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Mittwoch. — Rr. LZM-: DtllMt Will Preis für da- Vierteljahr I V, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Die österreichische Vorlage am Bundestage. -----Leipzig, 12. Febr. Noch ist das Siegel des Geheimnisses von der österreichischen Vorlage am Bundestage nicht gelöst, noch weiß man nicht authentisch, ob Oesterreich vom Bunde die volle Aneignung der fünf Punkte und die Uebernahme derselben Verpflichtungen für den Fall ihrer Verwerfung, die es selbst, angeblich wenigstens, gegen die Westmächte ein- gegangen ist, oder ob es nur eine moralische Unterstützung des Friedens- Werkzeugs verlange, und ebenso ungewiß ist, waS eS dagegen im eigenen und im Namen seiner Verbündeten biete, ob irgendeine Art von mitbera- thender Theilnahme des Bundes an den Conferenzen, oder nur eine mit telbare Vertretung desselben durch sich selbst. Die Beleuchtung der Frage: was soll der Bund «Hun? kann sich daher nur um diese verschiedenen Eventualitäten bewegen Wir haben von jeher einer möglichst activen Theilnahme aller direct oder indirekt bei der Zurückweisung der russischen Uebergriffe interessirten Staaten an der Coalition gegen diese Macht das Wort geredet, und wir können auch jetzt nicht anders, als den Hinzutritt Deutschlands zu dem großen europäischen Bündniß, wenn auch nur erst in der letzten Stunde, wenn auch vielleicht für den Augenblick mit keinem andern thatsächlichen Erfolg, als den einer Constatirung dieses HinzutriltS auf dem Papiere, dringend wünschen und anrathen. Zwei Dinge sind möglich: entweder die Erklärung Deutschlands, daß es sich die Friedens vorschläge aneigne und nöthigenfalls für dieselben bewaffnet mit einstehen werde, hilft Rußlands Nachgiebigkeit vollenden und jeden Versuch eines Zurücktritts dieser Macht von den gethanen Zugeständnissen abschneiden; dann wird Deutschland Europa einen großen Dienst erweisen, sich selbst aber die Fortdauer der bereits so fühlbaren Rückwirkung des Kriegsstandes auf seinen Verkehr erspart haben. Oder der Friede kommt dennoch nicht zustande, di« Verhandlungen werden abgebrochen, und zwar unter solchen Umständen, daß Deutschland, vermöge seiner im voraus abgegebenen Er klärung, genöthigt wäre, zu einer activen Rolle überzugehen, dann freilich würden wir die Last des Kriegs direkt mitzutragen, unsere Soldaten und unser Geld zu einem allgemeinen Kriege aufzuwenden haben; aber wir würden damit auch das Recht und die Hoffnung erkaufen, von dem Kriege, dessen Nachtheile wir bisher schon mittelbar mittragen mußten, ohne etwas davon zu haben, dann wenigstens bei einem zu hoffenden günstigen Ausgange desselben positive Vortheile für uns zu ziehen. Wenn wir übrigens von einer Aneignung der FriedenSpropositionen von Seiten des Bundes sprechen, so versteht sich von selbst, daß wir darunter nur die bereits klar formulirten und in bestimmter Begrenzung vorliegenden begrei fen ; also di« vi«r ersten Punkte, nicht aber den fünften, dessen Inhalt und Tragweite durchaus noch unbestimmt und nicht im voraus zu übersehen sind. Ferner sehen wir voraus, daß Deutschland für den Fall, wo es actio mit aufzutreten genöthigt wäre, sich im voraus alle Rechte vollkommen gleicher und gegenseitiger Bundesgenossenschaft mit den andern bereits ver bündeten Mächten sicherte, insbesondere das Recht, bei künftigen abermali- gen Friedensverhandlungen, je nach den in der Zwischenzeit mit seiner Bei hülfe errungenen kriegerischen Erfolgen, neue Bedingungen von sich aus, im eigenen wie im allgemeinen europäischen Interesse, stellen zu dürfen. Was die formelle Seite der Sache betrifft, die Frage nach der Ver tretung deS Bundes auf den Conferenzen im Falle einer wirklichen Bethei- ligung desselben daran, so würde Oesterreich es wol am liebsten sehen, wenn der Bund lediglich durch seine Vermittelung sich dabei vertreten ließe, sei eS, daß er blos in einem Separatbündniß mit Oesterreich (ähnlich dem zwischen ihm, Preußen und Oesterreich geschlossenen vom 24. Juli und 9. Dec. 1854) dessen Position verstärkte, ohne doch in direkte Beziehungen zu den kriegführenden Mächten selbst zu treten, sei es, daß er zwar eine specielle Repräsentation verlangte, aber die Ausübung dieser (wie nach dem Bundesrecht zulässig) der Präsidialmacht Oesterreich überließe. Eine andere Möglichkeit wäre die, daß der Bund durch die beiden deutschen Großstaaten, Oesterreich und Preußen, mitvertreten würde, wie dies z. B. in der luxem- burger Frage geschehen ist. Dafern Preußen überhaupt auf eine Theilnahme des Bundes und seiner selbst an den Conferenzen eingeht, wird es natür lich diese Modalität nicht blos wünschen, sondern wahrscheinlich sogar ver langen. Und allerdings liegt für Deutschland in einer solchen doppelten Ver tretung nicht nur die Bürgschaft größern Nachdrucks seiner Stimme bei den Berathungen, sondern zugleich die Gewähr, daß, neben den Interessen sei ner Beziehungen nach dem Süden hin, deren natürlicher Fürsprecher Oester- reich ist, auch seine Interessen im Norden, bei denen zunächst Preußen mit- betheiligt erscheint, nicht unvertreten bleiben. Freilich wäre dabei nothwen- dige Voraussetzung, daß die beiden Großmächte-immerfort im echtdcutschen Interesse und im Geist der Einigkeit untereinander handelnd aufträten, eine Voraussetzung, welche bei den letzten großen Friedensverhandlungen, an de- 37. —— 13. Februar 18S6. Zu beziehen durch alle, M » - Postämter de- In- und MM HlltllM «LS' Jnsertionsgebühr neu Deutschland theilnahm, dem zweiten Pariser Frieden, leider nichts we niger als zutreffend sich erwies. Noch einen dritten Weg gäbe eS, und dieser wird, wie man sagt, von den Cabineten der Mittelstaaten angestrebt: eine Vertretung Deutschlands weder durch Oesterreich allein, noch durch Oesterreich und Preußen, sondern durch einen aus der Mitte der Bundesregierungen frei zu wählenden und von der Bundesversammlung speciell zu instruirenden Bevollmächtigten. Die ser Weg hat zwar insofern etwas sehr Ansprechendes, als dadurch am mci- sten der Bund als eine selbständige Gcsammtheit, nicht als ein bloßes An. hängsel Oesterreichs oder Preußens zur Darstellung käme; allein seine prak tische Betretung bietet große Schwierigkeiten dar, nicht blos wegen deS zu befürchtenden Widerspruchs der beiden Großmächte dagegen, sondern auch wegen der nicht unbegründeten Besorgnisse der kleinern Staaten vor einer von den Mittelstaaten (deren einem oder anderm natürlich diese Special« Vertretung des Bundes zusallen würde) möglicherweise zu befolgenden Son- derpolitik, endlich wegen der Eifersucht dieser letztem selbst untereinander,, indem zwar Zeder für sich auf diese Vertretung Anspruch machen, Keiner aber so leicht dem Andern dieselbe gönnen möchte. Die nächsten Tage wer den entscheiden müssen, welchen Weg von den angedeuteten oder ob über- Haupt einen der Bund zu gehen sich entschließt. Deutschland. Preußen, ^-Berlin, 11. Fcbr. Nach einer Meldung aus Pe tersburg ist Graf Orlow, der andere Bevollmächtigte Rußlands zu den Fricdensconferenzen, vorgestern von dort abgereist. Es heißt, daß derselbe seinen Weg über Wien und Berlin nehmen werde. Baron Brunnow ist, wie aus Paris gemeldet wird, dasselbst bereits angekommen. — Im Lagcr der Kreuzzeitung betrachtet man die Abstimmung über den Anttag des Grafen Schwerin natürlich als einen großen „Sieg", und die Kreuzzei tung selbst unterläßt nichts, um diesen „Sieg" soviel als möglich heraus- zustreichen. Dahin gehört auch ihr höhnischer Ausruf: So viel Geschrei und so wenig Wolle! Auf Beides, auf den sogenannten „Sieg" wie auf das tunk äs bruit pour uns omviette, sind indessen ein paar kurze Bemerkungen zu machen. Was den „Sieg" betrifft, so konnte bei der gegenwärtigen Zusammen setzung deS Hauses seitens des Grafen Schwerin und Derjenigen, welche seinen Antrag mitunterzeichnet hatten, doch wol schon von vornherein nicht an ein Durchgehen ihres Antrags zu denken sein. Es kam daher auch nicht so- wol auf das Resultat der Abstimmung als vielmehr auf das moralische Er gebniß der Verhandlungen, resp. auf die Thatsachen an, die sich im Laufe der Verhandlungen als Beweismittel für die Begründung des Antrags her- ausstellen würden. Und diese Thatsachen sind derart, daß, w«nn auch nur die Hälfte der zur Sprache gebrachten Dinge wahr wäre, immerhin doch noch Stoff genug übrigbleiben würde, um eine Omelette für die Kreuz« zeitung daraus zu kneten, deren Geschmack mit den Aeußerungen ihres Sie- gesjubelö in einem sonderbaren Contrast stehen würde. — Die heutige Num mer der Feuerspritze enthält Folgendes: „Einem Namensvetter des Mit gliedes des Abgeordnetenhauses, welches den bekannten Antrag gegen die Juden eingebracht hat (Wagener), ist soeben ein anonymer Brief zugegan- gen, in welchem die Drohung enthalten ist, ihn, wenn er den Antrag nicht zurücknähme, über den Haufen stechen zu wollen. Der Brief soll so Man chem einige Beklemmungen verursacht haben und zur Beseitigung derselben endlich der Polizei übergeben worden sein." — Baron v. Senfft hat dem Herrenhause folgenden Antrag vorgelegt: „Die Staatsregierung zu ersuchen, die crfoderlichen Maßregeln baldigst da hin zu treffen, daß die Besitzer von Eisenbahnen, Fabriken, Manufakturen und Actienunternehmungen für Bergbau und andere Gewerbe angehaltcn werden, ihrer Verpflichtung für Armenpflege zu genügen." Motivirt wird dieser von 21 Mitgliedern des Hauses unterstützte Anttag dadurch, daß es ein harter Druck für Armcnverbändc sei, namentlich für kleine, arme Bauerngemcinden, diejenigen Arbeiter zu versorgen, welche lediglich durch ihre, dem Vortheil der bezeichneten Unternehmungen gewidmete Thä- tigkeit erwerbsunfähig geworden seien. — Die von dem ehemaligen Vorsteher einer KnabcnerziehungS - und Beschäftigungsanstalt in Berlin, Namens Malmcne, und von meh ren seiner früher« Zöglinge eingelegten Begnadigungsgcjuche in der Un tersuchungssache wider den Erstem wrgen vorsätzlicher Körperverletzung und Mishandlung eines Menschen, sind dem Vernehmen nach allerhöchsten OrtS zurückgewiesen worden. Die gegen den Malmene rechtskräftig erkannt« sechsmonatliche Gefängnißstrafe dürfte nunmehr zur Vollstreckung kommen. * Leipzig, 42. Febr. Wir sind von Berlin aus um Aufnahme der unten folgenden Berichtigung in Betreff des „Schwarzen Buch" ersucht worden: ° Berlin, 10. Febr. Die Deutsche Allgemeine Zeitung enthielt neu-