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Zchönburyer Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn« und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster, scheinende Nummer bis nachmittags 3 Uhr d«S vorhergehenden Tages. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. ««d 5 aldenburger Anzeiger. Der AbonnementSpreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. LS Pf. Einzelne Nummern 5 Pf Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Filial-Expedition in Altstadtwaldenburg: bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Mittwoch, dm 22. Oktober Mit. Zennen-Auction auf Remser und Niederwaldenburger Revier. Mittwoch, den 2S. Oetober 1884, sollen die auf Remser und Niederwaldenburger Revier anstehenden Weidenzennen unter den üblichen Bedingungen an Ort und Stelle gegen Baarzahlung versteigert werden. Versammlung auf Remser Revier früh 9 Uhr in der Kröber'- schen Schankwirthschaft bei Weidensdorf (an der Chaussee) und auf Nieder waldenburger Revier Nachmittags 3 Uhr beim Brückenzollhaufe in Waldenburg. Fürstlich Schönburg'sche Forstverwaltungen Remse und Niederwaldenburg. "Waldenburg, 21. October 1884. Ein Wort zur bevorstehenden Reichs tagswahl. Am 16. d. M. hat, wie uns berichtet wird, 'M benachbarten Niederlungwitz eine Wahlversammlung stattgesunden, in welcher der socialdemokratischeReichs- tagscandidat — Herr Auer aus Schwerin — nicht etwa sein Programm entwickelte, denn ein solches hat Herr Auer ebenso wenig wie seine politischen College», sondern in welcher er vielmehr den für ihn zur rechten Zeit erschienenen Aufruf des Cen- tral-Wahlcomitees der vereinigten Ordnunqsparleien im 17. sächsischen Reichstagswahlkreise behandelte und zu zerpflücken versuchte. Wir sagen „zur rechten Zeit", denn der Aufruf hat Herrn Auer das seit her schmerzlich entbehrte Redematerial geliefert. Wie schwer es freilich Herrn Auer geworden ist, das gebotene Material zu verarbeiten, das zeigen die wunderbaren Einwände, welche er gegen den Wahlaufruf und somit auch gegen das Programm des Herrn Leuschner zu machen unternahm. Herr Leuschner bekennt sich voll und ganz zu der Socialreform der verbündeten Regierungen und hat demgemäß an die Spitze seines Programms „die Alters- und Jnvaliden-Versorgung der Ar beiter" gestellt. Jeder wohldenkende Mensch, so sollte man meinen, wird eine staatliche Einrichtung, welche die Be seitigung des socialen Elends zum Ziele Hal, will kommen heißen müssen. Da aber Herrn Auer an der endgiltigen Regelung und Erledigung der socialen Frage überhaupt nichts gelegen ist, denn er will nicht Frieden im Lande, sondern die Revolution — dies ist in dem kürzlich confiscirten, Auer's Namen tragenden Wahlflugblalt mit dürren Worten ausgesprochen —, so geht er der Alters- und Jnvaliden-Versorgung mit der wunder baren Behauptung zu Leibe, daß das Reich zur Durchführung eines solchen Gesetzes keine Geld mittel habe. Wenn, hat Herr Auer weiter erklärt, das Tabaksmonopol zu Stande gekommen wäre, so würde man das nöthige Geld zur Verfügung gehabt haben. Nur nebenbei wollen wir erwähnen, daß die socialistischen Führer im Reichstage s. Z. gegen die Monopol-Vorlage gestimmt haben. Daß aber die Reichsregierung die Macht und die Mittel hat, auch ohne Tabaksmonopol dem Altersversorgungs-Gesetz eine solide Unterlage und den nölhigen Nachdruck zu verschaffen, wird Herr Auer ebenso wenig bezweifeln dürfen, wie wir. Die in Aussicht genommene Börsensteuer z. B., welche die Speculation und das internationale Jobberlhum treffen soll, würde für die Altersversorgung recht ausgiebige Mittel liefern können. Aber höchst sonderbarer Weise scheint den socialistischen Führern auch diese Steuer nicht zu paffen. Unsere Landwirthschaft Hal Herr Auer in einer Weise abgefertigt, die wir kennzeichnen müssen. Was weiß auch der mecklenburgische Wahlcandidat von der Nothlage unserer Bauern, von den wieder holten Mißernten, von den Hypothekenlasten und der Schwierigkeit im ländlichen Creditwesen? Was weiß er davon, wie der Bauer im Schweiß seines Angesichts, den Unbilden der Witterung Trotz bie tend, kaum mehr das tägliche Brod verdienen kann, was davon endlich, wie sehr unser Kleingewerbe die Nolhlage der heimischen Landwirthschaft mit empfin det? Nichts von alledem! Dafür aber empfiehlt er dem Landwirth, höhere Löhne zu zahlen; jedenfalls ein sehr probates Mittel, dem Mangel an Erträgen nachhaltig abzuhelfen. Der Landwirth zahlt übrigens besser wie viele An dere und wenn die Landwirthschaft wieder ein aus kömmliches Gewerbe geworden sein wird, kann er vielleicht auch mehr bewilligen; bis dahin muß er froh sein, wenn er sich über Wasser halten kann. Der Bauerntag in Remse hat Herrn Auer auch nicht gefallen. Es paßt ihm gar nicht, daß der Bauer auf einmal mitreden und seine Wünsche zur gefälligen öffentlichen Kenntnißnahme bringen will. Gleichwohl wird Herr Auer in einem neuerdings erschienenen Flugblatt „Volksmann" genannt und verspricht er „Gleiches Recht für Alle." Die ge bührende Antwort der Bauern aus seine der Land- wirlhschaft erwiesenen Liebenswürdigkeiten wird Herr Auer am 28. October prompt erhalten. Herr Auer sagt überhaupt nur das, was er nicht will und da er Alles nicht will, so wird von seiner e..vaigen Thätigkeit im Reichstage nicht viel zu er warten sein. Auf das in Aussicht gestellte Reden im Reichstage ist nicht viel zu geben, denn die Arbeiten in den Commissionen sind und bleiben die Hauptsache für die Thätigkeit eines Abgeordneten. Es wäre vielleicht sogar besser, wenn nicht so viel geredet würde. Für die Handwerker hat Herr Auer auch nicht viel übrig. Ja, er fragt sogar, wie Herr Leuschner denn dem Handwerk zu helfen gedenkt? Er hat sich also mit der Handwerkerfrage noch nicht genügend beschäftigt und weiß nicht, daß dar Handwerk sehr viele und sehr gerechte Wünsche hat, die sich gar wohl erfüllen lassen! Und doch will Herr Auer das von ihm ohne Weiteres aufgegebene Handwerk im Reichstage ebenfalls vertreten können? Auch die Handwerker werden Herrn Auer am 28. October die gebührende Antwort hierauf nicht schuldig bleiben. Wessen Anwalt kann Herr Auer dann sein? Etwa ein Fürsprecher der Fabrik- und Handarbeiter? Will er mithelfen an dem großen und christlichen Gesetze der Alters- und Jnvaliden-Versorgung? Wohl kaum, denn er weiß ja nicht, woher die Mittel zur Jn validen-Versorgung genommen werden sollen. Wer's nicht glaubt, der kann's auch gedruckt lesen; er braucht nur das letzte Auer'sche Waylflugblatt zur Hand zu nehmen. Was also in aller Welt will Herr Auer im deutschen Reichstag«? Er will — also Etwas will er doch — das ge heime Wahlrecht nicht preisgeben und für dessen Ausdehnung auf alle Communal- und Landtags wahlen eintreten. Was diese Heldenthat zu bedeu ten hat, wird erst klar, wenn man weiß, daß das geheime Wahlrecht überhaupt nicht gefährdet ist und daß der Reichstag über Communal- und Landtags wahlen gar nicht zu entscheiden hat. Davon also wird Keiner satt! Wenn das Brod des Herrn Auer, welches er bietet, nicht anders aussieht, so kann ihm billiger Weise Niemand seine Stimme geben. Wir wollen Ruhe und Frieden im Lande, daß ist bas Erste, Wir wollen eine lohnende Landwirthschaft, da» ist das Zweite, Wir wollen ein gesundes Handwerk und eine blühende Industrie, das ist das Dritte und Wir wollen, daß die Armen und Kranken in ihrem Alter versorgt sein sollen. Wer das mit uns will, wer ferner die Gemein den, welche durch Armen- und Kranken-Umlagen nicht wenig Opfer bringen müssen, entlasten will, der gehe hin am 28. Octbr. und gebe feine Stimme Herrn Louis Leuschner in Glauchau. "Waldenburg, 21. Oclober 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Aus Sigmaringen wird geschrieben: Anläßlich der Feier der goldenen Hochzeit des Fürsten und der Fürstin von Hohenzollern sind der Bahnhof und die Straßen, namentlich der Weg zum Schlosse, mit Guirlanden, Festons, Wappen, goldenen Kränzen und Fahnen reich geschmückt. Der Zudrang von Fremden ist außerordentlich groß. Um 11 Uhr am Montag Vormittag wurde dem fürstlichen Jubelpaar das sogenannte „Klösterle" als das von den Kindern dargebrachte Geschenk übergeben. Das Haus ist zu einer der Volkswohlsahrt gewidmeten Anstalt be stimmt. Nach der Uebergabe fand eine von dem Erzbischof von Freising celebrirte Messe statt, welcher die Fürstin von Hohenzollern, die Königin von Sachsen, der König und die Königin von Rumänien, sowie die Kinder und Enkel des Jubelpaares bei wohnten. Nach Ankunft des Kaisers fand um 6'/- Uhr ein Familiendiner im Schlosse statt. Der deutsche Kronprinz ist Sonntag Abend aus Gries bei Bozen in Sig.uaringen eingetroffen. Der königliche Hof in Berlin legte vom Sonntag für den Herzog von Braunschweig auf 14 Tage die Trauer an. Aus Braunschweig selbst wird ge meldet, daß die rasche Proclamation des Generals v. Hilgers nicht sehr freundlich ausgenommen ist. Am Sonntag früh war dieselbe überall abgerissen. Inzwischen hat sich die Aufregung bereits wieder gelegt. Der Herzog wird tief und wahrhaft be trauert. Die „Nat.-Ztg." bemerkt dazu: Ein un bestimmtes Gefühl mag diesen mißlichen Eindruck berechtigt erscheinen lassen. Bei kühler Erwägung muß das, selbstverständlich von der Reichsregierung vorgeschriebene Verfahren des militärischen Com- mandanten, als durch die Verhältnisse geboten er scheinen. Denn auch, wenn gar kein Regentschafts gesetz vorhanden wäre, hätte die Reichsregierung so, wie es geschehen ist, vorgehen müssen, um zu ver hüten, daß etwa durch einen Versuch des Herzog» von Cumberland, der Lösung der Erbfolgefrage vorzugreifen, Verwirrung angerichtet, vielleicht Un ruhen veranlaßt wurden. Eben deshalb konnte man aber auch nicht mehrere Tage verstreichen lassen, welche erforderlich sind, um das Gesuch des Regent- schaftsrathes um Uebernahme des Truppenbefehl» an den Kaiser zu richten und die Entscheidung des-