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Nummer 66 — 25. Jahrgang «mal wüch. vezugeprel« für März «inschl, Bestellgeld. «nzeigenpreis«: Die Igesp. Petitzeile Stellengesuch« 2« L. Die Petttreklamezeikr, 8S Milli« Meter breit, 1 Offertengebühren für Selbstabholer 20 L. bet Uebersendung durch dl« Post außewem Portozuschlag. LtnzA-Nr. 1« L, Sonntaga-Nr. 1« s. VeschäfNicher Teil: Iockef Aohmann. Dresden. Sonnabend, 20. März 1926 gm stalle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung «ruf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzetgenauftrügen u. Leistung v. Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern« ruf üdermitt. Anzeigen übernehmen wir kein« Ver antwortung. Unverlangt etngesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskript« wer», nicht aufbewahrt. Sprechstunde d. Redaktion 6 bi, S Uhr nachmittag,. Sauptschrtftleit.: Dr. Joseph «ltert. Dreien. 8D ö 2 uchdr»»kr»t»m»H,Dre»l>en<«1.lS, HolselusNahelS. Fcmnil S37W. PolUltzriNoiilo Dre»den Dnnkkonlo: V«ss«««e a g»i»fch». Dr«»d-n. Für chrislltche Politik und Kultur N«»aktt,i, der SSchslfihen >vo>kS,rt«»«, Holbeiilstrahe «6. i^erimi» »2gr und!WM. Dresden-«»». IS. „Europa hat nichts gelernt" Wie man ln Washington -ie Lag« ansieht — Keine Äossnung ans Abrüstung London. 19. Mürz. Ueber den Inhalt des Berichtes, den der amerikanische Botschafter Hougthon dem Präsidenten Toolidge und dem Staatssekretär Kellogg über di« Ereignisse, die zur Ver tagung des Völkerbundes geführt haben, unterbreitet hat, schreibt heute die „Dimes", daß in amtlichen Washingtoner Kreisen der fest« Glaube herrsche, daß der Bericht Hougtho-ns das Vor spiel für «In« Revision der amerikanischen Außenpolitik sei. Roh umschrieben habe der Botschafter folgendes zu sagen gehabt: Der Kontinent von Europa habe, soweit es sich um seine Staatsmänner handele, vom Kriege nichts gelernt. Frankreich sei der Führer einer Bündnisbvwegung, die England, wenn auch nur widerwillig, mitmache. Der von England eingeschlagene Kurs sei nach Meinung Austen Ehamberlains unvermeidlich, weil die Zusammenarbeit mit Frankreich nötig und wünschenswert sei. Der Wunsch der Mächte des europäischen Kontinents, ab zurüsten. fei nicht echt. Man wünsche auch nicht, von Amerika beraten zu werden. Die vorbereitende Abrüstungskonferenz wende zusammentreten. sie werde jedoch Vorschläge erörtern, über die niemand Uebereinftimmung wünsche. Hougthon schließt hieraus, daß keinerlei Hoffnung auf Abrüstung bestünde, solange sich die gegenwärtige Politik nicht ausgelaufen habe, oder bevor nicht ein bevorstehendes Verhängnis eine Sinnesänderung herbeifiihre. Der Wunsch der Regierung -er Bereinigten Staaten, an das Ab- vüstungsproblem heranzutreten, heißt es in dem Bericht weiter, stoße auf die unversöhnliche Opposition Frankreichs, Italiens und Japans. Was für eine Wirkung dieser Bericht auf die Entwick lung der Politik der Bereinigten Staaten haben iverde, sei schwer vorauszusagen. Soweit es sich um Frankreich handele, könne man aus dem Bericht herauslesen, Laß dieses Land als Urheber allen Uebels angesehen worden fei. Die französische Regierung habe zu gegebener Weife auf eine Sonderbehandlung in der Schuldenfroge gerechnet. Sie müsse nun auf «ine ent gegengesetzte Bewegung vorbereitet fein. Nach einer Meldung -er Associated Preß aus Washington ist di« Regierung, obwohl sie sich vorbereitet. Vertreter zur Abrüstungstagung am 17. Mai zu entsenden, ans Grund ihrer vertraulichen Informationen -nicht in der Lage, ein greifbares Ergebnis von dieser Tagung zu erhoffen. Neuyork, IS. März. Während keine Einzelheiten über die Konferenz zwischen Coolidge, Houghton, Gibson und Kel logg über die Lage in Europa bekanntgegeben wurden, geben die Washingtoner Berichterstatter ihre eigenen In offiziellen Schilderungen. Das Blatt „Neuyork Tribüne" erklärt, daß die beiden Diplomaten «in düsteres Bild von dem zu seinem alten Vorkriegssystem des Mächtezle.chgewichts zurücktreibenden Europa entworfen hätten. — „Neuyork Times" schreibt: Nicht nur die Abrüstungskonferenz, sondern Englands Kohlenforgen Lonvon, 19. März. Der Premierminister Baldwin -at, wie verlautet, das Präsidium über das vom Kabinett zur Erörterung des KohlenbertchtS eingesetzte Komitee über nommen. Dem „Star" zufolge ist es wahrscheinlich, daß d!« Regierung in der Frage der Subventionszahlungen, di« die Kohlenkommission als nicht zu rechtfertigend bezeichnet« und die ihrer Meinung nach niemals wiederholt werden dürften, einen Vorbehalt machen werde. Man sei In maß gebenden Kreisen der Ansicht, daß es unmöglich sein würde, di« Subventionszahlungen plötzlich Ende April einzustellen. Die Arbeitszeit-Konferenz beendet London, 19. März DI« im Arbeitsministerium tagende Arbeitsstundenkonserenz wurde gestern früh 2.39 Uhr beendet. Das erzielte Ueberein- kommen ist von Deutschland. Großbritannien. Belgien, Frank reich und Italien unterzeichnet worden. Die Krise in Rumünien Bukarest» 19. März. Die Lage hier hat sich erheblich verschlimmert. Am Donnerstag durchzogen starke Militär patrouillen die Stadt. Die öffentlichen Gebäude sind durch Militär besetzt. Im politischen Leben herrscht auffallende Stille trotz der unmittelbar bevorstehenden Regierungskrise. Die Parteiführer sind der Ansicht, daß der König bereits «inen Entschluß über di« Neubildung der Regierung gefaßt hat. Bezeichnenderweise rechnen die Anhänger Averescus auch die amerikanische Einschätzung des Völkerbundes bleiben anscheinend in der Schwebe. „Neuyork Eoening Post" zufolge hätten Houghton und Gibson erklärt, der Völker bund kalk« der Ohnmacht anheim. Europa Werve «ur durch wirtschaftliche Erwägungen davon abgehalteu wer de«, kn eine« neue« Krieg zu treiben. Baldwin deckt Chamberlain London. 19. März. Die Unterhausdebatte Uber Genf ist entgllltig auf nächsten Dienstag festgesetzt worden. Chamber lain und die britische Delegation werden heute abend 7 Uhr zurückerwartet. Wie verlautet, hat die Regierung beschlossen, sich nicht nur hinter Chamberlain zu stellen, sondern auch den Standpunkt zu vertreten, daß der englische Außenminister ivährend der März tagung -es Völkerbundes fein äußerstes getan habe, um Deutsch land in den Völkerbund auszunehmen. Nach einer Erklärung Macdonalds -wird die Arbeiterpartei während der kommenden Unterhausdebatte von einem Mißtrauensvotum gegen Chamber lain üb sehe». Der deutsche Kurs unverändert Das Kabinett billigt Luthers .Haltung. Berlin. 19., März. In einem gestern nachmittag unter Vorsitz des Reichs kanzlers abgehaltenen Ministerrat wurden di« Genfer Verhandlungen durchberaten, nachdem die beiden Dele gierten ihre fortlaufenden schriftlichen Berichte durch münd liche Darlegungen ergänzt hatte». Das Reichskabinett billigte einstimmig die Haltung der deutschen Dele gation und nahm insbesondere davon Kenntnis, daß durch die in Genf getroffenen Abmachungen die beiderseitige Fortführung der Locarno-Politik gewährleistet ist. Der Reichskanzler erstattete im Anschluß daran dem Reichspräsidenten ausführlichen Bericht über dis Vorgänge tn Gens. Nach dein Abschluß der Kabinettssitzung empfingen Reichskanzler Dr. Luther und Reichsaußenminister Dr. Stresemann am Abend die deutsche Presse und gaben in ausführlichen Darlegungen und Auskünften ans gestellte Fragen ein Bild über die Entwicklung der Vorgänge in Genf. Die Ausführungen gipfelten in der Feststellung, daß die Außenpolitik des Locarno-Paktes weiter verfolgt werde und daß der deutsche Standpunkt durch die Vorgänge in Genf, an denen die deutsche Delegation keinerlei Mitschuld treffe, unverändert bleiben wird. Wien, 19. März. Bundeskanzler Dr. Ramek trifft heute vormittag wieder in Wien ein. Am Nachmittag findet ein Ministerrat statt, in dem Dr. Ramek über die Ereignisse in Genf Bericht erstatten wird. wie auch der Nationalpartei, daß sie den Auftrag zur Kabinettsbildung erhalten werden. Ein Staatsstreich Bra- tianus scheint gegenwärtig nicht ausgeschlossen. Das Kabinett Cze ny Prag, 19. März. Das neugebildete tschechoslowakische Kabinett setzt sich folgendermaßen zusammen: Präsidium und Inneres: Czerny, Auswärtiges: Be ne sch, Finanzen: Englisch, Unterricht: Kretschmar, Justiz und Verpflegung: Hausmann, Handel: Sektionschef Dr. Perontke, Eisenbahnen: Ministerial rat Dr. Riha, Arbeit: Ingenieur Roubik, Landwirtschaft: Dr. Slavik, Landesverteidigung: Generalstabschef -Zyrovy, Oeffentliche Fürsorge und Gesundheitsweie»: Sektionschch Dr. Schicssel, Post und Telegraphie: Generaldirektor Dr. Fatka, Slowakei: Dr. Kallay. Die Itattariiiierirng Albaniens Belgrad, 19. März. Die Zeitung „Lbzor" erhält aus albansichen Flüchtlingskreisen eine Darstellung über di« Verhältnisse in Albanien, aus der hervorgeht, daß Ahmed Zog» das Land zu einer italienischen Kolo- n c machen will. Der von Italien gegebene Kredit von 60 Millionen Lire wird weniger zum Vorteil des Landes, als vielmehr zu Persönlichen Zwecken von Ahmed Zog» verwendet. In einem albanischen Hafen laden italienisch« Schisse seit längerer Zeit Geschütze und Munition aus. Acht höhere italienische Osstziere wurden nach Albanien gesandt, um dort als Lehrmeister für den albanischen Banknvten- nachwuchs zu ivtrken. Die neugedruckten albanischen Bank noten enthalten auf der einen Seite einen italienischen Text. Kerllach Die Folgen des Mißerfolges von Genf werden für die einzelnen Länder verschieden sein. Zunächst hoben die Parlamente das Wort. Im englischen Par lament. in dem die Opposition gegen den Führer der englischen Delegation in Genf, den Außenminister Cham berlain, am stärksten ist, sind bereits dringende Anfragen dahin ergangen, daß der Außenminister so bald wie nur irgend möglich nach seiner Rückkehr aus Genf dem Un terhause die gewünschten Aufklärungen gibt. Von seiten der Liberalen und der Labour Party dürften dabei die heftigsten Angriffe gegen Chamberlain gerichtet werden. Es ist bekannt, daß auch weite Kreise der Konservativen Partei das Vorgehen des Außenministers in Genf nicht billigen: am heftigsten wurde seine Ratspolitik von der konservativen „Morning-Post" angegriffen. Baldwi n wird jedoch Chamberlain nach der Konferenz ebenso decken wie vor der Konferenz, so daß eine Ministerkrise in England als Folge des Genfer Fiaskos zunächst nicht in Frage kommen dürfte. In der französischen Kammer hat Briand am Donnerstag, schlagfertig wie am ersten Tag. den An sturm der Opposition abgewehrt. Mit 361 gegen 16-1 Stimmen hat ihm schließlich die Kammer das Vertrauen ausgesprochen. Es kam Briand zugute, daß der Geister Mißerfolg für die Opposition in den Hintergrund trat infolge der Erregung über die Person des neuen Innen ministers Malvy, der im Kriege des Landesverrats an geklagt worden mar. Malvy, der von der Opposition auf das schwerste angegriffen wurde, belwm schließlich eine Ohnmacht, und Briand bekam — die Macht. Seine Außenpolitik wurde eigentlich nur nebenbei kritisiert. Es kann ja keinem Zweifel unterliegen saleichgüllig. ob das jetzige Kabinett Briand über innerpolitische Fragen über kurz oder lang wieder stürzt), daß die außeiipast- tische Aera Briand in Frankreich noch lange nicht be endet ist. Auch in Deutschland wird sich der Reichstag iw der kommenden Woche mit den Vorgängen i» Gens be schäftigen. Bekanntlich sollte noch kurz vor der Abreise der deutschen Delegation der Auswärtige Etat angeschnit ten und dabei schon damals die Frage der Geister Reste von der Opposition mitberührt werden. Es gelang sei nerzeit, die Beratung bis nach der Völkerbundstag,ing hinausznschieben. Nunmehr wird die Beratung in der kommenden Woche stattfinden, und das Plenum des Reichstages wird dabei Gelegenheit haben, die Genfer Vorgänge eingehend zu besprechen. Vorher dürften aller dings Reichskanzler Dr. Luther wie auch der Reichs außenminister Dr. Stresemann Gelegenheit baben. den Parteiführern vertrauliche Informationen über Genf zu geben und wahrscheinlich auch dem Auswärtigen Aus schuß gegenüber eingehendere Mitteilungen über Genf zu machen. Dem Reichspräsidenten ha! der Reichskanzler bereits am Donnerstag missichrlich Bericht erstattet Die beiden Delegierten werden, darüber bestelst kein Zweifel, bei der ausführlichen Debatte der nächsten Woche einen schweren Stand haben. Denn die gesamte Ovpo- sition, Völkische, Deutschnationale und Kommunisten, werden nichts unversucht lassen, um erneut Stimmung gegen den Völkerbund und vor allem Sturm gegen die Regierung wegen ihres Mißerfolges in Genf zu lausen und dabei versuchen, die Personen Luther und Strese mann vor allem zu diskreditieren. Von kommuni stischer Seite ist bereits ein Mißtrauensantrag geaen die Regierung eingebracht worden. Die deutsch nationale Pressestelle bat bereits mitgeteilt. daß ..die Neichstagsfraktion der Deutschnationalen Valkspartei sofort die erforderlichen parlamentarischen Maßnabmen ergreifen wird gegen die Haltung der deutschen Dele gation in Genf, die zu einem völligen Mißerfolg der deutschen Außenpolitik Luthers und Stresemanns gefübrt habe" Und was darunter zu verstehen ist. das deuten die führenden Blätter der beiden deutschnationalen Flü gel. die „Deutsche Zeitung" und die ..Kreuzzeitung" an. Die „Deutsche Zeitung" schreibt: „Was soll nun geschehen? Dr. Luther und Stresemann haben versagt, ihre Politik ist zusammen' gebrochen. Sie haben aiuutvsten von dcr politischen Bühne. Gelingt es nicht, eine Regierung zu bilden, die entschlossen ist. mit der Locarno- und Bölkerbundspolitik zu drecken, so mutz das Volk gefragt werden. Nemvahle» zum Reichstag haben stattzusinden. wenn nickt in letzter Minute ein st a r - her Mann die Zügel ergreift." Und die „Kreuzzeitung" schreibt unter anderem: „Auch in Deutschland scheint uns «ine außcnpvsirttch« Krisis unvermeidlich. Die Politik, die die Herren Dr. Locher und Dr. Stresemann seit mehr als einem Jahr gesührt haben, ist gründlich zusammengobrochen. daß ein Wechsel mit den Männern, die diese Politik gemacht lacken, nicht weniger wie mit dieser Politik selbst als ein Gebot der Stünde erscheint." Die Deutschnationale Volkspartei scheint demnach inzwischen vergessen zu haben, daß die ganze Politik Locarno—Genf in letzter Linie gerade von dem Kablnett eingelcitet wurde, in dem ihre Männer, Schiele, von