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WsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter I Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ^-s°dn«°nstig« B.Ui-b-ftör«ng°n defteh, K^A«'Lf Lirung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke -rsolgt nur. wenn Porto deiliegt. Anzeigenpreis: die »gespaltene RaumzeUe »0 Doldpscnnig, di- »gespalten-geile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold- psennig. di- Sgcspalt-n-Reklam-zeNe im t-rtlich-n Teile lvoDoldpsennig. Rachweisungsgebühr LV Goldpfennige. Vor- g-schrieben-Erscheinungs- , . , „ tage und PIatzvo,schrift-n werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wrlsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen- annahme dis norm, lvllhr ———— Für di« Richtigkeit der durch Fernrus übermittelten Anzeigenübernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn dcr Betrag durch —Klage eingezogen werden mutz oder der Austraggeder in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das l sdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. Nr. 172 — 83. Jahrgang Tclegr.-Adr.i „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postlcheckt Dresden 2S40 Freitag den 25. Juli 1924 KMM Wh WMsgeW. „Solch eine ganz, ganz kleine Inflation möchte doch so mancher gern wieder haben," sagte der Rerchsfinanz- minifter Dr. Luther in einer Konferenz mit den Vertretern der Berliner Presse. Man versuche, Liesen Satz, der objek tiv richtig ist, subjektiv zu verstehen: es ist freilich sehr bequem, riesige Papiergewinne zu machen, weil man dabei nicht merkt, wie man dem Abgrund entgegentaumelt. Bequem ist es, — doch führt der Weg sicher in den Ab grund, und leider ist der Wahnsinn der Jnfla- tio ns Wirtschaft zum guten Teil vergessen. Na mentlich natürlich von Lenen vergessen, deren Unternehmen selbst ein Kind der Inflation ist. Aber gerade diese Kreise sind es, die, um rhren zu sammenbrechenden Betrieb — den man manchmal in An führungsstriche setzen könnte — zu stützen, am lautesten nach Kredit schreien. Gewiß ist die Kreditpolitik der Reichs bank weit über Las Ziel hinansgeschossen. Daß sie Kredit- unwürdigen, inflatorisch aufgeblähten Unternehmungen den Kredit verweigerte, ist durchaus zu billigen. Es wurden aber auch Betrieben von Weltruf die Warenwechsel nicht abgenommen, und darum ist die Sehnsucht nach einer neuen Inflation an Stelle des Kredits zum mindesten begreiflich. Es erübrigt sich zu sagen, daß Luther erklär!., er werde sich, solange er Finanzminister sei, mit aller Kraft und den rigorosesten Maßnahmen jenen Tendenzen, die zu einer neuen Inflation hintreiben, entgegen- stemmen. Die wirtschaftlich ernst zu nehmende Industrie wird ihn in diesem Bestreben trotz der Wunden, die ihr die Kreditnot schlägt, unterstützen und sich nicht noch ein- mahl in den Mahlstrom Ler Inflation Hineinreißen lassen. Die Kreditnot wäre, so meinte der Minister, nicht ganz zu beseitigen, könnte auf alle Fälle aber gemindert werden, wenn auf der einen Seite Kapitals Neu bildung erfolgte, also von dem Einkommen Teile für diesen Zweck zurückgelegt würden, auf der anderen Seite bei der Kapitalsverwendung schärfste Rücksicht auf Zweck mäßigkeit und größtmögliche Rentabilität gelegt würde. Freilich werden gegen Len ersten Vorschlag zur Linderung der Kreditnot schwerwiegende Einwände erhoben werden, vor allem der, daß das Einkommen des deutschen Volkes viel zu gering geworden sei, als daß wir noch sparen könnten, und daß — was uns richtiger zu sein scheint — das deutsche Volk jetzt nicht etwa bloß oom Einkommen, sondern zweifellos darüber hinaus vom Vermögen lebe. Vielleicht kann nach mancher Rich tung hin eine Einschränkung der Lebenshaltung noch möglich sein, obwohl wir das nicht für sehr wahrscheinlich, vor allem aber im Endeffekt für nicht sehr wichtig, ja sogar für volkswirtschaftlich bedenklich halten. Und was die sparsamste Verwendung des zur Verfügung stehenden Kapitals anlangt, so ist wohl ohne weiteres anzunehmen, daß man für ein Kapital, das mit 20 bis 75 verzinst werden muß, schon des ungeheuerlichen Zinssatzes wegen die allerrentabelste Verwendung, sucht. Aber die eigentliche Hilfe erwartet Luther gar nicht von diesen beiden Maßnahmen, sondern vom aus ländischen Kapital, dessen Geneigtheit, sich uns zur Verfügung zu stellen, jedoch erst nach Erledigung des Sachverständigengutachtens und dem Zustandekommen der SW-Millionen-Mark-Anleihe eintreten könne. Hier kommt die politische Seite der Ausführungen des Ministers zum Vv'schein, übrigens ist das eine politische Betonung, die bei den meisten Befürwortern der Annahme des Sachver ständigengutachtens in den Vordergrund geschoben wird. Dennoch hat es bisher noch niemand gegeben, der die wirtschaftliche Erfüllung des Sachverständigengutachtens für möglich hielte; auch Dr. Luther hütete sich, ein Wort darüber zu verlieren. Trotzdem empfiehlt man die An nahme nicht bloß aus theoretisch-politischen, sondern auch vor allem aus wirtschaftspolitischen Gründen, weil nur aus diese Weise eine Hilfe von außen für unsere Wirtschaft zu erwarten bleibt. Vom Staat hat jedenfalls die Wirtschaft nichts zu er warten, und namentlich lehnte LutherjedenVer- such ab, angesichts der schweren wirtschaftlichen Notlage eine generelle Ste«er stundung in den am schwersten leidenden Wirtschaftszweigen vorzuschlagen. Ein solcher Antrag sei von vornherein zur Aussichtslosigkeit verurteilt, wenn man auch in Einzelfällcn rücksichtsvoll Ver fahren wolle. Denn vom Oktober ab falle für die Rc-ichsfinanzen jede besondere Einnahme fort, und diese müßten infolgedessen d u r ch'l a u f e nde S teuer er n n a h m e n gedeckt werden. An eine solche Deckungs- Möglichkeit sei aber gar nicht zu denken, wenn nicht gleich zeitig der Zahlungsplan des Sachverständigengutachtens nm'seinem Moratorium für das Jahr- 1924-25, währenddessen wir nur 200 Millionen Goldmark Barzah lung zu leisten haben, in Kraft trete. Die Debatte hat sich also eigentlich gar mcht um den Inhalt des Sachverständigengutachtens zu drehen, sondern lodiglich um die Frage, welche p o l itis chen undwi rt - Schafts politischen Folgen die Annahme oder Ablehnung des Gutachtens durch Deutschland mit sich führen würde. Das ist aber in diesem Augenblick, wo in London der Kampf zwischen den Bantiers und den Poli tikern tobt, ungewisser denn je. Ak FimMMW betzmn Us ihrem SWWM Eigener Gernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Lvndvn, 24. Juli. Der diplomatische Berichterstatter des „Star" hatte eine Unterredung mit dem in London befindlichen amerikanischen Bankier Francis Sissow Sisson erklärte u. a., die Anleihe sei eine Angelegenheit der privaten Kapitalsanleger. Sie werde nicht von den Banken oder Regierungen garantiert. Infolgedessen sei es wesentlich, dass der Kapitalanleger mit seiner Sicherheit zufrieden fei. Cs handle sich nicht um eine politische, sondern um eine geschäftliche Frage. Er nehme an, daß Amerika 80 Prozent der Anleihe zeichnen werde. Aber die Kapitalanleger zögerten, eine ausländische Anleihe zu zeichnen, außer wenn sie bezüglich der Sicherheit durchaus befriedigend sei. Das amerika nische Publikum brauche eine« Anreiz zum Kauf fremder Wert- ' papiere, besonders wenn es an die Möglichkeit glaube, daß eine oder die andere Macht eine separate Aktion unternehmen und der i übrigen Welt gegenüber eine diktatorische Haltung einnehmen könne. Der amerikanische Kapitalanleger werde nicht zum Zeich nen gebracht werden, außer wenn jede Großmacht bereit sei, sich loyal dem allgemeinen Plan zur Wiederherstellung der Lage in Europa anzuschließe». „Einiger Fortschritt" in -er gestrigen Vollsitzung London, 24. Juli. Die Bollkonferenz beendete ihre Sitzung um 5 Uhr. Wie verlautet, fei einiger Fortschritt gemacht worden. Eine neue Vollsitzung ist bisher nicht vereinbart, doch heißt es, daß die verschiedenen Ausschüsse bis zum Wochenende tagen und ihre Beratungen fortsetzen werden. Mehrere Fragen sind von der Konferenz den verschiedenen Ausschüssen erneut zur weiteren Erwägung unterbreitet. Schwierige Kompromitzversuche. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London , 24. Juli. Wie die Blätter melden, sind während der letzten 24 Stunden fortgesetzt Versuche unternommen worden, eine Üebereinstimmung über die beiden Hauptschwierigkeiten zu erzielen, nämlich die Haltung der Bank- und Finanzinteressen- ten gegenüber der Garantie für die Reparationsanleihe und über das Eisenbahnproblem im Rheinland und Ruhrgebiet. Der Eisenbahnentwurf. Paris, Die Reparationskommission erhielt gestern de» Gesetzentwurf, der die Uebergabe der deutschen Eisenbahnen an die neue Neichseisenbahngesellschaft vorsieht. Der Gesetzentwurf ist vom Staatssekretär Bergmann, Staatssekretär Bogt und dem Franzose« Lefevre und dem Engländer Ackworth ausgearbeitet. Die fremden Eisenbahner unter der internationalen Eisenbahngesellschast. London, 24. Juli. Die Franzosen und Belgier versuchen den Bankiers mit folgendem Vorschläge entgegenzukommen: Die ökonomische Räumung der Ruhr beginnt am 15. August und ist in acht Wochen vorüber. Was die 4000 französischen und belgischen Eisenbahner anbetrifst, so werden sie der internationalen Eisen bahngesellschaft beigegehon, hie nach dem Dawes-Plan die Ge schäfte der Eisenbahn versorgt. Gegen diesen Vorschlag wenden sich nicht nur die Bankiers, sondern auch die Engländer, die da durch die ökonomische Einheit Deutschlands gefährdet sehen. Das Kompromiß über die Verfehlungen uud Sanktionen Eigener Fernfprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 24. Juli. Wenn die Anformation des Londoner Berichterstatters des „PM Journal" Mtrifft, so treten gewisse Delegationen dafür edr, daß das ursprüngliche Projett der ersten Kommission Wer die Verfehlungen und Sanktionen bechet-alte» werden soll. Aufatzgaramien für dis anglo-amerikanischen Geld geber sollen in Ler Form eines Amendements zugestanden wer den. Dis französische Delegation hat sich mit dieser Form ein verstanden erklärt. Es würde sich um die Kompromißformel des Ministerpräsidenten Theunis handeln. Die französische Delega tion besteht allerdings daraus daß das Projekt nach Hinzufügung des Amendements von Ler Konferenz auf der Stelle ratifiziert werde. Demission -es norwegischen Ka-inetts. Christiani«, 24. Juni. Das norwegische Kabinett Berge hat gestern abend sein Demissionsgesuch eingereicht. Es kann noch Alls der Suche «ach dem Kompromiß. Die Kluft zwischen Bankiers und Politikern. „Es kann noch lange Lauern," hat gesprächsweise Ler französische Ministerpräsident Herriot gesagt, und die Vor gänge der letzten Tage zeigen, daß er recht hat. Gar manche Frage harrt noch der Klärung, vor allem aber ist es trotz eifrigen Bemühens der Politiker noch nicht gelun gen, die Kluft, die sich zwischen ihnen und den Finanz- männern aufgetan hat, zu überbrücken. Zuerst ist der bel gische Ministerpräsident Theunis ans Werk gegangen und hat folgende Vorschläge gemacht: 1. Die Repko stellt unter Hinzuziehung des stimm berechtigten amerikanischen Privatmannes eine Nicht erfüllung Deutschlands fest. 2. Die Repko wird alsdann den Generalagenten für die Reparationen und einen Vertreter der Zeichner der deutschen Neparationsanleihe befragen, ob Deutschlands Nichterfüllung eine vorsätzliche sei oder durch technische Mängel nnvermeidlich bedingt wird. 3. Wird der vorsätzliche Charakter der deutschen Nicht erfüllung bejaht, sei also der Fall der Anwendung von Sanktionen gegeben, so bernft die Reparationskommiflion einen Sachverständigenausschuß ein, der aus Mitgliedern des Dawes-Ausschusses zusammengesetzt sein müsse. Dieser Ausschuß hat dann ein Gutachten darüber zu erteilen, welche Sanktionen am besten geeignet sein würden, Deutsch land zur Erfüllung des Dawes-Planes zu nötigen. Darauf aufmerksam gemacht, Laß Lie nur gutachtliche Tätigkeit des neuen Ausschusses Len Bankiers schwerlich genügen würde, hat er Laun nach einer Unterredung mit Uoung den Punkt 3 dahin abgeändert, daß nach einer fest gestellten deutschen Nichterfüllung die Reparationskom mission-verpflichtet sein würde, ihre begründete Entscheidung und das Gutachten Les Generalagenten und des Ver treters der Anleihezeichner einem Sachverständigenaus schuß zu überweisen, der zusammengesetzt fein müsse aus Mitgliedern des Dawes-Ansschusses und aus Vertretern derjenigen Banken, die die deutsche Anleihe in London und Neuhork auflegen würden. Die Reparationskommiffion müsse diesem Ausschuß die Befugnis übertragen, zu ent scheiden, ob Deutschlands Nichterfüllung eine vorsätzliche sei, und welche Sanktionen in diesem Falle anzuweuden seien. Dagegen haben aber Lie Franzosen sofort ent schieden Einspruch erhoben, die unbedingt die Machtstellung der Revko erhalten wollen. lange dauern. Ein zweiter Vorschlag, der vom amerikanischen Bot schafter Kellogg ansgeht, sieht vor, daß die Repara- tionskommission-berechtigt ist, unter Zuziehung eines Amerikaners die Nichterfüllung Deutschlands fest zu stellen. Nach dieser Feststellung aber soll statt der Einholung des Gutachtens des Generalagenten für die Reparationen und eines Vertreters der Anleihe zeichner ein Sachverständigenausschuh einbe- rusen werden. Dieser Ausschuß -besteht aus fünf Finanzsachverständi gen, Lie Mitglieder Les Dawes-Ausschusses gewesen sind. Alle weiteren Schritte der Reparationskommission müssen dann auf Grund von Beratungen mit diesem Sachverstän- digcnausschutz erfolgen, sowie auf Grund der Entscheidun gen, die dieser Sachverständigenausschutz gefällt hat. Alle alliierten Mächte müssen ein Protokoll unterzeichnen, wo nach ste sich verpflichten, während der Laufzeit der An leihe keine Sanktionen auszuführen oder anzuwenden, die nach Ansicht des Sachverständigenausschusses geeignet sein könnten, den Zinsendienst der Anleihe zu ge fährden. Dieser Plan soll mehr Aussicht auf An nahme durch die Franzosen haben. Aber es scheint, als ob Herriot selbst nicht recht weiß, wieweit er in Zugeständ nissen gehen darf. Denn er trägt sich bereits mit der Ab sicht, für ein paar Tage nach Paris zurückzukehren, um mit den dortigen Parlamentariern Fühlung zu nehmen. Amerikas Hilfe für Europa. Hughes in Übereinstimmung mit Coolidge. Der amerikanische Staatssekretär Hughes hat bei einem ihm zu Ehren veranstalteten Festessen in einer Rede ausgeführt, daß auf den Beistand Amerikas bei Ler wirt schaftlichen WieLerherstellung Europas gerechnet werden könne. Offenbar hat man es hier mit einer offiziellen Mit teilung zu tun. Denn im Weißen Hause in Washington werden die Worte des Staatssekretärs als eine allge meine Feststellung der amerikanischen in ternationalen Politik unter der Regierung des Präsidenten Coolidge gedeutet. Hughes habe seine An sprache auf dein Essen vor Antritt seiner Reise mit Coolidge besprochen, und der Präsident sei der Ansicht, daß die Vereinigten Staaten unter Ler gegenwärtigen Regierung durch das Versprechen, das Hughes gegeben habe, verpflichtet seien, und alle Anstrengungen gemacht werden müßten, es aus Zu fuhren.