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timenti für Streichquartett KV 136, 137 und 138, die in den ersten Monaten des Jahres 1772 für festliche Gelegenheiten in Salzburg geschrieben wurden. Der Mozart- Biograph Alfred Einstein vermutet, daß sie auch als Vorrat für die letzte italienische Reise bestimmt waren, wo Mozart, mit der Arbeit an ,,Lucio Silla“ beschäftigt, nicht durch Sinfoniekompositionen unterbrochen werden wollte. Nicht immer fand der 16jährige Mozart bereits vollste Anerkennung als Komponist. So überliefert uns ein Zeitgenosse: seine frühen Orchesterstücke seien ,,ein Beweis mehr, daß frühzeitige Früchte mehr ungewöhnlich als vortrefflich sind“. Die Bezeichnung Divertimento, worunter eine suitenähnliche Kompositionsform leichter, unterhaltsamer Art zu verstehen ist, dürfte bei der obengenannten Werkgruppe kaum von Mozart selbst stammen, da in diesen Werken die obligatorischen zwei Menuetts fehlen. Durch gehend dreiteilig ist die formale Anlage der drei Divertimenti, die wie italienische Streichersinfonien für den Konzertgebrauch anmuten. Der ausgesprochene sinfo nische Gehalt der Quartette fordert geradezu eine orchestrale Besetzung, wie sie in unserer Aufführung verwirklicht wird. Das den heutigen Abend eröffnende Diver timento D-Dur, KV 136, ist eine fesselnde, reizvolle Spielmusik, stilistisch deut lich beeinflußt von Johann Christian Bach und von Joseph Haydn. Leichtigkeit in der Erfindung, bestrickende melodische Süße, verspielter Übermut, aber auch schwärmerische Melancholie sind Vorzüge der liebenswürdigen Komposition. Der 1. Satz, ein ,,singendes“ Allegro, beeindruckt besonders durch virtuos-konzertanten Einsatz der Violinen, während sich der langsame Satz, ein Andante, anmutig-zärtlich, typisch italienisch gibt. Mit leichter Hand ist das Schlußpresto entworfen, dessen kurzer Durchführungsteil kontrapunktisch-imitatorisch beginnt. Ludwig van Beethovens 8. Sinfonie in F-Dur, op. 93, folgte unmittelbar auf die 7. Sinfonie. Das Werk entstand während eines Kuraufenthaltes in den böhmischen Bädern im Sommer 1812 und wurde nach einer handschriftlichen Bemerkung des Meisters auf der Partitur („Sinfonia Lintz im Monath October 1812“) in Linz, wo er nach der Kur für einige Wochen seinen Bruder Johann besuchte, vollendet. Die erste Aufführung fand in einem eigenen Konzert Beethovens am 27. Februar 1814 in Wien statt, zusammen mit der Siebenten und der Programmsinfonie „Welling tons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“. Bei den Zeitgenossen fand die Achte zunächst wenig Anklang. „Das Werk machte keine Furore“, hieß es in einer kritischen Stimme nach der Uraufführung. Beethoven zeigte sich darüber recht verärgert, er meinte, seine „Kleine Sinfonie“ (so nannte er sie im Vergleich mit der „Großen“ A-Dur-Sinfonie) habe den Hörern wohl deshalb nicht gefallen, „eben weil sie viel besser ist“. Der Grund für diesen Mangel an Verständnis (genaugenommen steht ja die achte, ebenso wie die vierte Sinfonie, auch heute noch ein wenig im Schatten ihrer berühmten Geschwisterwerke) lag nicht etwa in der besonderen Schwierigkeit des Werkes. Im Gegenteil man hatte wohl nach den vorangegangenen Schöpfungen neue Steigerungen erwartet und war nun enttäuscht durch eine scheinbare Zurück wendung auf Vergangenes (Anklänge an frühere Werke, Anwendung von sinfonischen Prinzipien Haydns), die aber hier durchaus keinen Rückschritt, sondern eher einen Rückblick von einer höheren Stufe aus darstellte. Heitere Scherzhaftigkeit, beschau liche Behaglichkeit, launiger Humor, kraftvolle Lebensbejahung und ausgelassene Freude charakterisieren das formal bemerkenswert geschlossene Werk, in dem, wie auch schon in der 7. Sinfonie, wieder dem rhythmischen Element eine große Bedeu tung zukommt. Der ohne Einleitung sogleich mit dem frischen, klar gegliederten Hauptthema beginnende 1. Satz (Allegro vivace e con brio) ist voller schalkhafter Einfälle und kontrapunktischer Neckereien. Er steigert sich nach fröhlich-tumultuarischen Kämp fen bis zum gewaltigen Freudenausbruch der Coda, endet dann aber sehr graziös mit dem noch einmal leise aufklingenden Kopfmotiv des fröhlichen, tänzerischen Anfangsthemas. — Auf einen langsamen Satz verzichtend, schrieb Beethoven als 2. Satz ein bezaubernd anmutiges, leicht dahintändelndes Allegretto scherzando. Als Thema liegt diesem Satz ein Kanon zugrunde, den der Meister in heiterer Laune dem Erfinder des Metronoms, Johann Nepomuk Mälzel, gewidmet hatte; die Sech zehntelakkorde der Bläser zu Beginn, die gleichsam das Ticken des mechanischen Zeitmessers nachahmen, bestimmen die Bewegung des reizenden, scherzhaften Satzes. — Der 3. Satz (Tempo di menuetto) erinnert an einen derb-kräftigen Volks tanz, im Trio erklingt über Staccato-Triolen der Violoncelli in Hörnern und Klari netten eine einschmeichelnde, ländlerartige Melodie. — Das Finale, der weitaus umfangreichste Satz, in freier Rondoform gehalten, stellt den eigentlichen Höhepunkt des Werkes dar. Übermütige Laune, „grimmiger“ Humor äußern sich hier in man cherlei drastischen Einfällen — so gleich zu Anfang in dem (auch später wiederkehren den) überraschenden, dynamisch stark betonten tonartfremden Cis, nach dem zuerst im Pianissimo in schnellstem Zeitmaß vorüberhuschenden F-Dur-Rondothema, das dann im Fortissimo-Tutti gebracht wird. Das kontrastierende zweite Thema erklingt als lyrische Kantilene der Violinen. Mit größter kontrapunktischer Meister schaft und bewundernswerter Erfindungsgabe, immer neuen geistvollen Wendungen und Kombinationen bei der Wiederholung der Themen ist dieser Satz, der trotz des dominierenden Humors auch ernstere Gegenströmungen, schroffe Einwürfe aufweist, gestaltet. Durch einen jubelnden, wirbelnden Freudentanz wird das Finale abge schlossen. Urte Härtwig L I T E R A T U R H I N W E I S E : Bücken, Ludwig van Beethoven, Potsdam e Haas, Wolfgang Amadeus Mozart, Potsdam Einstein, Christoph Willibald von Gluck, Zürich VORANKÜNDIGUNG: Nächste Konzerte im Anrecht B 2-/3. Dezember 1961, jeweils 19.30 Uhr Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr 14./15. November 1961, jeweils 19.30 Uhr 3. Außerordentliches Konzert Dirigent: Siegfried Geißler Solistin: Helene Boschi, Paris Werke von: P. Wiese — S. Rachmaninow — P. Tschaikowski * 3. ZYKLUS-KONZERT 6231 Ra III-9-5 1061 1,4 It G 009/75/61