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Schönburger Tageblatt Nr. 118 Freitag, den 25. Mai 1S23 45. Jahrgang. Zugleich weit verbreitet in den Ortschaften der Standesamtsbezirke Altstadt Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenleuba- Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Langenchursdorf, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Reichenbach, Remse, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Das Gelsenkirchener Polizeipräsidium in Flammen Neuester Dollarkurs (vorbörslich) 54 500. Erscheint jeden Werktag Nachmittags. Bezugs preis monatlich 3500 Mk., ausschl. Trägerlohn. Einzelne Nrn. 150 Mk. Sonntags 200 Mk. An- zeiaeiwreis die 6gesp. Grundzeile od. deren Raum 150 Mk., v. außerhalb des Bezirkes 200 Mk., die 3gesp. Zeile im amtlichen Teile 300 Mk., im Reklame teile 450 Mk. Linweise auf Anzeigen und Ein gesandte (Petit) 50 Mark. Nachwcisegebtthr 100 Mark. Schwieriger Satz (Tabellen) mit Aufschlag. Gegründet 1878. Fernsprecher Nr. S. 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Für Richtigkeit der durch Fern sprecher auigegebenen Anzeigen übernehmen wir keine Gewähr. UN- Waldenburger Anzeiger Dieses Blatt enthält^die amtlichen Bekanntmachungen des Amtsgerichts und des Stadtrats zu Waldenburg. Ferner veröffentlichen zahlreiche andere staatliche, städtische u. Gemeinde-Behörde« ihre Bekanntmachungen im Schönburger Tageblatt. Verantwortlich für Redaktton, Druck und Verlag E. Kästner in Waldenburg Sachsen. Mitglied des Sächsischen und des Deutschen Zeitungsverleger-Bereins (L. D.) -- Berlagsort Waldenburg Sachsen, Lie deutsch-eugUscheu Borbesprechunge« Sder die neue deutsche Rote sind abgeschlossen. Zur Stütznng -er Mark sollen Maßnahme« ergriffe« werde«. Lie vrwerbSlosenunlerstlltzung wird erhöht. Lie -awburger eozialistentagnug beschloß die Grün- düng einer sozialistische» Arbeiter Internationale. Lie Sommuuisten i» Ruhrgebiet drohe« mit de» Se- «eralstreik. I« Gelsenkirchen kam eS zu Ausschreitungen der Kom munisten gegen Sebensmittelgrschdst«. Lie Besetzung der v-pauer «erke wird von de« Krau- zosru vorbereitet. An Thüringen ist «iue Regierungskrise anSgebroche«. Lie Tschechen sind vom Kamburger «ongretz ansge. schlossen. In der französischen Kammer kam eS zu stürmische« Auftritte«. Llohd George «ah« in einer Rede am Dienstag Stel lung gegen Baldwin. Der SnrS in England bleibt der alte. In Paris und Washiugton wird die vernfnng Bald wins günstig anfgauommen. Die russische Regierung verweigert de« deutsche« ar beitslose« Kommunisten dir Einreise-Erlaubnis. Rußland fügt sich de« britischen Nlti«a1n«. "Waldenburg, den 23. Mai 1923. durch den plötzlichen Rücktritt Bonar Lc-ws geschaffene englische Kabinettskrise ist äußerst schnell überwunden worden. Bon den beiden einzigen Kan didaten Curzon und Baldwin hat der letztere den Sieg davongctragcn.. Ta er vom Ministerrat einstimmig zum Ministerpräsidenten vorgeschlagen wurde, hat ihm der König die Kabinettsbildung übertragen, und Bald win hat den Auftrag auch angenommen. Tie Umbil dung des Kabinetts dürfte sich ebenso schnell vollziehen, wie die Berufung des Ministerpräsidenten. Sie dürfte sich darauf beschränken, daß Sir Robert Horne den durch Baldwins Berufung frei gewordenen Posten des Schatzkanzlers, den er unter Lloyd George bereits inne hatte, wieder übernimmt. Lord Curzon wird jeden falls weiter das Auswärtige Amt leiten. Ta cs sich bei dem Rücktritt Bonar Laws nicht um eines: Shstemwcchsel, sondern nur um einen Perso nenwechsel handelte, so konnten wir der Entwicklung der Dinge in London mit größtem Gleichmut cntgegcn- schauen. Dies umso mehr, als wir von dm beiden Männern, die als Ministerpräsident in Frage kamen, nichts zu erwarten haben. Wenn auch Baldwins Be rufung als ein Sieg des äußersten rechten Flügels und zugleich der City giltMso ist doch Lord Curzon nicht weniger Franzosenfrcund als Baldwin. Sein doppelzüngiges Verhalten in der Frage des deutschen Angebots hat nns am besten gezeigt, wie wenig Bei stand wir auch von ihm zu erwarten haben. Wenn er in seinem Amt bleibt, so würde dies überdies bedeu ten, daß der Kurs derselbe bleibt, wie er unter Bonar Law war und wie er auch geblieben wäre, wenn Lord Curzon selbst an die Spitze der Negierung getreten wäre. Englands Außenpolitik hängt zurzeit überhaupt nicht von irgend einer Person ab, sic ist durch die po litische Gesamtlage fcstgelegt. Durch den gemeinsam durchgeführten Weltkrieg sind England nnd Frank reich aneinander geschmiedet wie zwei Kettengesangene: sie können nicht von einander los, mögen sie wollen oder nicht. Sie wollen vorläufig abe» auch noch gar nicht, weder Frankreich noch England.' Mag den Eng ländern auch manchmal der französische Vundcsgcnosse auf die Nerven fallen, so muß sich doch jeder englische Staatsmann fragen, welche Vorteile ihm die Preisgabe der französischen Freundschaft bringen könnte. Nnd da kann die Antwort nur lauten: Gar keine! Deutsch land ist heute kein Faktor, mit dem irgend ein Staats mann ernstlich rechnen kann. Das muß immer wieder betont werden, damit wir uns keinen Illusionen hin- aeben. Vielleicht gibt es heute schon manchen Engländer, der es bedauert, daß England heute nicht mehr sein altes Spiel mit dem „europäischen Gleichgewicht" spie len kann, denn England hat sich dabei sehr gut gestan den. Nachdem England aber selbst dieses Gleichgewicht zerstört Hatz -muß es gute Miene zum bösen Spiele machen und 'die Tinge nehmen, wie sie sind. Wenn Teutschland als Gegengewicht gegen Frankreich für die Engländer nicht mehr zu brauchen isst,so läßt es sich doch immer noch als Kompensationsochekt verwenden. England wird daher jederzeit bereit sein, deutsche In teressen Frankreich preiFzugebe«, wenn es damit Vor teile für England auf anderen Gebieten eintauschen kann. Hier gibt es für die Engländer nur eine Grenze: Wenn deutsche Interessen zugleich englische Lebensinteressen berühren, dann wird selbst der fran- zosenfreundlichste englische Staatsmann auch den Fran zosen zurusen: Hände wog! Politische Rundschau. Deutsches Reich. i ° Deutsch on-Mche VLrbssprechuugcn über dl« neue deutsche Note wurden nach einer Meldung der Pall Mall Gazette einerseits zwischen dem deutschen Botschafterin London, Dr. Sthamer, und dem eng lischen Auswärtigen Amt und andererseits zwischen vem englischen Botschafter in Berlin, Lord d'Aber- aon, und der Reichsregierung abgeschlossen^ Die Ver handlungen bezogen sich auf das neue deutsche Repara tionsangebot. Ihr Ergebnis besteht darin, daß die neue deutsche Rote, die für Ende dieser Woche erwartet vird, wie Dr. Sthamer Lord Curzon versichern konnte, in den bisher als unzureichend bezeichneten Punkten viel genauer sein wird als die erste. ; > l ' ° Tie Hambur^r Sozialistentagurg beschloß die Gründung«der „Sozialistischen Arbeitcr-Jnternatio- aale", die an die Stelle der aufgelösten 2. und 2Vr. tznternationlae tritft Die letztere hat sich allerdings nicht völlig aufgelöst, da Ledebour und einige russi sche Sowjetrevolutionüre nicht mitmachten. Die neue Internationale führt überhaupt keine Nummer mehr. SS war dies ein Zugeständnis an dw Wiener, die die -luflösung der 2'/?. Internationales davon abhängig nachten, daß auch die 2. Internationale aufgelöst wurde. Ta bekanntlich die Bolschewisten bereits die -ritte Internationale vertreten, so wäre für die Neu- zründung erst die Nummer 4 in Frage gekommen. Man serzichtete deshalb ganz auf die Numerierung. ° T.e -er Bcamtengchältcr. Die von einem Teil der Gewerkschaften geäußerten Wünsche, nach dem Scheitern der Besprechungen in der letzten Woche neue^Verhandlungen mit dem Reichsfinanzmini sterium anzüknüpfen, um auf dem Wege der direkte« Vereinbarung ein Abkommen zu treffen, haben sich nicht erfüllt. Tie Regierung wird jetzt einen Gesetzentwurf dem Reichstag übersenden, und zwar in abgeänderter Form, da der inzwischen fortgeschrittenen Teuerung, besonders dem neuen Brotpreis, irHhesonderer Weis« Rechnung getragen werden soll. Mm hofft, daß noch in der erkteu Hälfte des kommenden Monats die Be ratungen im Parlament abgeschlossen werden, so daß im Juni bereits ok neuen Gehälter definitiv zur Anrech nung komme«. Die interalliierte Rheinlandkommission hat^seit^dem 18. Januar insgesamt 8222 Personen aus dem" be setzten Gebiet aus gewiesen. Die Kommission er klärt, daß auf Grund ihrer Verordnung Nr. 144 die ausgewiesenen Beamten gleichzeitig als ihres Amtes enthoben gelten.« UR*' Die Kommunisten und Syndikalisten im Ruhrgebiet drohen mit dem Generalstreik. In ihrem Aufrufe wird die Hetze mit der Geldentwertung und Teuerung begründet. Die Rädelsführer drohen damit, daß die Streikbewegung sich über den ganzen rheinisch-west fälischen Jndustriebezirk ausdehnen wird. Der Parlamentarische Ausschuß zur Prüfung der Maßnahmen zur Stützung der Mark wird demnächst zusammentreten, um Maßnahmen zu treffen, die wei teres Unheil auf dem Geldmärkte verhindern sollen. In Gelsenkirchen kam es zu kommunistischen Aus schreitungen gegen die Fettwaren- und Fleifchgeschäfte. Die Preise mußten um die Hälfte herabgesetzt werden. Frankreich. In der Pariser Kammer kam es am Dienstag in der Ruhrdebatte zu stürmischen Auftritten. Der frühere Vorsitzende der ReparationZkommission, Dubois, gab Erklärungen über die Ergebnisse der Reparations konferenzen. Frankreich habe genügende Beweise seiner Geduld gegeben. Es sei vollkommen in seinem Recht gewesen, als es sich zu „Sanktionen" entschlossen habe, zu denen die „verbrecherische und wortbrüchige Haltung Deutschlands" Veranlassung gegeben habe. Abg. Mar- gaine schätzt das Höchstmaß der Kohle, die die Okkupa- tionsbehörde aus dem Ruhrgebiet abfahren könne, auf 20,000 Tonnen täglich. Er hofft, daß die Regierung die Kammer über die wahren Absichten unterrichten werde. PoincarL unterbrach den Redner: „Sie werden von mir hoffentlich nicht erwarten, daß ich diese Ab sichten auf diesem Wege zur Kenntnis Deutschlands bringe?" Margaine fortfahrend: „Das Land will dem Krieg endlich ein Ende gemacht sehen, damit Frank reich sich wieder der friedlichen Arbeit widmen könne." Die Fortsetzung der Debatte wurde dann auf Donners- tag vertagt. «Ugland. AIS tnnerpolitisches Programm Baldivins wird die Vereinigung aller Konservativen angegeben. Ins besondere liegt dem neuen Ministerpräsidenten daran, auch die;» früheren konservativen Mitarbeiter Lloyd Georges für i>'ich zu gewinnen, wie schon die Berufung Sir Robert Hornes zeigt. Die Folge einer Konzentra tion der Konservativen dürfte ein engerer Zusammen schluß der beiden liberalen Richtungen sei«. Lloyd George hat bereits in diesem Sinne.seinen Ruf er tönen lassen. In Wales hat er om Dienstag abentz eine große Rede gehalten, in der e»M unumwunden gegen die Regierung Stanley Baldwin Stellung nahm und einen Aufruf zur Vereinigung der beiden Flügel der liberalen Partei erließ. Im besonderen entwarf Llohd George ein Bild von der Situation in Europa: Tas wunde und triumphierende Frankreich — so er klärte er — ist mächtiger denn je auf dem europä ischen Kontinent infolge der Niederlage seiner Feinde. Deutschland ist durch den Sturz, den es von einer so tzvohen Höhe getan hat, betäubt und aus der Fas sung gebracht. Dieses Land, das sich kraft- und ziel los bewegt, weiß nicht, was es anfangen soll. Aber unser größtes Unglück ist, daß es seit Bismarck keine großen Staatsmänner hatte. Für ein Land, das sich in Not besindei>>ist das geradezu eine Katastrophe. Als Deutschland durch Napoleon l. erniedrigt wurde, hatte es das Glück, Staatsmänner erster Ordnung zu be sitzen, die an seinem Wiederaufbau arbeiteten, i 7 j rL Glücklicherweise, so fährt Llohd George fort, b^ währt England seine Ruhe, und cs wird durch Fe stigkeit und Klugheit die Welt retten.' Nachdem Llohd George die auswärtige Politik von Bonar Law kri tisiert hatte, gab er die Erklärung ab, daß er sich jetzt der neuen Regierung gegenüber der Verpflich tungen enthoben sehe, die er und die Mitglieder seiner Partei gegenüber der Negierung von Bonar Law ein- zegangen waren. 7 > . RUtzla«». ! Arbeitslose deutsche Kommunisten hatten bei »er russischen Regierung um Erlaubnis zur Einreise nach gesucht. Ihnen wurde geantwortet, daß es in Sowjet- rußlanö gegenwärtig Arbeitslose genug gäbe, so oa^