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Verordnungsblatt der Kreishauptmannschast Bautzen zugleich als Konststorialbehörde der Oberlaufitz. Am ts ö tat t Ler Amtshauptmannschaften Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgisrvalde, Herrnhut, Bernstadt und Ostritz» des Hauptsteueramts Bautzen, ingleichcn der Stadträte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgememderäte zu Schirgiswalde und LLeißeuberg. Organ der Handels» und Gewerbekammer zn Zittau. Verantwortlicher Redakteur Georg G. Monse (Sprechstunden wochentags von 10 bis 11 und von 3 bis 4 Uhr). — Fernsprechauschluß Nr. 51. Die Bautzener Nachrichten erscheinen, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage, täglich abends. Preis des vierteljährlichen Abonnements 3 ZnserUonsgebühr für den Rau« einer Petit- Gpallzeite gewöhnlichen Satzes I2>/, in geeigneten Fällen unter Gewährung von Rabatt; Ziffern-, 'Tabellen- und anderer schmieriger Satz entsprechend teurer. Nachweisgebühr für jede Anzeige und Injektion 20 Pfg, für briefliche Auskunftserteilung 10 Pfg (und Porto). Bis früh 9 Uhr eingehende Inserate finden in dem abends erscheinenden Blatte Aufnahme. Inserate nehmen die iLxpeouwn und die Annoncendureaus au, desgleichen die Herren Walde in Löbau, Ciaufi in Weißenberg, Lippitsch in Schirgiswalde, Gustav Kroling in Bernstadt, Buhr in Königshain bet Oftrttz» Reußner in Ober-Cunnersdorf und von Lindenau in Pulsnitz Nr. 2L2. Moutag, den L8. Oktober, abends. 18SS. dem die Firma: Sehr. Thomas in Seidau betreffenden Folium No. 361 des Handelsregisters für den Bezirk des unterzeichneten Königlichen Amtsgerichts ist heute der Fahrradsabrikant Herr Sr»st v««l Thomas in Schonau-Grund i. B. als Prokurist eingetragen worden. " Bautzen, den 23. Oktober 1895. Das Königliche Amtsgericht daselbst. Philippi. Hfr. Wochenschau. Ein neues Denkmal der Einheit des Reiches und der Einigkeit des deutschen Volkes ist in der vergangenen Woche vollendet und feierlich geweiht worden: das neue Reichs- gerichtsgebäude zu Leipzig. In seinen Gröbenverhält, nisten wie in feiner äuberen Erscheinung und inneren Aus- stattung tritt es dem andern Wahrzeichen deutscher Einheit, dem Reichstagsgebäude zu Berlin, würdig an die Seite, und seine Steine rufen den gegenwärtigen wie den künftigen Geschlechtern die ernste Mahnung zu: seid einig! Im Beisein Ihrer Majestäten des Kaisers Wilhelm und unseres Königs Albert wurde das Haus geweiht und seiner Bestimmung übergeben, und der Schlußstein ein- in dem eine Urkunde fernen Jahrhunderten von den Bestrebungen unserer Zeit verkündigen soll, unserem Volk ein gemeinsames Recht zu geben. Mit Stolz kann unser Sachsenland auf die Thatsache blicken, daß cs gewürdigt worden ist, die höchste Stätte deutscher Gerichtsbarkeit in seinen Grenzen aufzunehmen, die fortan eine neue Zierde unserer berühmten Universitätsstadt bildet. Möchte in ihr und durch sie erfüllt werden, was der Kaiser seinen Hammerschlägen bei der Schlußsteinlegung als Weihe worte hinzufügte: „Recht mutz Recht bleiben." Am 20 und 21. d. M hielt die deusch-sociale Re. formpartei in Erfurt ihren Parteitag ab. Wir wür den denselben nicht erwähnen, da er uns nicht zu den po litischen Ereignissen ersten Ranges zu gehören scheint und seine Verhandlungen etwas Besonderes auch nicht zu Tage gefördert haben, wenn er nicht auf die Anpassungsfähigkeit der Reformpartei ein besonders grelles Schlaglicht zu werfen geeignet wäre. Es wir- aus der letzten Landtagswahl bewegung in Sachsen noch allgemein in der Erinnerung sein, daß die Reformpartei die Abänderung des sächsischen Wahlrechts auf ihre Fahne geschrieben hatte. Mit Staunen las man nun in den Berichten über den Erfurter Parteitag, daß der Antrag auf Ausdehnung des Reichstagswahlrechtes auf die Landtage von Abg. Zimmermann heftig bekämpft und nach längerer Debatte abgelehnt wurde, mit der Be gründung, daß das preußische Wahlrecht zwar das denkbar schlechteste sei, daß es aber Bundesstaaten gebe, die ein sehr gutes Landtags wahlrecht haben, z. B. Sachsen, wo man das bereits habe, was man in Preußen erstreben wolle. Diese Wandelung der Resormpartei innerhalb vier Wochen in das direkte Gegenteil der früheren Meinung ist ein er freuliches Zeichen, da sie in woliorsm geschieht, und zu der schönen Hoffnung berechtigt, daß die Reformpartei auf diesem Wege noch einmal auf ganz konservativem Stand punkte ankommen werde. Dieser Hoffnung auf die Umkehr wenigstens eines Teils der bisherigen Anhänger der Reform- Partei giebt auch das „Vaterland*, das Organ der deutsch, konservativen Partei in Sachsen, Ausdruck, wenn es schreibt: „Insbesondere wird es uns jetzt, nachdem der wütende Ansturm der demagogisch gesinnten Antisemiten in so er» freultcher Weise abgeschlagen worden ist, nur noch mehr am Herzen liegen, daß die berechtigten Forderungen der nicht demokratisch angehauchten Reformer, die ja immer auch die Unsern gewesen find, in geeigneter Weise und soweit dies in dieser unvollkommenen Welt möglich ist, zur Verwirklichung gelangen." In Oesterreich bildet die Programmrede des neuen Ministerpräsidenten Baden! das Ereignis des Tages. Außer der ursprünglichen Frische und optimistischen Schaffen», freudigkett, die au» ihr spricht, wüßten wir nicht, was sie von anderen derartigen Programmreden auszeichnete. Be- denkltch aber könnte einen das Lob machen, das ihr von allen Seiten gespendet wird. Wir wollen es dem neuen Leiter des verwickelten österreichischen Staatengebildes von ganzem Herzen wünschen, daß es ihm gelingen möchte, unter seiner „Führerschaft" die widerstrebenden Elemente zu gemeinsamer Arbeit zu vereinigen. Mit Worten freilich ist das nicht gethan, eine einzige That sagt oft mehr als Worte, und die nächste Zukunft muß es lehren, weS Geistes Hind das österreichische StaatSruder in Händen hat. In Frankreich steht das Interesse für Madagaskar immer noch obenan, bei den einen, indem sie Feste feiern, bei den andern, indem sie nach Stellen in der neu zu er« richtenden madagassischen Verwaltung jagen. Wie sich die Sachlage in Madagaskar gestalten wird, ist bi» jetzt dunkel. Ueber den Wortlaut de» mit der Königin abgeschlossenen Vertrag» ist noch nichts bi» nach Europa gedrungen, nur soviel scheint festzustehen, daß die Königin al» „Bunde»- köniqin" in ihrer Würde verbleibt, wenn es auch ein goldener Käfig sein wird, in dem sie gehalten werden dürfte. (S. übrigens unter „Frankreich" ) Die französische Regierung will die Anerkennung ihrer Oberhoheit auf der ganzen Insel erzwingen, d h mit anderen Worten: sie will die Eroberung auf die ganze Insel ausdehnen. Dem Madagaskar-Rummel gegenüber verschwindet selbst der einst so vielversprechende Magnier-Prozeß, der sich trotz der Rückkehr des ge- fürchteten Senators im Sande zu verlaufen scheint. Es soll sich schließlich angeblich um eine ganz geringfügige Summe handeln, welche einige Finanzleute durch eine nach dortigem Marktgebrauch ganz berechtigte Operation auf eine von der Gesetzgebung genehmigte Weise für sich gewonnen hätten. So teilt der Magnier-Prozeß das Schickial aller berühmten französischen Prozesse, bei denen das Wasser erst so getrübt zu werden Pflegt, bis sich keine Fische mehr fangen lassen Die verworrenen Verhältnisse in der Türkei lassen sich auch heute noch nicht klar übersehen. Voraussichtlich aber werden die Nach virkungen der traurigen Ereignisse sich noch eine Zeit lang fühlbar machen. Wenn sich auch die große Aufregung, welche die Gemüter beherrschte, gelegt haben mag, ein Rest von gegenseitiger Gereiztheit und Mißtrauen wird noch lange Zurückbleiben Das Zugeständnis von Reformen hat eine Erregung der mohammedanischen Welt gegen die Pforte hervorgerufen, die ihre Spitze und ihren Hebel in der jungtürkischen Partei besitzt. Man spiicht sogar von der Absicht dieser revolutionären Elemente, den Sultan zu stürzen. Das ist jedoch der einzige Punkt, in dem der Sultan keinen Spaß versteht, und so hat er denn mit einer ihm seltenen Energie „ohne Umsturzgesetz' sich der ihm drohenden Umstürzler entledigt, indem er die Führer der selben zu einer Kahnfahrt über den Bosporus etnlud und sie unterwegs mit einem für alle Zeiten auSreich mden Wellen bade erquickte. Schade, daß Bebel und Liebknecht ihre Thätigkett nicht auch auf die Türkei ausdehnen, welche doch der Segnungen der völkerbeglückenden Lehren der Social- demokralie noch sehr bedürftig zu sein scheint. Im Punkte der freien Liebe würden sie dort ohnehin auf besseres Ver ständnis rechnen dürfen, als bei uns! Auf Cuba steht es noch immer böse aus. Zwar wurden einige für die Spanier siegreiche Gefechte gemeldet auf der anderen Seite gelang es den Aufständischen, mehrere Eisen bahnzüge zur Entgleisung zu bringen, wobei mehrere Soldaten das Leben einbüßten. Marschall Campos selbst wäre den Aufständischen beinahe in die Hände gefallen und konnte sich in seinem von 8 Kugeln durchlöcherten Mantel nur mit Mühe retten Auch ein spanisches Kriegsschiff ist gescheitert. DaS alles sind Unglücksfälle, welche wenig geeignet sind, den Mut und die Zuversicht der Hidalgos zu beleben, i. Neueste Telegraphische Korrespondenz. * Straßburg (Elsaß», 28 Oktober. (Tel. der Bautzener Nachr.) Da« „Eqäffer Tageblatt" meldet aus Colmar: Am vergangenen Sonnabend ist in der Wohnung des Reichs- tagsabgeordneten Preiß eine Haussuchung vorgenommen worden. Gestern wurde Preiß, als er von Strutzburg zu- rückkehrte, auf dem Bahnhofe zu Colmar eingeladen, sich zum ersten Staatsanwalt zu verfügen, worauf Preiß nach stattgehabter Unterredung sich wieder entfernte. Preis soll der Behörde versichert haben, er werde die Aussagen des bekannten Interviewers im »Petit Journal" berichtigen, bezw. widerrufen lassen, und er werde demnächst in einer Versammlung des Volksoereins eine entsprechende Erklär- ung abgeben. Wie«, 27. Oktober. Die „Wiener Zeitung" veröffent licht die Ernennung des ehemaligen Ministers Grasen Schoenborn zum ersten Präsidenten und des ehemaligen Finanzministers Böhm-Bawerk zum Eenatsprästventen des Verwaltungszerichtshofes. London, 27. Oktober. Die hieiige türkische Bot schaft erklärt die von dem Korrespondenten des „Standard" in Konstantinopel gemeldeten Nachrichten über Verhaftungen, Torturen, summarische Hinrichtungen und über das Er- tränken von Personen im Bosporus formell für unbe gründet. Lauboa» 27. Oktober, abds. Dem Reuterschen Bureau wird aus Konstantinopel gemeldet: Nach Berichten aus türkischer Quelle wurde bei den Unruhen in Srzinghtan der Imam getötet, worauf die Mohammedaner die Armenier an- griffen und SS töteten; auf türkischer Sette waren 10 Tote; schließlich wmbe die Ordnung wiederhergeflellt. — Im Distrikt von Musch find Unruhen auSgebrochen; Einzelheiten fehlen. — Die Pforte empfing eine DPsiche deS Generalgouverneurs von BitliS, derzuiolge bewaffnete Armenier einen Angriff auf die Moscheen von Bitlts machten, wo sich augenblicklich alle Muselmanen zur Berrichiung des KreitaggebetS versammelt hatten. Die Muselmanen, durch den Angriff überrascht, ver teidigten sich mit Steinen und Blöcken. Die Behörden sandten sofort in alle Quartiere der Stadt Abteilungen der Polizei, Gen darmerie und Militär zur Wied-rhnstellunq der Ordnung Ein T'il der Armenier oerbarrikad eite sich darauf tn den KhanS und fuhr fort, sich der Wissen zu d.dienen. Es gab auf beiden Seiten Tote U'd Verwundete " Lonvou, 28. Oktober. (Tel. der Bautzener Nachr.) Die „Times" melden aus Konstantinopel: Die Untersuchung anläßlich des Drohbriefes an den Sultan führte die An klage gegen 14 Mitglieder des Hofes herbei, welche an geblich sämtlich innerhalb des Zlldiz Kiosks hingerichtet wurden. Petersburg, 27. Oktober, abends. Der „Regierungs bote' meldet: Die Kaiserin-Matter ist gestern auf der Station Alcxandrowskaja vom Kaiser, der Gemahlin des Großfürsten Sergius Großfürstin Elisabeth und anderen hohen Herrschaften empfangen worden. Beide Majestäten und die anderen hohen Herrschaften begaben sich hierauf ins Slexanderpalais nach Zarskoje Szelo. Die Kailertn- Mutter wohnt in Gatsasina. — Nach dem »Westnik Finanffow" weist der Abschluß des Reichsbudgets für 1894 folgende Zahlen auf: Ordentliche Einnahmen 1 153000000 Rbl. (mehr gegen Voranschlag 148000000 Rubel), Ausgaben 9S1000 Rbl. (mehr gegen Voranschlag 9000000 Rbl ). Im Ordinarium ergab das Budget von 1894 einen Ueberscbuß von 162 000000 Rbl. (mehr gegen Voranschlag 138000000 Rbl.) Die außerordentlichen Ein nahmen ergaben 78000000 Rbl gegen im Voranschläge vorgesehene 19000 000 Rbl. Der Ueberschuß der außer ordentlichen Ausgaben über die Einnahmen im Betrage von 85000000 Rbl. ist vollständig gedeckt durch den Ueber schuß des ordentlichen Budg-ts. Das Endresultat ergiebt einen Ueberschuß von 77 000000 Rbl. und unter Zuzähl ung freier Reste aus Krediten abgeschlossener Budgets im ganzen 92207 852 Rbl. * Petersburg, 28 Oktbr. (Tel. d. Bautzener Nachr.) Durnowo ist zum Präsidenten des Ministerkomitees er nannt worden unter Enthebung desselben vom Amte als Minister des Innern. Goremykin wurde zum Verweser des Ministeriums des Innern ernannt. Bukarest, 27 Oktober, abends. In einer sehr zahlreich besuchten politischen Versammlung in Jaßy entwickelte der Ministerpräsident Sturdza das Programm der Re gierung: Strenge Beobachtung der Besitze tn allen Zweigen der Staatsverwaltung, vollste Wahlfreihctt, Wiederbelebung der bäuerllchen Bevölkerung-klaffe und Hebung ihrer ökonomischen sage, Abschaffung der Kopfsteuer und der ausschließlich aut dem Bauernstand? lastenden Specialsteuer sür den Klerus, Wieder herstellung des budgetären Gleichgewichts ohne neue Steuern durch Einschränkung der Ausgaben und Ersparungen in der Verwaltung, Ordnung der Disciplin in der Armee, Reformen tn der kirchlichen Gesetzgebung und dem öffentlichen Unterrichte. In betreff der auswärtigen Politik Rumäniens sührte der Ministerpräsident im wesentlichen folgendes aus: Die moderne äußere Politik Rumäniens wurde auf dem Schlachtfelde von Plewna eingeweiht und durch die Erhebung Rumäniens zum Range eines Königreichs befestigt. Durch sein: eigene Kraft und eigene Leistung hat Rumänien sich seine Unabhängigkeit und seine geachtete Stellung tn dem europäischen Konzerte er rungen und es hat auch das Bewußtsein seiner Verantwortlich keit, was seine civtlisatorische Sendung im Orient betrifft; eS wird auf diesem durch seine nationale Entwickelung vor- geschriebenen Wege verharren. „In der nationalen Frage", fuhr der Ministerpräsident fort, »ist unsere Haltung eine klare und bestimmte. Es ist einleuchtend, daß wir uns allen agita torischen Eingreifens tn die inneren Angelegenheiten der un- benachbarten Staaten, insbesondere in diejenigen der öster reichisch-ungarischen Monarchie, enthalten müffen. Man hat uns des JrredenttsmuS beschuldigt, namentlich daß wir unsere StammeSgenoffen tn Ungarn zum Widerstande gegen Gesetz und Ordnung reizen. Sine derartige Haltung war niemals die nnsrige; wir haben niemals diese Richtung eingeschlagen, die eine schwere Gefahr für uns in sich schließen müßte, fall» das gleiche Verfahren gegen un» angewendet würde. Die österreichisch - ungarisch« Monarchie ganz besonder» bildet eine