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Dienstag de» 18. April 1871. ä? 3«. für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebculch» »nd die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Die Synode. In Kurzem wird die erste Synode der evangelisch-lutherischen Kirche im Königreich Sachsen zusammen berusen werden. Es voll zieht sich mit dem Zusammentritt derselben ein Act bedeutungsvollster Art in unserm kirchlichen Verfassungsleben, der eine Gelegenheit bietet, die Entwickelung des seit 1868 angebahnten Ausbaues unserer Kirche einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. Das in den letzten Jahrzehnten immer dringender hervortretende Begehren des Volkes nach Selbstverwaltung, nach unmittelbarer Theil- nahme an dem, was die Interessen des Volkes am nächsten berührt, Hal auf verschiedenen Gebieten in mehr oder weniger umfassender Weise, so namentlich hinsichtlich der Rechtspflege, der Gemeinde verwaltung u. s. w. Befriedigung erhalten. Dieses Streben, verbunden mit der Üeberzeugung, dass eine größere Thcilnahme der Kirchen gemeinde an der Verwaltung ihrer eigenen und der Angelegenheiten der Kirche im Allgemeinen nur ersprießlich und segensreich ans die Entwickelung des kirchlichen Lebens wirken könne, zeitigte die Keime unsrer jetzigen Verfassung der evangelisch-lutherischen Kirche in Sachsen. Die Keime sagen wir, denn als eine abgeschlossene ist diese Ver fassung keineswegs zu betrachten. Schon tz. 57 der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831 sicherte den Confessionen zu, daß die Anordnungen in Betreff der inneru kirchlichen Angelegenheiten der besonderen Kirchenverfassung einer jeden Confessio» überlassen bleiben sollen. Seitdem waren wiederholt Versuche gemacht worden, eine Regelung der Verfassung der evangelisch-lutherischen Kirche herbei zu führen, allein ohne wirklich befriedigenden Erfolg. So wurde zuletzt noch im Jahre 1860 der Entwurf zu einem Gesetze, welches bestimmt war, in umfassender Weise die Verfaffnngsfrage in Fluß zu bringen, von der Regierung wieder zurückgezogen, nachdem ihn die I. Kammer abgclehnt halte. Endlich gelangte ein später emgebrachter neuer Entwurf nach viel fachen Abänderungen und Zusätzen zur Annahme und so entstanden: die Kirchenvorstands- und Synvdalordnnng für die evangelisch-luthe rische Kirche des Königreichs Sachsen vom 30. März 1868, sowie das Gesetz, die Vertretung der evangelisch-lutherischen Kirchenge meinden betreffend und die Verordnung, die Einsetzung der Kirchen vorstände, sowie die Einrichtung und Abnahme der Kirchenrechnungen betreffend an demselben Tage. Diese Gesetze bezeichnen den Beg'risf einer neuen Aera in unserm kirchlichen Verfassungöleben; ist doch durch dieselben einem Jeden vergönnt, unmittelbar da selbst theilzunchmen, wo dies zeithcr nur in sehr beschränkter Weise der Fall war: an der Hebung und Pflege der äußeren und inneren Interessen der Kirche. In jenen Gesetzen ist das Princip der Selbstverwaltung in kirchlicher Beziehung in einer Weise zum Ausdruck gekommen, daß die Anwendung und Ausführ ung derselben recht wohl als ein Probirstein dafür gelten kann, ob in der Thal unser Volk die behauptete Einsicht und Reife besitze. Wird sm Eingänge der Kirchenvorstandsordnung der Beruf der Kirchengemeinden darin gefunden, sich zu einer Pflanzstätte evange lisch-christlichen Glaubens, Sinnes und Lebens zu gestalten, so wird andrerseits denselben in unmittelbarem Anschluß das Bcsugniß zu- gesprocheu, ihre Angelegenheiten — unter den gesetzlichen und ihrem Verhältnisse als (Meder dec evangelisch-lutherischen Kirche sich erge benden Beschränkungen — selbstständig zu ordnen, insbesondere das Vermögen ihrer Kirchen und das Vermögen der kirchlichen Stiftungen bei solchen unter der verfassungsmäßigen Mitwirkung des Kirchen- patrons und unter Aufsicht der kirchlichen Behörden selbst zu ver walte». Ein gedeihliches Zusammenwirken der Ausübung dieser Befug nisse einerseits und der Erfüllung jenes Berufes andrerseits stellt sich sonach als die schönste Frucht jener freiheitlichen Grundlagen dar, welche die Förderung der kirchlichen Interessen in die Hände der Gemeinde selbst legen. In dec That läßt sich behaupten, daß die in dem Gesetz der Kirchengcmeinde, beziehendlich deren Vertretern eingcräumteu Befugnisse so weitgehende und vielseitige sind, daß es in der Regel lediglich den Kirchengemeinden selbst zur Last gelegt werden muß, wenn sich hinsichtlich der Hebung des Interesses und der Theilnahme an dem was die Kirche betrifft, die gehegten Er wartungen nicht erfüllen. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Kirchengemcinde nur ganz ausnahmsweise, — K 30 des angezogenen Gesetzes — berufen sem kann, selbst, durch alle ihre Glieder ihren Willen zum Ausdruck zu bringen. Regelmäßig wird dieselbe diesen Willen nur durch die von ihr freigcwähllen Vertreter, den Kirchenvorstand zu äußern haben. ES erschein^ daher aber auch als erste Pflicht einer jeden Kirchenge meinde, von ihrem Wahlrechte einen derartigen Gebrauch zn machen, daß nur Männer im Kirchcnvorstande ihre Vertreter werden, welche mit voller Üeberzeugung den Lehren der evangelisch-lutherischen Kirche huldigen, und die andrerseits die nöthige Einlicht besitzen, um das ihnen übertragene Amt gehörig verwalten zu können. Die Thätigkeit des KirchenvorstandS beschränkt sich zunächst auf die Förderung der Interessen der von ihm vertretenen Gemeinde. Allein dieselbe erreicht hier nicht ihre Endschaft. Die alljährlich ab- zuhaltendcn Diöcesanversammlungen, in denen alle Kirchenvor- stände je einer Ephvrie vertreten erscheinen und welche zur Kräftigung der Wirksamkeit der Kirchenvorstände und zur Belebung des Inte resses derselben an kirchlichen Angelegenheiten dienen sollen, geben Gelegenheit und legen Verpflichtung auf, sich über die Punkte aus zusprechen, die der Besserung bedürftig sind, in denen eine Acnderung, ein Vorgehen in irgend einer Beziehung geschehen muß. Wird in diesen Versammlungen bas Material gesammelt, dessen Verarbeitung zu Nutz und Frommen der einzelnen Gemeinden, wie der ganzen Kirche dann der Synode obliegt, so erscheint die Thätigkeit der Kirchenvorstände in derselben als eine keineswegs zn unterschützende. Die Synode selbst, deren Zusammeuberufung in der Regel aller fünf Jahre, unter Umständen aber auch in kürzeren Zeiträumen erfolgen soll, rcprüsentirl sich als die Vertretung der Gesammtheit der Kirchengemeinden, berufen zur Berathung über die Bedürfnisse der Landeskirche. Nach Zulrit der Oberlausitz besteht dieselbe aus 33 Geistlichen, einschließlich eines ordentlichen Professors der Theologie an der Uni versität Leipzig und 40 Laien, einschließlich eines Professors an der selben Universität. Die Wahl zu derselben ist im Wesentlichen eine indirecte, durch Wahlausschüsse in 27 Wahlkreisen unter Leitung von königlichen Evmmissaricn vorzunehmcnde. Nur fünf geistliche und ebensoviel weltliche Beisitzer — außer den oben aufgezählten — werden von den in ovanzMois beauftragten Ministern, die beiden Professoren von je ihrer Facultät gewählt. Nach dem Schlnsse jeder Synode tritt die Hälfte der in den Wahl bezirken Gewählten aus, sodaß die Function derselben immer nach der zweiten Synode seit ihrer Wahl beendet ist. Die klebrigen werden nur für eine Synode gewählt und ernannt. Was die Aufgabe anbelangt, die der Synode gestellt erscheint, so ist diese doppelter Art. Einmal und hauptsächlich hat dieselbe direct an der Gesetzgebung theilzunehmen, da die Erlassung der Gesetze, welche den Eultus oder die Kirchenversassung betreffen und ebenso die Abänderung allgemeiner kirchlicher Einrichtungen an die Zustim mung der Synode gebunden ist. In dieser Hinsicht ist also die Sy node gesetzgebender Factor. Außerdem aber sollen Seiten des Kirchenregiments alle wichtigeren, das Interesse dec Landeskirche berührende Fragen derselben zur Er klärung vorgelegt werden. Beruht sonach die Hauptthätigkeit der Synode in der Erledigung der ihr nach Vorstehendem zu unterbreitenden Vorlagen, so sind die Rechte und Pflichten derselben doch nicht erschöpft. Auch aus ihrer Milte heraus hat die Synode anzurcgcn und zur Sprache zu bringen, was zu Nutz und Frommen der Kirche dient, Hal dieselbe zu beralhen, was von einzelnen Mitgliedern, Kirchenvor- flün.en oder Diöcesanversammlungen an Gegenständen vorgetrageir wird, die die Kirche und deren Jiueressen betreffen, und, wenn diese Besprechungen und Berathungen zu einem Resultate führen, bezüg liche Anträge, die dann den Anstoß zur Erlassung von Gesetzen geben tonnen, an compbtenter Stelle einzubringen. Endlich steht ihr frei, über kirchliche Behörden, Geistliche und Kirchendiener, erforderlichen Falls auch über das Ministerium des Cultus Beschwerde zu führen.