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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.04.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100427022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910042702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910042702
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-04
- Tag 1910-04-27
-
Monat
1910-04
-
Jahr
1910
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Bezug--Preis «r L«y>,ia «rd iöororr» durch «I«« krtger und kvrdftnire km«! tialtch w«Hau« gebracht:UVmonuN , k.7«^» oierttljihrl. Bet anlern ^rlialeu u. An« uadmeftellen abaebult: 7K 4 aumaU-, ».LS vierrrljLdrl. Durch di« Vok: innerhalb Deutlchlands und der deuttcheu Kolonien viertel>Ldrl 6.4» ^(k, monatl. l^iv aullchl. Pnftbettellaeld. ferner >n Belgien, Dänemark, den Tanaustaalen, Italien, Luremdurg, Niederlande, Nor wegen, L esterreich - Ungarn, Rußland, Schweden, Schweiz u. Spanien. Ja allen ädrigen Staaten nur direkt durch di« »eichätttstelle oe, Blatte« erhältlich. Ta« steivziger Tageblatt erlcheini 2 mal täglich, Sonn- u. Fetcriag« nur morgen«. Lldonnen ent-tllnnabme! Bugustuäplatz 8, hki unlrren Trägern, Filialen, Spediteuren und Aanahineftellen, sowie Postämtern und Briefträgern. »lnzeluerkaulsprrl« »er Morgen, »usgad« 1v der Ndenduu«gade j» ch, Siedaktton und Geschäft-Keller Johann>«gast« 8. lliernlvrecherr I46SL 14688. 14834. Abend-Ausgabe. MWlgerTllgMaü Handelszeitung. Amtsblatt Les Rates und des Votizeiarntes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis t-r Inserate au« Leipzig und Umgebung di, -gelvaltene SV mm brcht« Petitzeil« L bt« 74 mm breit» -ietlamegett» l von antwLrr« UV Rest aalen l.M ^ssz Inserate bin Bebärden 'M amtlichen Test di« 74 mm brrite Petitzeil« 4V 4H. «eschältian,eigen mit P ahvorlchriltr» und in der Abendau»aad« im Preise erhöht. Rabatt auch Tarif. Beilagegebübr ü uk p. Tausend eztl. Postgebühr. Iesterteilte «ulträae können mcht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein» Saranti« übernommen. «n,eigen-Annahme, Uuguku-plNH «V bei lämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Ezpedttionen de« In- und AuSlande«. Pauvt-Ktlinle verktnr Lark Du»cker. Herzog!. Vahr. Hofbuch handlung, Lützotostiaße !(I (Tetkphon VI. tltr. 4M8). Haupt-Siliale Dre-deiu Seeftratze I (Telephon 4621). Nr. 115. Mittwoch, üen 27. Uvril lSlo. 104. Zshrgsntz. PMMe NsÄrltzten. Eine Begegnung zwischen Kaiser Wilhelm und dem Herzog von Cumberland? Dem „Hann. Cour." wird gemeldet, das; bei Ge- legenheit der Taufe des Erbgroßherzogs von Mecklenburg-Schwerin eine Zu sammenkunft zwischen Kaiser Wilhelm und dem Herzog von Cumberland stattfinden werde. Aus Gmunden wird dem genannten Blatt weiter berichtet, daß von der herzoglich Cumber- ländischen Seite diese Meldung nicht dementiert wird. Zur Lage im Baugewerbe. In Friedenau bei Berlin haben sich am Dienstag abend neue Zusammenstöße zwischen Arbeitswilligen und Streikenden ereignet. Im übrigen zeigen sich Spuren eines Bedürfnisses nach Frieden. Da ein Teil der Arbeitgeber trotz der fortgesetzten Strafen weiterarbeiten läßt, kann von einer einheitlichen Aussperrung, wie sie ursprünglich gedacht war, nicht mehr die Rede sein. Infolgedessen werden auch be reits hier und da Wünsche wegen einer Vermittlung laut: An einzelnen Meldungen liegt folgendes vor: Berlin, 27. April. (Telegramm.) Gestern abend kam es wiederum zu blutigen Zusammen stößen zwischen Streikenden und Arbeitswilligen der Gerüstfirma Altmann in der Isoldestraße zu Friedenau. Mehrere Revolverschüsse wur den abgegeben und ein Arbeiter durch Messerstiche so schwer verletzt, daß er ins Krankenhaus geschafft wer den mußte. Schließlich gelang es der P o l i z e i, die Parteien zu trennen. Die Streikenden entzogen sich ihrer Feststellung durch die Flucht. Düsseldorf, 27. April. (Telegramm.) In der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten erklärte Ober bürgermeister Marx sich bereit, in der Bau-Aus- sperrungsangelegenheit zu vermitteln, wenn ein Gesuch von beiden Seiten an ihn gestellt würde. Ein derartiges Gesuch scheint mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten zu sein. Köln, 27. April. (Telegramm.) In einer auf Veranlassung des Kartells der christlichen Gewerk schaften abgehaltenen Versammlung wurde bei Be sprechung der Bauarbeiteraussperrung erklärt, daß kaum mehr als ein Drittel der Bauarbeiter ausge sperrt sei. In weiten Kreisen der Arbeitgeber herrsche ein Friedensbedürfnis. Auch die Arbeiter wünschten eine Verständigung. München, 27. April. (Telegramm.) Der Vor sitzende des Münchner Eewerbegerichts unternahm neuerdings Einigungsversuche im Bau gewerbe. Nach ihm wird nötigenfalls das Münchner Magistratsdirektorium eingreifen. Ein Angebot der Zeppelinwerst. * Friedrichshafen, 27. April. (Priv.-Tel.) Die Zeppelinwerft erklärt, sowohl das Ersatzluft schiff für den verunglückten „Zeppelin II", wie auchalleweiterenLuftschiffeandas Reich ohne jeden Verdienst liefern zu wollen. Tschechischer Empfang des Grafen Zeppelin. Prag, 27. April. (Tel.) Der Prager Stadtrat beschloß gestern, den Grafen Zeppelin ein zuladen, auf seiner Fahrt von Wien nach Dres den, mit dem „Z. III" in Prag zu landen. Zn der Debatte über diesen Gegenstand kam es zu längeren Auseinandersetzungen, ob die slawische Stadt Prag den deutschen Luftschiffer empfangen könne. Schließ lich wurde beschloßen, daß die E i n l a d u n g an den Grafen Zeppelin in tschechischerSp rache ab gefaßt werden soll; ebenso soll, wenn Graf Zeppelin die Einladung annimmt, er vom Bürgermeister in tschechischer Sprache bei der Landung be grüßt werden. — Graf Zeppelin wird den wür digen Wenzelssöhnen die gebührende Antwort wohl nicht schuldig bleiben. Gegen die Wertzuwachssteuer. Frankfurt o. M., 27. April. (Tel.) Der hiesige Magistrat bat dem Reichstage eine die Neichswer:- zuwachssteuer betreffende Eingabe zugehen laßen, in der in erster Linie um grundsätzliche Ab lehnung ersucht und in zweiter Linie Abände rungsvorschläge gemacht werden. Verbotene und erlaubte Umzüge am 1. Mai. Die von den Sozialdemokraten anläßlich der Mai feier für nächsten Sonntag geplanten Straßen umzüge sind in Treptow, Oberschöne weide und Zehlendorf durch die Amtsvorsteher verboten worden, da durch sie der öffentliche Ver kehr gefährdet werde. In Mariendorf wurde die Erlaubnis zu Umzügen nur für die Hauptstraßen ver weigert. In einer Anzahl schlesischer Städte sind Mai versammlungen unter freiem Himmel und Umzüge gestattet worden. Zn Breslau und Liegnitz sind die Umzüge nicht genehmigt worden, ebenso in Hagen i. W. Die Abreise desKönigsvon England aus Biarritz. Biarritz, 27. April. (Tel.) König Eduard hatte heute, am Tage seiner Abreise, denrussischen Minister des Aeußern zum Frühstück ge laden und hatte dann mit ihm eine Unter re düng von kurzer Dauer. Der Besuch trug keinen offiziellen Charakter. — Der letzte Abend des Königs Eduard in Biarritz wurde von den französischen Behörden durch die Veranstaltung einer italienischen Nacht ge feiert. Ein großer militärischer Fackelzug wurde veranstaltet, an dem an tausend Personen teilnahmen. Der Fackelzug defilierte um 9^ Uhr vor dem König und seiner zahlreichen Umgebung. Um 10(4 Uhr begab sich der König zum Bahnhof, um den um 10 Uhr 50 Min. nach Paris abgehenden Zug zu benutzen. Der König wird, ohne in Paris Aufent halt zu nehmen, heute abend um 6 Uhr 10 Min. in London eintreffen B-r dem Eude des Marseiller Streiks. Paris, 27. April. (Tel.) Wie aus Marseille ge meldet wird, hat das Syndikat der ein geschriebenen Seeleute dem Präfekten ein Schriftstück überreicht, in dem die Forderungen der eingeschriebenen Seeleute für Wiederaufnahme der Arbeit bekanntgegcben werden. Danach sott das Streikrecht der eingeschriebenen Seeleute be stehen bleiben und ihnen die Wiederanstellung an Bord der von ihnen verlaßenen Schiffe zugesagt werden. Der „Eclair" behauptet, man unterhandle gegen wärtig mit dem Syndikat der Seeleute, um sie zur Zurückziehung der sozialistischen Kammerkandidaten zu bewegen, um dadurch die Wiederwahl des in die Stichwahl gelangten Kammerpräsidenten Brisson zu ermöglichen. Die Seeleute hätten zur Bedingung ge macht, daß die Regierung die von dem Staatssekretär Cbcron während des Streiks beobachtete Haltung offen mißbillige. Orientreise des italienischen Königspaares. Rom, 27. April. (Tel.) Dem „Secolo" wird aus Konstantinopel telegraphiert, daß der König und die Königin von Ztalien nach Beendigung der Festlichkeiten für den Fürsten von Monaco sich nach Cettinje und Konstantinopel begeben werden. Ankunft des Kronprinzen von Griechenland in Korfu. Korfu, 27. April. (Tel.) Der Kronprinz und Prinz Georg von Griechenland sind gestern mittag mit Familie eingetroffen und von un geheuren Menschenmengen begeistert empfangen worden. Die Prinzen begrüßten den König und die Königin der Hellenen sehr herzlich. Der Kronprinz dankte später vom Balkon des Schlosses aus dem Volke für seine Huldigung. Die fremdenfeindliche Bewegung in China. London, 27. April. (Tel.) Nach einem „Times"- Telegramm aus Schanghai hat eine protestantische Mission gestern in später Abendstunde mehrere Tele gramme aus Tschangscha erhalten, die vom gestrigen Tage datiert sind und worin die Situa tion als von neuem sehr schwierig bezeichnet wird. Einzelheiten sind in den Telegrammen nicht an gegeben. Aus ihrem Ton geht jedoch hervor, daß in der letzten und in dieser Woche die feindselige Haltung der Eingeborenen sich noch ver schärft hat und daß die Regierung nicht in der Lage ist, Herr der Situation zu werden. Tsgeschramk. Die Bergung des „Z II". Ueber die Bergungsarbeiten des verunglückten Luftschiffes „Z. II" gehen uns folgende Drahtmel dung zu: 8t. Weilburg, 27. April. (Priv.-Tel.) Nach dem Eintreffen der Mainzer Pioniere, die den Mann schaften der Luftschifferabteilung mit großem Ver ständnis an die Hand gehen können, schreiten die Arbeiten außerordentlich schnell vorwärts. Die zum größten Teil noch verwendbare Spitze des Luftschiffes ist bereits vollständig zerlegt, eine Arbeit, die sich um so leichter bewältigen ließ, als dieser Teil des „Z. II" flach auf dem Boden am Bergfuße lagerte. Das Mittelteil und das Heck des Schiffes, die am Bergabhange und auf den Berggipfel in die Krone der Bäume oft tief hineingepreßt sind, sind natürlich viel schwerer zu zerlegen und das Militär muß meistens auf die Bäume klettern, um von dort aus die schwierige Arbeit zu erledigen. Bis Freitag mittag hofft man, das gesamte Material mit der Bahn nach Köln verschicken zu können. Dann wird auch das militärische Kommando abrücken. Kestern nachmittag strömten noch zahlreiche Neugierige, die Schüler höherer Schulen und studentische Korpora tionen nach der Unfallstelle. Der Absperrungskreis mußte bedeutend erweitert werden, da die Zuschauer sich einzelne Teile des Luftschiffes aneigneten, um sic zum Andenken mit nach Hause zu nehmen. Fahrt des „Z. IV" nach Brüssel. Brüssel, 27. April. (Tel.) Graf Zeppelin hat für Mitte Zuni seinen Besuch mit dem „Z. IV" angesagt. Das Luftschiff wird vienehn Tage hindurch Paßagierfahrtcn unternehmen. Graf Zeppelin wird Vorträge über das starre System halten. Bandalentat. 40 Grabdenkmäler demoliert. Berlin, 27. April. (Tel.) Zn dem kleinen märkischen Städtchen Dahme sind, dem „B. T." zu folge, durch Bubenhände vierzig Grab denkmäler demoliert worden. Opfer ües Meeres. 187 Personen ertrunken? London, 27. April. (Tel.) Nach einer Mel dung aus St. Johns ans Neufundland brachte der Kischdampfer „Boot hie" einen Bericht über d«n Untergang des Dampfer» „Aurora". Dabei sollen 187 Personen ertrunken sein. Eine Bestätigung dieser Meldung fehlt noch. Paris, 27. April. (Tel.) Nach einer Meldung des „New Pork Herald" hatte der nach dem Bericht des Dampfers „Boothic" untergegangene Robben dampfer „Aurora" nur 17 Mann Besatzung an Bord. * Kopenhagen, 27. April. (Tel.) Aus Thors- havn wird gemeldet, daß die Fischerschaluppe „Nordstern" während des letzten Sturmes untergegangen ist. Die gesamte Besatzung, be stehend aus 12 Mann, ist dabei ertrunken. Die deutsche antarktische Expedition. München» 27. April. (Tel) Der Prinz regent von Bayern hat das Ehrenprotektorat über die von Wilttelm Filchner geplante und zu leitende deutsche antarktische Expedition übernommen. Ljürnstjerne Sjörnlon -s-. Von Herm. Kr. Lehmkuhl (Christiania). „Dies Dichterleben, im ganzen gesehen, kann die Literaturgeschichte allein nicht faßen, sein richtiger Platz ist in der Geschichte des Volkes . . ." Die Worte galten einst Henrik Wergeland der über ragenden Gestalt in der norwegiichen Kultur- und Literaturgeschichte. Er hat den Weg gebahnt und den Grund gelegt für diejenigen, die Norwegens Namen unter die führenden Kulturmächtc tragen sollten. Dieselben Worte können wir jetzt ruhig aus Björnsons frisches Grab setzen. Ein Stück Biographie der Frühzeit seines Lebens gibt uns vielleicht beßer als Deutungen seine reiche nordische Renaißancegestalt. Er ist Student, 20 Jahre alt. Er wird gleich Mitarbeiter der Christianiapreße. Schon in seinem ersten Artikel pro phezeit er eine neue psychologisch-realistische Dichtung, die zur Ablösung der Romantik und der Scribeschen Dramatik kommen werde- er eröffnet den Kampf gegen die dänische Schauspielkunst, die damals die norwegische Bühne beherrschte, — für eine nationale Bühnenkunst. Das war ein Schlag ins Gesicht der vornehmen und leitenden Hauptstadtkreise, die unter nationalen Anfechtungen am wenigsten litten. Er stürmt und hat den Mut, begeistert zu sein in einer Zeit, die von Heines satirischem Geist erfüllt ist. Er hat endlich zugleich Zeit, Ideale zu pflegen und für sein tägliches Auskommen zu kämpfen, ist Bericht erstatter auswärtiger Zeitungen, Storthingsreferent, gesuchter Prioatlehrer, Leiter des Studentcnvereins, ein junger, stürmender Uebermensch! . . . Dann wird er als Theaterdirektor nach Bergen gerufen, an das 1850 von Ole Bull begründete erste nationale Theater. Auch hier kommt er wie ein Gewitter über die alte, vornehme Handelsstadt. Das Theater befand sich in einer schweren Zeit' Björnson bringt es wieder einigermaßen auf die Füße; aber da das ihm nicht genug ist, wird er nebenbei Redakteur. Und als die Wahlen sich nähern, ist er auf dem Platze als Volksredner und Organisator. Die leichtbeweglichen Bergenser reißt er mit, das Alte muß verworfen werden, es wird verworfen. Und der junge „Student" Björnson ist Sieger und hat seine Feuer taufe als Politiker bekommen. Er verliebt, verlobt und verheiratet sich, kehrt nach Christiania zurück, wird Redakteur des vornehmsten Oppositionsblattes und steht nun al» solcher in den ersten Reihen wäh rend des sog. „Statholder-Streites" (einer der be deutendsten Etappen des norwegischen llnabhängig- keitsstreites), nimmt wieder den Kampf gegen die dänische Bühnenkunst aus, liefert zusammen mit Zbsen die berühmte Theaterschlacht. 1860 wird ihm doch schließlich der Boden zu heiß, er zerreißt alle Ketten und zieht durch Deutschland nach Rom, nach zehn reichen und vollen Iugendjahren. Mit dem Politiker kehrte aber auch der Dichter Björnson dem Vaterlands den Rücken; denn auch für das Dichten hatte er in diesen Kampfiahren Zeit ge funden. 1858 waren das kleine Sagenschauspiel «Zwischen den Schlachten", das historische Drama „Halte Hulda", die Bauernnovellen „Synnove Solbakken" und „Arne" erschienen. 1859 folgte „Ein frober Bursch", alles Arbeiten, die zu den stärksten seiner Produktion gehören. Hier wie immer in seinem Leben sind Kampf und Dichtung nebeneinander ge gangen. Als Kämpfer war er stets Dichter und als Dichter stets Kämpfer, Kämpfer insofern, als ein heiliger Glaube oder ein ehrlicher Zorn über seiner Arbeit war. Vielleicht verlor dadurch seine Dichtung an Objektivität, sie gewann aber an Ehrlichkeit und Feuer, und sie enthielt immer seine große, volle Per sönlichkeit . . . Wie müßen seine Bauernerzählungen damals ge tönt haben, — nach den vielen Süßigkeiten und den vielen Unwirklichkeiten der Romantik! Jene kurze, lapidare Sprache, in der Tat so kraftvoll und wuchtig wie die Bauern, die sie beschreibt. Sie ist an den Stil der alten Sage gelehnt, doch ohne unnatürlich oder deklamatorisch zu wirken, frisch selbst, wo sie weich ist, außerordentlich ausdrucksvoll, trotz ihrer Kürze. Wie die Sprache, war auch die Menschenschilderung neu, realistisch dreist und psychologisch vertieft. Eine spätere Kritik hat diese Epoche in Björnsons Dichtung zu einer Art Nachromantik rechnen wollen. Ich glaube mit Unrecht. (Siebe auch Chr. Collins Björnson-Viographie.) Manches ist unterstrichen, manches ausgelassen, ganz wahr sind diese Bilder des norwegischen Bauernlebens wohl nicht. Aber es gibt auch Szenen, die in ihrer herben Wahrheit wohl nicht realistischer ausgedrückt werden konnten. Ls zeigt sich auch, daß die damalige Kritik nur schwer den Realismus in Sprache und Schilderung verdauen konnte. Selbst ein Mann wie O. A. Binje, der selber Dauer war und der Heineschen Richtung an- gehörte, klagten über Mangel an Poesie. Wenn Björnson sozusagen das Baucrnleben ein bißchen poetisierte, war cs ihm wahrscheinlich zunächst darum zu tun, den Bauern, die nach der damaligen An schauung nicht sonderlich hoch standen, einen Schritt vorwärts zu helfen. Auch sind die Erzählungen aus gearbeitet in Wechselwirkung mit den historischen Dramen, woraus sich eine gewisse Stilisierung nach den alten Helden erklären läßt. Endlich war Björnson wie auch Ibsen im Schatten Oeblcnschlägers und anderer Romantiker aufgewachsen, einer Rich tung, von der sie sich erst lostrennen mußte. Zm Jahre 1860 ging Björnson nach Rom. Zn den folgenden Jahren erschienen die historischen Dramen „Sigurd Slembe" und „Arnljot Eelline", Stoffe aus den nordischen Sagen, sowie „Maria Stuart in Schottland". Zm Vergleich mit denen der Romantiker zeichnen sie sich durch eine realistische Sprache aus und eine tiefere Psychologie. Die Reihe wird abgebrochen durch das kleine unbedeutende Lust spiel „Die Neuvermählten", das nur insofern Jnter- eße hat, als Björnson hier zu der Gegenwart über aegangen ist, aber in glänzenden Einzelheiten dei^ Werdegang einer Künstlerin erzählt. 1873 erscheint „Der Redakteur", und nun kommen in schneller Reihenfolge „Ein Fallissement", „Der König", „Leonarda", „Das neue System,, und „Ein Hand schuh". Zn diesen Werken ist Björnson Problemdichtcr von reinstem Waßer. Wie alle Phasen des nor wegischen Unabhänaigkeitsstreites von 1850 in irgend einer Weise an Bsornsons Namen geknüpft sind, so gibt es wohl kaum auch eine der großen Kulturfraarn dieses halben Jahrhunderts, die er nicht aufgriff. Die Bedeutung und die Wirkung dieser Dramen sind bedingt durch die Zeit, aus der sie geboren wurden. Wenn die Zeit eine andere wird, wird man sie auch ander» beurteilen müßen. Und doch ist er im Schaffen eine König-Midas-Natur. Selbst die kleinsten und alltäglichsten Dinge bekommen oft den Scbein von Gold, wenn er seine Hände auf sie legt . . . Dieser Zeit gehören auch die großen Romane an: „Flaggen über Stadt und Hafen" und „Auf Gottes Wegen", breite Problemeromane, geschrieben mit Björnsons Kraft, mit seiner reichen Begabung, mit seinem kampssrohen, aber auch verständnisvollen Herzen. 188.". erschien „Ueber unsere Kraft", erster Teil; das zweite stück folgte, und 1898 kam „Paul Lange und Tora Parsberg". Wie sein weißer Kopf mit den wehenden Haaren über der Menge leuchtete, so leuchten diese drei Werke über all seiner Produktion. Wie er sich von den nationalen zu den großen Kultur fragen seiner Zeit wendete, von seiner .Kampfnatur getrieben, so mußte seine Dichternatur ihn auch weiter fuhren, aus den Problemen des Lebens zum Leben selbst. Und als Björnson fast 70 Jahre alt war, dichtete er „Paul Lange und Tora Parsberg". Hier ist nichts vom Problem. Es ist die Tragödie des feinen, guten Mannes, der in die Politik hinein geraten ist, die Tragödie des großen Menschen unter den kleinen. Selbst die Liebe einer Tora Parsberg, wohl die feinste Frauengestalt unserer Literatur, kann ihm nicht mehr helfen; er war eben zu zart für unsere Zeit. Björnsons spätere Werke stehen wohl nicht auf dieser Höhe, aber sie zeigen doch, wie wunderbar er seine Schaffenskraft bewahrte. Als er 74 Jahre alt war, schrieb er „Mary"; welch eine Kraft und welch eine Geschmeidigkeit des Geistes! . . . Der junge 20jährige Björnson war alt und reif wie der 75jäh- rige, und der 75iährige war jung und voll Kraft wie der 20jährige. Das war wohl das große Geheimnis, seines Lebens. Die letzten Stunden. Paris, 27. April. (Telegramm.) Zum Ableben des Dichters Björnson, das gestern abend kurz nach 9 Uhr im Hotel Wagram, wo er den Winter ver brachte, erfolgte, wird noch gemeldet, daß gegen Abend ein schwerer Erstickungsanfall eintrat, der zu dem traurigen Ausgang führte. Ueber die letzten Augenblicke des gestern abend um 9 Uhr 15 Min. in Gegenwart seiner Schwester und seiner Tochter verstorbenen Dichters wird berichtet, daß er wenige Sekunden, bevor er seinen Geist aufgab, sich mit seinem Oberkörper aus dem Bett erhob, müh sam mit der rechten Hand nach dem Herzen faßte, und zu seiner neben ihm sitzenden Tochter sagte: ..Es ist zuEnd e." Hierauf fiel er zurück und war tot. Ferner wird uns telegraphiert: Christiania, 27. April. (Telegramm.) Die Re- gierung gab in einem Telegramm an Frau Björnson ihrer Trauer über den Tod des Dichters Ausdruck, die vom ganzen norwegischen Volke geteilt wird. Das Souper beim Minister des Aeußern. an dem der König teilnahm, wurde nach Eintreffen der Todesnachricht abgebrochen. Pari«, 27. April. (Telegramm.) Die Leiche Björnsons wird nach Norwegen über geführt werden.
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