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Dresdner Journal : 10.09.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188709102
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870910
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870910
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-09
- Tag 1887-09-10
-
Monat
1887-09
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 10.09.1887
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VSIV. S»,»x»pn«i»» ^^rlick keicda. tritt ko,^ uoä ^MrUet»! » g^wpsI.Q.c^ »>i°iu. Li»»«loe U»uul»«r»: 1V kL L»tL»ckixiu>U»r«daili'«» r k'ür cis» k»uw «io^r ssspLltsusi» 2«ils Uorvor SetuiN ÜO?k. vQt«r „k!L^s«u><it" äi» 2«U« KO ki. ö« I^bsUs»- »sä ÄL«n» »tt «ottpr. AukivtU»^. Lr»et»«t»»nr lAEÜsd mit XniL»tuu« clsr Ko»»- asä »d«aä,. k'srv^prvctl -tiueUll»»: Ur. iiSb. Sonnabend, den 10. September, abend-. 1887. DresdnerIourml. Für die Gesamtlettung verantwortttch r Dtto Banck, Professor der Litteratur. und Runstgeschichte. F> Lr—«tttettee, OommimwoLr -« '?n»<tnnr ^»ar»»I»j L»md»rU - I«rU»-Vt«-L«1p«lG >»»«1->r»«t»»-r»»»^A«rt ».: //aEn-t«« <F L^11»-V1«-S»»»»«r, kr»,-l..tp^«-rr»Lk1vrt ». : L-L M»««, ?^t» Loväo» - S«U» - kr»LLt«r1 ». N. - : D*«d« F L7o.- S.rUa: SSrUt«: dtM«r» ^«»c-l/oioer,' Siu»,L«: 6 L^Seelar,' L»u« ». I.! /. L-v-t <» So. S«r»»^d«r, Tvuizl L»p«Ut»oo äs. vrsxl»« ^orirv»!», I-rsxtsü, 2»ui^oritr. »0. k'srv.prsot» ^L»vt^it»«: Ur. 1»»». Amtlicher Teil. Dresden, 10 September. Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Mathilde, Herzogin zu Sachsen, ist gestern Nachmittag 4 Uhr 45 Min. nach der Wein burg gereist. Dresden, 8. September. Se. Königliche Majestät haben dem in den Ruhestand getretenen Untersteuer einnehmer Friedrich Wilhelm Großmann in Auerbach da- AlbrechtSkreuz Allergnädigst zu verleihen geruht. Bekanntmachung, die Ausgabe neuer Zinsbogen zu den König!. Sachs. 3 °/« Staatsschuldenkassenscheinen vom Jahre 1855 betreffend. Gegen Rückgabe der in dem Termine 30. Sep tember 1887 ablaufenden, zu den 3<H Staatsschulden kassenscheinen der Anleihe vom Jahre 1855 gehörigen ZinSleisten sollen vom IS. dieses MonatS an neue ZinSbogen, bestehend aus ZinSleisten und Zins- scheinen auf die 12 Halbjahrstermine 31. März 1888 bis mit 30. September 1893, bei der Staatsschulden buchhalterei in Dresden und der Lotterie-DarlehnS- lasse in Leipzig wochentags während der Vormittags stunden ausgegeben werden. Die abgelaufenen ZinSleisten sind nach der Num merfolge geordnet abzugeben, auch sind denselben bei der Lotterie DarlehnSkasse in Leipzig durchgehends und bei der Staatsschuldenbuchhalterei in Dresden in den Fällen, wo der Umtausch nicht sofort abgewartet wer den kann, doppelte, die gleiche Ordnung einhaltende Nummernverzeichnisse, zu welchen Formulare bei den genannten Stellen zu haben sind, beizugeben. DaS eine Exemplar der Nummernverzeichnisse wird, nachdem dasselbe mit Empfangsbestätigung versehen worden ist, den Einreichern sofort wieder ausgehändigt, gegen dessen Rückgabe die neuen Zinsbogen binnen 8 Tagen verlangt werden können. Der Umtausch ist von den Betheiligten persönlich oder durch Beauftragte zu bewirken. Dresden, den 10. September 1887. -er La»btag»av»sch»s z> Verwalt>»g der StaaUschilde». Bönisch. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische Wachrichien. Königsberg i. Pr., S. September. (W. T. B.) Se. Königl. Hoheit der Prinz Albrecht ist nachmittags H3 Uhr von dem Feldmanöver bei Mollehnen hierher zurückgekehrt. Um 5 Uhr fand im Königl. Schlosst ein Diner für die fremdherr lichen Offiziere statt, zu welchem gegen 70 Ein ladungen ergangen waren. München, 9. September, abends. (W. T. B.) In Avwestnheit drS Justizministers v. Leonrod und drS Regierungspräsidenten v. Pfeufer fand heute abend auf dem Arzberger Keller die Be grüßung der zur Teilnahme an dem deutschen An- waltStage hier eingetroffenen Kestgäste statt. Bürgermeister Ur. Wiedenmayer hieß die Teil nehmer im Namen der Stadt willkommen, Justiz- rat Dorn auö Leipzig dankte im Namen der Kestgäste. Stuttgart, 10. September. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der „StaatSanzeiger für Württemberg' veröffentlicht die Ernennung deS StaatSratS v. Schmid zum Minister deS Innern. Wien, 10. September. (W. T. B.) Die österreichisch ungarische Zoll- und HandrlSkonferenz wird, wie die „Presse" meldet, die Verhandlungen über dir Feststellung der Jnstruktioneu für die Handelsvertrags Verhandlungen mit Italien heute beendigen. Krstgestellt find, außer dem Entwürfe deS abzuschlirßrnden Handelsvertrags, der Ent wurf eines zu vereinbarenden Tarifvertrag-, sowie die Begünstigungen hinsichtlich der Seefischerei und drS GrenzverkehrS. Die Beschlüsse der Kon ferenz unterliegen nun noch der Genehmigung der beiderseitigen Ministerien. Paris, 9. September. (W. T. B.) Der neue Handelsvertrag mit Bolivia ist heute unterzeichuet wordeu. DaS „Jourual deS D-bat-" erwähnt gerächt- weise, der französische Konsul iu Rustschuk werde demnächst abberufen werden, weil seine Stellung bei den im Lande herrschenden Zuständen eine äußerst mißliche sei. Pari-, 10. September. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Bei dem gestrigen Bankett i« Militirkafiuo zu Castelnaudary brachte der KriegSmiuister Aer- rou einen Toast auf da- 17. ArmeecorpS und dessen Kommandeur auS. Er sagte: Der an- gestellte Versuch habe den Eifer der Zivilbebörde« und die Hingabe der Bevölkerung gezeigt, von denen man Alle- verlangen könne, wenn eS sich um die Interessen deS Vaterlandes handle. Der Versuch habe jeden Zweifel, der in der Ration obgewaltet, beseitigt, dem Parlament und dem Volke ein Vertrauen eingesiößt, welche- sie bi-her nicht besessen hätten. Er danke dem Armeecorp- und dessen Führer «amen- der Regierung de- LandeS. Madrid, 9. Septnmber. (W. T. B.) Au- Barcelona und Malaga wird von einem heftigen Sturme gemeldet, der große Verluste verursacht habe. Loudon, Sonnabend, 10. September, früh. lW. T B.) Unterhaus. Der UnterstaatSsekretär für Indien, Gorst, erklärte, die Aussichten bezüg lich deS indischen Budgets seien jetzt weniger gün stige; infolge der Bedürfnisse OberbirmaS, sowie infolge deS Wechselkurses werde.sich der ursprüng lich pro 1887/88 veranschlagte Überschuß voran-- sichtlich in ein Defizit von einer halben Million Rupineu verwandeln. Finanziell betrachtet sei Oberbirma eine Enttäuschung, er hoffe inde-, daß da» Land in nicht zu ferner Zukunft seine Au-- gaben selber werde decken können. Da- Han- ge nehmigte schließlich da- indische Budget. Der erste Lord deS Schatze-, Smith, erklärte auf Be fragen, die Regierung habe von dem gestrigen un glücklichen Zusammenstoß zwischen der Bevölkerung und der Polizei in MichelStown gehört; sie sn aber noch ohne Kenntnis der näheren Umstände. London, 10. September. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Bei dem Zusammenstoß, welcher gestern in Mit- chelStown (Irland) zwischen der Bevölkerung und der Polizei erfolgte, find zahlreiche Personen ver wundet worden, darunter 1 Advokat und 1 Priester. DaS Militär säuberte schließlich die Straßen. Dresden, 10. September. Von der Landwirtschaft in Rußland. Wir haben uns gestern der Frage nach der Sicher stellung unserer deutschen Landwirtschaft zugewandt. Ohne bestimmte Vergleiche anstellen oder für passend halten zu wollen, ist es doch lehrreich, einen Blick auf das Wesen und den Mißstand der Landwirtschaft in einem großen Nachbarstaat zu werfen, der ohnehin dazu be rufen ist, einen Teil der für Europa fehlenden Körner- früchte zu liefern. Eine Schädigung und ein Rück gang in der Ertragsfähigkeit des Ackers, deS eigent ¬ mittelrussischen Kreisen hat man über den Umfang des Pachtwefens genaue Nachforschungen angestellt; die selben enthielten 298 genauer untersuchte Güter; nur in 6 Proz. derselben war noch eigene Bewirtschaftung mit gemieteten Arbeitern, aber von diesen war die Hälfte im Besitze kleiner Eigentümer, Bauern, Kolo nisten u s. w. In 31 Proz ist der größere Teil der Landes an Bauern verpachtet, in 63 Proz. aber ist gar nichts oder doch nur ein ganz nichtiger Teil in eigener Bewirtung verblieben. Dabei ist die ratio nelle Landwirtschaft nicht blos den Händen de- Adels entfallen, sondern sie hat aufgehört und sich in den brutalsten Raubbau verwandelt. Das gepachtete Land wird schlecht bestellt und gar nicht gedüngt, und so geht auch der Pacht noch rasch rückwärts. Der Be sitzer führt in dem verödeten Herrenhause ein melancho lisches Dasein oder er schlägt sein Gut lo- nnd sucht sich einen andern Lebensunterhalt. Ihm geht eS viel leicht besser, aber das unglückliche Gut kommt nun vom Regen in die Traufe Im Departement Moskau, wo die Verhältnisse noch durchweg am besten sind, waren 1865 noch zwei Drittel sämtlicher Besitzer Edelleute, und ihnen gehörte nicht weniger als neun Zehntel des gesamten Grundeigen tums. Bis zum Jahre 1877 war die Zahl der Edel leute unter den Besitzern von */, auf die Größe ihres Eigentums von auf gesunken. Aber mals liegen 10 Jahre hinter uns, und die angedeutete Bewegung hat ihren Fortgang genommen. Wenn dabei das Land des Edelmanns nur in die Hand des Bauern gekommen wäre, so hätte man vielleicht keinen Grund zum Klagen. Aber dies ist nur im kleinsten Maße der Fall gewesen. Vielmehr hat der groß städtische Kapitalist zugegriffen, wo auf Gütern noch Werte zu haben waren, die sich in kurier Zeit reali sieren ließen. Die Anzahl der grundbesitzenden Kauf leute im Gouvernement Moskau hat sich verdoppelt, ihr Eigentum hat sich vervierfacht; im kleinen Grund besitze ist diese Steigerung unerheblich gewesen, im mittleren beträgt sie das Dreifache, im Großgrundbesitze das Vierfache des früheren; alles im Jahre 1877 gegen 1865. Die früheren Landwirte entäußern sich des Grundbesitzes, weil sich nach ihrer Meinung die dem Staate und Korporationen an. In der Nähe größerer Städte und an den besten BerkebrSadern kann der Edelmann wohl höhere Löhne bezahlen, weil er selbst bessere Preise macht. Aber wo Transport kosten den besten Teil des Erlöses verzehren, sind hohe Löhne eine Unmöglichkeit. Man müßte Knechte dingen. Wohl, aber man hatte nicht einmal Acker geräte, denn dieses war von Alters her im Besitze der frohnenden Bauern Um eS zu beschaffen, mußte man Geld anleihen, aber zu 7 bis 10 Proz. Zinsen. Anleihen konnte man allerdings jetzt leichter machen als früher, teils wegen der Ablösung der Bauern ansprüche, teils wegen des reicheren Angebots von Geld. Aber mit der erleichterten Möglichkeit der An leihens kam die größere Verführung zum Geld- ausgeben; da« goldene Zeitalter schien angebrochen zu sein, die neuen Eisenbahnen verlockten zu weiten Reisen, in den Hauptstädten, im AuSlande lebte man auf fürstliche Art; daheim aber wirtschaftete der Verwalter, der auf jede Weise Geld für die Zin sen und das flotte Leben schaffen mußte. Da ging denn mancher schöne Wald an den Händler, ehe er schlagreif war; das Nachpflanzen wurde aufgeschoben und unterblieb aus Mangel an Geld gänzlich. Da die eigene Wirtschaft des Besitzers kaum eine Rente mehr ließ, so fing man an, zu verpachten. In zwei lichen menschlichen Nährbodens, ist überall ein, wenn nicht die Gegenwart, so doch die Zukunft bedrohender Verlust. Man kann ihn nur aufrichtig beklagen, denn unsere Enkel werden die Mitträger des Mißgeschicks, schon deswegen, weil die gute Ernährung und das friedliche Verharren der Völker des großen Ostens ln Frage gestellt werden. In Rußland ist die Landwirtschaft in jeder Be ziehung daS Hauptgewerbe. Sie verforgt nicht allein das ganze eigene Volk mit Nahrungsmitteln, sondern liefert durch die Ausfuhr ihres Überschusses auch die Mittel, um diejenigen Bedürfnisse vom Auslande her beizuschaffen, welche unentbehrlich sind, aber doch in Rußland nicht erzeugt werden können, z. B. Baum wolle, Kaffee, Thee, viele Fabrikate. Mit der Land wirtschaft ist es in den letzten Jahren merklich rück wärts gegangen. Die billigen Preise haben den Er lös für die Getreideausfuhr erheblich verringert; es ist ja möglich, daß sich die- in den nächsten Jahren wieder bessert, aber sicher ist, daß die Einnahme aus Holz in nicht allzuferner Zeit eine starke Einbuße er leiden muß, weil die Besitzer massenhaft nicht bloß das schlagreife Holz, sondern den ganzen Wald ver silbert haben, und zwar ohne das Kapital anderweitig nutzbringend anzulegen. Der Wald kann so schnell nicht nachwachsen; ehe die entwaldeten Departements in West- und Mittelrußland wieder einen guten Be stand haben, müssen Jahrzehnte großer Misöre ver gehen. über die Zustände in Mittelrußland, also dem eigentlichen Rußland, dem dichtbevölkerten und wirtschaftlich leistungsfähigsten Teile des StaateS, verdanken wir die beste Aufklärung dem jungen AlfonS Thun, der leider schon verstarb, nach dem er seine Baseler Professur erst kurze Zeit beklei det hatte. Bon Geburt Deutschrusse ist er ganz an deutscher Wissenschaft gebildet; er ist vielleicht mit einem Tropfen kathedersozialistischen Oles gesalbt, aber er verdankt einen wesentlichen Teil seines wissenschaft lichen Könnens dem Königl. preußischen statistischen Se minar; wenn er hier die für seinen Zweck so förder liche statistische Methode anwenden lernte, so kommt ihm andererseits zu gute, daß er Land und Leute, -on denen er uns so interessante Daten mitteilen will, aus eigener Anschauung kennt. Sein Werk „Land wirtschaft und Gewerbe in Mittelrußland feit Auf- bebung der Leibeigenschaft" ist zwar schon 1880 er schienen, allein wir haben, wie die „M. N. N." in der nachfolgenden Mitteilung sagen, allen Grund, auf diese Quelle zurückzugreifen, weil die von Thun geschilderten Übelstände seitdem sich noch merklich verschlimmerten. Bei der Aufhebung der Leibeigenschaft sind den Bauern, die damit zugleich aus dem patriarchalischen Verhältnis entlassen wurden, Anteile an den früheren GutSbezirkeu überwiesen, die sie freilich nicht ein mal schuldenfrei erhielten. Der Anteil bestand aus Acker, Weide und Wald, selten aus mehr als 4 bis 5H Hektar, also kaum aus dem, was man in Deutschland einen spannfähigen Besitz nennt; in Rußland, wo die Wirtschaft nicht so intensiv und die Verwertung der Produkte nicht so gut ist, reicht daS aber nicht aus, um eine Familie zu ernähren. Der Bauer ist darauf angewiesen, auf dem verkleinerten Gute des Edelmannes Tagelöhnerdienste zu thun, wie auch der Edelmann ohne Tagelöhner nicht haushalten konnte. Da daS Verhältnis aber nicht herkömmlich war, so gab eS unaufhörlich Mißhelligkeiten wegen der Höhe deS Lohne-; darüber unterblieb viefach die Arbett, der Herr konnte sein Getreide nicht herein bringen, dem Tagelöhner mangelte es an dem Bar ¬ gelde. Auf den Bauer, der ein Drittel des Grund- Landwirtschaft nicht mehr lohnt. Fühlen diese altan- eigentums in Mittelrußland hat, kommen wir hernach sässigen Familien keine Verpflichtung, die Landwirt zurück; zunächst wollen wir einen Blick in die Wirt schäft fortzusetzen, so kann man daS von den spekula- schäft deS Edelmannes thun, der nur ein Sechstel des tiven Nachfolgern erst recht nicht verlangen. Sie Landes sein nennt; die volle Hälfte gehört nämlich kauften namentlich Waldgüter und holzten nun in Feuilleton. Geheilt. Novelle von E. Breiner. (Fortsetzung.) Erschrocken schlug Louison die Hände zusammen, als ihr dabei ihre Handarbeit entfiel und zu Boden alitt. Llemence bückte sich mechanisch danach, und schon wollte sie der Schwester die feine Weißstickerei achtlos hinreichen, als sie plötzlich die Hand damit wieder zurückzog. „Was ist dies?" fragte sie befremdet, da- feine Battisttuch mit dem sauber gestickten Monogramm und der siebcnzackigen Krone darüber, in der noch die Nadel steckte, prüfend betrachtend. Louison senkte den Kopf, wie eine vom Nachtfrost geknickte Frühlingsblume. ,Leanne hat eS mir aus einem Geschäft besorgt"; entgegnete sie zögernd, „ich bin ja so unnütz im Haus halt und habe so viel Zeit." Elemente schlang die Hände in einander und that gesenkten Kopfes erregt ein paar Schritte hin und her. „Da- heißt mit anderen Worten: weil Du von den Zinsen Deines keinen mütterlichen Erbteils nicht nur die ganze Wirtschaft bestreiten, sondern auch die zur Zeit gänzlich erwerblose Schwester erhalten mußt, so bist Du genötigt, für die Leute um Geld zu arbeiten", sagte sie vor Louison stehen bleibend, mit gepreßter Stimme. „O wie mich das schmerzt! Und cch einsichtslose- Geschöpf habe erst gestern meine Verwunderung über den veränderten Zuschnitt unsere» Hauswesens geäußert." „Solltest Du Dich neben Deinen wissenschaftlichen Studien vielleicht auch noch um die inneren Wirt schaftsangelegenheiten kümmern?" unterbrach sie die jüngere; „ich dächte, wer an Wissen so hoch wie Du über der Durchschnittssphäre deS Weibes steht, könne die kleinlichen Sorgen für daS rein Materielle andern überlassen." „Thorheit!" wehrte jene. ,Habe ich auch etwas mehr lernen dürfen al- Du und die meisten unsere» Geschlecht-, so hätte ich mich unbeschadet diese- Wissen- doch längst selbst fragen müssen, wovon wir gegen wärtig unsere Existenz bestreiten, nachdem die Kosten eines so weiten Umzuges, sowie die des Begräbnisse» unsereS lieben Vaters einen großen Teil unseres biß chen Barvermögens verschlungen haben werden. Nein, nein, es war unverantwortlich von mir, in dieser Hin sicht so gedankenlos in den Tag hinein zu leben. Aber es soll anders werden. Ich will nicht länger al- solch ein exklusives Wesen angesehen sein, dem mit wirtschaftlichen Dingen keiner nahe zu kommen wagt, sondern verlange mit aller Bestimmtheit, künftig die gewiß nicht leichten Sorgen um unsere Existenz mit Dir zu teilen!" „Aber diese Sorgen — sind ja garnicht so groß", wandle die Schwester ganz verschüchtert ein, „zudem sst ja nun auch der Anfang zu einer einträglicheren Praxi- gemacht." Clemences Augen verfinsterten sich. „Ich fürchte, daß Du Dich irrst. Nach dem, wat ich vorhin er lebt, verbietet mir mein Stolz, jenes HauS unauf gefordert wieder zu betreten, und mich rufen lassen," setzte sie bitter hinzu, „wird man voraussichtlich nicht." „Aber so sage doch endlich, was Dir wider fahren, und wer der war, welcher meine HerzenS- schwester zu beleidigen wagte?" drängte Louison mit schmeichelnder Bitte. „Jetzt nicht," entschied jene; „erst muß ich lernen, ruhiger darüber zu denken, bevor ich ruhig darüber zu reden vermag. Vorläufig will ich nach jenen Ar men sehen, die mir offenbar mit mehr Vertrauen ent- aegenkommen, als die Reichen und Vornehmen," setzte ste mit herbem Lächeln hinzu „Der alten Leichen wärterin ging eS schon gestern besser, und auch dem Kinde der StadtwächterS gedenke ich das Leben zu erhalten, obschon eS sich anfangs heftig gegen mich sträubte und wie toll schrie, „Du bist ja gar kein Doktor, Du bist ja nur eine Dame". Die Schwester zum Abschied auf die Stirn küssend, verließ sie den Garten. Wer mochte sagen, was unter einem scheinbar ruhigen Äußern in ihrem Innern vor ging? Der kindliche Wunsch, ein Arzt zu sein, um die stets leidende Mutter, die von Geburt an gebrech liche Schwester „gesund" machen zu können, hatte in Clemence schon in frühester Jugend den Keim zu deren späterer Entschließung geweckt, und dieser Keim war von einem Vater sorglich gehegt und gefördert worden, welcher bestrebt war, statt des ihm versagten Sohne» die Tochter wissenschaftlich zu sich heran zu bilden. Da- Mädchen aber hatte diesen väterlichen Be strebungen alle Ehre gemacht und den erwählten Beruf mit einer Begeisterung erfaßt, welche die erfreulichsten Resultate in Au-sicht stellte. Und statt dessen nun dieser ungeahnte Mißerfolg, dieser Kampf mit dem Vorurteil und das ihr allenthalben beg-g- nende, sie tief schmerzende Mißtrauen gegen ihre ärzt liche Kunst! Vereinigte sich nicht alle-, um ihr zu beweisen, daß ihr Heraustreten aus dem hergebrachten weiblichen Wirkungskreis eine Verirrung gewesen, die sie nun mit ihrem verfehlten Lebensglück würde be zahlen müssen? Dazu die eben gemachte Bekanntschaft mit der Sorge um das pekuniäre Fortkommen, diese» unsäglich drückende Bewußtsein, einer siechen Schwester ihr ohnehin geringes Erbteil noch erheblich zu ver kürzen, anstatt diese die Zinsen eines Kapitale- mit genießen lassen zu können, welches Clemence in ihrem erworbenen Wissen ungleich besser angelegt wähnte, als auf jeglicher Landesbank. Wie sehr diese Hoff nung sie betrogen, das sollte die Arme noch vor Nacht aufs neue erfahren, indem sie bei ihrem Heimkommen ein anständiges Honorar vorfand, dem aber gleich zeitig auf einer Visitenkarte der Frau Kammerrat Ihlefeld die Worte beigefügt waren: „Leider muß ich Ihnen für Ihre ferneren Bemühungen danken und zwar aus Rücksichten auf meinen bisherigen Arzt, der als Sohn einer Jugendfreundin mir persönlich nahe steht" Also hatte der abscheuliche Mensch sie bei der alten freundlichen Dame doch zu verdrängen gewußt, wie es wohl auch seinem Einfluß zuzuschreiben war, daß eS Clemence trotz aller ihrer bisherigen Be mühungen nicht gelingen wollte, sich in den besseren Kreisen eine einträgliche Praxis zu verschaffen. Wie sie ihn verabscheute, den gefährlichen Mann mit dem sarkastischen Lächeln, der sich nicht entblödete, auS eng herzigem Vorurteil sich offen für ihren Widersacher zu erkären, und, wo er konnte, ihrem Vorwärtskommen hindernd in den Weg trat!
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