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Dresdner Journal : 15.10.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189710159
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18971015
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18971015
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-10
- Tag 1897-10-15
-
Monat
1897-10
-
Jahr
1897
- Titel
- Dresdner Journal : 15.10.1897
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^Lr Dresden vierteljährlich: 2 Marl LV Ps, bei den K«ifer- lich deuffchen Postanstaltea vierteljährlich 3 Mark; außer- hald de« Deutschen Reiches Post- und Sicnipelzuichlag Einzelne Nummern: 10 Ps Erscheine»: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abends. Fernspr -Anschluß; Nr 12S5 A»kt«tzt»u»»»»etzttre»: Für de» Raum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift X) Ps Unter „Eingesandt" die Zeile Sv » Bei Tabellen- und Zissernsatz entsprechender Aufschlag Herausgeber: Königliche Expedition deS Dresdner Journal- Dresden, Zwingerstr «0. Fernspr.-Auschluß: Nr. 1LSL ^S240. Freitag, dm 15. Oktober abends. 1897. Amtlicher Teil. Ernennungen, Berset;ungeu re. im öffentlichen Tieuste. Im Geschäftsbereiche des Ministeriums der Finanzen. Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern Be fördert: der Zollassistent Brllckler zum Oberzolleinnehmer in Sebnitz; der Zollassistcnt Förster zum Oberzolleinnehmer in Neugersdorf; der Zollassistent Größe! zum Zollsekretor in Ebersbach; dcr Erenzanfseher Lahode zum Zollassislenten in Bautzen; dcr Steuerrezeptor Schöne zum Untersteuereinnehmer in Altenberg — Versetzt: der Zollassistent Herzog von Ebersbach nach Dresden. — Pensionirt: der Zollsekrelär Baumann in Bautzen; der Zollassistent Gleisberg in Dresden; der Zollassistent Terne in Dresden; der Steuerauf seher Hilbert in Dresden; der Steuerausseher Reuter in Lauenstein; der Amtssiener Großer in Dresden — Ge storben: der Obersteueraufseher Fiedler in Chemnitz; der Steueraufseher Endig in Dresden. — Entlassen: dieBrenz- aussrber Tischendorf in Bodenbach, Mildner in WeigSdors und Drogula in Tauben!, ttm aus Ansuchen Im Geschäftsbereiche des Ministeriums beS Innern. BrandversicherungSkammer Beim technischen Per sonal. Pensionirt wurde der Brandversicherungs - Ober inspektor Schöne in Bautzen. — Befördert wurde der BrandveiiicherungSinspector Groh in Plauen zum Brand- versicherungs-Oberinspector in Bautzen — An gestellt wurde der BrandverncherungS-JnspectoratS-Assistent Die send in Döbeln als Brandversicherungs - Inspektor in Annaberg der Stadtbauinspeclor To rau in Limbach und der geprüfte Bau- gewcrksmeifter Bonson in Leipzig als BrandversicherungS- Jnspectorats-Assistenten. — Versetzt wuide der Brandver- sicherungsinspector Wolfs in Annaberg noch Plauen, der BrandversicherungSinspector Zöllner von Pirna nach Oschatz, der BrandversicherungSinspector Lantzsch in Flöha nach Pirna und der BrandversicherungSinspector Hennig in Oschatz nach Flöha. I» Geschäftsbereiche beS Mt»istertu«S be« Kultus an» -fieutltche« Unterricht». Zu besetzen: die Kirch schulstelle in Wendisch-RottmannSdors Kollator: das König! Ministerium de- Kultu« und öffentlichen Unterricht-. Einkommen. 1000 M. vom Schuldienst, 3l2 M 54 Ps vom Kirchendienst und freie Wohnung, außerdem 72 M. für Fort- bildungSichulunterricht Gesuche sind unter Beifügung sämt licher Prüfung-- und AmtSfnhrungszeugnisse bi- zum 2 No vember bei dem König! BezirkSschuUnspektor Schulrat Lohse in Zwickau einzureichen; — die neugegründete 7. ständige Lehrer- relle in Strehla a E Kollator: die oberste Schulbehörde. Einkommen: 1000 M Behalt und 150 M vorau-gewährte DienstalterSzulage nebst 150 M. WohnungSgeld für ver heiratete und 100 M für unverheiratete Bewerber. Tehalts- staffel ist in der Bearbeitung und steht demnächst in sicherer Au-sicht Besuche sind mit sämtlichen Zeugnissen bis zum 1 November bei dem König!. Bezirksschulinspcktor Reil in Oschatz einzureichen — Wiederzubesetzen ist die mit Kirchendienst verbundene ständige Stelle an der Wiefenthal- schule zu SpitzkunnerSdors mit einem musikaltsch tüchtigen Bewerber. Auch Schulamtskandidaten, die sich demnächst der WahIsähigkeitSprüsung unterziehen, sind zur Bewerbung zu gelassen. Kollator: das König!. Ministerium deS Kultus und öffentlichen Unterrichts Der Gehalt beträgt 125» M V8 Pf, 144 M für Ueberstunden, 50 M Holzgeld und 36 M für eine Turnstunde in der Kirchschule Wenn die Frau den weib lichen Handarbeitsunterricht übernimmt, so werden für den selben 72 M vergütet. Gesuche mit den erforderlichen Bei lagen, unter denen das musikalische Zeugnis nicht fehlen darf, sind bis cum 28. Oktober an den König! Bezirlsschulinspektor Schulrat v. Müller zu Zittau einzureichen. Nichtamttichtr Tei!. Zum Prozeß Liebknecht. Tas jetzt vom Reichsgericht bestätigte Uiteil gegen Liebknecht giebt unserer Presse Stoff zu neuen Be trachtungen, nachdem schon anläßlich des Erkenntnisses in erster Instanz viel Tinte verschrieben worden ist. Wie selbstverständlich, thun sich auch diesmal die sozialdemokratischen und freisinnigen Blätter besonders hervor, die nichts unversicht lassen, um den ihr ge horchenden Teil der öffentlichen Meinung in eine recht große Erregung und Entrüstung zu bringen. Sie gebrauchen tabei den alten Tric, das von ihnen Be anstandete als den Anschauungen des Polks zuwider- laufend l,inzusteUen, wie sie denn immer die Volls- Kunk und Wissenschaft. K. Hoftheater. — Neustadt — Am 14. Oktober: „Am Ende". Scene in einem Aufzug von Marie v. Ebner-Eschenbach (Zum ersten Male.) — „In Behandlung". Komödie in drei Aufzügen von Mar Dreyer. (Zum ersten Male) Ter gestrige Bühnenabend brachte zwei grundver schiedenen Neuigkeiten einen unbestrittenen unv vollen Erfolg Das kleine Stück der österreichischen Dichterin, das ne bescheiden eine Scene nennt, verkörpert aus tiefer innerer Mitempfindung und geläuterter Lebenikenntni» heraus die Versöhnung zweier der höchsten Gesellschaft angehörigen Gatten, des Fürsten und der Fürstin SeinS- berg, die sich vor Jahrzehnten in Schmerz und Trotz ge trennt haben und nur durch ihre Kinder noch in einer Beziehung geblieben sind. Während die Fürstin Klotilde in der herzenswarmen stillen Resignation gealtert ist, bei der für jeden Anspruch, der zur Thür hinausgeht, ein Glück zum Fenster hereinfliegt, hat Fürst Erwein das Leben weiter vurchstürmt, ist satt und müde geworden und tritt nun jetzt, auf das Drängen seiner glücklich ver heirateten Tochter, in der fragwürdigen Gestalt eines jugendlich geschmückten und gekleideten alten Lebemannes vor die verlassene Gemahlin In deren stillem Hause übec- kommt ihn das Gefühl seiner innern Einsamkeit und seines Unrechts zugleich, eine tiefe Sehnsucht de« Abendfriedens teilhaft zu werden, den die Fürstin so reich genießt, führt zum Entschluß, seine Reise nach Pari« aufzugeben und in dem plötzlich neugewonnenen Heim zu bleiben Man sieht leicht, daß das Motiv eines von denen ist, die die handlungheischende Kritik novellistisch zu nennen pflegt. Und doch kann man sich nur aufrichtig freuen, daß die große Eriählerin der Bühne dies kleine Lebensbild gegönnt hat Wie rund, wie greifbar deutlich steht feele schlechtweg für sich aufrufen, mag es sich um eine Verurteilung oder eine Freisprechung, um Schwarz oder Weiß handeln. Als ob ein ruhig denkender Mensch je an den Absichten des alten Sozialisten führers gezweifelt hätte und als ob den weiten Kreisen der Nation, in denen die Ehrfurcht vor dem Herrscher als eine der ersten und schönsten Pflichten gilt, nicht eine große Genugthuung da durch bereitet wäre, daß wieder einmal ein Exempel statuiert wurde für die Volksredner, die nur mehr mit Ausfällen gegen die höchsten Personen und Einricht ungen im Staate die Massen zu berauschen im stände sind! ES hätte vielmehr in dem größeren Teile des Volkes eine schwere Besorgnis Hervorrufen müßen, wenn ein entgegengefetzt lautendes Urteil m dem Pro zeß Liebknecht ergangen wäre Daß recht geschehen ist, kann man wie in so vielen Fällen, auch in diesem schon aus dem vereinigten Widerspruch der Sozial demokraten und Freisinnigen ersehen. Sobald diese Parteien eine gemeinsame Kampfstellung annehmen, richtet sie sich gewöhnlich gegen etwas, das der über wiegenden gesunden Volksmeinung entspricht und das allgemeine Wohl zu fördern bestimmt ist. So sehen wir auch hier die beiden Parteien einträchtig bei einander, die Freisinnigen mit glühendstem Eifer be müht, den BundeSbruder Liebknecht als politischen Märtyrer zu glorifizieren, daS Gerichtserkenntnis als ein hartes zu verfchreien und rS in echter Kamerad schaft hetzerisch ausbeuten zu helfen. Die Herren auf der Linken feiern jetzt eben die Feste wie sie fallen, damit die Verbrüderung immer enger sich gestalte. Auf einige Anwürfe, die von dieser Seite gegen daS Urteil erhoben sind, antwortet heute die „Noidd. Allg. Ztg." mit Ausführungen, die ganz in unserem Sinne gehalten sind und folgendermaßen lauten: Am 6. Oktober I8S5 hielt der ReichStagSabgeordnete Liebknecht auf dem fozialdcmokrattschen Parteitage in BreSlau eine Rede, in welcher die Anklagebehörde eine MajestätS- beleidigung erblickte Am 14. November 18S5 wurde er des wegen von der Strafkammer zu Breslau zu 4 Monaten Ge fängnis verurteilt. Der Vorgang liegt schon so weit zurück, daß die Einzelheiten dem Gedächtnis fast entschwunden sind. Aber so viel ist jedenfalls in der Erinnerung geblieben, daß sich über diefeS Urteil damals ein wildes Geschrei in einem Teile der Presse erhob, als ob eS jedem Gerechtigkeitsgefühl Hohn spräche, und verschiedentlich war zu lesen, daß da- Landgericht zu einer Verurteilung nur gelangen konnte, indem es dem an sich schon sehr bedenklichen ckolus erentoult» eine bisher nie gekannte Anwendung und Aul dehnung gegeben habe. Das Reichsgericht hat bekanntlich jetzt da- Urteil bestätigt Der Verteidiger Liebknechts hat in der Verhandlung den ckolus sveotuulis überhaupt nicht berührt, der Reichsanwalt konnte ohne Widerspruch aussprechcn — was ja übrigens für jeden Juristen auch eine selbstverständliche und allgemein bekannte Thalsache ist —, daß der ckolus evsntualis längst ein Bestandteil in der deutschen Rechtsprechung geworden ist, und das Reichs gericht entschied, daß in der Annahme des ckolus ereutuali» nn vorliegenden Falle vom Breslauer Landgericht gegen keinerlei Rechtsgrundsätze verstoßen ist. Juristisch liegt die Sache, nachdem das Urteil des Land gerichts zu Breslau mit seinen Gründen bekannt geworden >st, nicht schwierig, und wir zweifeln nicht, daß selbst Hr. Prof v. Liszt, der dar Urteil bei Abfassung seines Gutachtens über den ckolus oreutualis zum 24. deutschen Juristentag nur nach den damals vorliegenden Zeitungsnachrichten kannte und eS miß billigte, nach Kenntnis der wirklichen Begründung anderer Mein ung sein wird Liszts Gutachten ist so klar und stellt den Be griff des ckolus eveutuulis so sicher und scharsumgrenzt aus, daß sich juristisch dagegen gar nicht ankämpsen läßt. Dcr eventuelle Vorsatz ist wirklicher Vorsatz, Voraussicht des Eisolgcs; das Eigentümliche bei ihm liegt nur darin, daß der Thäter nicht einen bestimmten Erfolg voraussieht, sondern annimmt, daß der eine oder der andere von mehreren Erfolgen einlreteu werde, und daß ihm jeder dcr eintretenden Erfolge recht ist. Wenn es richtig gewesen wäre, was Liszt aus Grund der da maligen Zeilungsnachrichlen annahm — das Breslauer Gericht hatte seftgcstellt, daß Liebknecht nicht Lie Absicht gehabt habe, eins Majestätsbeleidigung zu begehen, und daß er seine Wo;te sehr vorsichtig gewählt habe, um eine Majestätsbelcidigung zu vermeiden, aber er habe mit der Möglichkeit rechnen müßen, daß seine Worte von den Zuhörern als Majestätsbcleidigung aufgefaßt werden könnten oder würden —. io könnte man viel leicht im Zweifel darüber gewesen sein, ob hier von einem alles im wundersamen Ltcht der lebendigsten An schauung, wie wahrhaft und ergreifend, wie unsäglich einfach drängt sich ein langes, langes Leben, ein leidvoller Konflikt in die eine Unterredung zwischen oen getrennten Gatten hinein, wie echt und köstlich leuchtet die innerste Empfindung durch die Glätte eines zwischen zwei Menschen der großen Welt und in den besten Formen der großen Welt geführten Gesprächs hindurch Wenn wir volles Leben und Wahrhaftigkeit auf der Bühne wollen, werden wir eben unfern Begriff des dramatisch Wirksamen dahin erweitern müssen, daß solche rein innere Handlungen ihr gutes Recht haben Das kleine, höchst anmutige Stück, daS nur zwei wirkliche Gestalten aufweist, wurde von Frl. Ulrich (Fürstin Seinsberg) und Hrn Müller (Fürst Seinsberg) vorzüglich und mit der liebevollen Einzel- auSführung dargestellt, die die Natur der Dichtung voraus setzt. Wenn Hr Müller seine höchst charakteristische Wieder gabe deS Fürsten, dessen Erscheinung und erstes Auftreten ja unzweifelhaft einen Stich in die Karikatur haben muß, noch um eine Nuance vornehmer halten wollte, würde sich nicht die theatralische Wirkung, aber die innere Wahr scheinlichkeit erhöhen Im übrigen traten die Mimik, die Färbung des Dialogs, der stille Kampf zwischen der künst lichen Jugendlichkeit und dem wahren Wesen und eigent lichem Bedürfen des alternden Fürsten ganz meisterhaft hervor Von Frl. Ulrich müffm wir sagen, daß sie in vollendeter Anmut, in ruhiger, bequemer Würde nicht nur eine gewinnende und überzeugende Gestalt schuf, sondern mit höchster Kunst auch den geheimsten LebenShauch und seelischen Reiz der Dichtung mit verkörperte Hr Huff gab die Rolle des alten Kammerdieners im fürstlichen Hause, der sich etwas herausnehmen darf, aber nie zuviel herausnimmt, sehr ansprechend Mit derberen und durchgreifenderen Mitteln als die feinsinnige Marie Ebner-Eschenbach arbeitet Mar Drcyer in seiner Komödie „In Behandlung" DaS Stück inter essierte und fesselte durchwegs, erweckte in einer ganzen ckolus orsutuulis die Rede sein kann. Die thatjächliche Fest stellung deS Urteils lautet in Wirklichkeit aber ganz ander». ES wird nicht au-gcführt, daß Liebknecht mit der Möglich keit habe rechnen müssen, seine Worte würden von seinen Zuhörern auf den Kaiser bezogen, sondern es wird fest- gestellt, daß er mit diefer Möglichkeit thaifüchlich ge rechnet hat und daß er von vornherein mit diesem Erfolge für den Fall feines Eintrittes einverstanden gewesen ist ES wäre durchaus unrichtig, zu sagen, Liebknecht habe eine MajestälSbeleidiguug veimeiden wollen. WaS er vermeiden wollte, war eine Bestrafung wegen MajestätSbeleidigung; aber er hat vorauSgesehen, daß seine beleidigenden Äußerungen von feinen Zuhörern aus den Kaiser bezogen werden könnten. Diesen Ersola hat er sich klar gemacht, trotzdem hat er die Worte und Äußerungen gebraucht, weil ihm der eventuelle Er folg recht war. Bei dieser Sachlage ist ein Zweifel, ob Hrn. Liebknecht die Straft auch zu Recht trifft, auSg>schlossen Die Beleidigung ist die Herabsetzung eines anderen in den Augen Dritter. Und da sollte sich der nicht der Beleidigung schuldig machen, der ohne Namensnennung hcrabwürdigendc Äußerungen gebraucht, von denen er annimml, daß sie der Hörer auf den anderen be ziehen wird und mit diesem Erfolge einverstanden ist? Wenn die Richter im vorliegenden Falle nicht zu ciner Verurteilung gclangt wären, dann wäre daS Urteil allen fclbständig denkenden Laien ein Raffel gewesen, und Hr. Liebknecht hätte sich in» Fäustchen lachen können, daß juristische Kniffeleien den Sieg über den gesunden Menschenverstand davongetragen hätten. Dem Reichsgericht lag nur die Prüfung der Rechtsfrage ob; an der vom Landgericht getroffenen thaffächlichen Fest stellung konnte es nicht- ändern. Äber wer woll e auch die Richtigkeit diezer Feststellung bezweifeln? Hr. Liebknecht will felbstverständlich. wie jeder BolkSredner, Beifall erringen, und er kennt sein Publikum. Da läßt sich nicht ruhig und objektiv sprechen, da kann nicht ruhig eine Behauptung ausgestellt, können nicht die Gründe sür und wider erwogen werden. Dazu bedürfte es eines tieferen Eingehens aus die Sache, und dazu hat daS Publikum keine Geduld Der richtige BolkSredner muß seine Behauptungen al- unumstößliche Wahrheiten Vorträgen, e-tgegcnstehende Ansichten werden entweder ignoriert oder als die eines Unverständigen oder Böswilligen behandelt. Bor allen Dingen aber muß er mit einigen Witzchen und Mätzchen ausgerüstet sein; das sind die Schlager Solch ein richtiger Schlager, der nur ganz dem Empfinden der Zuhörer angepaßt sein muß, thut immer seine Wirkung. DaS weiß der richtige BolkSredner. und er wird niemals ohne einige Schlager in eine Volksversammlung gehen. Zu diesen Schlagern gehörte die Liebknechtsche inkriminierte Äußerung Natürlich konnte sie nur wirken, wenn sie den Lehren und Empfindungen der Sozialdemokraten angepaßt war. Sie muß sich gegen Einrichtungen oder Personen richten, die anderen Menschen heilig, hoch und erhaben sind Da braucht es keine Namen nennung. die Zuhörer sind so gut geschult, daß sie sür alle Andeutungen ein feines Ohr und Verständnis haben Trotzdem ist eS beffer, sich immer noch den Rücken zu decken, damit man im Falle ciner Anklage behaupten kann, so habe ich eS gar nicht gemeint. Vielleicht gelingt c-, daß man noch einmal durch die Maschen de- Strafgesetzbuchs hindurchschlüpft. Die griechische Frage in -er Auffassung deutscher Gelehrten. Vor einiger Zeit hat die Berliner Wochenschrift „Die Gegenwart" eine der jetzt üblichen Umfragen veranstaltet, um die Ansichten der deutschen Gelehrten welt über die griechische Frage zu erfahren. Eine Anzahl Professoren und andere Männer der Wissen schaft haben der Aufforderung entsprochen und sich mehr und minder gründlich über den Fragepunkt ge äußert. Die zwei Dutzend Herien repräsentieren natürlich nicht unsere Gclehrtenwelt, aber ihre Äußer ungen sind immerhin als eine Stichprobe hinzunehmen, durch welche man eine gewisse Sicherheit über die in diesen Kreisen vielfach obwaltenden Anschauungen be züglich der griechischen Frage erhält. Was nun von dieser Seite üb.r daS Thema verlautbart ist, bekundet, wie kaum anders zu erwarten stand, ein äußerst kräftiges Philhellenentum und läuft zum großen Teil auf Anklagen gegen die Ungerechtigkeit, die Willkür der Großmächte hinaus. Dieser Standpunkt hat, wie gesagt, wenig Überraschendes und man würde auf die Darlegungen, in denen er vertreten ist, nicht weiter zurückzugreifen brauchen, wenn sie nicht ein vortr-ff- liches Beispiel für den Unterschied zwischen praktischer Politik und Gescksichtsidealismus abgäben. Eharakte- listifcherweffe hebt jetzt ein liberales Bla t — bekannt- Rerhe von Scenen bre fröhlichste Teilnahme der Zu schauer und erwies sich als ein sehr glücklicher Versuch den Kämpfen, die die moderne Fraucnsrage herausführt, ihre heiterste Seite abzugewinnen Sowohl in dem Trotze, mit dem das junge Fräulein Ur. Liesveth Weigel, die in Zürich Medizin studiert und promoviert hat, sich den Über lieferungen einer kleinen pommerschen Hafenstadt gegen- übersiellt und einen ungeliebten Bräutigam, der ihr ihre Laufbahn als Aerztin abschneiden will, kurzerhand verab schiedet, als in der Schein heirat mit dem heimlich und unbewußt geliebten vr Berthold Wiesener stecken echte Lustspielmotive, ja einige der prächtigsten, aus der Hand liegenden des dritten Aktes, in dem das junge Paar neben einander praktiziert, hat der Verfasser, den es drängte, die beiden jungen Leute aus der Wissenschaft in die ai-8 amaucki hincinzuführen, kaum angedcutet und sogar sollen lasten Dafür nähert sich die originell angelegte und frisch durchgestihrte Komödie an ein paar Stellen unlieb sam dem herkömmlichen Bühnenschwan^ und an einigen anderen der sozialen Studie. Die karikierten tleinstädtischen Frauenfiguren und der freche Bauunternehmer Jantzen sind etwas zu bekannt, wenn auch der Verfaster mit Wahrheit versichern kann, daß besagte Figuren seit Kotze- bucs Tagen weder seltener noch liebenswürdiger geworden sind Aber gleichviel, das Zeug zu einem au« wahrhaft komischer Anjcbauung und humoristischer Gestaltenbildung gewebten, Lustspiel ist in Dreyer« Komödie vorhanden Und der iautschallende Beisall, mit dem das Publikum neben den Darstellern auch den anwesenden Verfaster nach jedem Akte hervorrief, war ein durchaus verdienter. Hoffentlich entwickelt sich da« Talent de« Verfaster« in der Richtung weiter, die feine Charakteristik der tapferen Liesbeth Weigel, des trefflichen alten TchiffSkapitän» Christian Lhlerich — der ein Verwandter von Ad Wilbrandt« Johann Lhlerich sein muß — und deS schwedischen Vizekonsuls Ferdinand Saubcrt, des schönen Ferdinand, cinschlägt, und nicht in der Richtung, wo Figu- lich wurde von unserer freisinnigen Presse im Be ginn der griechisch türkischen Verwickelungen sehr viel in Philhellenismus geleistet — kiesen Unterschied mit zutreffenden Bemerkungen hervor. ES ist die „Weser zeitung", welche zunächst die bei der „Gegenwart" ein gegangenen Antworten kennzeichnet und sich dann gegen die einseitige, weil übcrzarte Beurteilung der Griechen und gegen die ungerechte, weil auf träumer hafte Gesichtspunkte gestellte Befehdung der von den Großmächten befolgten Politik wendet. Sie schreibt: Tie weit übcrwiegcnde Mchrhri, dcr Votantcn bekennt sich zu dcm, was man in der Kürze Philhellenentum nennt; sie steht mit ihren Cya pathien aus derjenigen Seite, die weiland Calo den Göttern zum Trotze bevorzugte; sie findet es tief- betrübend, liesbcschämcnd sür unsere Moralität, daß die Kabinette und die Mehrzahl unserer Zeilungen sowohl den alten Ruhm de- griechischen Namens als die Bedeutung des HellcnentumS sür die Zukunft der Levante gänzlich außer Augen gelaffen und, lediglich einem profaffchen Motive augenblicklicher Nütz lichkeit folgend, sich mit der Barbarei und dem kulturfeindlichen J-lam verbündet haben. Viele der Votanten fehen in der ge scheiterten Unternchmung eine Fortsetzung und ein Seitcnstück zu den glorreichsten Thatcn des Freiheitskämpfer, in dem Be gehren nach Kreta eine hochherzige, durchaus gerechtfertigte Aufwallung, in den, Einfchrciten der Großmächte da- schwerste Unrecht gegen ein Volk, das die größten Opser nicht habe scheuen wollen, um unglückliche Brüder «uS hasfenSwertester Tyrannei zu befreien und sich wieder in den Besitz dcr alt- berühmten Insel zu setzen, die ihm in besseren Zeiten gehört habe und von Gottes- und Rechtswegen noch jetzt gehören sollte. Die Gemäßigteren dieser Philhellenen geben zu, daß die Griechen insofern zu tadeln seien, als sie sich über die Zeit- gemäßheit ihres Versuchs geirrt, zu früh daS Schwert gezogen und sich sür den Kamps nicht genügend vorbereitet hätten. Der satale Punkt, dcr dic unredlicht Finanzverwaltung des KabinrltS von Athen betrifft, wird entweder mit Stillschweigen übergangen oder als ganz nebensächlich beiseite geschoben; eine Stimme sogar, die vcs (gleichfalls befragten) Hrn v. Egidy, macht au» diesem Punkte einen neuen Anklagcpunkt gegen Europa und die Preffe, die sich hartherzig der Sache der Wucherer gegen den unglücklichen Schuldner angenommen hätnn. Nie, sagt Hr. v. Egidy, sei ein Staat so schmählich „bewuchert" worden, wie das arme Griechenland von seinen Gläubigern! Tas kleine PlebiScit bietet Gelegenheit, sich den Unter schied zwischen Politik und geschichtSphilosophijchem Idealismus klar zu machen Die Politiker haben eine ganz bestimmte Aufgabe de- Augenblick- zu lösen, die schon an sich verzweifelt schwierig ist die aber uniö-bar werden würde, wenn sie noch mit der Rücksicht aus die noch völlig im Dunkeln liegenden Rätsel der Zukunft, al- Zivilisation deS Orients, Entwickelung dcr Balkanvöller und dergleichen belastet wcrden sollte. Hier heißt es in dcr That: eS ist genug, daß ein jeglicher Tag seine Plage habe. Die Politiker müssen schon zufrieden fein, wenn eS ihnen gelingt, der Zukunft die Bahn frei zu halten, gewalffame Störungen abzuwenven, die wichtigsten Interessen gegen die Anläufe ter minder wichtigen zu schützen, die Kräfte, deren eS dereinst, am Tage nicht vorauSzusedendcr Ent scheidungen, bedürfen wird, zu fchonen und vor Verzettelung in verfrühten, unfruchtbaren, vielleicht schädlichen Krisen zu bewahren. In die Sprache deS Tages übersetzt, heißt daS: die Aufgabe der Politik war und ist, den AuSbruch eines europäischen Kriege- aus Anlaß der Wirren im Orient zu verhüten, die Möglichkeit friedlicher, oder wenigsten- all mählicher Lösungen daselbst offen zu halten. Die Philhellenen behandeln freilich von ihrem berghohen Standpunkte aus solche Dinge wie den europäischen Frieden als cine Bagatelle und die Bemühungen um ihn als eine philisterhafte Sorge um die elenden zeitlichen Güter Aber sie würden wahr scheinlich anders sprechen und ander- denken, wenn man einmal sie persönlich in die Lage versetzte, darüber entscheiden zu müssen, ob der Wcltbrand entzündet werden solle oder nicht, ein Weltbcand, beiläufig gesagt, von dem niemand vorhersagen kann, ob er einen sür die Hellenen günstigen oder verhängnisvollen Zuüand der Tinge herbeisühren würde Die „Ideologen", wie Napoleon sie genannt haben würde, haben den Politikern gegenüber lcichtcs Spiel Sie brauchen nur ihren Sympathien und Antipathien, ihren Wünichen und Zukunststräumen Gehör zu leihen; sie brauchen sich in Lob und Tadel keinerlei Zwang anzuthun, weil sie wissen, daß dayon keinerlei praktische Folgen zu erwarten sind. Sie sind sür nicht» verantwortlich, und sic haben nicht zu befürchten, daß sie ihre Güter oder ihre gefunden Knochen der Berwirk- lickmng ihier Ideale werden zu opfern haben. Dafür, daß das nicht geschehe, sorgen, das wissen sie sehr gut, eben jene Philister, die so niedrig denken, den Friedcn sür wichttger zu hatten als die Einvettelburg Kretas in das Reich des Königs Georgios. Charakteristisch ist, daß die Mehrzahl der befragten Philhellenen die ..Vcrsrühthcit" der griechischen Unternehmung und das Mißverhältnis zwischen der auigebotcuen Kraft und den, gesteckten Ziele einräumen, diese Punkte oder al» unerßeö- lich sür das Gcsamturteil behandeln. Gerade diese Punkle sind n—' SSV ren wie Eoith Schwan und die Frau Steuerrat Bornemann zu Hause sind. Das Stück war gut in Szene gesetzt und wurde ausgezeichnet gegeben Frau Bast«- (Liesbeth Weigel) fügte der Reihe ihrer glück lichen, temperamentvollen, lebensfrischen und in jedem Zug gelungenen Gestalten eine neue hinzu Hr. Müller wirkte in der gelungenen Maske und mit dem treuherzigen humoristischen Platt des Schiffskapitän« Lhlerich vom ersten Auftritt an charakteristisch und fortreißend Hr. Paul (vr. Berthold Wiesener) entfaltete die kecke Zu verficht und den trocken überlegenen Humor, mit denen der junge Arzt die spröde geliebte Cousine und Kollegin schließlich doch in seine Arme zwingt und sich als ihr natürlicher Beschützer bewährt Mit beinahe erschreckender Lebendigkeit und Porträttreue stellten Frl Tulling er und Hr Bauer das würdige Ehepaar Jantzen dar Die Episodengestalten de« Hrn Witt (Konsul Säubert), de« Frl. Gasny (Marie Bornemann) und Frl. Schendler (Frau Krohn, Auswärterin) gerieten ganz wirksam Auch da» herkömmliche Kaffecklatschtrio wurde in den bescheide nen Schranken, die hier der Verfaster zieht, durch Frl. Guinand (Frau Steuerrat Bornemann), Frau Hilde brandt (Frau Bolzenthal) und Frl Diacono (Edith Schwan) löblich belebt Adolf Stern * Ueber die Skizze Reinhold BegaS'für ein Denk mal des Fürsten Bismarck in Berlin, welcher der erste Prei« zuerkannt ist, schreibt L Pietsch in der „Dost Ztg ": Die von Begas gelieferte Skizze ist in ihrer verhältni«- mäßigen Einfachheit und Klarheit grandios Schon mit der Äuffafiung und Darstellung Bismarcks selbst kann sich keine der anderen messen, ebensowenig wie eine der zahl losen BiSmarck-Porträtbüsten mit der vor Jahren von BegaS modellierten Die mächtige Gestalt (im Interim« - rock und langen Beinkleidern) steht ohne jede» Posieren, einfach unv ruhig, aber strack aufgcrichtet da, mit der Linken den Griff de» geraden Schleppsäbel» seitab von
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