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Inserat, aller Art werden mit 6 Pseu- Verleger: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Redakteur: In Commission: vr. I. Schladebach in Dresden. H. H. Grimm L Comp. in Dresden Diese« Blatt erscheint durch alle Postaustal- U, UWU,U, MU, UK,LL,H.UUK b"echntt und in allen tenund Buchhandlun- Srpeditlvnrn d.eser gen zu beziehen ist. Zeitung aNgeuömmen. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Aus dem Vaterlande. * Dresden. Neber die AntriltSpredtgt unserS neuen OberhofprevigerS v. Harleß haben wir unS schon neulich einige Bemerkungen gestaltet. Sie liegt jetzt gedruckt vor, und eS ist also möglich, sich ein ruhigeres und begründeteres Urtheil darüber zu bilden. Bedauerlicherweise kann dasselbe sehr wenig günstig auSfallen! Allerdings ist eS eine durch wiederholt gemachte Erfahrungen bestätigte Thatsache, daß gerade derartige Gelegenheitsreden auch sehr tüchtigen Kanzel rednern nicht in dem Maaße gelingen, als sonstige Vor träge. Aber selbst wenn diesem Umstande Rechnung getragen wird, kann man sich, falls man nicht lediglich durch Partei farbe des Vortrags oder durch den „Oberhofprebiger" un willkürlich bestechen läßt, deS Unheils schwerlich erwehren, daß die vorliegende Predigt ein sehr schwaches homiletisches Product sei, dessen Seichtigkeit und Unbedeutenheit durch daS gewaltsame Spicken mit biblischen Stellen nicht ge hoben, sondern nur noch mehr hervorgehoben wird. Wir sind der unmaßgeblichen Ansicht, daß ein Candidat mit einer derartigen PrüfungSpredigl unbedenklich die — letzte Censur erringen würde, wenn man nicht vielleicht seiner „christlichen", d. h. altorthodoren Gesinnung hochgeneigte Berücksichtigung schenken, und den Willen für die That ihm anrechnen wollte. Das einzig Lodenswerrhe, was wir in jener Predigt zu finden vermögen, ist die unum- wundene Bestimmtheit, mit welcher v. Harleß seine Stel lung der neuen Gemeinde gegenüber bezeichnet; sie zeugt von Character und daS ist immerhin schon etwas werth in unsrer charakterschwachen und charakterlosen Zeit, selbst wenn man in die Versuchung käme zu meinen, als spreche sich darin weniger „apostolischer Ruhm" alS „unapostolischer Selbstruhm" auS. Hr. v Harleß erklärt, nachdem er im Eingänge seiner Persönlichkeit ziemlich ausführlich, des Wirkens seiner hochberühmten Vorgänger an jener Stätte dagegen mit keiner Sylbe gedacht, ganz einfach und deutlich: „ich komme zu auch Euch zur Züchtigung, und ich muß Euch Wunden schlagen und Euch webe thun," während er auch in seiner Berufung hierher eine Züchtigung für sich er kennt. Das bleibt ihm natürlich unbenommen: cliueun L »oll ßstut! Und auch ein großer Theil seiner Zuhörer wird damit einverstanden sein, daß eS eine Züchtigung sei, der artige oberflächliche Predigten mit anhören zu sollen. Doch können wir auf eine theologische Würdigung jenes Vor trags nicht eingehen; nur das mag bemerkt sein, daß Hr. 0. Harleß von dem vorläufigen ungeheuren Zuläufe zu seinen-Predigten sich nicht möge in die Täuschung einwiegen lassen, als werde derselbe in gleichem Maaße anhalten. Wir fürchten, er werde bald die trübe Erfahrung machen, daß diese Art und Weise nicht vermöge, ein zahlreiches Publikum auf die Länge zu fesseln, daß dazu vor allen Dingen Gedanken und tüchtige, praktische Durchführung gehöre, und auch die Predigt des vorigen Sonntags — keine GelegenheitSpredistl — zeigte davon wenig Spuren. Wir werden ja weiter sehen. Daß aber diese Art und Weise sehr geeignet ist, der hier gebildeten freien christlichen Gemeinde immer neue» Zuwachs zu verschaffen, liegt auf der Hand, wenn auch eine Anzahl hiesiger Corresponbenten für einzelne Zeitungen, z. B. für die Deutsche Allgemeine, sich sehr ängstlich be mühen, diese Bestrebungen als schwach und geringfügig darzustellen. Es werden der Mitglieder kaum über 20V sein, läßt sich so ein Korrespondent achselzuckend vernehmen. Nun, und wenn dem so wäre? Gicbt denn etwa die Zahl bei solchen Dingen den Ausschlag? Wieviel entschiedene Anhänger gewann denn einst Christus in der ersten Zett seines Auftretens, wenn man den Vergleich unS gestatten, und darin nicht etwa eine Blasphemie wittern will? — UebrigenS können wir jenen Corresponbenten, die den Werth einer Sache lediglich in deren äußerem Umfange zu sehen scheinen, die beruhigende (?) Versicherung geben, baß sie sich diesmal in der Zahl gewaltig geirrt haben. Sie beträgt bis jetzt nahe an 700 Seelen, nämlich 350 männliche, 90 weibliche selbstständige Mitglieder und 220 Kinder. DaS sind, falls wir richtig addiren gelernt haben, 600, und täglich gehen die Anmeldungen fort, weil die hiesige freie Gemeinde den rechten Mittelweg eingeschlagen, und sich den Uhlig'schen Grundsätzen angeschlossen hat. DaS Beste, waS darüber zu sagen, hat Uhlig selbst bei der Constiluirung der hiesigen Gemeinde klar und eindringlich ausgesprochen, und wer sich darüber näher zu unterrichten wünscht, den machen wir vorläufig auf den binnen Kurzem (bei H. H. Grimm u. Comp.) zum Besten der Gemeinde erscheinenden actenmäßigen Bericht über die Constiluirung auf merksam, der auch die Uhlig'sche Rede vollständig enthalten wird. Ein Vergleich zwischen dieser und der Harleß'schen AntrittSprebigt dürfte bei Unbefangenen nicht zum Nachtheil UhligS ausfallen. — Immer lebten noch Viele hier der Hoffnung, der Be lagerungszustand werde baldigst aufgehoben werden. Man hoffte auf den Namenstag des Königs (d. 5. März), nun wieder auf die bevorstehende Vermählung der Prinzessin Elisabeth (in der ersten Hälfte des April) — man scheint vergeblich zu hoffen, und ob Diejenigen Recht haben, welche der Meinung sind, die Aufhebung werde erst nach den Maijahrestagen stattsinden, steht dahin. Für jetzt ist wenig Aussicht dazu vorhanden, die Strenge gegen daS Publikum Seitens der Militärbehörde scheint eher im Zunehmen be griffen zu sein; auch ist neuerdings der bekannte Befehl vom 12. Mai v. I. mit seinen mannichfachen scharfen Be stimmungen wieder eingeschärf» worden. Ein Schriftsetzer wurde neulich auf Denunciation eines Soldaten arretirt, weil er daS Lied: „den König segne Gott", gesungen — ein Schneider, weil er G, einem dreifarbigen Tuche Klei dungsstücken zu einem Kunden getragen. Belde wurden allerdings nach kurzer Hast in Freiheit gesetzt, weil durch aus nichiS GravirendeS gegen sie vorlag — indeß waren sie doch verhaftet. Auch unsre 2. Kammer hat nun endlich nach langen