispiele herrlicher Taten selbst neuen freu digeren Mut schöpfet und eben hierin ein Vorzeichen und die Gewähr noch reichlicherer Früchte für die Zukunft findet. Wenn euch nun bei dieser Jubelversammlung beson ders am Herzen liegt, gegen Gott, den Spender aller guten Gaben, die Pflicht des Dankes zu erfüllen, so will es Uns obliegen, das wohlverdiente Lob laut zu verkünden. Wir tun dies um so lieber, je offenkundiger und gewisser schon vorher die Gesinnungen der Bewunderung und liebevoller Znneignng waren, von denen Unser Vorgänger Leo XIII. unsterblichen Andenkens gegen die Generalversammlung der katholischen Vereine erfüllt war. Wir tun es in dieser feierlichen Weise, damit ihr durch dieses Zeugnis der Liebe von seiten des Papstes aufgenmntert, nicht nur um so bereitwilliger, sondern auch uoch um so freudiger fortfahret in euren Arbeiten und euerm Wirken für die heilige Kirche. Auch wird es bei dieser Jubelversammlung gewiß sehr angemessen erscheinen, das Andenken der Hingeschiedenen aus eurem Bunde, des Ludwig Windthorst und der anderen hervorragenden Männer zu erneuern, deren Verlust von Vaterland und Kirche schmerzlich empfunden wird, und die vordem lange Zeit hindurch eure Versammlungen durch ihre Teilnahme geehrt und durch das Gelvicht ihrer Per sönlichkeit geleitet haben. Vor allem bleibe die erste Stelle gewahrt dem hehren Manne Leo XIII., der eure Vereine stets begünstigt und gefördert hat; Leo XIII., welcher von seinem wiederholt gegen daS deutsche Volk betätigten väter lichen Wohlwollen jüngst noch einen herrlichen Beweis ge geben. indem er den ausgezeichneten Oberhirten der Stadt, in welcher ihr eure Zusammenkunft feiern werdet, in An erkennung seiner Verdienste in das heilige Kollegium der Kardinäle berufen hat. Zu der allgemeinen Freude komme aber mm noch gleichsam als die Fülle und Krone aller Güter, die Wir inständigst euch von Gott erflehen, der apostolische Segen, den Wir allen, die nach Köln zur Versammlung kommen werden, ans der Fülle unseres liebenden Herzens im Herrn erteilen. Gegeben zu Nom bei St. Peter am 10. August >003 im ersten Jahre Unseres Pontifikates. Pins !'!'. X. An den geliebten Sohn Earl Enstodis, Ersten Präsi denten des vorbereitenden Komitees der Katholikenversamm- lnng, Köln. Das Schreiben wurde mit stürmischem Beifall aus genommen. Ein donnerndes Hoch aus 10» >00 P.ä me» kehlen hallte durch den gewaltigen Versammlungssaal. Die Rede Sr. Eminenz des Kardi ml - Erzbischofs IW. Fischer hatte ungefähr folgenden Wortlaut: „Ich entledige mich zunächst eines Auftrages des Papstes ! Pius X. Der heil. Vater, dem deutsches Wesen recht gut bekannt ist, spendet dem Katholikentage von Herzen seinen Segen und zu dem Segen des lebenden heil. Vaters habe ich die Genugtuung, hinzufügen zu können den Segen des inzwischen in die Ewigkeit berufenen heil. Vaters Leo XIII., den dieser noch kurz vor seinem Tode in gleicher Hinsicht verliehen hat. Als ich behufs Erlangung der Kardinalswürde im Monat Juni und anfangs Juli in Rom weilte, da habe ich dem hochseligen heil. Vater zu wiederholten Male» von unseren deutschen Verhältnissen gesprochen und auch von unserer Jubiläumsversammlung. Der große Papst, der ein treuer Freund Deutschlands und namentlich auch ein persönlicher Freund und ei» Venn»»derer Sr. Majestät unseres allergnädigsten Kaisers war, hörte den Bericht mit Wohlgefallen und spendrte gern seinen Segen für ein günstiges Gelingen nnserer Versammlung. Schon war die Antwort auf. die Adresse des Kölner LokalkonütecS, die der Vor sitzende .desselben in meiner Gegenwart dem heil. Vater überreichen dürfte, fertig gestellt, da berief Gott der Herr den greisen Papst aus dieser Zeitlichkeit, ehe er seine Unterschrift unter das Aktenstück setzen konnte. Allein, wenn Leo Xlll. auch nicht mehr unter uns weilt: sein Geist ist bei uns; von der Ewigkeit aus nimmt er teil an dem, was wir hier beraten und beschließen. Wir aber bewahren dem großen Papste ein dankbares, ein liebendes, ein ehrenvolles Andenken und gedenken seiner im Gebete. Ich habe auch Gruß und Segen des preußischen Episkopats zu übermitteln. Und nun begrüße ich Sic als Oberhirt dieser Erz diözese. Seit apostolischen Zeiten blüht hier in Köln der heilige christliche Glaube. Seit den Zeiten des heiligen Maternus haben sich abgewechselt Bischöfe und Erzbischöfe und unter ihnen hervor ragende Männer. Ich erwähne nur St. Bruno, St. Anno, St. Engelbert. Der Boden der Stadt ist ein heiliger Boden: gleich dem Boden der ewigen Stadt Rom ist er befeuchtet mit dem Blut der Märtyrer. Zahllose Reliquien der Heiligen sind in unserer Mitte. Und den Ueberresien der Märtyrer gesellen sich jene so vieler, vieler anderer Heiligen an in den vielen Kirchen der Stadt: in friedlichem Vereine scharen sie sich um das Hauptheiligtum der Oolonin um den Schrein, der die Gebeine der heiligen drei Könige birgt, in unserem unvergleichlichen Dom. Hier lebte und wirkte der hl. Bruno, der Stifter der Kart häuser, der hl. Hermann Joseph, die hl. Jrmgardis, der selige Petrus KanisiuS, der selige Heinrich Smo. Hier lebte auch der große Albertus Magnus uno der englische Lehrer Thomas von Aguin. Sie befinven sich hier auf gutem katholischem Boden, aber auch auf deutschem Boden. Es hat mich immer in tiefster Seele verletzt, wenn mau cs hie und da gewagt hat, uns Katho liken und namentlich uns Rheinländern das Deutschtum, deutsches Fühlen und deutsches Denken abzusprechen. Wir Rheinländer sind Nachkomme» der alten Franken, wir zählen zu dem deutschen Stamme, der schon eine Macht hatte, ehe die anderen Stämme sich znsammengeschlossen hatten. Wenn unsere Könige gewählt waren von den Fürsten, dann mußten sie, um als deutsche Könige zu walten, hier aus fränkischen Boden kommen. Hier empfingen sie die Krone aus der Hand des Kölner Erzbischofs. Wohl haben sich die Zeiten geändert. Das alte Reich ist zu Grabe getragen: das rheinische Knrsürstentnm Köln ist verschwunden: auch die alte Stadt Köln ist nicht mehr die treue Reichsstadt. Aber uns Rheinländern und besonders uns Kölnern ist mit der Liebe zum angestammten Glauben der alle deutsche Sinn geblieben, die Liebe zu heimischer Titte, heimischer Sprache, heimischer Kunst und heimischem Gewerbefleiß, die Liebe zum eigenen Stamme und seiner eigenen Stammcscigentümlichkeit und die Liebe zu der Ge samtheit der deutschen Stämme in dem geeinten großen, deutschen Vaterland. Wir Rheinländer lieben unser Vaterland und gewähren darin keinem anderen deutschen Stamme den Vorzug. Wir stehen namentlich in unentwegter Treue zu dem erhabenen Fürsten, in dessen feste Hand die Vorsehung die Zügel des nenen Deutschen Reiches gelegt hat, zu unserem erhabenen kaiserlichen Herrn, der rheinische Art kennt und rheinische Art versteht, der in seinem hohen erleuchteten, edlen Sinne keinen Unterschied weiß zwischen den verschiedenen deutschen Stämmen und auch keine»» Unterschied der Religion, der zumal — ich weiß eS — ein Herz voll des Wohl wollens hat auch für den katholischen Voltsteil im deutschen Vater land. »Lebhafter Beifall.» So seien Sie denn herzlich willkommen in unserem lieben Köln, in der Metropole des katholischen Rhein landS. Möge der liebe Gott Ihre Arbeit segnen, daß sie ausschlage zum Wohle der Kirche und zun» Wohle des Vaterlandes. Die Versammlung des Volksvereins für das kath. Tentschland, deren Verlauf durch eine Depesche gestern kurz von uns skizziert wurde, verdient unsere ganz besondere Aufmerksam keit. Der Versammlung wohnten ». a. der Kardinal Fischer-Köln, der Erzbischof von Mecheln, der Abt von Nach geschiedener Ehe. Eil» Sittenbild aus dein heutigen Frankreich. Von Cointesse de Beaurepaire. — Deutsch von Helene Krembs (5N. Fortsetzung.) »Nachdruck verboten.) Herr Bertinet war schon in aller Frühe wieder in la Borderie eingetroffen, wo ihn der Diener empfing und in das Wohnzimmer führte, in welchem »och eine Lampe brannte. Hier erwartete er das Erwachen der Haus bewohner. Nicht sehr lange dauerte es. da traten Hermine und Johann ein, nm ihm einen guten Morgen zu wünschen, bald gefolgt von Herrn Marande. der ihm anzeigte, daß er jetzt zu der kleinen Kranken zngelassen würde. Mit zagendem Herzen betrat er das Zimmer, wo er gestern sein liebes Kind gesehen, so blaß nnd hinfällig, daß er glaubte, sie müsse jeden Augenblick den letzten Atemzng tun. Er wunderte sich, sie noch lebend zn finden. Er näherte sich behutsam dem Lager und beugte sich über das schmale, farblose Gesichtchen. Zwei Arme schlangen sich nm seinen Nacken, aber »vie schwach war der Druck! „Papa, lieber Papa!" flüsterte das heisere Stimmchen. „Mein armer Liebling!" entgegnete Bertinet nnd küßte Stirn und Augen des Kindes. „Nicht wahr. Du gehst jetzt nicht mehr von uns?" fuhr dieses fort. Bertinets Hals »var »vie zngeschnürt. Er konnte kein Wort Hervorbringen. „O, bitte, versprich es mir!" bat Margnerite. Zum Glück erschien der Arzt, welcher der Szene ein Ende machte. Als Bertinet in Begleitung Herrn MarandeS den Vorflur betrat, überreichte man ihm eine Depesche, die am Abende zuvor, nach Schluß der Dienststunden, noch ein gelaufen war. Sie war unterzeichnet: Regina Bertinet. „Aha, der Name soll wohl eine Herausforderung bedeuten," folgerte Marzel. Das Telegramm lautete also: „Mein Sohn, welcher auch Dein Kind ist, gerade so gut, wie Fräulein Margnerite, ist lebensgefährlich erkrankt. Ich erwarte Dich." Marzel reichte Herrn Marande das blaue Papier. „Da sehen Sie, welch ein Dasein ich mir geschaffen habe. Aber ich kann doch nicht von hier fort, so lange die Kleine in diesem Zustande bleibt." „Erlauben Sie mir zn bemerken." antwortete dieser, „daß Sie sich den andern Verpflichtungen, welche Sie ein gegangen sind, nicht entziehen dürfen, so schwer sie Ihnen zurzeit auch Vorkommen mögen. Dieses Kind hat Rechte ans Sie, seine Seele ist »»»endlich wertvoll in den Angen Gottes. Falls das Gerücht, das bis zn »ms gedrungen ist, auf Wahrheit beruht, falls der Kleine noch nicht getauft ist, so müssen Sic dieses nachholen, lieber dem irdischen Glück, welches Sie ihm nicht zn sichern vermögen, steht das ewige .... Verschaffen Sie es ihm, »nenn es noch Zeit ist." Marzel erbleichte. Wie fürchterlich war doch die Verantwortung, die er ans sich geladen! Unentwirrbarer als je schien ihm seine Lage. „Kann man sich ein traurigeres Verhältnis denken?" fragte er. „Ja, das »rennt man einen Fortschritt in der Ge sittung." seufzte Herr Marande, „eine Befreiung ans ver alteten Vorurteilen, aus dem Joche der Kirche!" „Wen» man dnrchgemacht hat. was ich ausstehe," rief Marzel erbittert, „dann begreift man die blutige Ironie dieser hohlen Redensarten." Der Arzt, welcher jetzt an den Herren vorüberging, machte die Mitteilung, daß es Margnerite ein wenig besser gehe. Auf die Bitte Bertinets, von dem Kinde Abschied nehmen zu dürfen, weigerte er sich entschieden einzugehen. „Eine solche erneute Aufregung könnte sie töten." BeNinet mußte sich also bescheiden. Nachdem er Her- mine und Johann Lebewohl gesagt hatte, stieg er in den Wagen. Herr Marande hatte versprachen, ihn über den Znfiand der Kranken durch Telegramme und Briefe in Kenntnis zn erhalten, was ihn einigermaßen beruhigte. Als die Kutsche unter den Fenstern des Kinderzimmers vorbeikam, sah Marzel hinauf. Dort stand Holande, die ihm traurig winkte nnd mit der Hand znm Himmel zeigte. „Sie hat recht." mnrmelte er. „Nur dort ist Hilfe nnd Erlösung ans diesem Wirrsaale!" XXIII. Bertinets Heimfahrt »var wohl weniger aufregend als seine erste Reise, aber darum nicht minder schmerzlich. Und doch machte sich der Unglückselige »och einige eitle Hoffnungen. Nachdem er alle seine Grundsätze ver leugnet. Ehrgesüpl und Rechtlichkeit geopfert, glaubte er, Buße Inn und ans diese Weise vielleicht die schlimmsten Gewitterwolken »och verscheuchen zn können, die sich über ihn nnd die Seinigen znsammengezogen batte». Er wollte sich von der Politik, ans dem Skandal des parlamentarischen Lebens znrnckziehen, seine Verirrungen abschwöre» und in der Znrnckgezogenheit ein stilles Leben führe». Er faßte den Vorsatz, in Zukunft Regina ein strenger Mentor zn sein, den übertriebenen Lnrns wollte er ihr untersagen nnd ans alle Weise versuchen, sie zn besseren Prinzipien zn be kehren. Seinen Namen mochte sie weiter tragen, aber sie sollte ihn ferner in Ebren batten und achten. O, diese Täuschung! Seinen Namen wünschte er fleckenlos nnd rein den Kindern zn binterlassen nnd vergaß dabei, daß er selbst der erste gewesen, der denselben durch den Schmutz zog. Die Kinder! Wäre Gott doch so barmherzig, Mar- gnerite am Leben zn lassen! Nicht seinetwegen, er ver diente diese Schonung gewiß nicht; aber ^olande war des Mitleids würdig, sie hatte so viel ansgestanden, daß der Allmächtige ihr diesen bitteren Tropfen aus dem Leidens- kelchc ersparen möchte! Und wenn das Kind die Krankheit glücklich überstanden hätte, dann würde Aolande gewiß zngeben, daß er es noch einmal umarmte ... es wäre ein Beweis von Vergebung für den reuigen Vater. (Fortsetzung folgt.)