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Leipziger Tageblatt MW Anzeiger. ^4^ 109. Mittwoch den 19. April. 1854. Stadttheater. Als neu einstudirt gingm am 17. d. M. zwei früher sehr be liebt gewesene Stücke in Scene: „HanS Luft", dramatische Skizze in drei Abtheilungen, frei nach dem Französischen des C. Lebrun, und „Der Bär und der Bassa", Vaudeville- Burleske in einem Acte von C. Blum. Da- erstere konnte trotz der guten Aufführung sich nicht halten: es fiel entschieden durch, und der lebhafte Beifall eine- Theiles de- Publikums galt wohl nur den Darstellern. Die hauptsächlichsten Fehler dieser „drama tischen Skizze" sind die ungebührlichen Längen, namentlich in der Partie de- Tanzmeisters Rigolard, und die etwas zu stark auf getragenen Farben bei der Schilderung de- HanS Luft. Der Ge schmack unsere- Publikums hat sich seit zwanzig Jahren, vor welchen die- Stück sehr günstig ausgenommen worden war, wesent lich verändert. Da- Lustspiel hat zu wenig inneren Halt, zu wenig natürliches komische- Element in sich, al- daß eS nicht jetzt schon antiquirt sein sollt«. E- soll damit keine-weg- gesagt sei«, das Stück sei schlechter, als viele andere derartige Produkte der Reu- -eit, die gsgenwärtig gefallen — eS ist vielleicht sogar um Viele- besser, als die Mehrzahl dieser nur ist es nicht mehr zeitgemäß und deshalb de» Äandel alle- Irdischen schon verfallen, weil es ehen einer gewissen Modegeschmacksrichtung vorzugsweise huldigte. Die Hauptpartien de- Stücke- wurden durch Herrn v. Othe- graven (HanS Luft), Frau Günther-Bachmann (Adelaide), Fräulein Liebich (Caroline v. Sturm), Frau Eicke (Fräulein v. Schnüffel), Herrn Böckel (Kammerjunker v. Frosch) und Herr» Körnig (v. Hoppel) sehr gut ausgeführt. Herr Laddey gab die sehr schwierige Rolle des Tanzmeisters Rigolard. Dieser Rigolard ist eine jener halb komischen, halb sentimentalen Figuren, «ine- jener Originale, wie sie nur das vorige Jahrhundert Hervor bringen konnte, die gegenwärtig aber kein wirkliches Interesse mehr gewähren könne», da sie im Leben nicht mehr existier», uns daher nur da- Carricaturmäßige derselben auffällt, während wir ihre kleinlichen Inklinationen und Leidenschaften nicht mehr zu begreifen vermögen. Herr Laddey gab sich viele Mühe, diese für uns modeme Menschen tobte Figur zu beleben, erreichte diesen Zweck jedoch nur theilweise; die fast durchgehende Monotonie in der Sprache, wie im Spiel de-Herrn Laddey machten oft die Längen der Partie noch fühlbarer. Auch die Burleske „Der Bär und der Bassa" erfreute sich in frühooer Zeit einer allgemeinen Beliebtheit und ist in Folge dessen, sogar zu einem weit verbreiteten Rufe gekommen. Wenn man «iu Alles Nalvetät mitbüngt und einmal von allem gefunden Menschenverstand adsehen will, so kann dieser Confluxus von blühendem Unsinn bei guter Darstellung wohl einmal ein sehr heitere- Stündchen beredten. Dem an sich lappischen und kindischen Stoff wohat je«- unläugdare komische Element inne, wie wir es auch ln d« besannt« italienischen Volkskomödie mit ihren stehenden Städtisches. Da die Fiaker angewiesen sind, ihre Fahrten bi- auf die näch sten Dörfer auszudehnen, so ist damit stillschweigend der Grundsatz ni«-ken neuester Zeit hervortritt. Wer also einmal recht tüchtig las Awerchfelf sich will erschüttern lassen, wird bei dieser Posse sein« Rechnung finden. — Die Darstellung war eine sehr gelungene ; die Herr« Stürmer (Bassa), Ballmann (Marokko), Schnei der (Lriftazatte), Behr (TirflS), wie auch Frau Günther- Bachmann (Roxelane) waren höchst ergötzlich und ließen ihrem natürlich« Humor ohne alle Neberbietung freien Lauf. * h. um so mehr, alS die betreffenden Dörfer im Sommer von vielen Leipziger Familien bewohnt und die Fiaker vorzugsweise von diesen benutzt werden. Es scheint aber, alS habe man bei Feststellung der Fiakertaxe auf diese Verhältnisse keine Rücksicht genommm, denn wenn für die Fahrten aufs Land schon nach 9 Uhr doppelte Laxe festgesetzt ist, so befinden sich die auf dem Lande wohnenden Leip ziger Familien den Stadtbewohnem gegenüber sehr im Nachthekl. Es ist diese Einrichtung für die betreffenden Personen außer ordentlich genant und kostspielig, denn entweder müssen sie des AbendS ihren Aufenthalt in der Stadt abkürzen, oder sie müsse« sich zu Extraausgaben verstehen. Um diese zu vermeiden, unterbleibt mancher Gang nach der Stadt, was namentlich dem Theater sehr zum Nachtheil gereicht, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß die Landbewohner e- viel häufiger besuchen würden, wenn sie für die einfache Taxe zurück fahren könnten. Der Wunsch, daß für die Fahrt aufs Land die doppelte Taxe im Sommer erst nach halb 10 Uhr eintreten möge, ist daher gewiß kein unbilliger; die dadurch entstehende größere Frequenz dürfte die Fiaker hinlänglich entschädigen, und ist dieses auch nicht der Fall, so dürfte die Rücksicht, daß die Fiakeranstalt eine Bequemlichkeit der Bewohner, nicht aber eine Geldspeculation ist, maßgebend sein. Vermischtes. Die Zahl sämmtlicher Armenschulkinder der Stadt Berlin be trug Ende vorigen Jahres überhaupt 25,189, oder 620 mehr als 1852, von denen 11,313 die Communalarmenschulen besuchten. Gehaltszulagen empfingen 48 Lehrer im Betrage von 2320 Thlr. Die Ausgaben beliefen sich im Ganzen auf 191,533 Thlr. 3Sgr. 2 Pf., die Einnahmen dagegen auf 69,075 Thlr. 12 Sgr. 10 Pf., so daß aus der Stadthauptcasse 122,457 Thlr. 20 Sgr. 4 Pf. zuge- schoffen werden mußten. Bern. In einer Solothurnischen Gemeinde hat ein Ehepaar die noch nie erlebte unmenschliche Handlung begangen, daß e- seine acht kleinen Kinder im Stiche gelassen und sich auf und da von gemacht hat. Wie der „AtlaS" meldet, werden jetzt im türkischen Lager so genannte „Koran-Hemden" (Lorsn - stürt») verkauft, d. h. eng lische baumwollene Hemden, auf denen die Hauptsätze des Koran in blauer Schrift roh aufgedruckt sind. Diese Hemden »erd« mit dem Zehnfachen ihres Werths bezahlt, indem die türkischen Sol daten ihnen die tali-manische Kraft de- Festmachen- gegen Hieb und Schuß zuschreiben. Man sieht, der englische Handelsgeist weiß die Sorge für die Unabhängigkeit der Türkei und den eigenen Vor theil mit einander zu verbinden! — Die NwIhhauSrrhr ging Montag dm 17. April um 9 Uhr Vormittags 30 Sec. vor.