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Nummer 107 — 25. Jahrgang -mal möchentl. Bezugspreis für Juli 8 00 einschl. Beltettgelü. Anzeigenpreise: Di« Igesp Petitzetlr 804< Stellengesuche 20 4 Di« Petitredlamezeile. 8V Milli« meler breit. 1 Offertengebühren für Sell»ftabholer SO 4 bei Uebersendung durch di« Post außerdem Vortorulcklag E>nzel-Nr 10 4 Sonntags-Nr 15 4s veschäftlicher Teil: I. Hillebrand in Dresden. kiiill'I'ttll' preöto ksssiLlslIe billigst 8l!7! Oresöen - VtsNinsrsIrsvs 43 i- SLcklMtie Mittwoch, 28. Juli 192S Im Fall« höherer Gewalt erlischt jede Berpflichtun, auf Lieferung sowi« Erfüllung o. Änzeigenaufträg« u. Leistung v. Schadenersatz Für undeutl. u d. Fern ruf übermitt Anzeigen übernehmen wir keine Der antwortung Unverlangt eingesandte u. m. Rückport« nickt versehene Monuldriote wer» nickt autbemahrt Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag» Hauptschristleit.: Dr. Joseph Albert. Dreso«! rinris'i'linluu» KokI 0 rescien Stnivvnti'gks 7 Uests t)aslit3tea biieclrigste Preise ^ru« ,»>d Verlag, Saronm- vuchdruckorei GmbH.. DrcSdk»-A. I. PoUersNake 17. gernr»' 21VI2. Poll,rbecklo»lo Dresden >1797 NanNonlo: Bafsenae 6- 7rt«s0ic. Dresden. Für christliche Politik und Kultur .Nebaktioi, der Tachsiicheu VolkSzeuung Dresden.SUMadl l. PoNerslrane 17 ^ernrn' 20711 Nttid 10l2. 'Ä Deutsch und europäisch Von Friedrich Mucker mann, S. I. Es läßt sich nicht leugnen, daß die Ideen der Hu manität, des Friedens und des Völkerbun des eine innere Verwandtschaft aufweisen. Sie bilden geradezu einen in sich geordneten geistigen Kosmos, der durch seine Schönheit und Erhabenheit das Menschen gemüt bezaubert. Es ist im Grunde unbegreiflich, daß es nur so schwer gelingen will, diese geistige Welt zur führenden Europas zu machen. Wo liegt hier eigentlich das entscheidende Hindernis? Aeußerlich betrachtet be finden sich die Hauptfeinde der neuen europäischen Ideen in den Lagern der sogenannten Nationalisten. Es ist nicht zu viel gesagt, daß eine bestimmte Art von Na tionalgefühl sich instinktiv gegen alles sträubt, was in die Richtung einer neuen friedlichen Ordnung der Dinge weist. Zerlegt man diese bestimmte Art von National- gesühl in ihre Komponenten, so ergibt sich ein starkes Vorwiegen militärischer und m a ch t w i r t s ch öst lich e r Einschläge. Wie sollte es auch anders sein? Ist doch das jüngste Nationalgefühl, wobei man vorwiegend an Deutschland denken mag. vor allem durch den M i l i- tärstaat Preußen bestimmt worden. Man wußte nicht anders, als daß die Armee der Hort aller staatlichen Sicherheit und Zukunft sei. Und so wurde Vaterlands gefühl zu einer Art Armeegesühl. Weiter war die Freude am jüngsten Kaiserreich bestimmt durch die wirtschaft lichen Erfolge, die im Kampfe mit der Weltkonkurrenz erzielt wurden. Während Arbeit an und für sich fried liche Stimmung nährt und in Friedenszeiten am besten gedeiht, haben doch die Umstände dahin geführt, daß auch in diese Gebiete eine Kampfstimmung eindruiig, die sich ganz natürlich mit den militärischen Gefühlen verschwi- sterte, um eine vaterländische Haltung hervorzubringen, die etwas Trutziges und Herausforderndes an sich hatte. Es ist ganz klar, daß ein solches Nationalgefühl mit einer wahren Begeisterung für das Völkerbundsideal nicht wohl in einer und derselben Seele wohnen kann. Einleuchtend ist auch die Aufgabe, daß wir an diesem Punkte erzieherisch einsetzen müssen, wenn wir unser Volk für die neuen Ideale gewinnen wollen. Es haben nun manche versucht, jegliches National gefühl als kulturfeindlich und verlogen hinzustellen. Weil sie in neueren Zeiten, nachdem das Hinter-den-Kulissen des Weltkrieges mehr und mehr bekannt geworden, Be weise genug für ihre Auffassung beibringen konnten, so hatten sie damit einen gewissen Erfolg. Man darf aber wohl zweifeln an der Dauerhaftigkeit dieses Erfolges. Und warum? Wie gerade die jüngste Erfahrung lehrt, gehört das Nationalgefühl zu dem im Haushalt der Menschheit Unentbehrlichen und Naturhaften. Die Na tur treibt man aber nicht aus, ohne daß man ihre Rache erfährt. Man wird hübe» und drüben fanatisch werden, d. h. Vernunft durch Leidenschaft ersetzen. Damit aber verlieren die Ideale das in sich Beruhigte, das aus dem eigenen Wesen heraus Sieghafte, das Erhabene. Und so scheint mir, sollte man mit diesem Nationalgefühl anders verfahren. Es ist in seinem wahren Wert anzuerkennen, aber so zu erziehen, daß es von ganz bestimmten Zeit bedingungen befreit und geradezu in den Dienst der neuen europäischen Gedanken gestellt werde. Treff lich hat das in seiner europäischen Revue der Prinz Nohan entwickelt, der die Kuppel der Nationen stützen will auf die nationalen Kräfte der E i n z e l v ö l k'e r. Hierin folgt jener Führer eines neuen geistigen Europa nur den Spuren des russischen Dichters Solowieff, der in seiner anschaulichen und tieffinnigen Art den inneren Zusammenhang von Nationalgefühl und Menschheits gefühl aufweist. Für Solowieff bildet den Kern allen menschlichen Daseins das Individuum, das Einzelwesen. Seine Blüte heißt Familie. Wiederum will sich die Fa milie entwickeln und wird zum Volke. Aber auch das Volk will noch einmal aufwärts streben, will Weite und Höhe über sich haben und so drängt es zur Menschheit. Dante, der Ausdruck des höchstgesteigerten italie nischen Nationalgefühls, ist darum naturnot wendig, zugleich einDichterderMenschheit, was sich in ähnlicher Weise von allen Großen aller Völker aussagen läßt, die ausnahmslos das Geschenk eines Vol kes an die Menschheit genannt werden können. Gerade dem Deutschen wird bei seiner organischen Auffassung aller Dinge eine solche Betrachtungsweise außerordent lich liegen. Gerade bei uns wird sie außerdem dem Genius unserer Geschichte entsprechen. Wie kommt es nur, daß Kant, Goethe und Leibnitz, um nur diese zu nennen, gewiß eine tiefe Liebe zu ihrem Volke hatten, daß sie aber zugleich in einem so ausge sprochenen Sinne Europäer waren? Sicherlich nicht bloß deswegen, weil es zu ihrer Zeit ein einiges starkes Deutschland nicht gab, sondern weil in ihnen sich der Geist unserer Geschichte auswirkte. Das alte Deutsche Reich l)atte von Haus aus abendländische Prägung. Der Idee dieses Reiches widersprach es nicht, daß außer Deut schen auch Tschechen und Ungarn darin Raum hat- Die parlamenlslose Heil als Zeit -er Selbstbesinnung Die gegenwärtige parlamentslose Zeit sollte für das deutsche Volk eine Zeit der Selbstbesinnung werden. Mit schrillem Aus klang ist der Reichstag auseinandergegangcn und hat die ent scheidende Frage der Innenpolitik ungelöst gelassen. Aber ge rade diese Tatsache hat glücklicherweise in vielen Lagern zu ernsten Betrachtungen der politischen Lage angeregt. Wir möch ten glauben, das; die Kundgebung der Ientrumspartei wesentlich mit dazu beigetragen hat, die dringend nötige Klärung zu be schleunigen. Bei der ausschlaggebenden Bedeutung von Zen trumskundmachungen zerstörte sie von vornherein alle Ideen auf einen möglichen Bürgerblock und entließ die Sozialdemo kratie absolut nicht aus der schweren Verantwortung der Zu kunft. Dadurch hat die deutsche Politik wieder Ziel und Rich tung !m Negativen und Positiven gesunden, dessen sie dringend bedurfte. Ten Zorn der Extremen kann das Zentrum dabei tra gen, es hat nie um sie gerungen, weil sie sich ihm ständig ver sagten. Aber wenn heute bereits einer der Führer der Volks partei im Preußischen Landtag, von Campe, über ein Pro gramm nachsinnt, wodurch der innere Streit auf ein Minimum herabgesetzt werden könne, so ist das an sich erfreulich und be weist, daß auch aus dieser Seite die Notwendigkeit einer posi tiveren Politik empfunden wird. Man wird dies umso ernster zu werten wissen, als bekanntlich von Campe zu den Volksparteilern gehört, die ständig der Wiederbelebung der großen Koalition in Preußen im Gegensatz zu anderen Freunden seiner Partei den stärksten Widerstand ent gegengesetzt haben. Auch das ist ein Stück Selbstbesinnung, das nötig ist. Selbstbesinnung ist eben das Gegenteil von jener Politik, die oft genug großen Parteien als Weisheit letzter Schluß er schien. Selbstbesinnung aber gilt es nicht nur »ach rechts, son dern auch nach links zu predigen. Die Kundgebung des Zen trums ist kein Freibrief für die Linke, sie möge nicht vergelten, daß sie der Verantwortung nicht entlassen ist und möge keine Hoffnungen darauf setzen, daß zuletzt das Zentrum anderen di» Kastanien aus dem Feuer holt und den Retter spielt. Das deutsche Volk steht an einem innenpolitischen Wende« Punkt. Es geht in den nächsten Monaten um den Kurs der Zukunft. Der republikanische Gedanke wird sei ne Feuerprobe zu bestehen haben. Noch mehr: die De, mokratie wird beweisen müssen, daß sie zu regiere» versteht. Das Zentrum erkennt den ganzen Ernst der Lag? darum mahnt es, aber auch andere fühlen, daß etwas wie künfi tige weittragende Entscheidungen in der Luft liegt, daher oa< Bedürfnis nach Selbstprüfung. Sicher aber ist dies: Mitgestal- tend werden nur diejenigen sein, die am rechten Augenblick dabei sind. Wer sich selber ausschaltet, wird erleben müssen, daß die Zukunft ohne ihn gemacht wird. Niemand in Deutschland kann sich darüber beklagen. Die Zuckungen der revolutionären Epoche liegen mehr und mehr hinter uns, die Zeit der Gestaltung ist gekommen. Fortschrittlich oder Reak- tion, das ist die Losung. — Diejenigen, welche glauben, daß die Zukunst mit Putschen und Volksentscheiden und Reichstags auflösungen gemacht würde, täuschen sich bestimmt. Gewalt, mittel sind in der Politik niemals aufbaucnd. Es ist bedauer lich genug, daß gewisse Grundgedanken und Grundströmungen des politischen Lebens allzu einseitig in den Flügelparteien vertreten werden, aber gerade die vielfach gewollte Ausschaltung der Flügelpartcien wird maßgebend für die inncrpolitische Aus gestaltung sein. Ein republikanischer Staat kann vor allem die geivollte Selbstaussci>altung der größten republikanischen Par« tei auf die Dauer natürlich nicht ertragen. Man macht dann auf dieser Seite die Opposition, die nur ein Kampfmittel sein soll, zum unheilvollen Selbstzweck. Die Entwicklung wird i>k>»* solche „Politiker" hinweggehcn und über ihre Ideen! len. War in ihm auch die Spannung von Nation und Uebernation, so stellte doch dieses Reich einen wahren Völkerbund im Keime dar. Bekanntlich spielten die Stämme in jenen Tagen eine besondere Nolle und be kanntlich war dieses ganze Reich grundsätzlich durch organisiert. indem Stämme und Stände nicht als mathe matische Teilgrößen, sondern als gliedhafte Einheiten eines geordneten Organismus, also einer lebendigen Ordnung, betrachtet wurden. Dieses Denken ist uns in den Zeiten rein wirtschaftlicher Auffassung verlorengegangen, tauchte aber bereits wieder auf a l s Frucht des Weltkrieges. Denn gerade im Welt krieg und in dem was darauf folgte, haben wir die in nere Verbundheit aller Lebensgebiete und aller Staaten erkannt. Wir sind auch auf dem staatlichen Wege in einer Entwicklung, die von rein rationalistischer Auf klärung wegführt und den Sinn für das Lebendige weckt. Wir begrüßen es, wenn manche verschollene Denker und Dichter unseres Volkes heute wieder aufstehen. Indem wir uns in ihren Geist vertiefen, in das Deutscheste vom Deutschen, entdecken wir zu unserem größten Erstaunen bei ihnen zugleich das Europäischste vom Euro päischen. Es wird die Aufgabe der Völkerbunds erziehung sein, das einseitig gewordene und zum Teil auch unwahre, undeutsche und vergiftete National gefühl der letzten Vorkriegsjahre Zurückzuverwandeln in das Urdeutsche und Europäische. Damit roden wir das Land und schaffen die Bedingungen für Aufnahme und Wachstum der Völkerbundidee. Damit überbrücken wir zugleich so manche Parteigegensätze, wo sich doch hier nicht nur ein demokratisches, sondern auch ein konserva tives Interesse regt. Und wir werden nationale Feste feiern, auf denen nicht endlos bis zur Uebermüdung nur Preußenmärsche erklingen, die man gar nicht zu verban nen braucht, die aber schließlich nur ein Ton in dem auch an anderen Stimmen so überaus reichen Orchester des deutschen Volkes sein sollen, eines Orchesters, in dem Deutschland ist und zugleich Europa Deutschlands amerikanische Anleihen Seit Annahme des Da wes plan es. London, 27. Juli. (Drahtbcricht.) Nach olner Agenturmeldung aus Washington gibt das Han delsdepartement bekannt, daß Deutschland seit Annahme des Dawesplanes 904 Millionen Dollars geliehen hat. von welcher Summ« mehr als di« Hülst« aus den Vereinigten Stoa- ten ltammt. Der mexikanische Kulturkampf Dem Köhepunkl enlgegen Am 1. August treten in Mexiko Vie vom Präsident Cal- les festgesetzten neuen Kirchenbedingungen in Kraft. Nach den Aussührungsbestimmungcn zu dem in der Verfassung verfügten Verbot des Religionsunterrichtes in Privatschulen darf kein Geistlicher Leiter oder Lehrer von Privatschulen sein. Wei terhin sind in solchen Schulen Bctsäle und Kapellen, sowie alle Gegenstände religiösen Charakters verboten. — Auch von den Marktplätzen sind durch die Polizei alle religiösen Zeichen und Statuen entfernt morden. Verstärkte Polizcikräste patrouillie ren durch die Ortschaften, um jede» Widerstand im Keime zu er sticken. Das Militär wird ebenfalls in Bereitschaft gehalten. In einem Hirtenbrief hat der amerikanische Episkopat an gekündigt. daß ab 1. August alle kirchlichen Handlungen, bei denen pricsterliche Mitwirkung erforderlich ist, eingestellt wer den. Der Hirtenbrief bezeichnet die neuen Kirchenbedingungen als einen Verstoß gegen die mexikanische Verfassung. Die Kirche handle nicht ausrührerisch, sondern halte sich an die gesetzlichen Bestimmungen. Die durch die Anordnung des Präsidenten vor- gcschriebencn Angaben für das K i r ch e n i n v c n ta r. das nach dem Gesetz als Staatsgut gilt, würden die Priester nicht machen. Die Gläubigen werden in dem Hirtenbrief aufgesor- dert zu verhindern, daß die Kinder Schulen besuchen, in denen der Glaube gefährdet ist. Alle friedlichen gesetzlichen Mittel zur Aenderung der neuen Bestimmungen müßten angewandt werden Die Kirchen sind angesichts der bevorstehenden Einstellung des Gottesdienstes überfüllt. In der Kathedrale von Mexiko allein fanden am Freitag über 3000 Firmungen statt. Der Aus zug von Nonnen, Mönchen und Geistlichen hält an. Teilweise planen sie die Errichtung von Schulen auf dem Boden der Ver einigten Staaten nahe der Grenze. Die zurückblcibenden Prie ster tragen beinahe ausnahmslos schon jetzt Zivilkleider. Gegen die Organisation der Katholiken, die „Nationale Union für reli- giöse Freiheit" geht die Untersuchung fort. An Stelle der ver- iiafteten Leiter, die im Militärgcfängnis festgehalten werden, sind bereits neue gewählt. Die Mitglieder benachrichtigen ein ander durch .Handzettel. Auf diese Weise werden auch Verhal tungsmaßregeln für die Zeit nach dem 1. August gegeben. Der Kulturkampf in Mexiko nähert sich also nunmehr sei nem Höhepunkt. Wie bei allen früheren Auseinander setzungen zwischen Staat und Kirche ist auch hier der Staat b«. reit, seine ganze Brachialgewalt in die Wagsrliale zu wer fen. Die „Erfolge", die andere Staaten in früheren Zeiten aus diese Weise erzielt haben, sind freilich wenig ermutigend für die sozialistische Regierung Calles.