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Freitag. Str. 41. 27. Mai 1870. Erscheint Dienstagsund Freitag». Zu beziehen durch alle Postanstalten. Weißeritz-Zeitmrg. H Amts- uud Anzeige-Ml der Königlichen Gerichts-Jemter und Itnöträche zn Dippoldiswalde ovd /ranenstein. Vrrmtwortlicher vrdarteur: Lari Zehne in Sippoldirwnlde. TageSgefchichte. Dippoldiswalde, den 25. Mai. Die „Consti tutionelle Zeitung" druckt in Nr. 114 einen „aus der Provinz" an sie gerichteten Brief ab, der ein Ereigniß au« unserer Nähe bespricht, da« wir unseren Lesern auö verschiedenen Gründen nicht vorenthalten wollen. ES betrifft dasselbe einen Uebergriff, den sich ein pro testantischer Geistlicher, der Pfarrer Hünichen in Hermsdorf, in amtlicher Hinsicht erlaubt hat, und der um so schonungsloser der Oeffentlichkeit preisge geben werden muß, als die protestantische Kirche mit allen Kräften sich dagegen zu wehren hat, nach und nach in Zustände hineingebracht zu werden, wie sie in der katholischen jetzt durch die Proclamation des Dogma's von der Unfehlbarkeit ihren Abschluß erhalten sollen. Vor dem genannten Pfarrer — wir referiren ge nau nach der Const. Ztg. — erschienen Anfangs dieses Jahres zwei Leute, um das Aufgebot zu bestellen. Da die Frau eine Geschiedene ist, der jedoch als unschul digem Theile die Wiederverheirathung zusteht, so weigert Pastor Hünichen zunächst das Aufgebot, entschließt sich aber später auf ausdrückliche Weisung der Superintendur, dasselbe vorzunehmen; aber wie? Er verliest erst andere Aufgebote, bringt die üblichen Segenswünsche — und liest dann, mit Weglassung aller Wünsche, das fragliche Aufgebot zum Schluß vor. Freilich fühlen sich die Verlobten gekränkt, trösten sich aber mit der Hoffnung, daß der liebe Gott sie auch ohne das Votum des Pfarrers segnen werde, und bestellen die Trauung. Doch dazu kann der Herr Pfarrer sich nicht entschließen. Warum? weiß Niemand. Die Sache geht darum an die Super intendur, Kreisdirection, das Ministerium, und das letztere verordnet, es soll den Verlobten nachgelassen werden, sich in einer anderen Kirche trauen zu lassen, ohne daß sie jedoch daraus angetragen haben. Es ist das Mitte März, und wer Hermsdorf im Winter kennt, wird begreifen, daß es Etwas sagen will, mit einem Hochzeitszuge eine benachbarte Kirche aufzusuchen. In« deß, wenn das auch nicht wäre, die Leute verlangen in ihrer Parochialkirche getraut zu werden. Die Sache geht abermals denselben Weg zurück, und es erfolgt die neue Entscheidung: „die Trauung solle in Hermsdorf, aber von einem anderen Geistlichen erfolgen, wozu der Pfarrer die Kirche unweigerlich zu öffnen habe." — Das Braut paar sagk sich zwar: „Was wird die Gemeinde denken, für was für verworfene Leute muß sie uns halten, wenn es der Pfarrer mit seinem Amte für unvereinbar hält, uns zu trauen?" — Doch vie Leute sind des Hinhaltens müde; denn seit Januar bis Ende Mai spielt das Stück, und werden sich also von einem anderen Geistlichen trauen lassen. — Der Korrespondent der Const. Ztg stellt die Frage auf: „Was geschehe z. B. einem Lehrer, der seiner vorgesetzten Behörde entgegenträte und sagte: Ich muß zugeben, das und da« gehört zu den von mir amtlich zu verrichtenden Funktionen, ich thu' es aber nicht. Würde man ihm auch einen Substituten bestellen? Vielleicht, aber für alle Zeiten!" — Wir möchten hin zufügen: Wer vergütet dem hin- Und hergeschobenen Brautpaare Kosten, Zeit, Aerger und andere ihnen möglicherweise erwachsende Nachtheile? Oeffnen solche Hierarchen nicht der von ihnen so gefürchteten und ge haßten Civilehe Thür und Thor? Auf den referirten Aufsatz der Const. Ztg. ist am 24. Mai im officiellen „Dresdner Journal" in ein gehender Weife geantwortet. Zunächst sind sämmtliche Thatsachen vollständig zugegeben; das Verfahren de» Pfarrers Hünichen wird ein ungerechtfertigte« und takt loses genannt, dasselbe entschieden getadelt und mitge- theilt, daß dem genannten Pfarrer wegen seines Ver haltens in dieser Angelegenheit eine sehr ernste Zurecht weisung ertheilt worden sei. Auf die Weigerung des betr. Pfarrers, die Kirche zu der Trauung öffnen zu lassen, sei demselben bemerklich gemacht worden, daß ihm ein Verfügungsrecht über die Kirche in dieser Beziehung in keiner Weise zustehe, er sich vielmehr den Anord nungen des Kirchenregiments widerspruchslos zu fügen habe, bei fortgesetzter Weigerung aber sich schwerer Verantwortung aussetzen würde. Schließlich und im Verlaufe des Artikels wird wiederholt ausgesprochen, wie die kirchlichen Obrigkeiten keineswegs gestatteten, daß ein Geistlicher seine persönliche Auffassung im Gegen sätze zu der gesetzlichen Ordnung zur Geltung bringen dürfe. Ehe man aber zur Absetzung schreite, müsse natürlich durch mildere Maßnahmen eine Verständigung versucht werden. — — Bei dem am 24. dss. MtS. abgehaltenen Ferkelmarkt wurden 36 Stück zum Verlauf gestellt; davon sind 32 Stück, das Paar zu 8, 9, 10'/r und 11 Thlr., verkauft worden. — Die diesjährigen Wollmärkte in Sachsen fallen in Reichenbach auf den 7. Juni, in Bautzen auf den 10. Juni, in Dresden auf den 11. Juni und in Leipzig auf den 13. und 14. Juni. * Dippoldiswalde, den 26. Mai. Am Sonn tage wurde in Dresden der Gautag des Turn- verbandeS der sächs. Mittelelbe, wozu auch Dippoldiswalde gehört, abgehalten. Bei demselben waren ungefähr 40 Abgeordnete anwesend, von uns aus Herr Turnlehrer Thurm. Ein von der hiesigen Turnerschaft gestellter Antrag, bezüglich anderer Ein-