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Nr. 658 Freitag, den 2?. LezemLer 19,8 Hauptschriftletter: Dr. Lverth. Leipzig Vertag: Dr. Aeinbolü L Co., Leipzig Amtliche BekmtWchllWN de5 A.- M S.-Rstes Aufruf Freiwillige für die 10. Armee werde« gebraucht. Di« 10. Ärmer fleht an der Oslgrenze LUaoens, mn die Heimkehr sowohl der 8. Armee (Riga), al- auch der Heeresgruppe Kiew über Litauen und Ostpreußen auf dem einzigen noch freien Wege zu sichern. Die ein« der drei Divisionen der 10. Armee — dir 40. Landwehr division — ist eine sächsisch« Division. In ihr befinden sich meist alt« Landwehr- und Landsturmleule, dl« dringend nach Heimbefördcrnag ver langen. Da die Arme« zur Erfüllung ihrer Aufgabe noch etwa 3 Monate Ihr« Linie halten muß, damit die Kamerad n au- Estland und Livland, vom Kaukasus und Don ungefährdet dl; Heimat erreichen können — «- befinden sich unter ihnen sehr vi.le Sachsen —, ist Ablösung durch Freiwillig« au- der Heimat dringend nötig. Wer daher in der Heimat Arbeit zurzeit noch nicht findet, der melde sich sofort als Freiwilliger für die 10. Armee. Er tut damit in erster Linie ei» Merk trruer Kameradschaft. Im Hinblick auf die gegenwärtige Lage de- Arbett-markte- wird »lcht wenig für den freiwilligen Eintritt geboten: Kräftige, ausreichende Verpflegung neben Unterkunft, Bekleidung, Ausrüstung, 30 monatliche Grundlöhnung für jeden Mann, dazu 5 Tagcszulage vom Dienstantritt an. Unteroffiziere erhalten an Stelle der Grundlöhnvng ihre Dienstgradlöhnung n:ben der Tages zulage, soweit und sobald sie in Etatsstellen einrücken können. Außerdem erhält jeder Freiwillige eine Treuprämie (monatlich nach träglich), für den ersten Monat 30 für jeden weiteren Monat steigend um 5 bi- zum Höchstbetrog« von 50 ^l. , Näheres ist in den Merbcbureaus n erfahren. Solche befinden sich im Korpsbezirk: In Leipzig beim 1. Ers.-Datl. Inf -Negt. 106, in Döbeln beim 1. Ers.-BaU. Ins.-Aegt. 139, in Leisnig beim 1. Ers.-Ball. Ins.-Aegt. 179, in Grimma beim 1. Ers.-Ball. Inf.» Rcgt. 107, in Chemnitz beim 1. Krs.-Batt. Iuf.-Negt. 104, in Werdau beim 1. Ers.-Ball. Ins.-Regk. 105, in Zwickau beim 1. Ers.-Ball. Ins.» Regt. 133, in Plaucn beim 1. Ers.-Ball. Inf.-Regt. 134, in Zeilham bei der Nachrichten-Ers.-Abt. 19. Meldungen von Freiwilligen nehmen anher den Werbebureau- auch alle anderen Truppenteile entgegen. Bereits entlasten« Heeres- angehörige, die die Wrsfe führen können, können sich bei ihrem De- zirkskommando melden. Angeworben werden Personen aller Jahrgänge, außer Geburt-jahr gang 1898/1899. Werbeosfizicr für da- Oberkommando der 10. Armee. Herfurth, Lln. d. R, L.-I.-R. 101. Für den Soldatenrat XIX. A--K. Schöning. Für Aerzte. E- wird beabsichtigt, den miutärärztllchen Dienst bei den T uppen- leilen und in den Lazarett n ab 1. Januar 1919, sowe.t dc.rse.be d:rch aktiv« Sanitätsoffiziere nicht versehen werden kann, durch im Z o.lver- lrag verpflichtete Aerzte und Zahnärzte versahen zu lassen. Es ist in Aussicht genommen, bei fünfständ ger ärz lich:r Tä ig- k ik und einer durchschnittlichen Versorgung von 150 Belten eine T:ge .- cnlschädigung von 20 <4t für frledensap^robicrle o:d niercnde sowie Zahnärzte und 10 ,<l für kriegsapxrod.erle assist ercnde Aerzle und Zahnärzte zu gewähren, Fortzahlung des Gehaltes bei Krankheit, Ge währung von angemessenem ur.aub bei sorllaufendcm Gehalt. Ferner wird 14tägige Kündigung zum Monatserster» angrstrcbt. Soweit nicht andere Wünsche vorgebrach! werden, sollen die Herren an ihrem Rcererlaffungsorte in TäfigbeU lrelen. Meldungen sind umgehend eingeschrieben an die .Arrzllichen Br- auflragten des Arbeiter- und Soldatenrateä' zu Händen des H.rrn Dr. Po piß, Eanilälü-Tml XIX. A. K. zu richten. Der Arbeiter- end Soldalcurat XtX. A. K. Seger. Schöning. Die Bsaufiragien: Fischer Dr. Popih, Dr. Schauer, Dr. Simon. Alle nicht ordnungsgemäß enllassenen Militärpersoncn, die sich eigenmächtig von chrer Truppe oder von ihrer Dirnschelle entfernt haben, ihr vorsätzlich fsrnbleiben, fahnenslüchilg sind, oder aus Mil-- kärgsfängnisien befreit worden sind, werden oufgesordert, unverzög ich zu ihren Truppenteilen bzw. zu ihrer Dienststelle zurückzukehren, d-nut ihre Entlastung ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. Me Bctrc ffenden werden auf 8 3 d:r Verordnung über eine m li- tärlsche Amnestie vom 7. Dezember 1918 (A. G. Dl. S. 1415) hinge- wiesen, der in seinem ersten Tcil lautet: Die Amnestierung hinsichtlich einer Untersuchung oder elner Strafe, wegen Fahnenflucht erfolgt nur unter folgenden Bedingungen: Der Fahnenflüchtige muß sich, sofern er nicht in der Gewalt d.r Militärbehörde ist, innerhalb eines Monats seit dem Inkrafttreten dieser Verordnung bei einem Bezirk-Kommando od:r einem Truppen teil des Iulandcs melden. Bei derzeitigem Ausenlhalle dcS Fcchven- flüchügea im europäischen Avckande verlängert sich dies: Frist auf drei Monate, beim Aufenthalt im außereuropäischen Ausland auf sect^ Monate. > Leipzig, de» 22. Dezember 1918. Arbeiter- und Soldatenrat XIX. A. K. Schöai»g, Vorsitzender. —u... Die Ausländer-Abteilung (Abt. Ill ») des Genera' Kom mandos XlX. A. K. befindet sich ab 28. Dezember 1918 in Leipzig- Gohlis, Heerstraße 8 (Zimmer 37). Arbeiter- und Soldatenrat XIX. A. K. Schöning, Vorsitzender. Eine Rsgierungskeifis Berlin, 27. Dezember. (Drahtbericht.) Die Vorgänge des Dienstags haben zu einer Regierungsnrlsis geführt. Wäh rend des gestrigen Tages ist zwischen den Volksbeauftrag ten und den außerhalb der Regierung stehenden Unab hängigen verhandelt worden. Um 9 Uhr fand eine ent scheidende Kabinettäsitzung statt, deren Ergebnis noch nicht vorliegt. , - D.e Krisis war besonders verschärft durch die gewaltsame Be setzung des «Vorwärts". Die Regierung forderte vor Beginn weirerer Einiaungsverhandlungen die Freigabe des sozia listischen Parleiblattes. Dieser Wunsch ist erfüllt worden. Trotz der Erleichterung der Situation bestand die Krise nachts noch fort. Es verlautete gestern abend, daß der Zentral rat dcr A.- und S. - Räte für heute einberusen werden soll, um die Bildung der neuen Regierung zu übernehmen. Sollte die Kabinettsbildung nicht gleich gelingen, so würde die vor läufige Regierungsgewalt bis auf weiteres von dem Z e n- trairat übernommen werden. Es steht völlig dahin, ob der Zentralrat in seiner Zusammensetzung ein reines Mehrheits kabinett bilden würde. Die Möglichkeit neuer Koali- tionsversuche zwischen den sozialdemokratischen Parteien ist nach wie vor gegeben. Rücktr.tt der Negierung Ebert—Haase? Vertin, 27. Dezember. (Drahtbericht.) Wie die «Berliner Neuesten Nachrichten" in später Abendstunde erfahren, ist die Re gierung Ebert-Haase gestürzt und durch eine Regie rung Liebknecht ersetzt worden. Die Richtigkeit dieser Meldung nachzuprüfen war wegen der Unmöglichkeit, an den zuständigen Stellen Auskunft zu erhalten, ausgeschlossen. Auch andere, rechtsstehende Blätter bringen die Mitteilung vom Sturze der Regierung. Linksradikale, u. a. «Die Freiheit", dementieren diese Gerüchte, und schreiben, hier- durch werde nur der kritische Zustand beleuchtet, in dem sich die Regierung befindet. Die nächsten Tage müßten nach der einen oder anderen Seite eine Entscheidung bringen. Die Heuptgefichtspunkte der Krise Berlin, 27. Dezember. (Drahtbericht.) Der «B. Z. am Mittag" zufolge steht die seit mehreren Wochen schwebende Re gierungskrise unmittelbar vor der Entscheidung. Der Zentralrat der A.- und S.-Räte, der aus dem ReichSrätekongreh gewählt wurde und eus 27 ausschließlich der MehrheitSsozlalistenpartei entnommenen Mitgliedern besteht, ist heute vormittag mit den 6 Volksbcauftragten zu einer gemeinsamen Sitzung im Abgeord netenhaus« znsammengetreten, in der unbedingt «ine Klärung er- folgen soll. Es bestehen drei Möglichkeiten zur Lösung der Krise: 1. Es wird ein neuer Rat der Volksbeaustragten be stimmt, der nur aus Mehrheitssozialisten besteht unb dem dann wieder Ebert, Scheidemann und Landsberg anoehvren. 2 Der Rat der Volksbeaustragten wird n,»»- nnS Hängigen gewühlt, wobei Haase. Dittmann und Bar».- un Kabinett verbleiben. 3. Die Mehrheitssozialisten Ebert, Scheide mann und Landsberg werden durch drei andere Mehr- hcitssozialisien ersetzt. Zur Stund« scheint nach Lage der Dinge ein weiteres Zusammenarbeiten mit dem Rat -er Volksbeaustragten in der gegenwärtigen Zusammensetzung aus geschlossen. Es handelt sich um drei Hauptfragen, unter denen andere Fragen und auch dis Ereignisse der letzten Tage zurückkreten. Diese sind: 1. Die Durchführung des Beschlusses des Rätekongresses über die Kommairüogewalt, wie etwa die Offiziers frage, Abschaffung der Rangabzeichen usw. 2. Durchführung Les Beschlusses des Rätekongresses über die Nationalisierung zunächst des Bergbaues. 3. Die Frage der völligen Demobilisierung. Gegenüber diesen politischen Fragen spielen die Ereignisse vom Montag und folgenden Tagen, so traurig sie sind, nur eine Nebenrolle. Die erste und zweite Frage werden im Ka binett seit Wochen erörtert, schon lange bevor der Rätckongrcß irgendwelche Beschlüsse gefaßt hatte. Was die dritte Krisenfrage betrifft, so wollen die Mehrheitssozialisten die Jahrgänge 97 98 unter den Waffen halten und ebenso diejenigen Leute der älteren Jahrgänge, die mit Wacbtdienst und ähnlichen Aufgaben betraut sind. Me Unabhängigen fordern dle volle Demobilisierung und be zeichnen das Verlangen der Mehrheitssozialisten als unerklärlich, es sei denn, man nehme an, daß sie sich durch irgendwelche Zu sicherungen an Angehörige Les alten Systems gesichert hätten. Wir hören, daß in diesen drei Punkten der neue imehrheirä- sozialistische) Zentralrat der Auffassung der Unabhängigen ist. Mit dieser Skizzierung ist der politische Kern der Krise ge geben. Nach unseren Informationen ist ein weiteres Zu sammenarbeiten der sechs Volksbeauftragten ganz unwahrscheinlich, und wir hören insbesondere, daß nicht nur der VolnSbeaustragte Barth, der Im Kabinett am weite sten links steht, sondern auch Haase und Dittmann entschlossen sind, dle Entscheidung gegenüber Ebert, Echeidemann und Landsberg herbeizusühren. Berlin, 27. Dezember. (Drahtbericht.) Die zur Schlichtung der «Vorwärts'-Angelgenhellen im RcichSkanzlerpalaiS tagende Zwölfer-Kommission ist in der neunten Abendstunde zu einer Einigung gekommen, wonach der «Vorwärts" am Frei tag morgen in seiner bisherigen Bedeutung alt «Zentral organ der Mehrheitssozialisten' erscheinen wird. Dor neue» Kümpfe« in Berlin Berlin, 27. Dezember. (Eigener Drahlbericht.) ES wird zuverlässig gemelde, daß ein Teil der Matrosen mit dem Abkommen mit der Regierung durchaus nicht einver- standen sei. Auch Ansprachen in Fabrikversammlungen lasten es als zweifelssret erscheinen, daß dle auf den Sturz der alten ReichSregierung abzielenden Unruhen bei dem Begräbnis der Opfer der Strahenkämpfe des 24. Dezember von nenrin zum AuSbruch kommen werden. Die Entfernung der an den Kämvfen beteiligt gewesene- eierungStreuen Trupp-nfsnna- tu nen auS Berlin ist bereits vu^gesührk. Wo soll die NMoAQLvLrsaMMlrmg tagen?' Dr. I. Hierüber schwirren dle seltsamsten Gerüchte durch daS Land. Der Städte, die genannt werden, sind schon mehr als sieben. Ohne Gewähr der Vollständigkeit: München, Nürnberg, Regens-, bürg, Bayreuth, Kassel, Erfurt, Weimar, Frankfurt. Auch der! Name unseres Leipzig ist aus einer gefälligen Feder gestossen.. Aus diesem Kranze der Studie müssen von vornherein eine ganza Anzahl auSgeschieden werden, die unseres Erachtens ernstlich über-' Haupt nicht in Betracht kommen. Dies gilt wohl in erster Linis, von den bayerischen Städten. An sich ist ja bekannt, daß in> Bayern hie und da gerade jetzt der Anspruch erhoben wird, als' fei es berufen, Preußen als Vormacht des Neiches abzulüsen. Ist! dieser Anspruch etwa durch die jüngste politische Entwicklung irl^ Bayern irgendwie sachlich gerechtfertigt worden? Man hat sich dort mit Vorliebe einer gewissen .Eigenart" — womit in der Ae-j gel mehr die Gegensätzlichkeit zu Preußen gemeint war — ge-> rühmt. Aber in der Revolution hat sich diese Eigenart in keiner j Weise bewährt. Im Gegenteil, die Tajuvaren haben einen Ber-j liner Journalisten an it/ce Spitze gestellt und man kann nicht be- hauptcn, daß sie sich durch Besonnenheit und Planmäßigkeit vor> anderen revolutionierenden Bundesstaaten ausgezeichnet hätten.- Keinesfalls haben sie im übrigen Deutschland die Sehnsucht nach! ,bayerischen Führung" vermehrt. Wir möchten also von vorn-, herein Städte wie München und Nürnberg ausscheiden, die neben- - bei auch vom Standpunkte der «Sicherheit" der Nationaiversamm- luna (worauf wir noch zukommen werden) kaum etwas bieten dürften, was sie geeigneter erscheinen ließe, als andere große. Städte. Für Regensburg spricht wohl nur eine etwas schiefe ge-! schichkliche Erinnerung an die Zeit des Heiligen Römischen Reiches' Deutscher Nation, im übrigen aber rein gar nichts. Und auch Bay- reulh könnte realpoiitische Gründe nicht anführen. Mik' dem Reiche der Tonkunst und Dichtung hat die Nationalversamm-! lung nichts zu tun. f Aus ähnlichen Erwägungen sollte auch Weimar außer dem: Spiele gelassen werden. Sonderbarerweise scheint sich dafür der so kluge Herr Cohen-Reuß, der noch jüngst auf der Berliner Kon-, greß eine bemerkenswerte Rolle gespielt hat und in Leipzig b« der letzten Reichskagswahl ein sympathischer Gegner war, ein-': gesetzt zu haben. Gewiß wird Weimar immer genannt werden, wenn man die besten deutschen Städte nennt, und sein Glanz wud! niemals erlöschen. Aber dieser Glanz stammt aus vergangenen,' verklungenen Tagen; von ihm zehrt das moderne Weimar. Mass liegt nicht zwischen jenen «goldenen Tagen" und einer Zeit, wo cs gilt, das zerstörte Deutschland politisch wieder aufzubauen? Da-' zwischen liegen die Befreiungskriege, liegt der Uebergang Deutsch-- lands vom Weltbürgertum zum Nationalstaat, liegt ein Jahr hundert der Technik. Es ist nicht wahr, daß cs im Grunde der niemals ausgeglichene Gegensatz zwischen Weimar und Potsdam: sei, der das deutsche Vaterland zerklüftet und an den Rand des! Abgrundes gebra ht habe. Die geistigen Güler, die einst ins Weimar geschaffen wurden, sind sängst Gemeingut der ganzen, Nation geworden, und die Erinnerung an Goethe und Schiller, wird in Norddeulschland nicht weniger ernst gepflegt, als an der Ilm. Man würde dieser Stadt geradezu den ihr eigenen und iHv' gebührenden Schimmer rauben, wenn man sie dem rauhen Luft zug der Politik der Gegenwart aussehen wollte. Also weg mit solch weltfremder Romantik. Auch bei der Nennung Frankfurts sind zweifellos romantische Gedanken im Spiele: die Erinnerungen an die alte Krönungsstadt und an die Paulskirche. Namentlich letztere sind uns durchaus nicht fremd, ja, sie drängen sich förmlich auf. Die Aufgabe der künftigen Nationalversammlung wird nicht unähnlich derjenigen sein, die einst der Paulskirche gestellt war. Man denke nur an die wicderauftauchende grohdeutsche Idee! Aber — ganz abgesehen davon, daß Frankfurt viel zu nahe an der Grenze des besetzten Gebietes liegt und daß die französischen Heere sich ihr immer mehr nähern — so sollte gerade das Schicksal der Pauls kirche zur Warnung dienen. Es hat wohl kein deutsches Parla^ ment gegeben, das geistvoller gewesen wäre, aber auch keines, da zu einem so schmerzlichen Begräbnis von Hoffnungen geführt hätte, wie das Parlament der Paulskirche. Ilnd worauf beruht dieses klägliche Versagen am Ende? Die Paulskirche war des wegen zur Bedeutungslosigkeit verurteilt, weil sie außer Zu sammenhang blieb mit den realen Mächten ihrer Zeit. Man glaubte, eine deutsche Verfassung sozusagen im luftleeren Raume anfbauen zu können. Als es aber galt das Gebäude wirklich in Gebrauch zu nehmen, zeigte es sich, daß es zwar aus ausgezeichnete Theorien — die gewiß noch jetzt ihren hohen Wert haben! — ge gründet war, daß aber die eigentliche Politik an den Höfen von Berlin und Wien und der deutschen Mlktelsioakcn bestimmt wurde. Die Frankfurter Paulskirche hatte von vornherein etwas Welt-, fremdes. Dieses Schicksal muß der deutschen Nationalversamm lung des Jahres 1919 erspart bleiben. Eie soll für das Vaterland diejenige StaatSform schaffen, unter der es wirklich leben kann. Und da wäre es ein schwerer grundsätzlicher Fehler, die Ver sammlung loszulösen von dem Sitze der Regierung, namentlich von' den RelchSLmtern, die jo doch in Zukunft noch mehr als bisher die. eigentlichen Tiäger der Reichsidee sein sollen. Glaubt man etwa, da- RelchSamt des Innern, oder das Reichsschahamt oder dcS Auswärtige Amt ohne weiteres von Berlin vrcpflanzen zn' können? Stellt man sich unter diesen Aemtern etwa nur einen Staatssekretär vor, der schlimmstensalles einer Schreibkraft be darf, also nicht unbedingt an seinen Berliner Amtssitz gsbunden i ist? Unseres Erachtens ist eine Volksvertretung, die eine neue. Verfassung schassen soll, gar nicht denkbar ohne täglichen und un- i mittelbaren Zusammenhang mit der großen ReglerungSmaschine,; die nun einmal unverrückbar in Berlin steht. Mit Lieser Er- s