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Vesper in der Irnnenkirche. Dresden, Sonnabend, den 2. Juni 1894, Nachm. 2 Uhr. 1. Auge für Orgel (Ls-llur, fünfstimmig) von I. S. Bach. 2. Motette (zum l. Mal) von Volkmar Schurig. Ich hebe meine Augen aus zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt. Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. Siehe, der Hüter Israels schläft, noch schlummert nicht. Der Herr behüte dich, der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand, daß dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts. Der Herr behüte dich vor allem Uebel; er behüte deine Seele. Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit. 3. Worgenandacht. Geistliches Lied für eine Stimme mit Orgel begleitung (op. 17, Nr. 6) von O. Wermann, gesungen von der Concertsängerin Fräul. Louise Ottermann. Des Tages Ahnung zittert durch die Flur; vom Himmels bogen scheu die Sterne eilen und eine Lerche flog schon zum Azur und hat gefragt: „Wo mag die Sonne weilen?" Voni jungen Laube sinkt in's Moos der Thau, wenn kühle Winde rings die Wipfel wiegen, schon ist der Sonnen herold, schau, o schau! die Morgenwolke hoch emporgestiegen. — O Geist des Weltalls, groß und wunderbar, dich preist die Welt mit jubelnden Accorden! Dich will ich preisen mit der Sängerschaar; mein ganzes Fühlen ist Gebet geworden. Dein Odenr küßt mich in des Windes Hauch; mit Liebes- armen hälft du mich umschlungen. Dein Auge strahlt aus zartem Blumenaug' und deine Stimme tönt von Lerchenzungen. O sanfter Gott, mir blüht die Frühlingslust im Herzen auf, verscheuchend Grain und Schmerzen, hell flammen auf im Tempel meiner Brust zu Ehren dir der Andacht Opferkerzen. 4. Gemeinde: Gesangbuch Nr. 199, 8. Liebe, hast du es geboten, daß man Liebe üben soll, o, so mache doch die todten, trägen Geister lebensvoll; zünde an die Lebensflamme, daß ein jeder sehen kann: wir, als die von einem Stamme, stehen auch für einen Mann.