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vonnerfttag, i». Sunl isro »«.Sahrvany. Ne. 28» »raftiaoichrifi^ Nachrichi«» »resde« gien>>p,echer-Samm«lnu«mer: »L»i» Nur iftr Rachtgelprftch«! Nr. 10011 «chrUNeUung u. pauptgeichiilisfteNe: »leiden-«. 1, Marlenstiabe »8/1» ««»iialgebOdr «o« I«. «1 «. Juni 1»»0 dei «ftgtich ,weim^i,e, Auftrllim, frei H«M 1.7V «8. »oft»e»u,«prrt» für Monat Sun« ».1» Mt. einichl. »8 »lg. »oftgebühr «ohne »oft,ustellun«»gebühr). «n,elnuinmer io »fg., mtfterholb »reiben« I» »lg. «nieigenpretle: »te «n«eigen »erden »ich »vldmirt berechnete die etnlvaliig« »0 mm breiie Zeile »» »fg., für «uimäeti io »f^ Kamtiten- anieigen und SieNengefuche ohne «-bat« 1» »fg., »uherhalb »L »fg., di« »o «m »reit« «e«Iame,eile »00 »fg., auberhold »ÜO »fg. Lfleriengebühr »o Pf», «uiwürtige «uftrüge gegen v»rau«br»ahlung »ruck«ering: kiepich ck Reick,««»», »leiden. »ofifcheck-Kio. 108« Dreide» Nachdruck nur mtl deuN-QueNenongab« (»reidn. Rachr.>,uILsfig. Unverlangt« Lchrififtücke »erden nicht aufbcwahrt Der Kanzler führt zu Klndenbura Ar M»I»enl»aM-Me in »er Slbimte vratrtmolSnng va»»r« SorUnvr Sekrlttlvttnug Berlin, 18. Juni. Der als sicher erwartete Rücktritt des Rcichsfinanzintiiistexs Dr. Moldcnhauer ist am Mitt wochabend noch nicht erfolgt. Das Retchokabtnett, das um 8 Uhr zu einer Sitzung zusammentrat, befaßte sich mit dem angebvtene» Niicktritt und bat Mvldenhauer einmütig, von ihm Abstand zu nehmen. Dr. Moldenhauer beharrte jedoch darauf, seinen Rück tritt nehmen zu wollen, und der Reichskanzler wird aus Grnnd dieser Sachlage dem Reichspräsidenten von Hindenburg Vortrag halten. Da der Reichspräsident sich zur Zeit auf seinem Gute Neudcck in Ostpreußen aushält, nimmt man an, das, sich der Reichskanzler alsbald dahin begeben wird. Gemäß der Reichsverfassung ernennt und entläsit der Reichspräsident aus Vorschlag des Reichskanzlers die RcichSmtnlster. Es wird nun darauf ailkommcit, welche Vorschläge Dr. Brüning Hindenburg unterbreitet. An politischen Kreisen geht der Eindruck dahin, daß Dr. Brüning und das Kabinett nichts unterlassen werden, um Dr. Moldenhaner von dem erbetenen Rücktritt znrtickzn- halten. Das Kabinett hat sich bekanntlich hinter die Molden- haqerschcn Deckungsvorlagen gestellt, und es fällt ihm naturgemäß außerordentlich schwer, einen Weg zn finden, der es ihm gestattet, sich ohne Aufgabe der grundsätzlichen Haltung in der DeckungSsrage von Dr. Moldenhaner z« trennen. Erneut wnrbe heute abend in der Wilhelmftraße betont» daß das ReichSkabiuett keine andere Möglich keit zur Deckung des Etatsdefizits sehe, als jene Vor lage. die als Rvtopfergesetz bekannt geworden ist. Auch sei, so erklärt man, noch von keiner Seite ein Vorschlag gemacht worden, der besser geeignet wäre, die Lücken im Haushalt auSzuflillen. Alle diese etwas krampkhasten Ver suche des Reichskanzlers, Dr. Moldenhaner zn halten, wer den jedoch voraussichtlich keinen Erfolg haben können. DaS schriftliche RiicktrittSgesnch des Neichssinanzministers, das sich in den Händen des Reichskanzlers befindet, läßt dentlich erkennen, daß Dr Moldenhaner persönlich keine Möglichkeit steht, weiter im Kabinett zu bleiben. Er begründet sein Riick- trittSaesnch mit dem Hinweis, er habe das Vertrancn seiner politischen Freunde verloren, und sein Programm sei zu sammengebrochen. Der aktuelle Anlas, für die schnelle Entwicklung der Rcichssinanzministerkrise war die Haltung, die die Vertreter des Neichsratcs im Reichsratsauaschuß zur Notopscr- vorlagc eingenommen hatten. Roch zu Beginn der Ausschuß- Verhandlungen hatte Dr. Moldenhaner, offenbar in Unkennt nis, wie groß der Kreis derjenige» ist, die bas Notvpser kategorisch ablchncn, eine Rede gehalten, die, entgegen den Gepflogenheiten der Vertraulichkeit der ReichsratsauSschüsie, besonders der Presse übermittelt wurde, und in der er sich noch mals auf den Boden seiner Vorlagcstellte. Als die Au?schus,Ver treter des NeichSrates ihm einer nach dem andern erklärten, daß die Notopservorlage für sie »»diskutabel sei. und das, mit Sicherheit auf eine Ablehnung zu rechnen wäre, beschloß der Rcichssinanzmintster, daraus seine Konsequenzen zu ziehen, und begab sich zum Reichskanzler, nm ihm sein Niick- trittsgesuch zn überreichen. Er fühlte sich begreiflicherweise nicht mehr in der Lage, sein Amt in einem Augenblick weiter zuführen, wo er nicht nur seine politischen Freundie sich ab- wcndcn sah, sondern vor einem der sachvcrständiglten Gre mien des Reiches ans eine geschlossene Ablehnungs front stieß. Durch die Mittwochabend-Entscheidung beü RcichS- kabinetts ist jetzt ein Schwebezustand cingehreten, der unbedingt in Kürze behoben sein muß. Es geht nicht an. eine so wichtige Frage wie die Besetzung des Nekchsfinanz- mintsteriumS in solchen Kriscnzciten auch nur Hänger als 2k Stunden ungelöst zu lasten. Es scheint auch, baß man in der Wilhelmstraße entschlossen ist, die Lage sobald als mög- lich zu klären. Aber auch dieser Schwebezustand rollt eine ganze Reihe von politischen und taktischen Fragen auf, die nicht nncrörtert bleibe» können. Die Lage ist hoch einfach so: Stegerwald gibt Anregungen für die Ftnanz- resorm, Dr. Moldcnhauer gießt diese Anregungen in eine Gesctzesvorlage, die vom ReichSkabiuett ge billigt wird. Dr, Moldenhaner verliert hierauf das Vertrauen seiner Parteifreunde. Wie soll eS beispielsweise nun der Reichsanßemninister Dr. E« rtins halten, der doch als Negjcrnngsmit- glied Mitverantwortung für die Notopservorlage trägt? Wie soll cs überhaupt daS ganze Kabinett Prttning halten, daS Kabinett, daS als eine Negierung der starken Männer ins Leben trat?! Wirb die Regierung, wie man aus dem EngebniS deS heutigen Kabinettsrats vielleicht entnehmen d«rs, sich zu jener Linie der Partciverachtnng znrvicksinden. in deren Zeichen sie gebildet wurde? Erinnert man sich wieder daran, wie damals Dr. Brüning alle Vollmachten in der Hand hatte, um dem Reichstag, wenn er nicht wollte wie er> kurzerhand nach Hanse zu schicken? An politischen Kreisen hörte man heute Stimmen, daß die deutsche Annenpolttik in diesem Falle wieder einmal »eine Politik der verpaßten Gelegenheiten" sei. Man j hat sich mit drei bis vier Stimmen die Mehrheit zu den einzelnen Ge» setzeSvorlagen zusammengekratzt, Man hat die Parteien, die man anfangs bedrohte und denen man die RetchSt-gSauslösung mit Hindenburg» Schatten im Rücken unter di» Nase hielt, immer wieder herangczogen, hat ihnen gut zugeredet, hat durch alle möglichen taktischen Kniffe und mit allen modernen Verkehrsmitteln seine Mehrheit bis aus Atollen zusammen geholt, hat also bei allen diesen Gelegenheiten ungeachtet der starken Position, in der man sich zweifellos fühlen durste, die Parteien und ihre Angehörigen umschmeichelt und ihnen gut zngercdet. Braucht sich da das Neichskabinett zn wun dern, daß das Sclbstbewnßtsein in den politischen Parteien znrückgekehrt ist. daß sie sich mehr und mehr als die Herren fühlen, daß sie zur Deckungsvorlage des Neichssinanzministers von rechts bis links nein sagen nnd daß sie aus diesem Ge fühle neu erwachten Scibstbewußtseins heraus sogar daran gehen, den Bestand der NeichSregierung selbst anzutasten? Das Bild hat sich also verkehrt. Am Anfang des Kabinetts Brüning zitterten die Parteien unter der Fuchtel der Reichs tagsauflösung,' heute, so hat es den Anschein, muß die Regie rung vor der Macht der Parteien zittern. Das gilt als Snmptom festgcstellt zu werden, ganz außerhalb des gegenwärtigen besonderen Anlasses. So steht über diesem Schwebezustand die Frage: WaS tut Brüning? Knüpft er wieder dort an, von wo er seinen Ausgang nahm, kehrt er wieder zurück zn einer diktatorischen Haltung gegen über den Parteien? Merkwürdig, daß gerade hier die Frage besonoers mttspielt, wie die sächsisch« Wahl am Souutag auS» fällt. Fällt sie so anS, wie man eS in ReichSregiernngSkreisen zum Teil befürchtet, nämlich daß t« Sachsen eine ähn lich« Basis der NeqierungSb ldunq »numaänglich wird. wie in Thüringen, dann wird der Reichskanzler bestimmt alles vermeiden, was zu Neuwahlen führen könnte. Tritt dies aber nicht ein, dann wird er zweifellos nichts unterlassen, um die Parteien wieder a»f die Knie zn zwingen, vorausgesetzt, daß er noch die Kraft dazu hat. Aber Dr. Brüning weift gleichzeitig, baß die Entscheidung dieser Frage kür ihn eine Entscheidung über seine politische Existenz ist. Nichts ist für einen Politiker schlimmer, als wenn er alß starker Mann in die politische Arena tritt nnd nach einigen Monaten zugcben muß, daß er den Aufgaben nicht ge wachsen war. Diese Darlegungen sind notwendig, «m von vornherein allen Vcrsnchen. die Allcinverantwortung nnd die AN-inschnld Dr. Moldenhaner ausznbürden, entgegcuzntreten. Hier hastet nicht der eine, der heute erkennt, daß die Finanz- sanierung über keine Kraft geht, hier haftet das ganze Konsortium, und keiner wird sich dieser Verantwortung entziehen diirsen. Ainanzminister - Kan-i-aten vraktmolckuug anoorvr Svrllnor Sebrlltloltuntz Berlin, 18. Juni. Sobald ein Ministerposten fretzuwerden im Begriffe ist, pflegen sich die Kombinationen über die Nach- folgeschast zu Hause». Es mag unfruchtbar sein, in dieser Stunde, wo alles noch in der Schwebe ist, bereits Namen zu neunen. Indessen ist es naturgemäß von Interesse, zu er» ghren, wer für den verantwortungsvollen Posten des Reichs- inanzministcrs in Frage kommen könnte. An der Spitze steht der Reichskanzler Dr. Brüning selbst. Dann spricht man von dem Volköparteilcr Dr. Crem er, den Vizekanzler und ReichswirtschaftSmintster Dietrich-Baden, dessen Partei allerdings wenig Neigung hat, ihn derartig exponiert zn sehen, und, wenn auch sicherlich voreilig und ohne erste Hintergründe, vom ReichSbankpräsidcnt Dr. Luther, der, wenn überhaupt, so doch wohl nur als Kanzler tu Frage käme, sowie vom früheren Ncichsstnanzmtntster v. Sch lie ben. Von Zentrumskreisen wird außerdem der frühere Nctchsfinanzmlntstcr Dr. Köhler präsentiert. Die Auflösung -eS Ministeriums für -te besetzten Gebiete Berlin, 18. Juni. Im Reichstage fand am Mtttwochnach- mtttag eine Besprechung des ReichskabincttS mit den Frak tionsführern der Regierungsparteien statt, in welcher man sich über den Zeitpunkt für bte Auflösung des Ministeriums für die besetzten Gebiete grundsätzlich einig wurde. Das Ministerium selbst soll mit dem 1. Oktober ds. As. aufhören, als solches zu bestehen. Die Restvcrwaltung soll dann am 1. April des nächsten Jahres aufgelöst werden. Diese Rege lung soll tu der Form eines Jnitiativgesetzes der Regie rungsparteien erfolgen, das nunmehr vorbereitet und beiz Fraktionen am Freitag z«r Unterschrift vorgelegt werden wirb. SvztaldkmokniMe WriMMertlstnmeii Berlin. 18. Juni. Die sozialdemokratische Reichstags- fraktion hat sich in mehreren Sitzungen mit der Wirtschasts- und Finanzlage und mit den Deckungsvorschlägcn der Reichs- regterung beschäftigt. Nach einer parteiamtlichen AuSlassunq wurde dein Versuch, die jetzige Wirtschaftskrise zu e'nem all gemeinen Abbau der Löhne und Gehälter, sowie der Sozial- Politik zu benutzen, entschiedenster Widerstand angckündigt. Volle Ucbereinstimmung bestand darüber, daß das wich tig st-Erfordern isdte Arbeitsbeschaffung sei. Wetter wurde aus die Notwendigkeit erheblicher Ein sparungen namentlich bet den militärischen Ausgaben, aber auch im Auswärtigen, bei den hohen Pensionen wsw., hin. gewiesen. Arbeitsöienstjahr statt Arbeitslosenwiccwaer Gibt es einen Ausweg aus dem verzehrenden Stru del des Arbeitslosenwtrrwarrs? Zweifellos viele. Di« Frage ist nur, ob sie zum Ziele führen. Der einfachste wäre, daß der Staat aus dem Wege großzügigster Arbeits vergebung sür alle möglichen gemeinnützigen Werke Arbeit schasst. Der Arbeitsminister Stegerwald hat aber bereits mlt Nachdruck verkündet, daß dieser Weg nicht gangbar sei, weil er die Bereitstellung von jährlich 6 Milliarden er fordert, eine Summe, die vom Staate nicht aufgebracht wer den kann. Es gäbe ferner den Weg der Arbeitsbeschaffung durch Ausländsanleihen. Auch er wäre kein Weg in die Freiheit, weil in kurzer Zeit die Zinslasten die anfängliche» Vorteile überwuchern würden. So bleibt nur ein Aus weg aus dem Arbeitslosenwirrwarr, ein Gedanke, der in den letzten Jahren immer drängender, immer lauter und immer eindringlicher wurde: die Idee der deutschen Arbeitsdienst Pflicht. Sie hat in den letzten Jahren wiederholt Anlaß zu Diskussionen in nationalen Kreisen ge geben. Nun hat sich die W i r t s ch a f t s p a r t e i des Ge dankens angenommen und im Reichstag einen ausgearbet- teten Gesetzentwurf eingcbracht. Den Grundgedanken sieht der Entwurf darin, die Jugend zur freiwilligen Unter ordnung gegenüber dem Wöhle der Allgemeinheit und zur Arbeit und Pflichterfüllung zu erziehen. Jeder Deutsche soll im Anschluß an seine Berufsausbildung zwischen dem 17. und dem 25. Lebensjahre eine einjährige Arbeitsbienstpflicht für die Bolksgcsamhcit ableisten. Grundsätzlich soll sich niemand dieser Dienstpflicht, die als Ehrenjahr gedacht ist, ent ziehen können oder von ihr loszukaufen vermögen. Nur wenn der Dienstpflichtige der alleinige Ernährer seiner Familie ist, wenn seine wirtschaftliche Existenz dadurch ver nichtet oder ernstlich gefährdet zu werben droht, oder wenn schwere geistige ober körperliche Gebrechen vorliegen, soll eine Befreiung möglich sein. Die Organisation soll beim ArbeitS- Ministerium liegen, das einen Direktor des deutschen Arbeitsdienstes bestellt. Für die Leitung sollen in erster Linie bewährte entlassene Heeresangehörkge heran- gezogcn werden. Der Arbeitsdicnstpflichtige erhält neben freier Verpflegung und Kleidung eine tägliche Löhnung von 40 Pfennig. So wird durch die Initiative der Wirtschaftspartei der Reichstag bereits in kurzer Zeit im Zeichen einer sicherlich eingehenden Beratung dieser Idee stehen und hoffentlich ,« einem zu stimmenden Beschluß kommen. Von besonde rem Interesse wird dabei sein, welche Stellungnahme die Sozialdemokratie etnnehmcn wirb. Angesichts der zu er wartenden lebhaften Debatten darf deshalb auch eine ein gehende Abhandlung eines landwirtschaftlichen Praktikers, des Leiters des Landvolks Karl Schöpke, öffentliches Inter esse beanspruchen.*j Er geht davon aus, daß man nicht nur üte wirtschaftliche Unproduktivität der Erwerbslosenbciträge tm Auge behalten müsse, sondern auch ihre verhängnis vollen Folgen auf die Volksmoral und -ge sund h e t t und auf die Arbeitstiichtigkeit des Volkes. Der Erwerbslose, ausgeschlossen aus der menschlichen ArbeitS- gemetnschaft, erhält eine Unterstützung, die meist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist. Zuerst nagt an ihm bas zerstörende Bewußtsein, ein Almosencmpfänger, ein Kost gänger der Allgemeinheit zu sein. Seine seelische Not wird aber bald vergröbert durch die monatelange und jahrelange Untätigkeit, die schließlich gemäß dem Sprichwort: ./Wer rastet, der rostet," zu einer Zermürbung und Erschütterung der Arbeitsfähigkeit überhaupt führt. Das erzwungen« Bummelleben macht den Menschen, je länger, je mehr, unfähig, dem intensiven und kon zentrierten Arbeiten der Gegenwart gerecht zu werden, zu dem unsere Wirtschaft im schar- sen Wettbewerb mit dem Auslände gezwun gen ist. Sicher nicht mit Unrecht steht Schöpke hierin das eigentlich Verhängnisvolle und Tragische des deutschen Ar- *s Professor Karl Schöpke: „Deutsche» RrbcltSdienstiahr statt ArbettSlosenwirrwarr. I. F. Lehmann Verlast, München l!>80. Neuis: ttersrklste Vm8cliau 8eite S