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Sächsische Elbzeitung Tageblatt für die LuttzäU die amtlichen Bekanntmachungen füi den Stadtrat, da, Amisgertchi du» Hauvtzollamt Bad Schandau und da» Finanzamt Sebnitz. — Bankkonien Gtadtbank — Stadtgirokassc Nr. 12 — Ostsächstslbe Ecnossenschaflibank Zwcignicdci lasiung Bad Schandau — Postscheckkonto: Dresden SS 327 Heinsprechcr: Bad Schandau Nr. 22 — 'Drahtanschrift: Elbzeitung Bad Schandau Erscheint täglich nachm. K Uhr mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. — Bezugs- Breis (In NM.) halbmonatlich In» Haus gebracht NU Pfg., für Selbstabholer 80 Pfg. 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Anzeigenannahme sllr alle in- und ausländischen Zeitungen Ständige Wockenbeilagen: „Das Leben im Bild" „NUS der Welt der Zrau", Illustrierte Sonntagsbeilage Nichterscheinen einzelner Nummern infolge höherer Gcw.lt, Streik, Au»sperrung, Betri«b»störung usw. berechtigt nicht zur Kürzung des Bezugspreises oder zum Anspruch aus Lieferung der Zeitung Nr. 159 Bad Scksnüau, Montag, den 11. Mi 1927 71. ^abrgang Mher gegen ros Todesopfer der UnMOttkaiaursM Allmählich lägt sich der Umsang des namenlosen Unheils, das in der Sonnabenkmachl über einige Flugiälcr des Ostausganges des mchjischcn Erzgebirges hcrcingcbrochen ist, cinigcrmaszcn über sehe». Eine Fahrt in das Ausgangsgcbict und in die Nand- gebieic erforderte einen ganzen Tag, weil in jedem Falle 10 Kilo meter weite Umwege gemacht werden muhten, um an die zahl losen Unglücksstättcn heranzulommcn. Dicht an der sächsisch-böhm. Grenze, ganz oben im wcitablicgcndcn Oclsengrund, der nur unlcr besonders schwierigen Umständen zu erreichen war, liegen die ersten Trümmerstätlcn. Alic Mühlen, die in diesem Tale lagen, die Faust-Mühle, die Köhler-Mühle, die Clemcns-Mühle, die Meisel-Mühle, das Forsthaus Hascnscld sind wie vom Erd boden verschwunden. Wie grog die Zahl der Todesopfer hier ist, war auch jetzt noch nicht festzustcllen, da dieses Talgebict säst voll kommen verödet dalag. Bestimmt zu ermitteln mar nur, datz in der Mciscl-Mühlc die Frau und das Kind des Besitzers mit dem zusammcnbrechcnden Wohnhause in den Fluten verschwanden, während der Besitzer sich auf einen Baum retten konnte. Die Trümmer der hier oben venuchictcn zahlreichen Häuser, Scheunen und Schuppen, unter die sich zahllose entwurzelte Bäume und Un- mcngcn von Sicingeröll mischten, kamen mit der ersten riesigen Flutwelle in Gottleuba an, wo ihrer unheimlichen Wucht in kür zester Zeit eine Anzahl massiver Gebäude und Schuppen zum Opfer sielen. Hier ging auch eine ziemlich umfangreiche Brauerei, in der die zahlreich aufgcstapclten Saucrstosslaschen eine ge waltige Explosion auslösten, vollkommen in Trümmer. Alles was hier von den Fluten zusammcngeirieben wurde, ergötz sich nun mit gigantischer Wucht aus Vcrggictzhiibcl, das, wie schon in der Sonnabcndausgabe von unserem an Ort und Stelle ge wesenen Redaktionsmitgliedc aussührlich gemeldet wurde, am surchtbarsten gelitten Hal und dessen Sladlinnercs einen einzigen grauenerregenden Trümmerhaufen bildet. Die fluszabwärts ge legenen Ortschaften Zwiesel, Rottwerndorf und Ncundcrs vor Pirna wurden daun kurz daraus in der gleichen Weise heim- gcsucht, bis sich die Fluten durch Pirna hindurch in die Elbe er gossen. Das östlich vom Gonleubalol etwa parallel Verlausende Baratal haue nur die Ausläujcr des Unwetters zu ertragen, doch sind auch hier in den Orlschaslen Hcllcndors und Markersbach schwere Schäden an Gebäuden, Slrafzcn and Brücken enlstnnden. Nach Westen hin bildete das Müglitztal, das in 30 Kilometer Länge von Lauenstein über Glashütte, Schlollwitz, Weesenstein, Dohna bis zur Einmündung in die Elbe surchlbare Verwüstungen erfuhr, die Grenze. In der Mitte zwischen Gotilcubalal und Müglitztal benei sich das Scidewitztal, das wesentlich weniger gelitten Hal, weil Lie Seidcwitz elwas liefcr cnlspringl als die Gottleuba und die Müglitz, in deren Quellgebiet das Unweller nicdcrging. Das kleine Slädlen Liebstadt, das am Oberlauf der Seidcwitz licgl, Hal aber trotzdem auch schw-r gelitten. Zwei Wohnhäuser sind tctlweise weggerissen. Bei ihnen drohl Ein sturzgefahr. Menschenleben sind hier. glücklicherweise nicht zu beklagen. Im Unterlaufe der Seidcwitz sind zahlreiche Scheunen und Schuppen weggcrissen worden. Die beiden Eisenbahnlinien, die Lurch Lie Täler der Gottleuba und Müglitz sühnen und die Staatsstrnszen sind auf je 30 Kilo meter Länge derartig zerstört, das; die Slratzcn wohl erst nach vielen Momuen wieder vollständig hergcstcll: werden können. Die Bahnlinien müssen vollkommen neu angelegt werden, so Lag hier bis zur Wiederherstellung wohl Jahr und Tag vergehen wird. Die drille zerstörte Bahnlinie Pirna-Grogcotla dürfte in kürzerer Zeil wieder herzustellcn sein. Die Städte Gottleuba und Bcrggietzhübcl lmüsscn für den Wiederaufbau vollkommen neu projektiert werden, ebenso auch die ganzen Bahnanlagen aus den Linien Pirna—Lauenstein und Pirna—Gottleuba. Bis Sonntagnachmittag ' hatten sich zwar die Masscrmasscn noch nicht ganz verlausen. Trotzdem aber waren Ausräumungs- arbeiten in überraschend groszem Matze schon geleistet worden. Militär und Laudespolizei, die Feuerwehren und Sanitäto- kolonncn aus weitem Umkreis, Stahlhelm, Iungdo und Not6 Frontkämpfer in trcsucr Kameradschaft haben unter Einsatz ihres Besten von Sotzuabeuduachmittng an in heroischer Aufopferung Wunderbares geleistet. Ihre Arbeit war ebenso gefahrdrohend wie entsetzlich. Sie bargen einen verstümmelten Toten um den anderen, sie halsen den trostlosen Kalimitoscn bedenkenlos bei der Bergung der letzten Neste ihrer dürftigen Habe ans den Häuscr- rcstcu, die jeden Augenblick »achzustürzcn drohen, sie bauten Not brücken über die reihenden Fluten und Zugänge zu den abge- schnittcnen Häusern und sie schleppten die furchtbar aufgedunsenen zahllosen Tierleichcn ans Land, die schon einen entsctzglichen Ver wes» ngsgestank verbreiteten, so datz sie sofort mit Chlor über schüttet werden mutzten. In Gottleuba ist nunmehr die Zahl der Toten aus neun sestgestellt, in Berggietzhübel waren bis Sonntagnachmitlag 82 Ortscinwohner als ertrunken oder von den Trümmern erschlagen ermittelt. Drei Kurgäste werden noch vermisst, ebenso acht fremde Arbeiter, die an dem Legen des Kabels Berlin—Wien beschäftigt waren und in Berggietzhübel wohnten. Siebe» oder acht in Berg- gictzhübel ansässige Familien sind vollständig nusgerottet. Unter den hier Ertrunkenen befindet sich ein 5»jährigcr Mann, der sechs Frauen aus zusammenstiirzcnden Häusern rettete, bis er selber seinen Opfermut mit dem Tode bezahlen muhte. In Glashütte sind bis Sonnlagabcnd 18 Tote fcftgcstclll wor den, die zu der Pirnaer Zahl »och hinzngercchnci werde» müsse». Die sächsische Negierung wird am Montag zu einer Kabinctts- sitzung zusammenlrclen, um die erforderlichen Noimatznahmcn zu treffe». Voraussichtlich wird auch der Fcricnausschutz des Land tages zujammeittrcicn. Der Wchrkrciskommandeur General Wöllwarlh Hai zugcsagt, die Magdeburger Pioniere unverzüglich in das Unglücksgcbict abzukommandiercn. Die Verwüstungen im Oelsengrund. In der 7. Stunde des Freitagabend trat das erste Unwetter auf, das aber keinen »euneiiswcrteii Schaden anrichtetc. Die Kata strophe selbst wurde durch ei» neues Gewitter verursacht, das sich zwischen 10u»d1l entlud und sich im Sattclberger Gebiet fest gesetzt hatte. Zunächst wurde» der in der Tschechoslowakei liegende Ort Schönwalde und der sächsische Ort Oclsengrund vom Unwetter hcimgcsucht. Nach Mitteilungen Schönwalder Einwohner sind dort 2t> Häuser teils zerstört, teils stark beschädigt worden. Der Oelsengrund ist mit Geröll und mit starken entwurzelten Bäumen angefüllt. Das Wasser hat Sleinblöckc von 17 Zentner Schwere fortgcwälzt. Die im Februar abgebrannte und wieder aufge- baute Köhler-Mühle im Oelsengrund wurde vollkommen zer stört, wobei Mauern von 1 Meter Stärke umgelegt wurden. Selbst die schweren Eisenträger wurde» von der Flut mit fort- gerisseii. Das Wirtschaftsgebäude der Meisel-Mühle wurde eben falls mit fortgeschwemmt. Dabei kam die Ehefrau und ein Kind des Waldarbeiters Iakobasch ums Leben. Der Mann wurde auch mit sortgespült, konnte sich aber auf eine» Baum retten. Er hat bis auf die Knochen gehende Verwundungen-davongclragen. Sein zweites Kind wurde von dem Wasser im Walde an Land getrieben. Es ist-gegen Morgen zurückgetehrt, hat aber eben falls schwere Verletzungen erlitten. Ein Pferd und zwei Kühe, die das Wasser mitgcrisscn hatte, konnten sich im Oelsengrund auf eine Insel retten. Im Grunde wurden »och zwei Scheunen und ein Haus zerstört. Sieben Tote in Zwiesel. Gleich schwer wie Berggichhübel hat der kleine Ort Zwiesel gelitten. An den zerstörten Badcanlagen und dem Werke der Gutzstahlsabrik führt der Weg talwärts dorthin. Zwei Gebäude wurden vom Wasser glatt weggeschwemmt, während ein drittes derart zerstört wurde, datz cs niedergelcgt werden mutz. Auch hier sind 7 Tote, darunter zwei Sommerfrischler, zu beklagen. Die Zwiesel-Mühle ist völlig «verschlammt. Drei Feuerwehrleute ertrunken. In Bärenstein sind drei dortige Feuerwehrleute ertrunken. Wie verlautet, brach eine Bohle durch, und alle drei wurden weg- geschwemmt. Die Sturzwelle in Weesenstein. Am Freitagabend wurde im Müglitztal Hochwasser infolge eines Wolkenbruches gemeldet, der in der Gegend von Lauen stein niedergcgangen mar. Die Bewohner des Müglitztales sind an ein rasches Steigen ihres Flühchens gewöhnt und wissen, das; es in verhältnismätzig kurzer Zeit viel Wasser zur Elbe leitsu kann. Aus diesem Grunde trat leine besondere Besürchlung und Acngstlichkett ein. Wie üblich wurde der Wasscrsland am Brückenpcgel abgelesc»; gegen 141 Uhr nachts waren die Uscr- mauern noch nicht überspült. Gegen 1 Uhr nachts aber setzte ein Donnern, Toben und Krachen ein. Eine rasende Flut ergötz sich höher und höher. Von Sekunde zu Sekunde wurde die Situation ernster, aber noch nie mand ahnte, datz eine Katastrophe hcrcinbrechcn sollte, diel das, was die Talbcwohncr vor genau 30 Jahren erlebt hatten, weit in den Schatten stellte. Die telephonische Verbindung mit Dresden und Pirna waü unmöglich. Teleplsonmasten lagcn umgcstürzt da und hatten andere mitgcrissen, so datz cs unmöglich war, Hilse von auswärts zu:erbittcn. Mit rasender Geschwindigkeit stieg das Wasser. Plötzlich erlosch das elektrische Licht. Ucbcrall tiefstes Dunkel. Nur das Gurgeln der Wassermassen war zu hören. Sprunghaft erreichte die Flut eine Höhe, die man niemals für möglich gehalten hatte. Vor den Wohnhäusern stauen sich Balken, Masten, Pfosten, Bretter, Bäume. Jetzt ein furcht bares Krache». Eine eiserne Brücke ist hinwcggcspült worden. Immer höher steigen die Fluten, erreichen bereits eine Höhe von 2 Metern, brechen auch in di« höher gelegenen Häuser ei», untcrspülcn hier alles, jage» die Bewohner aus ihren Betten, die kaum das nackte Leben retten können. Ein Eisenbahnwagen, der ohne Rädergestell in dem GUterschuppcnauf dem Vahnhos Burlhardts- walde-Maxen liegt, ist von den Fluten etwa 1000 Meter weit sortgespült worden und stellt sich quer über die Stratzc, die nur noch «In nackter Schottcrhauscn ist. Grauenhaft ist die Verwüstung. Der Schlotzgartcn gleicht einem Trümmerhaufen. Kein Haus ist verschont geblieben. llcber- all ist die gesamte Habe der Bewohner der unteren Stockwerke verdorben. Alles schwimmt durcheinander in den Schlamm massen. Aus einem Hause wird ein totes Ehepaar geborgen. Aus einem anderen werden zwei Schwestern getragen, die fest umschlungen den Tod in den Fluten mit dcm geliebten «jährigen Bübchen sanden. Bis an den Leib waren die Männer im Wasser und Morast, um die verschlammten Körper zu berge». Trostlos starrten die Häuser die Borbciklctternde» an. Das Werk einer knappen halben Stunde liegt vor ihnen. Der Morgen graut. Im Buschwerk werden Vogelstimmcn wach. Im Sonnenlicht singt die Lerche ihr Morgenlicd .... Unwahre Gerüchte. Die Gerüchte über Verluste an Menschcnkcbcn durch eine» Wolkenbruch in C u » u e r s d o r s b c i K ö u i g st c i u am 0. Juli 1927 habe» sich als unzutrcsfcnd hcrausgestcllt. Nichtig daran ist nur, datz in Emmersdors bei Königstein am 9. Juli nachmittags gegen 1 Uhr ciu wolkcnbruchartigcr Ncgcn niedcrgegangcn ist, der das Flutzbctt des Dorsbachcs und die Ufcrmaucrn teilweise beschädigt hat. 100OVO Mark-Spende der Landesversichcrungsanstalt. Dresden, N. Juli. Wie das Bürgermeisteramt in Gott leuba mitteilt, hat der gesamte Vorstand der Landesversichermigs- anstalt das Unwcttergebict besucht und für sofortige Hilfe in Gottleuba 10 000 Marl überwiesen. Für die Geschädigten des gesamten Gebietes sind von der Landesversicherungsanstalt 100 000 Mark zur Verfügung gestellt worden. SIMM Md W-Mt »ls MIHM. Mit 2t0 Mann war die Ortsgruppe Dresden des Stahlhelms gestern im Hochwassergcbict eingesetzt, und zwar in Neundorf und im Müglitztal. In Neundorf löste der Stahlhelm die Reichs wehr bei den schwierigen Arbeiten an der Gottlcubabrückc ab und schasste dcm Wasser den notwendige» Abslutz. Bis a» die Hüsten standen die Helfer zum Teil in der Gottleuba. Autzcrdcm wurde die Säuberung wichtiger Gebäude durch den Stahlhelm durch geführt, dabei wurden auch zwei Leichen geborgen. Die Stnhl- hclmleutc waren aus eigene Kosten in das Unglücksgcbict ge fahren und gaben von der mitgebrachtcn Verpflegung auch an die Bevölkerung ab. Erwähnt sei, datz sic mit dcm Noten Front- lämpscrbund sich gemeinsam für die in Not besindlichcn Volks genossen cinsctztcn. Das Beileid des Neichsrntes. Dresdcn, 10. Juli. Der Rcichsrat, der am Sonnabend zum Besuche der Iahrcsschau in Dresden weilte, hat seine Anteil nahme an dem schweren Unglück durch folgendes Telegramm zum Ausdruck gebracht: Herr» Ministerpräsident Heldt, Dresden. Die heule in Dres den zum Besuch der Iahresschau Deutscher Arbeit anwesenden Mitglieder des Neichsrntcs haben mit tiefster Bewegung von dem furchtbaren Unglück Kennttiis erhalten, das über blühende Ge biete des Freistaates Sachsen so plötzlich hereingebrochen ist. Sie sprechen Leni Lande Sachsen, seiner Regierung und der vom Un glück hcimgesuchten Bevölkerung die herzlichste Teilnahme des Reichsrates aus uud hosfen, das; cs gelingen wird, Lie ent standenen Schäden, soweit es in Menschenkrasi liegt, zu heilen. Im Austrage gez. Nobis, v. Preger, Boden.