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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.05.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110522025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911052202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911052202
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-22
-
Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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BequgS-Prets nmerdald D««Nchla»»» und d«, d«Mch«n L-lontra ot«n«liätzrl. i.« ML, «onatL LM MI. a»»IchL Polrd«ftellg«U> Krrner »i« B«tgi«n, Danemart, drn Donanftaatrn. Iialt««. üurrinduia. NtrdrrtanL«, ftk«r» wraen, Orfterrrtch» llnyarn. ftlvtzland. Schweb«»^ Schw«t» «. Spant«». 2» altr» üdrta«n Staat« «r dtrav aarch dt» S«!chStt»ft«lt» »«» Blatt«» «rdLtuUd. Da» L«wNI»r Iag«l>lao «1ch«t»t >»at töaltch. Sonn« a. 8«t«rra«» «u -niy»»». rtdonn»menr»-S>nuU>>»« 2»tzMnn»,«Il« 8. d«t on1«r»n Trägern, gtltal«». SrxdUenren »ad Sanayseilrllrn, Ioan« BoftLmtrr» »ad Vrtrfttä,««. Gt»i»t»«rta»t»»r«t» »Vt. Abend-Ausgabe. UrWWrTagMaü r-t.-LMi.lrrA Handelszeitung. «-i^MuirrL Ämtsklatt des Aates und des Nolizeiamtcs der Lta-t Leipzig. Luzeiqeu-Preis w» Sn1«ar« «a» U«tpp, aa» U»rg»l>»n, dt« tlönltt,» V*ttti«tl« 2S Ps-dt« N«Nam». t»U« 1 ML, »o» aa»wan» M Dt- Reklamen llü ML. Inlerat« »an Behörden lin amt. lichen Teil dt« D«tttirtl« « Dt- SetLaslsanzeigen mU Planoarlchnnen n. tn der Adendaurgab« tm Preu« «rhöhr. Sladat»nachlartL BetlaargedüarGesamt, aistlog» 5 ML p lausend eikl. Postgedühr. Teildrilagr Hoyer. Heftertetlt« Lusrröa« können nicht rurück. aerogen werden. Für da» Erlchrinen an vesnmaUen Tagen und Plagen wird keia» Garantie übernommen. Bn,«tg«n»Lnnahme: I»d»»»r»,»ft« d«t sämtlich«» gtltalen «. allen tünnoneen» LlpedUionen d«» 2a» und Lu»laad<n, Dem» an» vertag »«» U,I»,Igrr Tage- blaue» G. V»lg. Inhaber: Gaat RfteArn. RedakU»» m>» Geschüst»ft«I«i Iohannrsgass« 8. -aap«»gtltnl» Dr»»d»n: Seesirah« < t lTelephoa «S2U Nr. 1K1. 105. Zshrgsny Montsy. üen 22. Mal 19N Dir Katastrophe auf dem Flugfelde dei Paris. Don unserem Pariser ^.-Mitarbeiter erhalten wir über die entsetzlichen Ereignisse des gestrigen Sonn tags folgenden Bericht: Paris, 22. Mai Das weitverbreitete Dolksblatt „Petit Parisien", dessen Auflage eine Million Exemplare überschreite:, hatte für sein Luftrennen Paris — Madrid (sehr geeignet, während der gegenwärt'gen politischen VerstimmungzwischenSpanien und Frankreich mildernd zu wirken!) Preist irr Höhe von ungesüsst 200 OSO Fr. aufgebracht. Zwanzig Aviatiker hatten ihre An meldungen gesandt, doch nur etwa zehn waren heule flugbereit. Tlsenbahn, Untergrundbahn, Autobusse, Automobile, Droschken fuhren d e ganze Nrnst hindurch Scharen von Parisern nach Issy-les- Moultneaux hinaus. Vor den Stationen der Unter- grundbahnlinie Nord—Süd bildeten die Menschen ein kilometerlanges Spalier. Diele, die von drei Uhr srüb an warteten mutzten gegen sechs Uhr abziehen, da die Nord-Süd ausserstande war, alle zu befördern. Infanterie und Kavallerie lagerten auf dem Mcnö- verfeld um die Biwackfeuer, bis die Stunde der Ab sperrungsmatzregeln gekommen war, die unter Leitung des Polizeipräfekten Löpine getroffen wurden. Man hatte allgemein den Eindruck, datz die gewaltige Ansammlung von Neu gierigen eine grotze Gefahr für di« Aviatiker werden könne. Gegen fünf Uhr früh langten in Automobilen Ministerpräsident Monrs und Kriegsmirnster B cr- reaur nebst Gefolge an. Schon flogen mehrer« Aerrplane zu Versuchszwecken über der Ebene. Um Uhr 10 Min. reiste als erster Teilnehmer an der Fahrt Andrö Beaumont (Pseudonym des Schiffs leutnants Conneau) auf einem Blöriot-Eindecker in südlicher Nichtung davon — lauter Jubel der Men schenscharen dröhnte ihm lange nach. Fünf Minuten später erhob sich der Aeroplan von Gar ros, dann der von G i b e r t. Trotz des zunehmenden Windes scheint das Rennen einen hübschen Anfang zu nehmen. Dann kommen aufregende Momente. Frey und Wsymann müssen nach kurzem Fluge zu- ruakehren: Vidrines Apparat schlägt nach miss glücktem Anlauf, von einem Windstoß unter die Flügel gepackt, völlig um — 2 Meter vom Publikum entfernt, das gellendes Angstgeschrei ausstötzt, wäh rend Dodrine unversehrt unter den Trümmern her- vrlkiiccht. Le Lasseur de Rauzan verschwindet als Vierter am Horizont .... Da ereignet sich das Furchtbare, das Unbeschreibliche . . . .! Der Avia tiker Train ist mit seinem schwerbelasteten Aeroplan mühsam bis zu geringer Höhe aufgcstiegen und versucht, Kurven zu beschreiben. Ec ist kein Anfänger, hat schon Rühmliches in der Atmo sphäre geleistet. Hier aber scheint er nicht Meister seiner Maschine zu sein. Eine Gruppe von Herren hat sich unvorsichtig vorgewagt,' man bemerkt darin die Minister Monis und Bcrteaux, sowie den Millionär Deutsch-de-la-Meurthe und den Chefredakteur des „Peti: Parisien", Hcrsand. Links galoppiert eine Abteilung Kürassiere über Las Feld, um ein paar „Spalierbrecher", freche Jungen, aus der freien Bahn fortzutreiben. Train, der seinen Monnplan nicht in die Höhe zu bringen vermag und dicht über Len Boden hinftreift, will den Küras sieren ausweichen und macht eine scharfe Wendung — mit 70 Kilometer Geschwindigkeit fährt er in die Gruppe von Herren hinein! Ein Angstschrei aus hundert tausend Kehlen — unter Krachen steht die Lvftmaschine still — auf dem Boden liegen in Blutlachen Kriegsminister Berteaux, Ministerpräsident Monis. Deutsch-de-la- Meurthe und Hersand, die auch umgeworfen wurden, vermögen sich allein zu erheben. Man eilt den Opfern des Unfalls zu Hilfe. Kriegsminister Berteaux ist schon eine Leiche: die vorn an dem Monoplan Trains angebrachte Luft schraube hat ihn mit ihren sich rasend drehenden Flügeln gepackt, ihm das Genick durchge schlagen und den rechten Arm abgerissen — das verstümmelte Glied wurde mehrere Meter weit entfernt ausgefunden. Der 65sährige Herr M onis liegt, mit dem Gesicht gegen die Erde ge kehrt, regungslosda; als man ihn aufhebt, sieht man, datz sein Kopf von dem Gestänge des Mono plans blutig geschlagen wurde. Er kommt bald zu sich und sucht seine Umgebung mit matter Stimme zu trösten. „Es ist nichts!" haucht er, „machen Sie sich keine Sorgen ..." Aber als die Aerzte ihn mit dem Automobil nach der Ambulanz gebracht hoben, müssen sie ftststellen. datz der Minister recht schwere Ver letzungen am ganzen Körper und auch einen Bein bruch erlitten hat, datz bei seinem Alter die schwere Erschütterung des Gehirns höchst bedenk lich ist. Auch andere Personen, die Verletzungen er litten, müssen zur Ambulanz gebracht werden. Die Aufregung unter den Zuschauern wächst ins Ungemessene — trotz des Widerstandes der Soldaten werden die Aosperrungsketten durchbrochen und die schwarze Flut wälzt sich vorwärts nach der llnfallstelle. Dort steht Train neben den Trümmern seines Apparates, noch ganz versteinert vor Schreck. Weder er, noch sein Mechaniker erlitten Schaden. Un aufhörlich stammelt er: „O Verhängnis! Wie schreck lich! ... ." Pölizeipräfekt Le.pine sieht, datz alles vergeblich wäre, um die Ordnung wiederherzustellen. Der frühere Minister Dupuys, Besitzer des „Petit Parisien", erklärt das Rennen für beendet. (In Angouleme, der ersten Station, langt Carros auf einem Blöriot als Erster um 10 Uhr 13 Minuten an?) Erst nach Stunden verläuft sich die Menge, konster niert, während die Maiensonne wärmend höher steigt. In Paris verbreitet das Geschrei der Kamelots „Edition jpöciale" ... die Nachricht und das Ent setzen * Weitere Einzelheiten über den Unglücksfall. Zu der Katastrophe auf dem Flugfeld« bei Paris wird dem „Berliner Tageblatt" noch ge meldet: Als Train nach mehreren vergeblichen Versuchen sich vom Boden erhob, kam ihm eine A b - teilung Kürassiere in den Weg, die für die Gruppe der Minister und sonstigen offiziellen Persön lichkeiten Platz machte. An der Spitze des Zuges schritten Ministerpräsident Monis und Kriegs minister Berteaux, beide strahlend vor Freude. Kurz vor dem Unglücksfall wurden die Minister photographiert. Ein Mitglied des Aeroklubs näherte sich darauf der Gruppe und bat, sich von der Auf fahrtsbahn zurückzuziehen, es könne ein Unglück geben. Monis aber antwortete lachend: „Ach wir haben keine Furcht, was soll uns passieren, wir wer den aber gleich Platz machen!" Antoine Monis, der Sohn des Minister präsidenten, erzählte über die näheren Umstände des Unglücksfalles, die Gruppe der offiziellen Besucher habe das Fahrzeug mit schwindelerregen der Schnelligkeit auf sich zukommen sehen. Er sei heftig gegen seinen Vater gestotzen, der niederfiel und dem er so vielleicht das Leben gerettet habe. Als er sich umwandte, sah er den vollko nmen abgetrennten Arm Berteaux' im Blute liegen, einig« Schritte davon die Leiche des Kriegsministers. Das Flugzeug Trains war mit einer Art Wind schirm versehen, der, wie der „Voss. Ztg" aus Paris gemeldet wird, dem Flieger die Aussicht nach unten und vorn stark beschränkte. Ministerpräsident Monis unterhielt sich mit dem Deputierten Radier über den bevorstehenden Flug und sagte: Ich werde dem Start beiwohnen, aber ich bin nicht ohne Besorgnis. Es wird eine qrotze Volks menge dabei sein, und ein Unglück ist immer zu befürchten. Wenn ein Flugzeug in die Z u - schauermenge st ürzte, es wäre entsetzlich. Ich wollte, der Sonntag wär« vorüber. Lepine über die Katastrophe. Paris, 22. Mai. (Telegramm.) Der Polizei präfekt Lspine erteilte einem Berichterstatter über den Hergang der Katastrophe folgenden Bericht: „Wir hatten die Tribünen auf Ansuchen der Flugver anstalter verlassen, um die Flugzeuge zu besichtigen. Als wir bei der Rückkehr schnell das Flugfeld durch querten, sah ich eine Kürassierschwadron auf uns zu reiten. Ich ging den Reitern entgegen und rief dem kommandierenden Offizier zu: „Warum kommen Sie hierher?" Dieser antwortete: „Weil man mir Len Befehl gegeben hat, die Ordnungs mannschaft an diesem Punkte zu verstärken!" Ich entgegnete: „Sie können fortreiten", was auch geschah. In diesem Augenblick sah ich einen Aeroplan, der nach der Richtung flog, in der wir uns befanden. Ich hatte nicht den Eindruck, datz der Aeroplan stürzen konnte, La er sehr niedrig flog. Um ihm auszu weichen, rief ich der hinter mir gehenden Gruppe, bei der sich der Ministerpräsident und der Kriegs minister befanden, zu: „Nach rechts, nach rechts!" und machte dabei mit der Hand ein ent sprechendes Zeichen. Als ich mich umdrehte, sah ich zu meinem Entsetzen, wie der Aeroplan in die Gruppe hinein st ürzte. Die Ursache der Katastrophe wird in der höchst ungenügenden Absper rung des Flugplatzes erblickt. Es sollen etwa 600 000 Zuschauer anwesend gewesen sein, von denen ein grotzer Teil die Absperrungslinien durchbrach. Auf dem Flugplätze selbst befanden sich zahllose Personen, die hierzu keine Berechtigung hatten. Die zur Ab sperrung verwendeten Truppen waren gänzlich un zureichend, und der Wachdienst wurde auch nicht st reng durchgsührt. Paris, 22. Mai. (Telegramm.) Bei dem Ge dränge, das nach dem Bekanntwersen des Unglücks von Issy-les-Moulineaux in der Menge entstand, wurden 60 Personen verletzt. Der Leiter des Flug- und Sportplatzes Berlin- Johannisthal. Major v. Tschudi, äutzerte. er sei stets bemüht gewesen, das Publikum über die mit dem Flugsport verbundenen Gefahren aufzu klären, und er sei nicht müde geworden, vor einem Betreten des abgesperrten Fluggeländes zu warnen. Im Gegensatz zu Frankreich hätten wir in Deutschland längst Bestimmungen für die Einrichtung und den Betrieb von Flugplätzen, die sich bewährt haben. Die ^pfer. Das Befinden Monis'. Paris, 22. Mai. (Telegramm.) Ministerpräsident Monis ruhte gestern um 11 Uhr abends ganz still. Die Schmerzen im Bein haben nachgelassen und sind in der Brust und im Unterleib auch fast ver schwunden. Monis ist fieberfrei und sein Puls ist fast normal. Berteaux' Beisetzung. Paris, 22. Mai. (Tel.) Das Leichenbegängnis für den Kriegsminister soll am nächsten Frei tag auf Staatskosten erfolgen. Die Armee legt auf vier Wochen Trauer an. Weitere Beileidskttndfebunqen. Dresden, 22. Mai. (Telegramm.) Im Auftrage des Königs hat der Minister des Aeutzern Graf Vitzthum v. Eckstädt den französischen Ge sandten gebeten, dem Präsidenten der Republik Falliöres die allerhöchste Anteilnahme an dem schweren Unglücksfalle auf dem Flugfelde von Issy-les-Moulineaux auszudrücken. Paris, 22. Mai. (Tel.) Der Deutsche Kaiser sandte an den Präsidenten Fallidres «in Bei leidstelegramm, in dem er erklärt, welche Rührung er empfand, als er den Tod des Krieg minister Berteaux erfuhr, und in dem er gleichzeitig die Wünsche für baldige Wiederherstellung Les Mi nisterpräsidenten Monis übermittelt. — Ebenso sandte der Kaiser von Rutzland an Sen Präsi denten ein Telegramm, in dem er in besonders Herz, licher Weise ausdrückt, welchen Anteil er an der Trauer der Regierung nimmt, und dem Minister präsidenten Monis baldige Wiederherstellung wünscht. München, 22. Mai. Der Prinzregcnt ließ die bayerische Gesandtschaft in Paris beauftragen, der französischen Regierung seine wärmste Anteil nahme an dem schweren Unglück zu übermitteln, das sie und die französische Armee betroffen habe. Politische Folgen. Der Verweser des Kriegsministerinms. Ein im Elyseepalast abgehaltener Mini st errat betraute den Minister des Aeutzeren Cruppi mit der vorläufigen Führung der Geschäfte des Kriegsmini st er s. Für diese Maßnahme war u llnterm Giüe. Roman von Hans v. Saltzwedel-Weimar. (Nachdruck verbalen.) Es lag wie ein Nebelschleier über ihrer Seele, der ihr mitleidig Vie feindliche Welt mit allen ihren Schrecken verhüllte. Sv blieb es auch in den folgenden Tagen: wie losgelöst von ihrem eigenen Selbst sah sie eine ge wisse Vera Rottnow ein traumhaftes Dasein führen, einen Tag wie den andern. Und dann — eines Tages — sah sie diese Träu merin vor dem Richter stshen, die Hand zum Schwur erhoben, und hörte sie Len feierlichen Eid sprechen, daß sie die reine Wahrheit gesagt, wissentlich nichts verschwiegen und nichts hinzugesetzt habe, so wahr ihr Gott helfen möge. — Und Liese Frau hatte dabei zwar das bestimmte Empfinden, sich durch Liesen Schwur einer furchtbaren Gefahr ausgesetzt zu haben, aber nicht das geringste Schuldgefühl: denn un zweifelhaft stand das wahre Recht auf ihrer Seite. Mochte jenes Mädchen, Las dort stand und bei dem Schwure in ein wildes Hohngelächter ausgedrochen war, mit noch so gellender Stimme die einstige Herrin des Meineids zeihen, die eigentlich« Lügnerin unL Betrügerin war sie doch? Nein, das gute Recht durfte nicht in Unrecht verwandelt werden und die Gemeinheit nicht triumphieren, — u>td zwar bloß einer leeren Formalität wegen! Lediglich als solch« nämlich stellte sich der Eid, wie sie ihn vorher mehr fach gedankenlos hatte hinplappern hören, in dem Be wußtsein der jungen Frau dar. Wie zu« Rechtfertigung ihres Tuns wurde gerade in diesem Augenblick ein neuer Zeuge gemeldet, der sehr wichtige Aussagen gegen Li« Thekla Wed« zu machen hatte. Als letztere ihn eintreten sah, ver stummte sie jäh und sank erblassend auf ihren Sitz zurück: der junge Mensch aber erklärt« auf die er staunt« Frage des Richters, er sei der frühere Bräu tigam der Wed« und hätte sich als solcher häufig über das viele Geld gewundert, das jene stets gelegent lich ihrer gemeinsamen Sonntagsausflüge leichtsinnig auszuqeben pflegte. Als er sie dann eines Tages, an dem sic es besonders toll getrieben, scharf mit Fragen bedrängt halte, La hätte sic ihm mit frechem Lachen erwidert, ihre gnädige Frau wäre so dämlich, daß man ihr alles vormachen könne: sie wisse nie, wo das Wirtschaftsgeld bliebe, und frage nie nach einer Quittung. Warum sie, Thekla, sich das nicht zunutze machen solle? — Dummheil müsse nun mal be straft werden. — Da hätte er sich von seiner Braut getrennt, weil er mit „so einer" nichts ,zu tun hätte haben wollen. Gestern habe er zufällig von dem heutigen Prozesse gehört, und nun melde er sich als Zeuge, damit sie schlechte Person nicht womöglich noch gegen die von ihr so schwer betrogene gnädige Frau rechr behielte. Wie von einer Bergeslast befreit, atmete Vera bei diesen Worten auf: nun also war die Schuld des Mädchens klar bewiesen, und damit doch wohl auch zweifellos die Berechtigung ihrer eigenen Handlungs weise. Kein Mensch konnte ihr fortan noch einen Vorwurf aus dieser machen, geschweige denn ihr einen Strick daraus drehen. Hede Gefahr für sie war vor über: der böse Bann, der sie jo lange qualvoll um fangen gehalten, gebrochen! Ein Taumel des Glückes erfaßte sie, und ohne weiter« Ueberlegung nur dem plötzlichen Impulse folgend, trat sic vor und erklärte mit freudebebender Stimme: „Gott sie dank, nun ist es klar bewiesen, wie rnich diese Person betrogen har und wie recht ich hatte, ihr das auf den Kopf zuzu sagen? — Nun wird sie wohl nicht mehr leugnen!" Nach diesen Worten blickte sie triumphierend um her und — sah in lauter erstarrte Gesichter. — Ein unheimliches Schweigen lag über dem weiten, men- schengefülltcn Raume: solch ein unheilverkündendes Schweigen, in dem das ganze Wcltgetriebe für einen Augenblick zu stocken scheint. Der Unglückseligen aber sagte es wie mit Grabesstimme: „Jetzt hat sich dein grausiges Schicksal erfüllt: - gerade jetzt, da du dich ihm sicher «ntronnen wähntest." Da erstarrte ihr Blut: ihr Denken hörte auf. Sie Kat sich später nie dessen erinnern können, was daraus weiter geschehen ist. Nur die Worte: „falsch ge schworen" und „Meineid" blieben wie eingebrannt in ihrem Gedächtnis, als letztes. Lessen sie sich aus dieser verhängnisvollen Stunde erinnerte, neben der Emp findung, als verschwände sic selber und alles um sic I)erum in einem bodenlosen Abgrund«. Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf einem harten Feldbet. in einem kahlen, weiß getünchten Zimmer. Neben ihr stand ein Weib, das ihre Stirn mit Wasser kühlt«, und am Fußende Dr. Stein. „Wo bin ich? — Bit«, lassen Sie!" mit diesen Worten schnellte die Erwachende empor, indem fi« ungeduldig die Frau zur Seite schob und angstvoll den kleinen Mann zu ihren Füßen anstarrte. Dieser zuckte bedauernd die Achseln und sagte wie um Ver gebung bittend: „Ich konnte es nicht verhindern." Nun wußte Vera, woran sie war. Sie wischt« sich mit der flachen Hand über Stirn und Augen und sagte merkwürdig ruhig und entschlossen: „Heinz muß sofort zurückkommen: ich werde ihm telegraphieren", und dann zur Wärterin in so be fehlendem Tone, als spärchc sie zu einer Magd: „Holen Sic mir Schreibzeug!" Diese nickt« denn auch nur mit deni Kopfe und ging gehorsam, um das Befohlene zu holen, ans der Zelle, welche sic vorsichtig hinter sich abschloß. Der Rechtsanwalt blickte mit namenlosem Mit leide auf das junge, zarte Geschöpfchen, das dort jo hilflos auf dem Bcttra»rLe saß und ins Leere starrte. — Was durfte er ihm zum Tröste sagen? — So schwiegen beide erne ganze Weile, bis die junge Frau befriedigt mit dem Köpfchen nickte und zuversichtlich faßte: „Heinz wird schon kommen. Er wird zwar zu erst sehr böse sein, aber sich dann bald wieder be ruhigen. Er hat mich ja doch viel zu lieb, um lange zu zürnen. Wäre er nur erst hier, und hätte ich ihm erst alles gesagt! Dann wird schon alles in Ord nun-q kommen: — davor ist mir nicht bange." Der klein« Doktor hätte aufschreien mögen vor Jammer um dieses holde, kindlich vertrauende Wesen, dem ein so furchtbares Los drohte. — Zu sagen wußte er auch jetzt nichts aber im stillen gelobt« er sich, all sein Wissen und Können einzusetz.'n, um von d«r Unglücklichen wenigstens das Aeuß-rste abzu wenden. D.r trat Sie Wärterin mit dem Schreibzeug« ein und stellt« es schweigend auf den Tlich Lstra setzte sich an diesen und «chricb entschlossen aus ein Blatt: „Komme sofort zurück, bin in großer Not — Vera." Dann übergab sie das Blatt dem Rechtsanwälte mit den Worten: „Sie haben wohl die Güte, die Depesche gleich auf die Post zu besorgen! — Hofsent- lich bekommt er sie noch heute; dann ist er morgen vormittag hier." Der Doktor verneigte sich verbindlich und ver sicherte: „Ich werde sofort selber zur Post gehen, gnädig« Frau. — Jedenfalls aber werden Sie doch . notwendig verschiedenes für die Nacht brauchen. Schreiben Sie mir, bitte, alles das auf. — Ich werde die Sachen von Ihrem Mädchen zusammenpacken lassen und dann hierher besorgen. Dem Mädchen, werde ich sagen, Sic müßten ganz plötzlich für einige Tage verrefien." Vera nickte ihm dankbar zu und beschrieb nach kurzem Nachdenken «in zweites Blatt, welches sic dem Rechtsanwälte mit den Worten übergab: „Haben S»c vielen Dank für alles, was Sie für mich tun, Herr Doktor! — Nicht wahr, Sie kommen morgen früh, so bald es geht, zu mir? Ich möchte Sie gerne in aller Ruhe noch einmal sprechen, bevor Heinz hier ist: damit ich ihm keinen Unsinn Vorrede." Der Doktor küßte ehrerbietig die klein«, weiße Hand und versprach, am anderen Tag früh um neun niederzukommen: dann verließ er mit der Wärterin die Zelle. Laut rasselten draußen die Schlüssel, mir Hellem Metallklang schnappte das Schloß ein. und — Vera von Rottnow, geborene Freiin v. Marbach, saß hin ter Schloß und Riegel einsam in der kahlen Gefäng niszelle. Sie verzweifelt« nicht und raste nicht und bäumte sich nicht trotzig gegen das Schicksal auf: sondern trug es sonderbar gefaßt in der festen Zuversicht, ihr Heinz würde ja morgen hier sein und allem diesen Unsinn, den sie so qar nicht begriff, ein End« machen. Wenn er nur nicht zu böse werden wollt«, weil er doch ihretwegen vom Manöver zurück mußt«! — Aber schließlich — wie gerne wollte sie alle sein« Schelt worte ertragen, wenn sie nur wieder wohlgeborgen bei ihm jein.und sich an seiner Brust ausweinen konnte . . . (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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