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1 , .1 Dienstag, ii. September ISA Druck ». «erlag: Lteplch « «etchaM, »««den. PoftIck,rck-0t<>. >a»n Dresde» Nachdruck nur mit deutl. Quellenangabe iLrrsdn. N»chr.> »ulLIstg. Unverlangt« Lchriltstllcke werden nicht aufbewahrt Gegründet 18SS »w»««,IchNft: «ackNichlen »«»eu F«»Ivrech»r.«ammetnummer: »»»11 «m, t»r N»chtg»,»rtche! «r. ,«Ut «chriltteitun, «. HanptgelchLIUst««,: .«. 1. «-rienstr.de «/«, «^u^gedtchr »am >.M» w. Bevtemder I»»» »ei »L^ich »wetmaUger Zustellung frei Hau» ».70 «N. V»std«tug»»ke«» für «onat «ePtemde» ».10 Ml. ohne «olljusteUungtgebsthr. «tn-clnummer »0 «fg. «ustechaw »leiden« »» «sg. «nteigenvrrtie: Dt« «nietgen «erde» »ach «oldmaN berechnet: dt« rtnipalttg« »0 mm breit« Zell« »» PI,., für au«w»r«« 10 Psg. ssamMenan,uige>. »nd Stellen, gefuch« ohne ««batt »» Pfg., außerhalb 7» PI«., die «0 mm breire «eltame»eUe »aa PI«., außer, »alb »«> PIg. Ollertengebühr »o PIg. «utwürtige «ultrüge gegen vorau»be,ahlun« Schlußstrich «nttt die LomrnopolM Sümric AMtlle Bklandö im» IMWmd Genf. 10. Sept. In seiner groben Rede vor der Voll versammlung des Völkerbundes sührte Briand nach der be reits gemeldete» Einleitung weiter aus. die russische Negie rung bereite den sozialen Krieg vor. der nicht weniger furchtbar und nicht weniger blutig sein würde, und der nicht geringere Verheerungen in der Welt Hervorrufen würde, als der Weltkrieg. Unter diesen Umständen sei es un möglich. Maßnahmen zu treffen, um Europa von dieser Siche, rung gegen diese Gefahr zu entblößen. — Dann setzte sich Briand mit der dentschen Abrüftungsthese auseinander. Dabei siel allgemein ans. daß er gegen Dentfchland a«S seinem Munde ganz ungewöhnliche und ungerechtfertigte Bor» würfe erhob. Reichskanzler Müller habe zweifellos recht, wenn er erkläre: dab Deutschland vollkommen entwaffnet sei, aber man müsse sich fragen, hätte man bereits vor zwei Jahren von einer völligen Abrüstung Deutschlands sprechen können? Die Erörterung dcS AbrüstungsprvblcmS sei unmittelbar an die Behandlung des SicherhettSproble m S ge bunden, und Fortschritte hierin hätten vielleicht in den letzten Jahren aus dem Grunde nicht erzielt werden können, weil gewisse Staaten bestimmte ihnen auferlcgte Verpflich tungen nicht mit dem notwendigen guten Willen dnrchgesührt hätten. Die deutsche Regierung habe bekanntlich mit ver schiedenen Strömungen de« deutschen Oeffentlichkett kämpsen müssen, und nicht immer folgten bekanntlich die Völker ihren Negierungen. Die deutsche «brüst««« sei jetzt ein« Tatsache «nd Wahrheit. Könne «an jedoch im gegenwärtige« Auge«, blick wirklich ernsthast behaupten, dab Deutschland völlig abgerüstet lei? ES tresse zu. daß Deutschland eine Armee von mehr als IVO 000 Mann besitze. Dies sei eine Armee eigenartiger Natur, die auS Offizieren «nd Unter» ofsizieren bestünde «nd somit eine Kader. Armee darstelle. Wenn hinter dieser Armee ein Volk von der Grösse und den unerbittlichen Kraftquellen und Mitteln stände wie das deutsche Volk, dann könnten noch unzählige Menschen mobilisiert werden. Wenn man die Tatsache bedenke, daß Deutschland unmittelbar nach dem Kriege keine Handelsflotte besehen habe, letzt aber durch seine Genialität, Beharrlichkeit und unbegrenzte Arbeitskraft und unerschöpflichen Mittel sich eine der e r st c n Handelsflotten der Welt geschasfen stabe, dann müsse man sich fragen, ob nicht auch die gleichen Fabriken, die heute für den Frieden arbeiten, von einem Tage zum andern für den Krieg arbeiten könnten. Ohne weiteres könnten diese Fabriken, die heute Friedenserzeug nisse Herstellen, die gefährlichsten Kriegsrüstungen Herstellen. Er bezweifle nicht, daß die Mehrheit des deutschen Volkes den Krieg nicht wünsche. Aus diesem Grunde könne in gewissen Grenze« M unter Berücksichtigung der nationalen Sicherheit eine Herab setzung der Rüstungen vorgenommen werden. . ES sei nicht wahr, dab die Rüstungen der Welt sich in den letzten Jahren vergröbert hätten. Für Frankreich könne er erklären, dab im Gegenteil die Dienstpflicht und die Zahl der aktiven Truppen herabgesetzt worden sei. Briand erwähnte sodann das englisch-französische Flottenabkom men. Die Oeffentlichkett habe nur gefragt, gegen wen dieses Abkomme« gerichtet sei, und habe Gchcimklanscln und Ge heimabkommen vermutet, die hinter dem Abkommen stehe» sollen. Morgen werde die Oefsentlichkeit sehen, dab es sich nur um eine Vorbereitung für Vereinfachung der AbrüstungS- arbett handelt. Sich z« Reichskanzler Müller wendend, rief Briand dann in den Saal: „Wie Ihr, so wollen auch wir die Abrüstung durch die Durchführung des Artikels 8 des Völkerbundspaktes. Wir wollen eine Mäßigung und Be schränkung der Rüstungen, die vereinbar ist mit der nationalen Sicherheit. Nack wie vor werde Frankreich eine Politik der Annäherung und des Friedens treiben." Briand wandte sich sodann dem Mivderheiteuproblem zu und erklärte, es handle sich hierbei zweifellos um ein äußerst schwieriges Problem, dessen Lösung dem Völkerbund übertragen sei. Vor dem Kriege habe es hundert Millionen Minderheiten gegeben, deren Schicksal wahrlich nicht leicht ge wesen sei und die damals keine Möglichkeit gehabt hätten, ihre Stimme zu erheben. Damals habe cs noch keinen Völkcrbuyd gegeben. Heute könnten die Minderheiten sich an den Völker bund wenden. Heute gebe es nur zwanzig Millionen Minder heiten. aber man müsse bei der Behandlung des Minderheiten- Problems achtgebcn. Unter keinen Umstände« dürfe die Propaganda für die Minderheitenfrage eine Gesahr sür den Frieden herbei führen. lStarker Beisall im Saale.j Zum Schluß erklärte Briand die Bereitschaft Frankreichs, in der dritten Kommission des Völkerbundes alles zu tun, um die Einberusung der Weltabrüstungskonferenz mit Aussicht auf Erfolg zu ermöglichen, doch nur unter der Bedingung, daß die Konventionsentwürfe über die Beschränkung der Rüstungen auch wirklich durchführbar seien. — Der Beisall war. wie immer bei Brtandreden, zum Schluß wieder außer ordentlich stark. Die deutsche Delegation enthielt sich jeden BeisallS. Auch die Delegationen der skandinavischen Mächte «ahmen an dem Beifall sür Briand nicht teil. jWeitere Berichte siche Seite L.j Das Rätsel der Briand-Re-e (Von unserer Berliner Schristleitung.) BriandS gestrige Rede in Genf hat in Ber liner Negierungskreisen das größte Erstaunen hervor, gerufen. Man ist über die Schärfe, mit der sich Briand gegen den Reichskanzler Müller wandte, einfach verblüfft, da man der Ansicht ist, daß die bekannten Ausführungen des Reichskanzlers keinen Grund abgeben könnten, den deutschen Reichskanzler so anzurempcln, wie cs Briand getan hat. Be sonders unangenehm hat eS berührt, daß Briand den Reichs kanzler Müller fortwährend als einen Parteiman« apostrophierte und ihn wie einen Menschen zu behandeln schien, der noch gar nicht fähig sei, in Gens mitzureden. Hat dieser Ton in Berlin stark verschnupft, so gilt dies in gleichem Maße von dem sachlichen Gehalt seiner Darstellung. Man bezeichnet sie in dieser Hinsicht geradezu als läppisch. Zur Begründung für dieses Urteil weist man auf die Stellen der Briand-Rede hin, in denen gesagt wird, daß daS kleine 100 OOY-Mann-Heer der Reichswehr den Grundstock sür eine große, Frankreich gefährliche Armee und die deutsche Handelsflotte die Grundlage sür eventuelle maritime Auf- rüstungcn Deutschlands sein könnte. Wenn man auch an Berliner Regierungsstellen erklärt, über die Gründe, die Briand zu seinem scharfen Ausfall veranlaßt haben, zunächst noch im unklaren zu sein, so verkennt man doch nicht, daß die Vermutungen, die man in den Kreisen der in Berlin ver- tretcnen ausländischen Diplomatie auSspricht, viel für sich haben. Es wird da nämlich ganz unumwunden zum AuS. druck gebracht, baß Briand, der wisse, daß seine politische Laufbahn abgeschlossen sei, wenn er sich mit seinen außen, politischen Auffassungen in Widerspruch zu denen des fran zösischen Ministerpräsidenten Poincars setze, mit seiner heutl» gen Rede nichts anderes bezweckt habe, als unter daS Kapitel -er deutsch-französischen VerständigungS- und AnnäherungS- versuche einen Schlußstrich zu ziehen. Briand, so kann man in diplomatischen Kreisen höre», habe dem deutschen Außenminister Stresemann bei seinem Aufenthalt in Paris anläßlich der Unterzeichnung deS Kclloggpaktes mit aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben, daß Deutschland ohne weitgehende Gegenleistung nicht mit einer früheren Räumung der Nhetnlande rechnen könne. Trotz dem habe sich der deutsche Reichskanzler in Genf eingefunben, mit der von Anfang an feststehenden Aufgabe, dieRäumungS- frage ausgiebig zu erörtern. Das habe Briand schwer ver. Eistndchnkataitropbe bei Brltmi Nishrr 1» Lot» uns 45 Verletzte Prag. 10. Sept. DaS Tschecho-slowakische Pressebüro mel, bet auS Brünn: I« der Station Saitz bei Lundenbur« ist heute nachmittag um S Uhr der Schnellzug Prag—Wien in »oller Fahrt ans eine« Güterzng a«fgefahre«. Beide Maschine« wnrden schwer beschädigt. Drei Personenwagen deS Schnellzuges wurde« zertrümmert, ein weiterer Wagen stellte sich qner über die Gleise. Die Zahl der Opfer läßt sich zur Stnnd« «och nicht genau feststelle«. Die Identifizierung der Tote« ist sehr schwierig, da sie teils stark verbrannt sind «nd bei viele« keine Personalbokumente Vorhände« find. Biele Schwerverletzte wurde« ohne Feststellung der Identität so rasch als möglich in die Brünner KrankenhLnser «nd «ach Lundenbnrg gebracht. - LS Personen wnrden schwer und LV leichter verletzt. DaS Unglück dürfte wahrscheinlich durch ««richtige Lag« der Vinsahrtöwcichc verursacht worden sein. A«S Lundenbnrg ging sofort ärztlich« Hilfe an die UnglückSstclle. Anch a«S Brünn ging ein HilfSzng ab. Einzelne schwerverletzte Per, sonen mußten mit Beilen nnd Sägen a«S ihrer schrecklichen Lage befreit werden. Aus der Strecke liege« zahlreiche Trümmer «nd Gepäckstücke umher. Di« Leiche« wnrde« in das HeizhanS der Stativ« gebracht. Rach dem Zusammen stoß herrschte in der Station eine schrcckliche Panik. Kraue« suchten ihre Männer «nd ihre Kinder. SS spielten sich un, bcschreibliche Szenen ab. Sie Opfer Unter den Opsern »csindcn sich ein Lokomotivführer, zwei höhere Siscnbahnbeamte der Dentschen Reichsbahn, ein reichSdentschcr «ansmann, ein Aspirant der tschecho.slowak«. schen TtaatSbahnen, ein Zugbcamtcr. ein Heizer «nd drei Personen, deren Fdentität bisher noch nicht sestgestellt «er. de« konnte. Man nimmt an. daß unter den Trümmer« deS Zuges noch nenn weitere Tote liegen, so daß die Zahl der Toten mit neunzehn angenomme« wird. Die HinberniSausränmnngSarbeite« werde« bis morgen früh vollkommen dnrchgesührt sein, so baß der normale Zug verkehr in de« Morgenstunde« wieder anfgcnommen wer den kan«. Die Reichsdeutschen unter den Loten Von den Todesopfern der Katastrophe sind bis jetzt identifiziert: Albert Karger. Eisenbahnsekretär auS WinSdorf, Elisabeth Lange. Postgehilstn aus HönigS- dorf, HermannUrban aus Berlin. AnnaHtbl. Luckau bei Berlin. Josef Röhr ich. RcichSbahnfekretär auS Berlin. — Unter den Verletzten, die in daS Sankt-Anna- Krankenhaus in Brünn übergeführt wurden, befinden sich Reisende aus Mähren und Oesterreich, aber auch einige Reich-deutsch«, und »war Kran» Wittich auS Breslau. Dr. Karl Otto. Kolber«, sowie Anton Kahle rt und Marie Kahlert aus Neustadt in Ober schlesien. Der Lokomotivführer des Schnellzuges sowie -er Hetzer waren sofort tot,--drei der übrigen Toten waren an den Uni formen als Eisenbahner zu erkennen. Der Heizer des an- gefahrenen GüterzugeS wurde in di« Feuerung der Loko motive hinetngepreßt und erlitt furchtbar« Brandwunden, denen er erlag. Schweres Autounglück in Frankreich Paris, 10. Sept. Auf der von St. Cnr nach Versailles führenden Straße fuhr heute abend ein Auto mit einer Stnndcngeschwindigkctt von 120 Kilometer in eine heim- kehrende» 10 Mann starke Abteilung eines Versailler Fliegcr- RcgtmentS hinein. Bis auf einen Soldaten wurden alle mehr oder weniger schwer verletzt. Der Zustand von fünf ist so ernst, baß man an ihrem Auskommen zweifelt. Der Wagen- sührer wurde verhaftet. stimmt, und der Entschluß, Deutschland zu »eigen, daß er Locarno alS eine erledigte politische Episode und nicht als eine wetterwtrkende politische Tatsache ansehe, habe die heute so schroffe Rede gezeitigt, mit der Briand auch zugleich de» deutschen Sozialisten habe klar machen wollen, baß er sich alS einen außerhalb der Ideologie sozialistischer Internationa, listen stehenden Staatsmann betrachtet. Man wird angesichts des ganzen Verhaltens Frankreichs gegenüber Deutschland kaum daran zweifeln können, -aß di« ausländischen Diplomaten, die solche Vermutungen auS- sprachen und sie aussprechen können, weil sie die tatsächlich« Lage der deutsch-französischen Beziehungen auf Grund ihrer Verbindungen zu den in Berlin befindlichen französischenStelleni sehr gut kennen, damit recht haben. Jedenfalls sind ihre Ge» dankengänge imstande, den einzigen stichhaltigen Grund fü» das „Rätsel der Briandrede", von dem heute die Berliner Linkspresse spricht, aufzuzetgen. In dieser Presse versucht ma« sich damit zu trösten, daß Briand über Fragen, die ganz aktuell die deutsche und französische Delegation beschäftigen, nämlich die Räumungsfragen, nichts gesagt hätte. Eich schwacher Trost! Wie Briand über die Näumungsfrage denkt, das dürfte der Reichskanzler inzwischen in Genf längst er* fahren haben. Briand kam eS mit seinen heutigen AuSführur». geneben nur darauf an. zwischen sich und der deutschen Delv. gation «in« Barriere zu setzen. Daß dadurch auch die Be« sprechungen der Räumungsfrage auf das schwerste beeinträch tigt werden müssen, ist klar. Frankreich sicht jedenfalls et», daß eS bei einer Fortführung der Locarnopolitik auf wettere deutsche Opfer nicht rechnen kann unv gibt daher Liese Politik einfach auf. Man scheint sich in Paris zu sagen, daß man. nachdem die mehr oder weniger zarten Anspielungen bet den deutschen amtliche» Stellen nicht verfangen, zu brüskeren Methoden greifen müsse. Unsere amtliche Außenpolitik wird sich wohl oder übel nur» mit der Tatsache abzufinden haben, baß die deutsche Frankreich* Politik revisionsbedürftig geworden ist. i Berlin, 10. Sept. In den bisher vorliegenden Kommen taren der Berliner Blätter erfahren die Ausführungen deS sranzösischen Außenministers Briand vor der Genfer Völker bundsversammlung schärfste Zurückweisung. Die „Deutsch« Allgemeine Zeitung" überschreibt die Rede mit de»