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LL" Zweites Blatt für Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden siir die König!. AuMMMmmschast zn Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wi!sdrnff. vierzigste«; Jahrgang. Erscheint wöchentlich 2 Mal (TienLtag und Freita Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Znseratcnannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) Abonncmentspreis " vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Nr. 98. Freitag, den 3. Dezember 1889. Tagesgeschichte. — Bei den neuerlich nicht nur in Preußen, sondern auch in Sachsen hcrvorgetretenen Bestrebungen, welche auf Beseitigung der Civilstandsgesetzgebung gerichtet sind, ist die zurückhaltende Stel lung bemerkenswert^ welche neuerdings Vertreter der strengsten kirch lichen Richtung dazu entnehmen. Bereits vor wenigen Tagen hielt im Stadlvcrein für innere Mission zn Dresden Professor v. Oertingen aus Dorpat einen Bortrag, worin er vor Allem den Vorwurf zurück wies, daß die neue Civilstandsgesetzgebung die Schuld trage an der zunehmenden Entsittlichung des Volkes, daß es vielmehr ganz anderer Mittel als der einfachen Wiederherstellung des frühere» Zustandes bedürfe, um die Hebung der sittlichen Zustände herbeizuführen. Neuer dings wird ein Beschluß bekannt, welchen am 27. Oktober in seiner letzten Sitzung der Ausschuß der allgemeinen evangelisch-lutherischen Konferenz zu Leipzig gefaßt hat. Derselbe geht dahin, daß die Wie- deraufhevung der obligatorischen Civilehe allerdings wünschenswert!) und zu erstreben sei, aber nicht um einfach zu dem früheren Staude der Sache zurückzukehren, auch nicht um die obligatorische Civilehe gegen die fakultative zu vertauschen, sondern nur dann, wenn an die Stelle der obligatorischen Civilehe die sogenannte erweiterte Nothcivil- ehe gesetzt werde, dergestalt, daß nicht blos, wie früher, solche Personen, welche keiner oder einer vom Staate nicht anerkannten Religionsge meinschaft angehören, sondern auch solche Personen, welchen aus kirch lichen Gründen (wegen vorliegender Scheidung, wegen Religionsver schiedenheit rc.) die kirchliche Trauung versagt bleiben müßte, mittels Civilakts eine staatlich rechtsgültige Ehe eiugehen könnten. In der Begründung wird hervorgehoben, daß die Kirche nicht wünschen könne, daß Austritte in das Leere, d. h. in die Konfessionslosigkeit, stattfänden, daß aber, wenn die Kirche von ihren Angehörigen verlangte, entweder Von der beabsichtigten Verbindung zurückzutreteu oder aus der Kirche auszuscheiden, erfahrungsgemäß in den meisten Fällen das Letzere ge wählt werden würde. Wenn aber den Betheiligten die Wahl gestellt Werde, entweder kirchliche Trauung oder bürgerliche Eheschließung (fakultative Civilehe), so wäre bei der Entscheidung für das Letztere sofort der Austritt aus der Kirche erklärt, während unter den gegen wärtigen Verhältnissen, wo Uukcnntniß, Säumniß und Achtlosigkeit vielfach an der Unterlassung der kirchlichen Trauung die Schuld trage, eine Nachholung des kirchlichen Aktes zulässig sei und thatsächlich in den meisten Fällen eintrete. Es läßt sich erwarten, daß diese neuen Gesichtspunkte, von so einflußreicher Seite geltend gemacht, nicht wenig dämpfend auf die bisweilen hochgehende Bewegung wirken werden. Wenn man es nicht schon bisher aus der Entwickelung der großen politischen Verhältnisse in Europa selbst gesehen hätte, daß Deutsch land einen seiner Machtstellung gebührenden Einfluß ausübe, so hätte man es aus einer Aeußerung des englischen auswärtigen Ministers erfahren, der dieser Tage freimüthig bestätigte, „daß Deutschland cs gewesen sei, welches bis zu diesem Augenblicke das europäische Ein vernehmen aufrecht erhalten habe". Dieses Einvernehmen bezweckte aber die Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens, und darum wird cs keinen Deutschen geben, der nicht der Leitung unserer äußern An gelegenheiten sich zu neuem Danke verpflichtet fühlte. Und wenn es wahr ist, was man der „Nat.-Ztg." aus Paris meldet, nämlich: daß England das Zusammenbleiben der internationalen Flotte bei Frank reich angeregt, dort aber abgewicsen worden sei, so ist mit Bestimmt heit zu erwarten, daß auch in dieser Frage Fürst Bismark wieder mit Frankreich und Oesterreich - Ungarn gehen werde. Der lebhafte Verkehr, welchen der Reichskanzler jüngst in Friedrichsruhe mit mehreren deutschen Botschaftern an fremden Hofen und mit dem Grafen St. Vallier gepflogen, dürfte hiermit im Zusammenhänge stehen. Der politische Parteihaß, der zn den schmutzigsten Verläumdungen führt, hat sich einmal wie die Süüange in den Schwanz gebissen. General Cissey in Paris, der frühere Kriegsminister unter Mac Mahon, war von dem Laternenmann Rochefort und dem Abg. und Journalisten Laissant öffentlich und täglich mancherlei Unterschlagungen, Veruntreuungen und Bestechungen im Amte und schließlich des Landes- verraths angeklagt worden, indem er den französischen Mobilmachungs plan zu Gunsten seiner Geliebten, Frau Kaulla, verrathen habe. Der General erhob Klage bei dem Zuchtpolizeigericht. Dieses vernahm öffentlich alle Beamten des Ministeriums und alle irgend Belhciligten als Zeugen und stellte sie Rochefort und Laissant gegenüber; das Ergcbniß war, daß alle Beschuldigungen sich als Verlänmdungcn er wiesen und in nichts zerfielen und daß Rochefort und Laissant zu je 4000 Fr. Geldstrafe rc. verurtheilt wurden. Sie konnten nicht den leisesten Einwand gegen die Zeugen und deren Ausgaben erheben, und sagten, sie hätten dasmal „Unglück" gehabt. „Vielleicht", erklärte Rochefort, hätten die Gerüchte ja doch wahr sein können. Beim Ge richt zählt kein „vielleicht", antwortete der Vorsitzende des Gerichtshofs. Es verlautet, daß die Pforte durch Vermittlung ihres Gesandten, Photiades Bey, neue Eröffnung in Athen habe machen lassen. Die Pforte hätte der griechischen Regierung zu verstehen gegeben, wie sehr es im Interesse Griechenlands angczeigt sei, das von der Türkei an geborene Gebiet anzunehmen und sich nicht in einen ungleichen Kampf mit der Türkei einzulassen. Aehnliche Erklärungen soll der Minister des Aenßern, Assim Pascha, gegenüber dem griechischen Vertreter Kon- duriotes abgegeben haben. Man hielt es für wahrscheinlich, daß in Folge dieses freundschaftlichen Entgegenkommens der Pforte, das der Würde der Türkei nicht den geringsten Abbruch thut, die Eröffnung neuerlicher direkter Verhandlungen zwischen Konstantinopel und Athen bevorstehe. Nach den neuesten Erklärungen des Königs Georg und seines Ministerpräsidenten sind jedoch diese Hoffnungen nur noch sehr schwach. Athen, 28. November. Der französische Gesandte Graf Mouy hat mit dem Ministerpräsidenten Komunduros eine lange Unter redung gehabt und erklärt, Frankreich werde trotz seiner Sympathien für Griechenland keinen vereinzelten Schritt thun. Die griechische Frage könne nur durch die Eintracht der Großmächte geregelt werden. Sollte Griechenland dessen ungeachtet etwas eigenmächtig unternehmen, so würde es damit nur seiner eigenen Sache schaden. Komunduros versicherte, Griechenland wolle sich nicht vom europäischen Einvernehmen entfernen, seine Lage aber untersage ihm lange Geduld. Wenn bis Frühjahr keine friedliche Losung eintrete, so werde ihm nur zwischen Krieg und innerer Katastrophe die Waht bleiben. — Auch der deutsche Gesandte v. Radowitz hatte vorgestern eine lange Audienz beim Könige. Dieser sprach sich noch entschiedener als Komunduros dahin aus, daß er lieber den Krieg mit der Türkei wagen, als sein Laud, welches bas Acußerste geopfert, innern Konvulsionen ausjetzen möchte. Griechenland habe trotz des abmahnenden Raths Deutschlands noch nicht das Vertrauen auf den Beistand der Mächte verloren. Melbourne, 29. November. Der Kapitän und 16 Mann des englischen Kriegsschiffes „Sandfly" wurden von den Eingeborenen der Salomonsinseln ermordet. Welchen riesigen Aufschwung die Ausfuhr von Fleischwaare ans Amerika zu nehmen beginnt, erhellt ans der Thatsache, daß die Exportfirma Armour u. Co. in Chicago, welche im Jahre 1879 mit einem Verluste von 1 Million Dollars abgeschlossen hatte, in diesem Jahre so geschickt operirt hat, daß Heuer nach bereits abgewickeltem Geschäft 7 Millionen Dollars nud nach Deckung des vorjährigen Ver lustes innerhalb zwei Jahren 6 Millionen Dollars Reingewinn übrig geblieben sind. WaterländifcheS. — Meißen. Am vergangenen Sonnabend feierte der Aktuar und Domglöckncr Erdmann Liesche sein 50 jähriges Jubiläum im Dienste des Hochstisls Meißen. Am 27. November 1830 ist derselbe als Hilfsbote bei dem Stifisgericht in Pflicht genommen worden und verwaltet heute noch in voller Rüstigkeit sein Amt. — Mute nächster Woche, den 8. Deccmber, wird in Eisenberg der gernbefnchte Roß- und Biehmarkt abgchalten und ist derselbe mit Krammarkt zugleich verbunden. — Pirna. Eine schon längst schwebende und heiß diskutirte Frage hat jetzt definitiv ihre Erledigung gefunden. Einstimmig nahm am 29. November die ordentliche Generalversammlung des hiesigen Bezirksarmenvereins die Offerte des Bezirksausschusses der Amts hauptmannschaft bezüglich Ankaufs der Bezirksarmenanstalt bei Zehista an und mit Erfolg gekrönt sehen sich die rastlosen Bemüh ungen des Amtshauptmanns von Ehrenstein, welcher das gedachte Projekt mit größter Energie und unermüdlichem Fleiß verfolgt hat. — In der sächsischen evangelisch-lutherischen Landeskirche gibt es gegen 1100 geistliche Stellen. Nach der ziemlich genauen Zusam menstellung des neuesten Amtskalcnders für Geistliche wurden im Laufe eines Jahres (September 1879 bis Ende August 1880) 114 Stellen also nahezu der 10. Theil, neu besetz!. 41 Stellen kamen durch Eme- ritirung oder Tod des Inhabers zur Erledigung. Im Dienste ver storben 12 Geistliche, im Ruhestand 25 Geistliche. Am Schluffe des Jahres 1879 waren 215 emeritirte Geistliche mit 544,588 M. Jah- respensiou vorhanden, dagegen Ende 1878 nur 203 mit 512,852 M. Das durchschnittliche Lebensalter beim Eintritt in den Ruhestand be trug 71 Jahre. Dem Abgang von 37 Geistlichen steht ein Zuwachs von 41 jungen Theologen gegenüber, von denen 18 im März und 27 im August 1880 die erste Prüfung in Leipzig bestanden. Von 32 Kandidaten der Theologie, welche sich Michaelis 1879 und Ostern 1880 der zweiten Prüfung vor dem evangelisch-lutherischen Landesconsisto- rium zu Dresden unterwarfen, um das Recht zu ständiger Anstellung im Predigtamt zu erwerben, befinden sich gegenwärtig bereits 25 in geistlichen Aemtern. — Im Interesse der Geschäftswelt machen wir darauf auf merksam, daß mit dem 31. Dezember dieses Jahres die Forderungen aus dem Jahre 1876 verjähren. Eine Unterbrechung der Ver jährung findet nur statt, wenn ein Zahlungsbefehl erlassen, resp. der Schuldner verklagt wird. Die bloße Klageanmcldung, wie bei dem früheren Verfahren, unterbricht die Verjährung nicht mehr.