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US. Jahrgang Nr. SV1 Dreitag, den IS Juni ISIS Amtsblatt des Rates und des poUzetamtes der Stadt Leipzig » um,,», »i« «>ni,«u. ». BahSkdaa t» «Mtl. r«n di« D««Ui«Il« 70 VI. ». au,w. 7r vt.^ dleln« N»1«I-«» di« V»ittj«Il« rs Vf« VelchLfiianjtig«» ml« PI«tz»,rIchrIIi«n im Prell« «rhödt. V«Ua>«»: V«fa»tai>flag, M. 7.— da« Taal«nd aatichl. poftged-dr. gia>«l»,»««r iS Psg. — Sona, and kseflla«« ld pl» D.rnloreib Änlchlub Nr. KKS?. und >«8V< Morgen-Ausgabe L«Ip,I, and Vorort« zweimal «Egli» Ha., ,«drach, «oaalll» M. 1S0. »lerl«llührlich M. LLÜ, silr Adh»l«r monaMch M. US; dorch »nler« «u«wLrtlgen Filialen la« Han« gebracht «onatllch M. U7Ii »i«rt«i. Ithrlich M. S<-r durch dl« poft tnnerhald Denilchland« mono«. Uch M. I.7S, »I«rt«lILdrllch M. S» <ao1fchll«ftllch poftdiftellgeldX Schrtlklellong und velchLftlftell«: Zohaanllgaft« Rr.S « Der österr..ung ar. Tagesbericht Wien, 15. Juni. Amtlich wird verlautbart: Russischer Kriegsschauplatz Südlich von Bojan und nördlich von Czernowitz schlugen unsere Truppen russische Angriffe ab. Oberhalb von Czernowitz vereitelte unser Geschützfeuer einen Uebergangsver- such des Gegners über den P r u th. Zwischen Dnjestr und Pruth keine Ereignisse von Be lang. Der Feind hat die Linie Horodenka —Snyatln westwärts nur wenig überschritten. Bei Wisniowczyk wurde äußerst erbittert gekämpft; hier sowie nordwestlich vonRvdom und nordwestlich von Kre me n i e z wurden alle russischen Angriffe abgewlesen. 3m Gebiet füdlich und westlich von L uz k ist die Lage unser- ändert. Bei Lokaczy trat auf beiden Selten abgefefsene Rei terei in den Kampf. Zwischen der Bahn Rowno-Kowel und Kolki bemühte sich -er Feind an zahlreichen Stellen unter Einsatz neuer Divisionen, den Aebergang über den Stochod- S1 y r - Abschnitt zu erzwingen. Er wurde überall zurückge schlagen und erlitt schwere Verluste. Italienischer Kriegsschauplatz Gestern abend begannen die Italiener ein heftiges Artillerie- und Minenwerferfeuer gegen die Hochfläche von Doberdo und den Görzer Brückenkopf. Nachts folgten gegen den Südtell der Hochfläche feindliche Infanterieangriffe, die bereits größtenteils abgewiefen find. An einzelnen Punkten ist der Kampf noch nicht abgeschlossen. AnderTiroler Front setzte der Feind seine vergeblichen Anstrengungen gegen unsere Dolomiten-Stellungen im Raume Peutelstein — Schluderbach fort. Unsere Flieger belegten die Bahnhöfe von Berona und Padua mit Bomben. Südöstlicher Kriegsschauplatz An derDososa fiörle unser Feuer italienische Befestigungs arbeiten. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes. T. B.) v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. Russischer Geueralstabsbericht vtb Petersburg, 15. Juni. (Drahtberichk.) Amtlicher Bericht von, 1s. Juni: Westfront: Auf der ganzen Front von der Gegend südlich desPotjehje bis zur rumänischen Grenze drängen unsere Truppen den Feind weiter zurück. Im Laufe des gestrigen Tages machten wir 20 Offiziere und 6000 Mann zu Gefangenen und erbeuteten sechs Geschütze, zehn Maschinengewehre sowie viele Munitionswagen, so daß die Gesamtsumme seit Anfang der Operationen an Gefangene» und Beule 1720 Offiziere und ungefähr 120 000 Soldaten sowie 136 Geschütze und 260 Maschinengewehre beträgt. Mehrere feind liche Truppeneinheilen sind seit den Kämpfen vom 6. bis 11. Juni voll kommen in Auflösung begriffen, was durch die Tatsache bestätigt wird, daß die Truppen des Generals Tscherbatschowin seinem verhältnis mäßig unbedeutenden Abschnitt 414 Offiziere und 17 606 Mann fingen und ferner 29 Geschütze, 34 Maschinengewehre, 56 Munitionswagen und anderes Kriegsmaterial erbeuteten. Die eingegangenen Berichte melden, daß der Feiick stellenweise derartige Mengen Material zurücklieb, daß in der kurzen Zelt eine Zählang unmöglich war. An einer Stelle fiel uns Material für 30 Werst Feldbahn in die Hände. Auf der Straße nach Wladimir —Wolynsk leistete der Feind heftigen Widerstand. Kämpfe entwickelten sich westlich von dem Dorfe Saturce (25 Kilometer westlich Luzk) an der Straße zwischen Luzk und Wladimir — WolynsK. In der Gegend vonSalurce ritten unsere Kosaken eine glänzende Attacke und machten eine feindliche Schwadron nieder. Westlich von Dubno warfen unsere Truppen den Feind und gingen über das Dorf Demidowka hinaus. Südwestlich Dubno nahmen sie das Dorf Kozin (25 Kilometer südwestlich Dubn o). Nördlich Buczacz, in der Gegend am rechten Slrypa - ufer, machte der Feind heftige Gegenangriffe. In dem gestrigen Gefecht gelang cs «ns auch, den Feind zurückzuwerfen und die Höhen aus dem westlichen Strypa ufer in der Gegend von Hajworonka und Bobulince (26 Kilometer nördlich von Buczacz) zu besehen. Süd- lich des Dnjeftr besetzten wir Snialyn. Der Kamps um den Brücken kopf bei Czernowitz dauert an. Nordwestfront: An der Düna wurde der Brückenkopf bei U « xküll von de« Deutschen heftig beschossen. Südlich von Smorgon «lesen wir de« Feind, der sich unseren Gräben zu nähern suchte, zurück. I« der Gegend von Baranowltschi und weiter füdlich bis in die Gegend des Polj« tzje fanden gestern mehrer« Zusammenstöße mit be- trächttichen feindlichen Kräften statt. Kaukasus: Wir wiesen einen ans Richtung Bagdad mit starken Kräften angesetztcn feindlichen Angriff ab. Wie Rußland die Offensive vorbereitete (,) Wien, 15. Juni. (Etg. Drahtber.) lieber Kopenhagen erfährt die „Rundschau" manches über die mit besonderer Sorgfalt durchge- führten Maßnahmen der russischen Offensive. Die Armee ist durch neue Einberufungen und Heranziehung bisher Dienstun tauglicher und Reklamierter erheblich vermehrt und gleichzeitig neu organi- siert worden. Die neuen Vertrauensmänner des Zaren, Kriegsminister Schuwajew und General Frolow übernahmen persönlich die Lei tung aller Reformen. Militärische Stellen ersehen die industriellen Instanzen. Großfürst Sergius Mtchailowitsch übernahm die Feldartillerie. Die Versorgung der Armee sei das Hauptziel, dem sich alles unterordken müsse. Wichtig sei auch das Eintreffen japa nischer Offiziere in Moskau, über deren Verwendung Still- schweigen bewvhrt wirb. Ebensoviel Wert wird auf die vom Minister Thomas mitgebrachte französische Militärdelegation gelegt, die mit einer Anzahl französischer Spezialingenieure dem General Wankow zugetellt wurde, um die chemische Industrie Rußlands den Kriegsbedürfnissen anzupassen. Die Derlustziffern vom Skagerrak ntb. Berlin, l5. Juni. (Amtliche Meldung.) Der Führer der englischen Flotte in der Seeschlacht vor dem Skagerrak, Admiral Iellicoe, hat in einem Befehl an die englische Flotte v. a. zum Ausdruck gebracht, er zweifle nicht daran, zu erfahren, daß die deutschen Verluste nicht geringer seien als die englischen. Demgegenüber wird auf die bereits in der amtlichen Veröffent lichung vom 7. Juni erfolgte Gegenüberstellung der beiderseitigen Schiffsverluste hingewiesen. Hiernach steht einem Gesamtverlust von 60720 deutschen Kricgsschifstonnen ein solcher von 117150 englischen Tonnen gegenüber, wobei nur die jenigen englischen Schiffe und Zerstörer in Ansatz gebracht sind, deren Verlust bisher von amtlicher englischer Seite zugegeben worden ist. Rach Aussagen englischer Gefangener sind noch weitere Schiffe untergegangen, darunter das Großkampfschiff „Warspite". An deutschen Schiffsverlusten sind andere als die bekanntgegebenen nicht eingetreten. Diese sind: S. M. SS. „Lützow". „Pommern", „Wies baden", „Frauenlob", „Elbing", „Rostock" und fünf Torpedoboote. Dementsprechend sind auch die Menschenverluste der Eng länder in der Seeschlacht vor dem Skagerrak erheblich größer als die deutschen. Während auf englischer Seite bisher die Ossi- ziersverluste auf 342 Tote und Vermißte und 51 Verwundete angegeben sind, betragen die Verluste bei unS an Seeoffizieren, Ingenieuren, Sani tätsoffizieren, Zahlmeistern, Fähnrichen und Dcckosfizieren 172 Tote und Vermißte und 4l Verwundete. Der Gesamtoerlust an Mannschaften beträgt auf feiten der Engländer, soweit bisher durch die Admira lität veröffentlicht, 6104 Tote und Vermißte und 513 Ver wandele, auf deutscher Seite 24 l4 Tote und Vermißte und 449 Bee- wundete. Don unseren Schissen sind während und nach der Seeschlacht 177 englische Gefangene gemacht, während, soweit bisher be kannt, sich in englischen Händen keine deutschen Gefangenen aus dieser Seeschlacht befinden. Die Namen der englischen Gefangenen werden auf dem üblichen Wege der englischen Regierung mttgeleilt werden. Der Chef des Admiralstabcs der Marine. Asquith über Kitcheuer, Skagerrak und Irland ntb. London, 15. Juni. (Drahtbericht.) Premierminister Asquith hielt gestern in seinem Wahlbezirk Ladybank (Schott land) eine Rede, in der er zuerst des Todes Kitcheners gedachte. Er sagte, niemand werde im nationalen Leben den leergewordenen Platz völlig ersehen können. Daß das gesamte militärische und maritime Aufgebot fünf Millionen Mann überschritten habe, fei zum größten Teil dem Einfluß Kitcheners zu verdanken. ASquith verteidigte dann die Einführung der Wehrpflicht, welche zwar den britischen Ueber- lieferungen fremd, aber einzig praktisch und wirksam gewesen sei, und der das ganze Land in Anbetracht der erwiesenen Notwendigkeit zu gestimmt habe. Der Ministerpräsident sprach von dem russischen Vordringen, dem italienischen Widerstand, der franzö sischen Tapferkeit und den französischen Hilfsmitteln vor Verdun. Er sagte: britische Hilfe ist Iosfre angeboten worden. Die Schritte, die man unternehme, würden durch eine gesunde Strategie diktiert. Asquith suhr fort: Die Aufgabe unserer Flotte war, unsere Küste vor einer Invasion zu schützen und die Trans porte zu bewachen. Aber mindestens ebenso wichtig war die Aufgabe, für die Freiheit des Ozeans für die Handelsmarinen der Alliierten zu sorgen und die Blockade fortzusetzen. Der Vorstoß der Flotte am 31. Mai sei würdig gewesen der am meisten ge schätzten Traditionen der englischen Flotte. Der Feind sei in seine Häfen zurnckgetrieben, ohne auch nur einen Versuch zu einem Zu sammenstoß mit der Hauptmacht unserer großen Flotte zu machen. Und jetzt hatte er noch anfänglich die Dreistigkeit, zu verkünden, daß das ein Sieg wäre, was in Wahrheit eine Niederlage sei. Noch mehr solcher Siege, und es würde von der deutschen Flotte nichts übrigbleibea, das wert wäre, daß man davon spreche. Die Wahrheit setze sich lang sam durch, aber ihre volle Ausdehnung sei noch nicht ans Licht getreten oder gewürdigt worden. Indem Asquith auf die Lage in Irland zu sprechen kam, führte er aus, die jüngsten Ereignisse in Irland hätten ihn dorthin gerufen, um eine Ordnung der Angelegenheit zu versuchen. Er habe den größten Teil der Woche dazu verwendet, um dort mit allen Schichten der Bevölkerung von den Richtern und Bischöfen bis zu den Sinnfeinern zu sprechen. Ucberall habe er die gleiche Gemüts verfassung gesunden. Asquith zollte den hervorragenden Verdiensten der irischen Regimenter Anerkennung und führte dann aus: Ich habe keinen seiner Verantwortung bewußten Iren getroffen, der nicht die Torheit dieser fruchtlosen Erhebung fühlte. Alle Parteien find einig in dem Wunsche nach einem Erfolg der jetzt im Zuge befindlichen Verhandlungen. Unsere vergangenen Beziehungen zu Irland erschöpften sich in einer tragischen Reihenfolge unter lassener oder schlechtbenutzter Gelegenheiten. Ich laste dieser Zahl von Fehlern keinen weiteren hinzufügen. Was fetzt gewünscht wird, ist eine vorläufige Ordnung. Wenn der Krieg zu Ende ist, werden wir die Aufgabe lösen. Niemals hat es in unserer Geschichte ein herzbewegenderes Schauspiel als den Eifer, die Loyalität und selbstlose Hingebung gegeben, womit die Dominions ihre Kräfte einsetzten, uns zu helfen. Asquith schloß mit der Anerkennung der Dienste der Dominions und der Kolonien auf den verschiedenen Kriegs schauplätzen. Englands Komödienspiel auf der Wirtschaftskonserenz (?.) H a a q, 15. Juni. (Eig. Drnktberichl.) Der „Nicuwe Courant" meldet aus London, daß eine große Anzahl Vertreter von Londoner Handels- und Finanzfirmen nach Paris gereist sind, um ständige Fühlung mit den zur W i r t s ch a f t s k o n f e r e n z entsandten Ab geordneten der britischen Regierung zu behalten. Diese erklärten, daß England in der Fraqe der Zolliarifveränderung sehr vorsichtig sein werde und sich vorläufig all« Handlungsfreiheit bewahre« wolle. „Echt russische" Friedensfreunde Aus Petersburg wird uns von unterrichteter Seite — auf Umwegen — geschrieben: Immer wieder tauchen in Deutschland Gerüchte von angeb lichen Friedensbe streb ungen in Rußland auf, und als Träger dieser Bestrebungen werden immer die gleichen Personen aus höheren Adels- und Hofkreisen und den konservativen Par teien genannt. Es sind dieselben Leute, die sich seinerzeit so gegen die Entente mit England sträubten, weil sie fürchteten, das Bünd nis mit der „Heimat des Parlamentarismus" könnte von schäd licher Wirkung auf die inneren Verhältnisse Rußlands sein. Da schien es ihnen doch ratsam, mit Deutschland, dem .letzten Boll werk der Monarchie", zusammenzugchen. Und nun, da die Kriegs lage sich von Monat zu Monat ungünstiger für Rußland gestattet, da die Unruhe im Lande immer größer wird, sind sie cs wieder, die von der Möglichkeit eines Bruches mit England und einem Separatfrieden mit Deutschland reden. Und es hat den Anschein, als ob sich auch in Deutschland, besonders in konservativen Kreisen, Idealisten finden wollten, die an die Ehrlichkeit dieser Friedenswünsche glauben möchten und nicht abgeneigt sind, die ihnen entgegengestreckte Hand zu ergreifen. Bor einem solchen Idealismus kann gar nicht ein dringlich genug gewarnt werden. Er beruht auf einer völligen Unkenntnis der russischen Verhältnisse und hat uns auch in früheren Jahren viel geschadet. Gerade die immer wieder betonte Hinneigung der „echt russischen Leute" zu Deutschland hat in weit größerem Maße, als man gewöhnlich annimmt, zur Ent stehung und Verbreitung der Fabel vom „absoluttstisch-reäk- tlonären" Deutschland beigetragen, deren Wirkung sich, besonders in den ersten Kriegsmonaten, bei den Neutralen so sehr bemerk bar machte. Was hat aber in Wahrheit deutsche monarchische Gesinnung mit dem russischen „Konservativismus" zu tun, der Balten und Finnländer knechtet, Judenpogrome inszeniert und in der Nagaika des Kosaken ein durchaus zulässiges „Mittel der Rechtspflege" fleht? Die russischen Reaktionäre streben vielleicht keine so vollständige Zertrümmerung Deutschlands an, wie sie gewissen eng lischen und französischen Politikern vorschwebt, und sie sind keine Freunde Englands. Letzteres aber neuerdings nicht mehr wegen des früher gefürchteten „Demokratismus" — hat doch England nichts gegen die Vergewaltigung der russischen Fremdoölker in den Kriegssahren zu sagen gehabt, ja den Irländern gegenüber hat es sogar gezeigt, daß cs durchaus nicht abgeneigt ist, auch seinerseits „russische" Methoden anzuwenden —, als vielmehr wegen der völlig unzureichenden militärischen und finanziellen Hilfe, die es seinen Bundesgenossen gewährt. Aber ebenso wenig wollen die Herren ein starkes und selbständiges Deutschland haben. Was sie wünschen, ist eine Lage der Dinge, wie sie in den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts bestand, als ohne die Genehmigung Nikolaus' l. in Preußen nicht allzuviel geschehen durfte. Ein Deutschland, das gerade noch stark genug ist, um als Bundesgenosse — richtiger: Vasall Ruß lands diesem bei der kommenden unvermeidlichen Auseinander setzung mit England die Kastanien aus dem Feuer zu holen, — das wollen einzelne hochgestellte Beamte und die Purischkewitsch, Markow und Genossen. Und weiter: eine Verständigung mit diesem Rußland wäre Deutschland nur unter einer Bedingung möglich: wenn es sich nämlich von seinem jetzigen Bundesgenossen, Oesterreich, lossagte und es Rußland überließe, nach Gutdünken über die Donau monarchie zu verfügen. Man vergißt in Deutschland zu leicht, daß dieselben Leute, die jetzt einen Separatfrieden mit Deutschland be fürworten, von Oesterreich nie anders als mit Spott und Ver achtung geredet haben und heute noch reden, daß die Aufteilung Oesterreichs den Hauptpunkt ihres politischen Programms bildet. Wer jahraus, jahrein die russische konservative Presse verfolgt hak, wer die Reden der in den letzten Jahren immer häufigeren Slawenkongrcsse in Petersburg und Moskau mit angekört hak, wer Kenntnis darüber besitzt, in welcher Weise seit Jahrzehnten in Galizien und der Bukowina „gearbeitet" worden ist — der kann nicht anders, als die Friedensangebote der „echt russischen Leute" als Danaergeschenke zurückweisen. Die russischen Reaktionäre sind einem baldigen Friedensschluß, auch unter wenig günstigen Bedingungen, nicht abgeneigt, weil sic das Anwachsen der revolutionären Bewegung im Lande fürchten. Noch glauben sic, die Regierung in der Hand zu haben und der Armee Halbwegs sicher zu sein, um die Revolution unterdrücken zu können. Haben sie das aber erreicht, so wird zu einem neuen Kriege gerüstet werden, durch den alles das erreicht werden soll, was in diesem Kriege zu erreichen nicht gelang. Davon wird schon heute in Rußland — nicht nur in liberalen, sondern ganz genau ebenso auch in konservativen Kreisen — ganz offen geredet. Man glaubt, Rußland mit seinem ungeheuren Bevölkerungszuwachs und seinen Mengen noch on- ausgenutzten Rohmaterials werde sich auch nach einem unglück lichen Kriege schneller erholen, als die weit mehr geschwächten Sieger, daher werde es nach 20 bis 25 Jahren den Woffengang unter günstigeren Bedingungen noch einmal wagen können. So denken gerade diejenigen, die jetzt am eifrigsten für einen baldigen Friedensschluß eintreten. Deshalb kann von einem wirk lichen Frieden mit Rußland erst die Rede sein, wenn allen russi schen Gelüsten nach einer Expansion in we st kicher Rich tung ein unzerbrechlicher Riegel vorgeschoben ist und wenn die Slawen Oesterreich-Ungarns und der Balkan-Halbinsel endgültig zur Erkenntnis gelangt sind, daß ihr Heil einzig im Anschluß an die westeuropäische Kultur liegt, was natürlich kein Aufgeben der nationalen Eigenart bedeutet. Im Gegenteil, diese dürfte sich