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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.02.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-02-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191102264
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110226
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110226
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-02
- Tag 1911-02-26
-
Monat
1911-02
-
Jahr
1911
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BrzugS-Prei» »««ljtdrl. vei uns«» i^UüU»» ». An. «ihiWiNI« «d««hoitt 7» H ««aL, A.T2 »lerttytbU. v«rch »t« V«k: t»»«-«ld L«ulsch!a»dL «nb d« be»t>chr» ttolontr» »irnelsLtzü. L.»» »onatt. UK4 »»«ichi. P,stdr!lellgkld. ,Z»rn« m Bel,len, Dänemark, den Donauslaaten, Aralie», liuremdur,, Nieder la Nb«, N«- w«a«. Oesterreich- Un,arn, «ustla»d, Schwede», San»«, u. Spanien. I» «lle» übrche» Staaten nur direkt durch dt, Geschäststilelle de« Blatte« erhältlich. Da« Leipzig« Tageblatt erscheint 2 »al täglich. Sonn. ». Fei«!ag» u»r morgen«, etooluieu eal-lilnnabme: August»4platz 8, bei uns«»» Trägern, Mlialen, Spediteuren und Lturahmeftellen, sowie Postämter» und Brirsträger». Si»,el»,rk»»s«prri« d« Moraeir- auägabe IV der » beud iuägab« s ch, «edattton und «eschästsstell« I»han»i»gajs« v. ^«»tprecherr i«SVL l«8tv. 1««ä- ripMerTageblaü Handelszeitung. Amksvlatt des Nates «n- -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Auzeiqeu-Preis M INchavate «r» Leipzig und UmgeSuna »w K^ipaltene SV »o> breit» Pettlzeile L ch, die 7« nun breit« Aeklauiezeil« I «, »»«wärt« ilv Reklamen t.20 ^g- Jaserate va» Behärde» iw amtlich« Teil dt» 7« mm breit, vetitzeil« «0 »eschästtaazeigen mit Ptagvarschrist« und « b« L -enda»1aab« im Preis» «bäht. Riibatl nach Taris. Beilagegedühr d p. Tausend exkl. Poitgebühr. Hestert eilt« Austräg« kLnaen nicht zurück» -«zogen werden. Hür da« Erscheinen an bestuumtea Tag« und Plätzen wird k«i»» Garaati« übernommen. «nzeigen-Annabme: Augustulplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen «lunoncen» ltxpedrtioaen de« In» it»d Äullande«. Ha»pt-Kilial« Nerkt»: »arl Duncker. Herzogs. Bapr. Hofbach» Handlung Lüyowstrade lv. (T«l Phon VI. Str. 46W). Haupt-Ziliale Ore«dea: Serstratz« 4, 1 sT«l«phou 4o/l). «r. 57 Sonntag, ürn LS. /ebrnar ISll tos. Jahrgang. Das Dichtlgste. * Im Leipziger Buchgewerbehause wirb heute eine Ausstellung zur Bekämpfung der Schmutz- und Schundliteratur eröffnet. lS. d. bes. Art.) * Der Reichstag fetzte am Sonnabend die zweite Lesung des Militäretats fort. l«. Reichstagsbericht.) —— * Der Allgemeine Deutsche Hansa- bundstag wird für den 12. Juni nach Berlin einberufen. (S. Dtschs. R.) * Nach einer Meldung der „Agence Havas" hält man die Demission des Kabinetts Briand am Montag als sicher bevorstehend. (S. d. bes. Art. u. Letzte Dep.) * König Ferdinand von Bulgarien feiert heute seinen 50. Geburtstag. lS. Feuill.) * In der Chicagoer Akademie der schönen Künste wurde ein Bombenattcn- rat vereitelt. (S. Tageschronik.) * Bei einer Explosion in der Dynamitfabrik zu Rummenohl wurden zwei Arbeiter ge-. tötet und das Nitrierhaus flog in die Luft. lS. Tageschronik.) Der Seeresetst. Es war gut, daß der Verhandlung des Heeresetats die Beratung des neuen Quin- quennats, der von den verbündeten Regie rungen angeforderten Heeresverstärkung, voran ging. So kam ein Klang in die Verhandlung, den wir ungern entbehrt hätten, zumal in Erinnerung an die Kämpfe und Stürme, die früher regelmäßig jede Heeresvermeyrung be gleiteten. Die Stellung der Parteien zur Armee ist gründlich anders geworden. Früher stimmte die geschloffene Phalanx von Zentrum, Frei sinn, Welsen, Polen, Protestlern und Sozial demokraten regelmäßig gegen jede Heeresver- stärkung. 1893, als das Regime Caprivis der Reichstagsmehrheit die Konzession machte, die zweijährige Dienstzeit der Fußtruppen einzu führen und an Stelle des Septennats nur ein Quinquennat zu verlangen, zeigte sich der erste Lichtblick, obgleich, wie 1887, eine Reichstags auflösung nötig wurde. 12 Zentrumsmänner hatten für die Vorlage gestimmt und die Deutsch- Freisinnige Partei spaltete sich. Die Freisinnige Vereinigung brach mit dem Richterschen Stand punkt unfruchtbarer Negation und trat für die Heeresvermehrung ein. Und heute! Der Fortschritt hat ge schlossen für das neue Quinquennat gestimmt und die Haltung der anderen Parteien — mit Ausnahme natürlich der Sozialdemokraten und Polen — weist nur einen häßlichen Fleck auf: jene Leute vom bayrischen Zentrum, als deren Sprecher der Abgeordnete Dr. Heim auftrat. Mit seinen Bemängelungen der Reichsfinanz reform hatte der obstinate Zenrrumsbayer aller dings vollkommen recht. Keine der Versprechungen, die das von der Reichstagsmehrheit gestützte Finanzprogramm der Regierung zu machen ge glaubt hatte, ist gehalten worden. Von der Ermäßigung der Zuckersteuer, der Wiederauf hebung des Grundstücksumsatzstempels, der Er höhung der Mannschaftslöhne ist es still, mäuschenstill geworden. Man sollte meinen, es entspreche der Logik, daß sich Herr Dr. Heim voll Grimmes nun gegen die Mehrheits parteien wendet. Er denkt anders. Er stimmt gegen die so durchaus notwendige Heeresverstärkung. Trotzdem auch er natürlich weiß, daß die Selbstbeschränkung der Heeres verwaltung in ihren neuen Forderungen sehr vielen Sachverständigen zu weit gegangen ist. In diesen Zentrumsbayern, die nach dem Sturze Trailsheims jubelten, jetzt sei der nationale Kaiserschwindel in Bayern aus, lebt eben noch jener Geist, den Bismarck im April 1880 in seiner berühmt gewordenen Depesche an den «Botschafter Prinzen Neuß mit den Worten schilderte: „Gerade in Existenzfragen, wie der Militäretat . . . steht die katholische Partei wie ein Mann geschloffen uns gegenüber und nimmt jede reichsfeindliche Bestrebung unter ihren Schutz." Jetzt hat das Zentrum gelernt, daß es sich nicht mehr „wie ein Mann geschloffen" solchen nationalen Forderungen widersetzen darf. Ob diese äußere Erkenntnis zu einer inneren Umwandlung geführt hat, muß dahingestellt bleiben. Die eigentliche Debatte zum Heeresetat, eingeleitet vom unvermeidlichen Abg. Erzberger, konnte naturgemäß nicht dieses Bild der Ein helligkeit aller Parteien bieten, das der Tag vorher gebracht hatte. Es muß auch betont werden, daß das, was der Kriegsminister von Heeringen der laut gewordenen Kritik entgegensetzte, durchaus ungeeignet war, die vorgebrachten Bedenken zu beheben. Wie wir an der kriegsministeriellen Zurückweisung der ungeheuerlichen Schmähung des Abgeord neten Noske, die Mannschaften des deutschen Heeres würden „schlimmer behandelt als Hunde" den rechten Klang vermißten, so konnten wir uns mit jener Tonart nicht befreunden, die der Kriegsminister gegenüber berechtigten Be schwerden fand. Was soll man dazu sagen, wenn der Kriegs minister, „um ein klares Bild zu gewinnen" bei den Zahlen über die bürgerlichen und adligen Regimentskommandeure — die Garde ausscheidet! So recht der Kriegsminister mit dem Tadel des Unfugs hatte, ohne vorherige Ankün digung neue Beschwerdefälle vorzutragen, so daß natürlich eine sachliche Auskunft nicht er teilt werden kann: Was soll das heißen, daß er auch über Fälle, die in der Presse längst und ausführlich erörtert wurden, das Material sich nicht verschafft hat! Was soll es ferner be deuten, wenn der Kriegsminister die systema tische Versetzung der Offiziere aus „guten" in „schlechte" Regimenter und umgekehrt ablehnt im Namen der Homogenität des Offizierkorps, die herzustcllen doch eben die Durcheinander mischung all der verschiedenen Elemente, aus denen sich die Offiziere ergänzen, das geeignete Dkittel wäre. Wer wollte, könnte aus den Worten des Kriegsministers noch eine ganze Reihe der artiger Unstimmigkeiten herausholen. An seinen Ausführungen zur Frage des jüdi schen Neserveoffizierersatzcs kann man aber nicht vorübergehen. Der Abgeordnete Paasche hatte in sehr sachlicher und objektiver Weise, der Abgeordnete Gothein mit viel Temperament und in diesmal recht geschickten Ausführungen die Frage zur Sprache gebracht. Der Kriegsminister ge brauchte demgegenüber vielfach, in Anlehnung an die Muster seiner Vorgänger, eine Doppel taktik. Einmal zerpflückte er ein paar für seine Zwecke besonders brauchbare der oorgebrachten Fälle — für den Rest lag ihm das Material natürlich nicht vor — und wies an ihnen nach, daß in diesen Fällen keine unberechtigte Zurück setzung der jüdischen Offiziersaspiranten vorge kommen wäre. Sehr schön; nur das eine er klärte er nicht, woher es kam, daß sämtliche von den verschiedenen Kriegsministern jemals aufgeklärten Fälle niemals die Tauglichkeit eines jüdischen Aspiranten ergeben haben. Ein Spiel des Zufalls. Zu seltsam, als daß man daran glauben könnte. Auf der anderen Seite gab er zu, daß auch antisemitische Regungen häufig das Urteil der Vorgesetzten färbten. Aber dagegen könne man nun einmal nichts machen. Die allgemeine Verfügung be stehe und werde immer wieder in Erinnerung gebracht. Diese Ausrede — wir können keinen anderen Begriff dafür finden — scheint uns außerordent lich bedenklich. Sollte wirklich in der deutschen Armee die Armeeleitung ihren Willen gegen über den renitenten Offizierkorps nicht durch setzen können ? Wäre das wahr, so stünden die Dinge sehr schlimm. Daß der Kriegsminister diese Behauptung aufgestellt hat, wird das Prestige unserer Armee gegenüber dem Aus lande nicht heben. Wir protestieren aber gegen diese Behauptung. Sie trifft nicht zu. Wäre der ernsthafte Wille an den leitenden Stellen vorhanden, die „sonnenklare Rechtslage" — jo sagte der Kriegsminister selbst — in die Praxis umzusetzen, so würde das in kürzester Zeit zu erreichen sein. Dieser ernsthafte Wille fehlt aber, und wie immer man sich zu der Frage als solche stellen mag: Daß dies mit allen Künsten der Dialektik, mit Bonhomic und Pathos, mit Beteuerungen und Verschleie rungen abgestritten wird, das ist ganz außer ordentlich bedenklich. Italiens Jubeljahr. Am 26. Februar 1861 hatte der Senat des Königreichs Sardinien sich für die Bereinigung der italienischen Länder zu einem „König reiche Italien" ausgesprochen. Am 10. März trat die bereits erwählte konstituierende Nationalversamm lung diesem Beschlüsse bei. Man stano noch mitten in der brausenden Werdest. Erst am 13. Februar hatte König Franz nach fünfmonatiger tapferer Ver teidigung in Gaeta kapituliert. Freilich hatte General Cialdini die Romagna, die Marche und Umbrien durch seinen Sieg bei Castelfidardo vom Kirchenstaate abgerissen; aber das Patrimonium deckten die Franzosen. Venetien war österreichisch geblieben. Alles war unfertig, war halb und ver worren. Da man sticht nach Nom durfte und in Turin nicht bleiben wollte, so wurde die Hauptstadt nach Florenz, an Dantes Geburtsort, verlegt. Die Lust ging hohl von vergangenen und zukünf tigen Umwälzungen. Viktor Emanuel II. war zum König« ausgerufen; aber das Volk sang und sagte, Latz er 1000 Feinde erschlagen habe, Garibaldi in- denen 10 000. Des Königs Erscheinen im Lager in Gaeta» Sterbestunde sah fast aus, als solle dem Natto ralbelden der verdiente Siegeslorbeer neidisch entwunden werden. Da» Heer der Norditaliener war höchstens Mittelgut. Daß ohne die französische Hilfe der so schon kümmerliche Sieg von Solferino gewonnen wäre, glaubte niemand. Durch den Hinzu tritt der neapolitanischen Truppen mit ihrer schmach vollen Vergangenbeit wurde die Wehrtüchtigkeit gewiß nicht verbessert. Napoleons fortwirkende Freundesgunst aber war mehr als zweifelhaft. Eben hatte er sich Savoyen und Nizza als Entschädigung ausliefern lassen. In Neapel hatte er die Restau ration der Murats vorbereitet. Die Finanzen waren erbärmlich. Das junge Königreich schien mit dem Bankerotte beginnen zu wollen. Es ist alles besser gekommen. Der Papst ist als weltlicher Herrscher entthront, und Venedig durch die Schwenkung von dem französischen Kaiser zu Bis marck gewonnen. Rom ist seit vierzig Jahren Hauptstadt. Italien ist längst als Groß macht anerkannt. Es spielt im Rate der Völker die Rolle des Vielumworbenen. Sein Heer, seine Flotte sind auf einen achtunggebietenden Stand gesetzt. Sein« Finanzen sind wider Erwarten günstig entwickelt. Die Minister prunken mit Ueberschüsseu, die den Neid mancher Kollegen in andern Ländern erwecken. Handel und Wandel haben sich erfreulich gehoben. Italien darf also mit einer gewißen Genug tuung auf seine 50jährige Cöeschichte zurückblicken. Freilich ist es vor schweren Sorgen und auch vor schlimmen Schicksalsschlägen nicht bewahrt geblieben. Die ärgsten Heimsuchungen hat über das staatlich und wirtschaftlich aufstrebende Land indes nicht Menschenhand gebracht. Zwar hat nicht, wie August von Platen in einer Stunde politischer Ver zweiflung seiner geliebten Adoptivheimat an wünschte, „das Meer zugleich von Ost und 2Vest seines Männervolks unselig letzten Nest weggeschwemmt". Aber Erdbeben und Vulkanausbrüche von seltener Furchtbarkeit haben in diesen 50 Jahren grauenvoller als in vielen Jahrhunderten seine Städte, seine Dörfer verwüstet: und die tückische Seuche, mit der sich Indien an dem seinen viel hundertjährigen Schlummer störenden Europa rächt, hat in Italien mit besonderer Wildheit gewütet. Allein ihre Schrecken erreichen kaum die Ver heerung, die eine geistige Krankheit der modernen Kulturwelt in d«m Lande angerichtet hat, das vor Zeiten eine verklärende Poesie zum friedlichen Rahmen süßer Hirtenidylle umdichtete. Italien teilt sich mit Rußland und zum Teil Spanien in den traurigen Ruhm, eine Brutstätte Les terro ristischen Anarchismus zu sein? Es soll nicht geleugnet werden, daß ein ungesunder sozialer Boden, zumal in Unteritalien und Sizilien, die Gift pflanze düngt. Aber des Volkes verhängnisvollste Mitgift sind die Ueberlieferunzsn jenes Ver schwörerwesens, das so viele Jahrhunderte seiner kleinstaatlichen Geschichte ausgefüllt hat, jenes ewigen Schwankens zwischen Tyrannis und Republik. Das vorausgegangene Halbjahrhundert war natür lich nicht geeignet, die bös« Neigung auszutilgsn. Da ist es kein Wunder, wenn ein kaum dem An alphabetismus entrissenes Proletariat noch nicht be greift, daß politische Bravo-Wirtschaft jetzt auf ein mal nickt mehr gegen die Söhne der Väter „moralisch" sein soll, die selber dieses Kampfmittel in ihren Sittenkodex ausgenommen hatten! Und die iralienischen Proletariertolonien in Amerika leben auch dort nicht in einer Umgebung, in der sie edlere Gesinnungen sich anzueignen vermöchten. Neben dem neumodisckjen, politisch verbrämten „Anarchismus der Tat" bestehen aber zu allem Unheil auch noch die älteren Verbände der Maffia, der Camorra in Unter italien fort, die ohne das Aushängeschild einer höheren politischen Absicht einfach kommunalpolitisch morden und stehlen. Nicht einmal das ganz gemeine Brigantenunwesen ist völlig ausgerottet, so oft opti misnsche Regierungen das auch behauvten wollen. Nach der Vollendung der italienischen Einheit ist das Königreich von europäischen Kriegen verschont geblieben. Nicht immer war der Friede gesichert. Solang« die monarchistisch« Partei in Frankreich herrschte, mußte befürchtet werden, daß sie die römische Frage aufrollen werde. In jene Zeit fallen die ersten Annäherungen an Deutschland und Oesterreich, di« zu einem Austausch von Königs besuchen in den Jahren 1873 und 1875 führten, trotz der persönlichen Anhänglichkeit Viktor Emanuels II. an die romanische Vormacht. König Umberto hat dann ein festes Friedensbündnis mit den germa nischcn Reichen geschloffen, und mit Nachdruck den Umtrieben der „Italia irred«nta " gewehrt, die immer noch den Grenzstreit mit Oesterreich wieder aufnehmen möchte. Sein gewaltsamer Tod von Anarchistenhand hat uns eines zuverlässigen Faktors unserer politischen Kombinationen beraubt. Die ohnehin unsicher tastende, dem Koteriewesen sich politisch nennender, aber mehr durch persönliche Machenschaften bestimmter Fraktionen anheim gegebene innere Landesverwaltung läht den Wühle reien der Oesterreich-Feinde und Französlinge neuer dings wieder bedenklichen Spielraum. Der über triebene Eroßmachlsehrgeiz, der dem Lande bereits einen verlorenen Afrikakrieg eingetragen hat, trachtet danach, die Dreibund-Freunde zum Objekt des italienischen Schachspiels hcradzu drücken. Indessen wurde die politische Verbindung wiederholt verlängert, und in alleriüngskr Zeit ist ein Streben ersichtlich geworden, die etwas gelocketten Fäden wieder fester zu knüpfen. Wir haben immer noch das Neckt behalten, d«m Königreich« Italien an seinem Jubelfeste ohne Unwahrheit und ohne falsche Sentimentalität die Freundeshand zu drücken, und ihm zu wünschen, daß in einem weiteren Halb jahrhundert ihm eine friedliche Entwicke lung beschieden sei, daß es ihm gelingen möge, die noch unausgeheilten Schäden seiner alten Zerrissen heit, seiner kleinstaatlichen Mißverwaltung, seiner wirtschaftlichen Verkümmerung und sozialen Zerklüf tung ihrer endlichen Gesundung entgegenzuführen! Zur geplanten Blerlteuer in Leipzig. Die Erörterungen über die vom Rat der Stadt Leipzig geplante Einführung einer Biersteuer nehmen an Lebhaftigkeit zu, je näher der Tag der Entschei dung rückt. Die Unzufriedenheit mit diesem Steuer Projekt ist allerdings nur zu begreiflich. Zweimal hintereinander ist bereits vom Reiche das Brauerei gewerbe zur Besteuerung herangezogen worden. Durch eine besonders günstige Ernte hat man sich über den letzten Schlag einigermaßen Hinweghel en können. Gegenwärtig sind die Ernteaussichtcn recht ungünstig, und demzufolge dürfte sich ür die Folge im Brauerei- und Gastwirtsgewerbc die Lage viel kritischer gestalten. In diesem Augen blick erscheint der hiesige Stadtrat mit der Vorlage einer Biersteuer, die für die Gastwirte nicht abwälz bar ist, ohne daß dabei eine übertriebene Belastung des Publikums herauskäme. Trotzdem werden aber die Gastwirte zweifellos diesen Versuch unternehmen, denn das Entscheidende für die ganze Frage ist der Umstand, daß der grüßte Teil der Gastwirte immer noch i/io Liter mit 15 verkauft. Dieser Teil der Gastwirte muß unbedingt eine Abwälzung vor nehmen. Da sie nicht in Bruchteilen vollzogen werden kann, so werden der Kundschaft größere Opfer zugemutet, und dann beginnt eben wieder ein Bierkrieg in voller Heftigkeit mit allen beklagenswerten Begleiterscheinungen. Ganz abgesehen von den wirtschaftlichen Nach teilen und Bedenklichkeiten, die die Einführung dieser Steuer im Gefolge haben, kommt auch noch die politische Seite sür die Wirkung in Betracht. Das ist bisher bei allen Erörterungen viel zu wenig berücksichtigt worden. Wir stehen schon jetzt im Zeichen der Reichstaaswaylen. Das ganze Volk ist von Unzufriedenheit und Verbitterung über die sogenannte Reichsfinanzreform und über manche andere Maßnahmen der Regierung erbittert, sodaß ein Anschwellen der roten Flut befürchtet wird. Unter diesen Umständen sollte jetzt alles ver mieden werden, was der Sozialdemokratie neuen Zuzug verschaffen könnte. Die Biersteuer würde allerdings zu den Maß nahmen gehören, die die bereits bestehende Unzu- friedenhett noch verstärken. Der Wahlkreis Leivzig- Stadt ist für den Nationallideralismus und damit für das Bürgertum überhaupt einer der sichersten in ganz Sachsen. Es ist aber sehr fraglich, ob er bei der nächsten Wahl eine weitere schwere Belastungs- Vs; Leiprig» Lageblsn ist die einzige Zeitung Leipzigs, welche 2 mal täglich erscheint. Dasselbe kostet monatlich frei 6aus durch Träger nur 90 pfg-, durch die Post nur M pfg. Täglich steigende Abonnentenzahl, daher vorzüglich geeignet zur Veröffentlichung von Familien- und sogenannten kleinen Anzeigen.
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