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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaudt, Roffcn, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsökatt für das Königliche Gerrchtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ^7 93. Dienstag, den 26. November 1872. Verordnung, den Ausbruch der Rinderpest in Böhmen betreffend. Da die Rinderpest in der Umgegend von Brüx und Gürkan in Böhmen an Ausdehnung gewinnt, so hat das Ministerium des Innern nach Maßgabe von § 7 der Instruction zu dem Bundesgesetze vom 7. April 1869, Maßregeln wegen der Rinderpest betreffend, be schlossen, zunächst für die Grenze von Oberwiesenthal bis Hellendorf bei Gottteube die vollständige, auch den kleinen Grenzverkehr betreffende Verkehrssperre eintreten zu lassen. Infolge dessen wird zur strengen Ueberwachung dieser Maßregel auf der bemerkten Strecke ein militärischer Cordon gezogen werden. Post- und Eisenbahnverkehr bleiben bis auf Weiteres unbehindert, jedoch bewendet es bei dem in der Verordnung vom 14. dieses Monats, den Ausbruch der Rinderpest in Böhmen betreffend, ausgesprochenen Verbote der Einfuhr der in dieser Verordnung bezeichneten Gegenstände. Wird die angeordnete Sperre durchbrochen, so treten die Vorschriften des § 8 der angezogenen Instruction ein. Dergleichen sind sonstige Zuwiderhandlungen nach Z 328 des Reichsstrafgesetzbuches zu bestrafen. Dresden, den 19. November 1872. Ministerium des Innern. Für den Minister: —— Körner. Jochim. Die Vorladung des Armenhausbewohner August Friedrich Leberecht Ulbricht aus St. Michaelis hat sich durch dessen Aufgreifung erledigt. Wilsdruff, am 21. November 1872. Königs. Gerichtsamt daselbst. Leonhardi. Tagesgeschichte. Se. Maj. der König hat aus Anlaß seines goldenen Vermählungs jubiläums der Gesammtanstalt der obererzgebirgischen und voigt- ländischen Fraucnvereine ein außerordentliches Gnadengeschenk von 1000 Thlr gewährt. Nossen, 20. November. Heut« früh V»7 Uhr ist in der Papier fabrik der Herren Günther und Huntemüller auf eine bisher noch unermittelte Weise im Papiermaschinensaal Feuer ausgebrochen. Obwohl sofort die energischsten Maßregeln ergriffen wurden, um das selbe im Keim zu ersticken, so scheiterten doch alle Bemühungen an dem Umstande, baß durch den die Dämpfe aus dem Maschinenlocal entführenden Schlot das Feuer dem in der ersten Etage liegenden Papiersortirsaal und den unter dem Dache aufgespeicherten Papier stücken mitgetheilt wurde. So stand im Nu das ganze Fabrikgebäude in Flammen und es mußten alle Anstrengungen darauf gerichtet werden, den durch eine Brandmauer geschützten Hollündersaal und die in unmittelbarer Nähe stehenden übrigen Fabrikgebäude zu er halten. Dank der sofort von allen Seiten eingetroffenen Hilfe und der soliden Bauart der Fabrik gelang es, das Feuer auf den Ma schinen- und Papiersaal zu beschränken uud so den übrigen Theil des erst kürzlich in Vortheilhaftester Weise umgebauten und vergrö ßerten Etablissements zu retten. Am Dienstag Abend verunglückte der Knecht eines Fuhrwerks besitzers nahe bei Meißen auf der Straße, indem er sich, mit jeden falls etwas schwerem Kopfe, hinter den Pferden auf die Deichsel ge fetzt hatte und herunter zwischen die Räder gefallen war. Der schwer beladene Steinwagen ging über ihn weg und beschädigte ihn derma ßen, daß das linke OHr ziemlich abgerissen, der Hinterkopf stark ge schunden, die rechte Hand gequetscht und der rechte Oberschenkel zer malmt wurde. In einer zu Frankenberg abgehaltenen Diöcesanversammlung sprach Superintendent vr. Körner über das Thema: „Die Kirchen vorstände vor der Arbeiterfrage". Redner betonte, daß im großen Ganzen zwar dem Einzelnen kein Mittel zu Gebote stehe, den socialen Misverhältnissen mit Erfolg entgegenzutreten, daß aber den Kirchen vorständen, weltlichen wie geistlichen, es wohl zustche, sich bei Lösung der Frage zu bethciligen, und zwar, indem sie sich bestreben: 1) den Arbeitgebern fühlbar zu machen, daß sie die große Pflicht haben, die Last der Arbeiter zu erleichtern; 2) die Arbeitnehmer zu überzeugen, daß das das Glück derselben nicht anhcbt mit Aenderungen im Wahl rechte und in der Staatsreform, sondern nur allein mit der Zuwen dung zum sittlichen Leben; ihnen mahnend zur Seite zu stehen bei Gründung und Führung eines Hausstandes; ihnen das Recht der Sonntagsfeier wahren zu helfen; 3) dem ganzen Arbeiterstande selbst voranzuleuchten durch das Beispiel eines christlichen Lebens. Den Schluß der Sitzung bildete die Berathung über die Frage: „Was können die Kirchenvorstände thun, um dem Trinken und Sitzen in den öffentlichen Localen über die Polizeistunde hinaus, eventuell auch dem Hazardspiele und allen den Uebelständen, die aus dem Ueber- handnehmen der Schankstütten und Winkelschenken und der allzu häu» sigen Tanzmusik auch auf dem Lande erwachsen, ihrerseits entgegen zutreten?" Herr Pastor Mahn leitete die Besprechung durch Schil derung der bestehenden Misverhältnisse ein und die Versammlung erkannte allseitig an, daß die Beseitigung derartiger mislicher Um stände im Interesse der Gemeinden und Kirchenvorstände sei. Der deutsche Gesandte Graf Arnim sehnt sich von Paris fort, der Aufenthalt ist ihm gänzlich verleidet. Man soll ihm den Minister Graf Eulenburg zum Nachfolger geben; den bringt nichts aus seiner Ruhe und Fassung. Berlin. Wie die „D. R.-C." hört, hat der Kaiser Befehl ge geben, ihm über den Umfang der durch die Sturmflnth der letzten Tage an der Ostseeküste verursachten Zerstörungen und Unglücksfälle genauen und ausführlichen Bericht zu erstatten und es wird sich des halb der Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten am Sonnabend nach den von dem Unglück so hart betroffenen Provinzen Pommern und Schleswig-Holstein begeben. Man spricht sogar da von, daß es nicht unwahrscheinlich sein dürste, daß der Kaiser sich demnächst selbst nach den bedrängten Provinzen begeben wird. Herr v. Selchow hat übrigens sofort von dem ihm unterstellten Behörden Bericht erfordert und zum Theil auch schon erhalten, um, wo es nothwendig, schleunigst die erforderliche Hülfe angedeihen zu lassen. Aus diesen Meldungen geht hervor, daß namentlich die Fischer in Schleswig-Holstein, besonders den von Kiel, Eckernförde rc. durch die Sturmfluth einen unermeßlichen Verlust erlitten haben und die Fischerei dort auf lange Jahre ruinirt ist, wenn nicht schnelle und kräftige Hülfe wird. Es sind diesen Unglücklichen sämmtliche Netze und eben so die Boote zertrümmert oder weggeführt -worden, so daß sie jetzt fast ohne jedes Mittel sind, ihre Gewerbe weiter betreiben zu können. Dies ist für diese Leute ein um sö größerer Verlust, als gerade ge- gegenwärtig der Sprottenfang stattfindet, einer der lohnendsten Zweige der holsteinischen Fischerei. Der Minister für die Landwirthschaft hat deshalb, wie der „D. R.-C." mitgetheilt wird, eine namhafte Summe dem Professor Or. Meyer in Kiel, dem bekannten Dirigenten der wissenschaftlichen Commission zur Untersuchung der deutschen Meers überwiesen, um dieselbe zur augenblicklichen Unterstützung dieser heim-