Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Prei« 22 j Sildergr. (j THIr.) vierteljährlich, Z THIr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, i» allen Theile» der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Deit u. Comp., Jägerstraßi Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Aemtem, angenommen. Literatur des Auslandes. 13 Berlin, Donnerstag den ZV. Januar 184S. Italien. Die politischen Schriftsteller Italiens seit 1814. Von I. Ferrari. UI. Die Literatur nach I8ZV. — Mazzini und das junge Italien. °) Wir sind in unserer Schilderung bei den Männern des jungen Italiens angelangt. Hier empfängt uns zuerst Mazzini mit seinem italiänischcn Haß gegen die Regierungen, seinem unermüdlichen Eiser für die Republikanisirung Italiens und seiner jugendlichen Zuversicht. Noch sehr jung, gründete er 1828 ein literarisches Journal in seiner Vaterstadt Genua, den Inöicstore Kenovese. Nach einigen Monaten wurde derselbe auf Befehl der Regierung unterdrückt. Gleiches Schicksal erlitt der im Jahre darauf von Mazzini ver suchte Indicalore l^ivornese, obgleich der junge Schriftsteller bisher nur lite rarische Fragen besprochen hatte. Sein Styl war der Regierung zu lebhaft, seine Phrasen erschienen zu kühn. Zur Zeit der Juli.Revolution wurde Mazzini mit einigen genucnsischcn Liberalen sestgenommen, ohne erwiesenen Grund auf die Festung Savona gebracht und nach fünfmonatlicher Haft unter der Bedingung freigelasien, daß er nie wieder nach seiner Vaterstadt zurück- kchre. Als man ihn arretirte, ging sein Vater, der noch heute Professor der Medizin in Genua ist, zu Venanson, dem Gouverneur der Stadt, und fragte, wessen man seinen Sohn beschuldige? „Er hat die Gewohnheit", — war die Antwort, — „allein und in Gedanken versunken in den Vorstädten und Gär- len spazieren zu gehen. Welche Gedanken können ihn, der noch so jung ist, so ernstlich beschäftigen?" — Aus dem Gefängnisse entlassen, verließ Mazzini das Königreich Sardinien und ging nach Marseille. Hier erfuhr er den un glücklichen AuSgang der Jnsurrection in der Romagna, die Besetzung des Kirchenstaats durch die Oesterreichcr und die unerbittliche Strenge, mit der man die Insurgenten bestrafte. Da entsagte «r dem Karbonarismus und er ließ, den allgemeinen Unwillen über die Verfolgung der Liberalen benutzend, einen Aufruf an die italiänische Jugend. Ermuthigt durch die republikanischen Bewegungen in Frankreich, gründete er im Jahre 18Z2 sein Journal 1-r giovsne Italia — das junge Italien — und forderte in der ersten Nummer das junge Frankreich, Polen und Deutschland auf, gleich ihm und seinen Freunden gegen Aristokratie, Königthum, Papstthum und Vergangenheit zu Felde zu ziehen und die Mission der Männer von I7»Z fortzusetzen. Frankreich wollte aber keinen europäischen Krieg, und die italiänischen Revolutionaire, deren sich viele um Mazzini geschaart hatten, waren auf ihre eigenen Kräfte angewiesen. Das zweite Blatt der Oiovans Italia wirft die Frage auf, warum di« bisherigen Bcfreiungspersuche Italiens gescheitert sepen? „Nicht an der Feigheit der Jtaliäner", ruft Mazzini, „denn die Völker find niemals feig. Wenn ein Volk, zerstückelt, von Aufsehern und Bajonnetten umringt, seit Jahrhunderten durch Bürgerkriege geschwächt, ohne Unterricht, Presse und Waffen, sich innerhalb zehn Jahren dreimal empören kann, so ist dasselbe, wenn eS nicht siegte, zu beklagen, nicht aber zu verdammen. Weil die Leiter der Empörung ihre Aufgabe nicht verstanden, darum ist sie verunglückt." Natürlich mußte Mazzini alle Schuld auf die Individuen wälzen, denn wären — sagt er selbst — die Massen schuldig, so würde ihre Unterjochung gerecht fertigt seyn. Als man ihm einwarf, die Jtaliäner wären einig, wenn sie ihre Unabhängigkeit erkämpfen sollten, würden sich aber nur zum Theil der neuen Revolution anschließen, wenn man eine ungebundene Demokratie pro- klamirte, antwortete eri „An der Halbheit der Prinzipien eben scheiterte der Aufruhr in der Romagna, und das Volk wird sich nie für eine Revolution begeistern, die die Aristokratie bestehen läßt. Die Zeit der Individuen ist vor über, die Aera der Völker beginnt!" DaS neue Journal gewann mit jedem Tage an Anhängern. Ein lebhafter Briefwechsel unterhielt den jungen Publizisten auf der Höhe der Ereignisse in Italien; er enthüllte, wovon man im Lande selbst nichts wußte, die schreck lichen Schicksale, die über die Insurgenten im Kirchenstaate verhängt wurden. Er erzählte von Henriette Castiglioni, die sterbend aus den Gefängnissen zurück- kehrte, wohin sic freiwillig ihrem Manne gefolgt war, von dem alten Lacecilia, der gefangen gesetzt wurde, weil sein Sohn die neapolitanische Regierung in Mazzini's Journal angegriffen hatte. Es ist überflüssig, zu sagen, daß die Zeitschrift verboten wurde, und cS ein Verbrechen war, Exemplare davon in seinem Hause zu haben, ein Verbrechen, das in Piemont mit drei Jahren -> Vgl. Nr. » u. 12 de« Moga«!»«. Galeeren bestraft wurde. Trotzdem aber versandten die Verschwörer das Blatt; von Marseille aus gelangte es an die Comite'S der Verbindung in den einzelnen Städten, die eS wiederum den einzelnen Abonnenten zuschickten. Diese kannten sich unter einander nicht, sondern standen jeder nur mit der be treffenden Direction in Verbindung, während die Directioncn wieder mit Marseille kommunizirten. Diesen Maßregeln war eS zu danken, daß die Ver bindung verborgen blieb und daS Journal überall gelesen wurde. In einigen Städten legten die Emiffaire des jungen Italiens während der Nacht die Blätter an die Schwellen der Läden, an die Thüren des Theaters und an andere besuchte Orte. Nie wurde ein Journal mit mehr Eifer redigirt und mit mehr Muth verbreitet; die Verschwörer riskirten ihr Leben, und dennoch bedachte sich Keiner. Genua und Alessandria waren die Mittelpunkte der re publikanischen Tendenzen; ihnen zunächst standen Turin, Chamberp und die Lombardei. Mittel-Italien, das noch an den unglücklichen Folgen der letzten Verschwörung litt, blieb der Bewegung fremd, und in Neapel schlossen sich derselben nur einige Ueberrestc der zersprengten Carbonari an. Ein furcht barer Aufstand war vorbereitet, und die Gelegenheit, die ihn zum Ausbruch brachte, blieb nicht lange aus. In Sardinien nämlich hatte man bemerkt, daß gefährliche Grundsätze in der Armee verbreitet würden. Alsbald — eS war im Jahre I8ZZ — ließ daS Gouvernement Kanonen auf Genua richten und verurtheilte sechzig Personen zu Galeeren und Gefängniß. Schrecken verbreitete sich über die ganze Halb insel und lähmte plötzlich die republikanische Propaganda. Die Polizei unter, nahm einen Kreuzzug gegen die Liberalen; Hunderte von ihnen wanderten aus, aber dessenungeachtet wich Mazzini nicht. Die neuen Verfolgungen forderten Rache; er verband sich mit einem polnischen Comite und projektirtc den bekannten Einfall in Savoyen, bei dem ihn die Ungunst der Verhältnisse zu allen Fehlern zwang, die er seinen Vorgängern zum Borwurf gemacht hatte. Er verwarf jede Revolution, die nicht aus der Masse des Volks her vorging — und bereitete insgeheim seinen Einfall vor; er beschuldigte die bisherigen Jnsurgenten-ChefS der Lauheit und Unfähigkeit — und verließ sich auf einen Fremden, den polnischen General Nomarino, den er für die Sache der italiänischen Freiheit anwarb. Man zog mit einer Handvoll Menschen aus Genf und brachte mit Mühe das Heer auf siebenhundert Mann, von denen die Hälfte keine Jtaliäner waren. Bei dem Dorfe Annemasse verließ Romarino, der sich schon immer unentschlossen gezeigt hatte, den Trupp, ehe er noch den Feind gesehen hatte, und Mazzini sah an einem Tage die Hoff nung und Arbeit zweier Jahre vernichtet. Neuerdings, im Jahre 1842, hat Mazzini nach einem Stillschweigen von acht Jahren wieder zur italiänischen Jugend gesprochen. Aus Italien, Frank reich und der Schweiz verbannt, floh er nach London und gründete dort eine Schule für italiänische Handwerker und ein Journal unter dem Titel ^posto- lalo popolare. Aehnliche Institute find in den entferntesten Gegenden, in Montevideo, Boston und New-Aork errichtet worden. Im 4pv8tol»to popolsre erscheint Mazzini noch immer als der glühende Republikaner von I8Z2; nichts fehlt ihm, als daS sichere Vertrauen auf den Erfolg seiner Bemühungen. Er hat noch großen Einfluß auf seine Freunde, aber daS Haupthinderniß, gegen das er ankämpft, ist seine eigene Entmuthigung; man sieht, er geht eher den Schritt eines Märtyrers, als eines Helden. Er ist zu der Ueberzeugung ge kommen, daß das italiänische Volk umgeschaffcn werden müsse, um für die Freiheit empfänglich zu werden, und wendet sich darum an die Erzieher der Nation, nämlich an die Schriftsteller. „Ihr habt", sagt er, „seit langer Zeit jene alte Maxime befolgt, nach welcher die literarische Republik von der wirk lichen getrennt ist, und diese Maxime, die von den Jesuiten und Akadcmieen aufrecht erhalten wird, hat euch dem Volke entfremdet. Ihr seyd Prosaiker, Dichter, Gelehrte, Pedanten gewesen, aber niemals Bürger. An jenem Tage, als man euch die Freiheit des Gedankens raubte, hättet ihr mit Wort und Schrift gegen diesen Raub protcstiren müssen, ja mit Verschwörungen. Ihr schaudert bei diesem Worte, aber Verschwörungen find nur thöricht und verderblich, wenn dem Fortschritte noch gesetzmäßige Wege offen stehen. Wenigstens mußtet ihr mit einem absoluten Schweigen protcstiren, mit dem Schweigen eines Mannes, der die Wahrheit nicht profaniren will, dadurch, daß er sie stammelt." Während so Mazzini ans der einen Seite gegen die Gleichgültigen zu Felde zieht, ist er aus der anderen unzufrieden mit einer neuen Generation von Freiheitshelden, die er vergeblich zurückzuhaltcn strebt. Die Ärüder Ban- diera verlangten die Hülfe des Londoner Comite'S, und das Comite versagt« sie ihnen; sie schlugen eine Aufwiegelung der Romagna vor, und das ComitL