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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «nd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. ^L158. Dienstag, den 11. Juli 1882. Bekanntmachung. Auf dem den Vorschußverein zu Waldenburg, eingetragene Genossenschaft, betreffenden Folium 40 des Handelsregisters für den Bezirk des unterzeichneten Amtsgerichts ist am heutigen Tage verlautbart worden, daß der Buchbindermei ster Herr Friedrich Wilhelm Naumann in Waldenburg als drittes Vorstandsmitglied aus dem Vorstande ausgeschieden und der Rathsrendant Herr Carl Friedrich Eduard Richter daselbst als drittes ständiges stellver tretendes Vorstandsmitglied in den Vorstand des Vereins eingetreten ist. Waldenburg, am 7. Juli 1882. Königliches Amtsgericht. Baumbach. Unger. "Waldenburg, 10. Juli 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm wird zum 18. d. in Gastein erwartet. Es hat in unseren Marinekreisen sehr ange nehm überrascht, daß die in Bremen erbauten Torpe doboote eine ganz außerordentliche Fahrgeschwindigkeit bei den Probefahrten gezeigt haben; das Boot „Schaaf" soll 19 Knoten in der gemessenen Meile durchlaufen haben. Wenn das wirklich richtig ist, so wäre dies Fahrzeug jetzt das schnellste Kriegsschiff der Welt. Seit zwei Jahren galt als solches das englische Depeschenschiff „Iris", welches sich jetzt bei der Flotte vor Alexandrien befindet. Es hat einmal I8'/L Knoten gemacht, hat später aber nicht mehr als 18 Knoten erreicht. Es wird eine vollständige neue Stastitik über die Bewegung des Grundeigenthums in Preußen in Folge der Dismew^^wnen und Consolidationen herzustellen geplant. " Oesterreich. Die von den verschiedenen Comilös für jüdische Emigranten aus Rußland erlassenen Warnungen haben, wie man aus Lemberg meldet, den gewünsch ten Erfolg erreicht. Seit einiger Zeit ist eine be deutende und stetige Abnahme der Immigration nach Galizien zu verzeichnen, während zugleich die Re- patriirung der Flüchtlinge viel leichter vor sich geht. So sind erst in den letzten Tagen ca. 600 Indivi duen repatriirt worden. Die gegenwärtig functioni- rende Grenzbewachung, bestehend aus Gendarmerie posten, die durch 66 Mann Jäger verstärkt sind, erweist sich als vollkommen ausreichend. — Die mit hebräischen Lettern gedruckte Jüdische Zeitung in Lemberg veröffentlicht einen im jüdischen Jargon abgefahren, von einem russisch-jüdischen Emigranten in New-Jork an einen Freund in Lemberg gelangten Brief. Der Schreiber, ein gewisser Moses Löwenthal, erzählt, daß man den Auswanderern auf dem Schiffe „kein Essen" gegeben habe, nur Kartoffeln, und schildert die Situation der Ausgewanderten in Ame rika als eine schreckliche. Man gebe den Leuten kein Feld, selbst für Bezahlung nicht, und verdinge sie bis „weit hinten bei den Wilden" zu landwirth- schaftlichen Arbeiten, wo sie für 12 Dollars monatlich Kühe melken und Schweine hüten sollen. Der Briefschreiber ist ganz verzweifelt darüber, daß er sich habe verlocken lassen, nach Amerika auszuwan dern. Er räth den noch in Galizien weilenden Glaubensgenossen aus Rußland, ja nicht seinem Beispiele zu folgen, sondern lieber nach Rußland zurückzukehren, wo sie es viel besser haben würden, als in der Neuen Welt. Er selbst werde Geld aufzutreiben suchen, um die Heimfahrt antreten zu können. (Er mag nur drüben bleiben.) Ungarn. Die Aufregung über den Mord des Christen- Mädchens Solymossy ist im Steigen. Die Empö rung über die widerliche Komödie eines Leichenrau bes und der Anputzung dieser Leiche mit den Klei dern der ermordeten Christin ist allgemein. Endlich hat sich denn auch der Justizminister zu einer Er klärung bequemen müssen, die es nicht zu leugnen vermag daß die Juden ein nichtswürdiges Buben stück mit einer gestohlenen Leiche begangen haben. Dort, wo die Leiche gefunden, wurden Versuche an gestellt, um zu erfahren, ob die Theiß-Strömung die Leiche dahin hätte bringen können. Durch zahl reiche Versuche wurde festgestelll, daß die starke Strömung an jener Stelle jeden Gegenstand fort reiße, woraus geschloffen werden muß, daß die Leiche dort, wo die Flößer sie gefunden haben wol len, nicht durch das Wasser ans Ufer gespült wor den sein konnte, sondern daß die Flößer selbst die Leiche dahin gebracht haben. Infolge dieser empö renden Affaire ist in Popa das Verhältniß zwischen Juden und Christen sehr gespannt. In Gast häusern und Privatkreisen hat es schon viele Conflicte gegeben. . . . Die Christen machen bei Juden keine Einkäufe und die jüdischen Fabrikanten entlassen ihre christlichen Arbeiter. Die Spannung hat namentlich in den unteren Bevölkerungsschichten den Charakter der Erbitterung angenommen, und seit 4 Tagen finden allnächtlich zwischen Christen und Juden ernste Zusammenstöße statt. In einer der letzten Nächte wurden über 100 Fenster an Häusern der Juden eingeschlagen. Polizei und Honvedschaft reicht zur Ordnung nicht mehr aus. Frankreich. Das französische Ministerium hat bei der Kam mer eine Kreditforderung von 7,800,000 Francs für die von dem Marineministerium aus Vorsicht getroffenen militärischen Vorbereitungen eingebracht. Rutzland. Eine Verordnung des russischen Unterrichts- Ministers, mit der die Zahl der Schüler des Gym nasiums in Warschau beschränkt wird, indem von nun an in jede Klasse nicht wie bisher, 60, sondern nur 40 Schüler ausgenommen werden dürfen, hat große Verstimmung hervorgerufen. Dem Ersuchen um Eröffnung von Parallel-Klassen wurde mit Be rufung auf „Mangel an Fonds" keine Folge gegeben und so 300 jungen Leuten jede Möglichkeit zu einer weiteren Ausbildung mit einem Male abgeschnitten. Ebenso hat eine vor mehreren Tagen stattgefundene, mie man allgemein behauptet, unverdiente Relegirung zweier Studenten unter der studirenden Jugend große Beunruhigung und Mißstimmung hervorge rufen; es haben sogar vor dem Universitäts-Gebäude Zusammenrottungen der Studirenden stattgefunden. General Skobelews Petersburger Arzt Doctor Tscherbak theilt in der „Nowoje Wremja" mit: Der General habe bei seiner Abreise von Petersburg nach Minsk bald nach überstandener Lungenentzün dung ihm zum Abschied nachdenklich gesagt: „Es scheint mir, ich werde nur noch kurze Zeit leben und noch im Laufe dieses Jahres sterben." Laut Mos kauer Depeschen hat sich Skobelew am letzten Tag, bis auf einige Athembeschwerden ganz wohl gefühlt und viel von den bevorstehenden ManöverN gespro chen. Die Obduction wurde vorgenommen von Professor Reling und ergab Herzschlag und rechter Lungenschlag. General Skobelew, der Sieger von Geok-Tcpe, war 1841 als Sohn eines russischen Generals ge boren, er ist also nur 41 Jahre alt geworden. Früh in die Armee eingetreten, zeichnete er sich zuerst 1871 und 1872 als Stabsrittmeister durch Recognoscirungen in Turan aus, welche bezweckten, den Feldzug gegen Chiwa vorzubereiten, welchen er dann als Major im Generalstabe mitmachte; er war beim Sturm auf Chiwa der erste in der Stadt. Beim Ausbruch des letzten Orient-Krieges war er Divisions-Comman- deur und zeichnete sich wiederholt durch eine alle Hindernisse verachtende Bravour bei den Kämpfen um Plewna aus; nachdem er im September auf dem linken Flügel, auf welchem er commandirte, mehrere Schanzen gewonnen und wieder verloren hatte, eroberte er am 10. December Plewna nach einem verunglückten Ausfall Osman Pascha's. Er war durch diese Kämpfe in Rußland zu einem Nationalhelden geworden, wozu sehr viel die ver trauliche Art seines Verkehrs mit den Soldaten beitrug. Als der Kampf gegen die Teke-Turkmenen begann, erhielt Skobelew daher den Oberbefehl; es gelang ihm auch, am 12. Januar 1881 die Haupt stadt derselben, Geok-Tepe, zu erobern, wodurch der Feldzug beendet war. Ende 1881 kehrte er nach Rußland zurück, um bald darauf durch seine deutsch feindlichen Reden, deren erste in Petersburg, die zweite in Paris beim Empfang einer serbischen De putation gehalten wurde, allgemeines Aufsehen in Europa zu erregen; bekanntlich nahm man an, daß er nach Paris gegangen war, um dort im Interesse eines französisch-panslavistischen Bündnisses gegen Deutschland, im geheimen Einverständniß mit Gambetta den französischen Chauvinismus zu er regen; seine Reden erweckten aber kein Echo in der zeitweilig sehr ernüchterten öffentlichen Meinung Frankreichs, und er wurde von dem Czaren nach Rußland zurückberufen, wo er nun, unerwartet in jungen Jahren, in einer immerhin, trotz dec der Sympathien der Panslavisten, compromittirten Position gestorben ist. Er hat sich als ein zu er bitterter Feind Deutschlands erwiesen, als daß man an seinem Grabe einer Sympathie Ausdruck geben sollte, die unmöglich existiren kann. In militärischen, auch nichtrussischen Kreisen, galt er als ein tüchtiger Soldat; diese günstige Meinung auch im Kampfe wider andere Gegner, als Türken und Turkmenen zu bewähren, hat das Schicksal ihm versagt. Mög licherweise ist sein unerwarteter Tod eine Erleichterung der Position des Czarenhauses: der Glaube, daß Skobelew eventuell der „General der russischen Revolution" hätte werden können, war weit verbreitet. Im russischen Marineministerium wurden eine Geheimdruckerei und tausende von Exemplaren einer aufrührerischen Proclamation entdeckt. Der Director im Ministerium, Tischatchew, hat sich in seinem Bureau entleibt. Türkei. Den „Times" wird aus Paris gemeldet, die Con- ferenz werde Montag die Pforte zur Intervention in Egypten formell einladen und deren Antwort für Mittwoch erbitten. Wenn die Antwort der Pforte bejahens ausfallen sollte, würde sich die Con- ferenz ohne Termin für ihren Wiederzusammentritt vertagen, verneinenden Falls aber die alsdann zu ergreifenden Maßregeln beschließen, wonach die Jn- terventionsmächte ein Armee-Corps von 25,000 Mann und 15,000 Mann Reserve in Egypten concentriren. Die Truppen sollen in Abukir landen und in zwei Richtungen gegen Alexandrien operiren. Egypten. Dec Leiter der Geschäfte des französischen Generalconsulates, de Borges, hat am 7. d. dem