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Wochenblatt für WilsdrvU LlMrmM, Rosse», Siebcnlchn und dic Umgegenden. Amtsökett für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Freitag den 10. November 1871. Bekanntmachung, die Einreichung der Stammrollen betreffend. Die mit Führung der Stammrollen beauftragten Behörden des Bezirks der unterzeichneten Königlichen Amtshaupt mannschaft werden hierdurch veranlaßt, dieselben baldigst anher einzureichen. Dresden, den 4. November 1871. Königliche Amtshauptmannschast. v«>tt Ludwig. Tagesgeschichte. Am 1. November wurde der einzige noch auf der Festung Kö nigstein im Hospital befindliche französische Soldat zur Erde bestattet. Es war dies derselbe, welcher einen Fluchtversuch machte, indem er sich mittels eines Hakens und daran befestigter Leinen herabzulassen gedachte, der Haken jedoch abrutschte nnd der Flüchtling aus bedeu tender Höhe herabstürzte nnd sich bedeutende innere Verletzung zuzog, so das; er nicht transportabel war. Obschon man bereits seit Wochen seiner Auflösung cntgcgensah, so trug er sich doch noch immer mit der Hoffnung, daß er sein Vaterland wieder sehen würde. Sein Paradebett hatte man überaus reich mit Blumen geschmückt, wie auch beim Begräbuiß sich zahlreiche Theilnahme zeigte. Auch das Offizicr- corps war vertreten. Auch seinen Hügel wird ein hölzernes Kreuz mit Namensiuschrift schmücken. Das k. s. Kriegsmiuisterium macht Folgendes bekannt: Von der königlichen Generaldirection der sächs. Staatseisenbahnen wird eine größere Anzahl von Weichenwärter- beziehendlich Kofferträger- und Ausläderstellen, sowie von Bahn-, Schlag- uud Beiwärtcr-Posten noch im Laufe vicses Monats besetzt werden. Auf derartige Anstellung reflcctirende Militair-Anwärter haben sich bis spätestens 15. Nov. d. I. unter Vorzeigung ihrer Civilversorgungs- resp. Anstellungsscheine und ihrer Führungsatteste bei der genannten Generaldirection anzu melden. Aus Chemnitz, 5. November, schreibt man, daß die bis jetzt noch recht sehr spärlich einlanfenden Unterstützuugsgeldcr — gegen 400 Thlr. bei 6500 Sinkenden — die Familienväter bereits stutzig machen. Dazu kommt, daß die Maschiucufabrikauten auf das Be stimmteste erklärt haben, von. ihren Bedingungen nicht abweichcn zu wollen und die große sächsische Maschinenfabrik alle Arbeiter als entlassen betrachtet, die zu diesen Bedingungen die Arbeit nicht wieder aufnehmen. Chemnitz, den 8. November. Gestern und heute haben ca. 1500 Mann die Arbeit in den sinkenden Fabriken wieder ausge nommen. Es mögen dies vornehmlich verheiralhete Männer, denen die Pflichten für ihre Familien am Herzen liegen und denen sonach die Versprechungen, die ihnen von gewissen Agitatoren in Aussicht gestellt wurden, als sehr unsicher erscheinen. Am 6. d. M. Nachmittags gegen 3 Uhr entstand im Dorfe Grünhainichen plötzlich ein Schadenfeuer, welches dem Vernehmen nach 4 Gehöfte in Asche legte. Hierdurch sind mehrere Familien im Anzuge des Winters obdachlos geworden. Leider hat ein öjähriges Kind seinen Tod in den Flammen gefunden. Olbernhau, 4. November. Der „F. A." berichtet: Bei dem in unserm Orte stattfindenden Brücken- und Straßenbau sind heute leider Menschenleben ein Opfer geworden. Von den Arbeitern, welche an einem Berge mit Abgraben von Schutt zur Auffüllung des Stra ßendammes beschäftigt waren, wurden von einer überhäugeuden Erd wand 5 Arbeiter verschüttet. Zwei davon zog man schrecklich ver stümmelt, mit zerschmetterten Beinen, Armen und Kopf, als Leichen hervor, während die andern drei lebend, aber auch mehr oder weniger beschädigt davon gekommen sind. Die beiden Verunglückten sind die Handarbeiter Klemm aus Kleiuueuschönberg, 21 Jahr alt, uud Ar- nvlo aus Forchheim, eiu Vierziger. Am 3. November Abends in der achten Stunde verunglückte die Frau des Rentiers Daniel Rudolph iu Meeraue, indem dieselbe in einen, auf der Zimmerstraße befindlichen, neu zu grabenden Brunnen stürzte. Derselbe war nicht verdeckt und auch mit keiner Laterne ver sehen. Die Unglückliche, welche längere Zeit, ehe ihr Wimmern ge hört worden wär, in dem über 20 Ellen tiefen Brunnen gelegen und beim Hiuabstürzen mehrere Rippen gebrochen hatte, gab kurze Zeit darauf, nachdem sie von einigen Männern mittelst eines hiuabgelas- scneu Korbes herausgcbracht worden war, ihren Geist auf. Dresden, 8. November, Vormittags. Soeben fand unter Vor sitz der Firma M. Schie Nachfolger hier die Coustituirung der Acticngcsellschaft der Chemnitzer Werkzeugmaschinenfabrik statt, ent standen au-Z der weltbekannten Werkzeugmaschinenfabrik des Herrn Joh. Zimmermann. Das Capital beträgt zwei Millionen Thaler, welches bereits fest übernommen ist. - Berlin, 6. November. Eine gestern stattgefnudcne socialdemo- s kratische Volksversammlung, welche von mehreren Tausend Per- , sonen besucht war, hat bezüglich dec Dotation der Generale und be züglich der Unterstützung der Landwehrlente folgende Resolution an- genommen: „Die Versammlung erklärt im Hinblick auf die großen Gehälter der höheren Militairs und Beamten die Geld-Dotation von 4 Millionen an ca. 20 Generale und Staatsmänner mindestens für überflüssig, um keiueu härteren Ausdruck zu gebrauchen; sie erklärt ferner, daß die gleich hohe UnterstützungSfumme an die Masse der Landwehrleute und der Reservisten eine viel zu geringe ist und spricht deshalb der Reichsregierung und dem Reichstage ihre entschiedene Mißbilligung aus." Weiterhin nahm die Versammlung die nachsteh ende Resolution an: „Die Versammlung erklärt, daß die Vereinig ung der Arbeiter Berlins zur Erringung höherer Löhne und kürzerer Arbeitszeit durchaus noibwendig ist, daß dagegen die Gegner dersel ben, wie Herr Max Hirsch und Consorten, im Interesse des großen Capitals dic Arbeiter gegen einander zu Hetzen suchen. Sie fordert deshalb alle Arbeiter Berlins auf, sich nicht betrügen zu lassen, son dern gründlich zu prüfen und den am 19. uud 20. November d. I. im Locale des Berliner Handwerkervereins, Sophieustraße 15, statt- findeuden Kongreß durch Delegirte zu beschicken, damit dort auf echt demokratischem Wege durch freie geordnete Verhandlungen beschlossen werden kann, wie am besten die Vereinigung der Arbeiter herzu- stellen ist." Der neueste Zeitungsheld ist der Strafaustalts-Dircctor von Held in Spandau. Derselbe macht bekannt, er lege seinen Posten nieder, weil seine vorgesetzte Behörde ihm Zumuthungen mache, die seinen Ehrenanschauungen zuwider seien. Die Sache verhält sich so: Ein Zuchthäusler bat die Beamten der Strafanstalt denuncirt wegen mangelhafter Verwaltung. Der Rendant wurde daraufhin flüchtig, der Director aber verweigert jede Auskunft, weil er es unter feiner Würde halte, auf die Denunciation eines Sträflings hin sich zu ver antworten. Darauf ist die Einleitung einer Discipliuaruntersuchung ungeordnet und der Director einstweilen vom Amt suspeudirt worden. In Berlin sind sehr viele fa lsehe Dahrlehnsscheine zu 25 Thaler im Umlauf. Auch der Preuß. Bank kamen an einem Tage für 4000 Thaler au. Sie waren aus Paris eingegangen. Diese ge fälschten Scheine sind leicht erkennbar au dem dickeren Druck und der intensiveren und mehr glänzenderen Farbe. Aus München vom 5. November berichtet die „A. A. Ztg.": Heute Vormittags fand im „Elysium" eine von den Sozialdemokra ten einberufene Voiksversammlung statt. Dieselbe war zahlreich be sucht nnd faßte den Beschluß, die in Chemnitz zur Erreichung des