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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.03.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140310020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914031002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914031002
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-10
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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und Men--Ausgabe S°,ligspr°>se: monatlich I.SL M., »lertiltadrllch r.7» M Set »er chrlchSNoNoll», onsorn Ztliolen um» ->u»sad»N»U»n ad-eholt: monatlich IM . vlertellährUch r M. vorch »le postr lnnorhotb vrutschlan», an» »er ürutschen tlolonl« monatlich 1^0 M.. olerteliüdrllch «--» M., auoschlteAllch postdestrUgel». Va» Leipziger La gl blatt »rschelnt Werktag» Lmol, Sonn» u. Zelrrtag» lmal. In Leipzig, »en Nachbarorten unü »en chrten mit eigenen Zlllalen wir» )l« stben-ouogade noch am stdrn» »eo «krscheinen» tn« yau« geliefert. Serliner Kedaktton: 2n»enZelten >7. Zernsprech.flnschluZ: Moadlt Nr.»»7. Amtsblatt des Rotes und des pvlireüuntes der Stadt Leipzig N«»aMon un» Seschüftostelle: lodaanlogast» Nr.«. o Zernsprech.stnschluS Nr. I»»«. 1»»« un» t«»»«. ISS. Jahrgang s-e Ioserat» ans Leipzig UN» Umgebung »l« /LNAelAenpr»!^». »spaltl,»p»tttz»il»rspf..»leN»kIam»,eili,M.. von auomürt» Pf., NeNamea «klein» stnzelgen »iepetitzeile nur «pf.d.wte»,r»al.ttad., Inserat, oon»rl>ör»«n lm amtlich,nr,tl Sie Petit. ,,ll, S»pf. Seschaftoanzelgen mit platzvorschrtf« 'm Preise »rhSht. Nadatt nach Laris. Silage», «»samtausl.-M.üa»Taus,nü auoschl.postgrdühr. flnzrlara.stnnabm»: lotzannlogastel, br» sämtlichen Filialen »r» Leipziger Lagedlatte» un» allen flnaoa<«».<xpe»ttl»n»n Seo In. un» stuslaaSe». Veschüstostell« für Vrrltn u.»l« Pr.VranSrndurg: vtrektionwoltrrZUegri, Vertin w. >». MargarrthrnstraK« «. Zrrnsprech. stnschlu-: Lüyow »»71. Nr. 126 vienslsg, üen lv. MSr;. 1914 Vas Wirbligste. > Der Verband Sächsischer Indu strieller trat am heutigen Dienstag in D r e s- d en zu seiner 12. Hauptversammlung zu sammen. (S. Bcr.) * Bei einem Fabrikbrand in Bautzen kamen in der Nacht zum Dienstag sechs Per sonen ums Leben. (Siebe des. Art.) * Im englischen Unterhause unter breitete Ministerpräsident Asquith einen neuen Vorschlag in der Homer ule- bill. (S. Ausland.) * Die ossizielle Un 1 erzcich un n g des serbisch-türkischen Friedensvertra» ges ist am Dienstag erfolgt. (T. Ausland.) * Unweit des Skagerrat ist ein n o r rv e- gischer Danipfcr bei einem Zusam men st o ß mit einem dänischen Dampfer gesunken. (S. Nachr. v. Tage.) Schwurgericbte. Von Landgerichtsrat W. Kuhlemann. Der Freispruch im Falle Micl- czynsti und der Fehlspruch im Fall der Witwe Hamm haben m der letzten Zeit die Erörterungen über Wert und Unwert der Geschworenengerichte von neuem be lebt. Man wird darum, selbst wenn man sich auf einen andern Standpunkt stellt, gern die hier folgenden Betrachtungen eines Fachmannes zur Kenntnis nehmen, der immer für die Teilnahme der Laien unter bestimmten Voraussetzungen cinge- treten ist und auf diesem Gebiete ein gehende Untersuchungen angestellt hat. Die Redaktion. Die deutschen Schwurgerichte sind nicht auf heimischem Boden erwachsen, sondern zu uns herübergebracht aus England zu einer Zeit, als man in weiten Kreisen sich gewöhnt hatte, auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens in den eng lischen Verhältnissen das Ideal zu sehen. Das bedeutet an sich keinen Vorwurf, denn die Kul turvölker bilden eine geistige Einheit: sie sind berufen, sich gegenseitig zu fördern und ihre Erfahrungen untereinander auszutauschen. Aber das darf nicht in mechanischer Weise geschehen, sondern cS must geprüft werden, ob nicht die Einrichtungen, um die cs sich handelt, in dem Maste mit der Eigenart des Voltes, das sic her vorbrachte, verwachsen sind, dast sic auf ein an deres nicht übertragen werden können. Nun ist gerade das Recht ein unmittelbares Erzeugnis des VolkSgeistes und deshalb ein Gebiet, auf dem die nationale Eigenart in besonders aus geprägtem Maste sich geltend macht. Es muß deshalb voll Anfang an bedenklich erscheinen, Rcchtseinrichtungen zu verpflanzen. Hierzu kommt noch etwas anderes. Als zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die Forderun gen nach einer Neugestaltung unseres Straf verfahrens immer lauter und allgemeiner er hoben wurden, waren es in erster Linie vier Punkte, um die es sich handelte. Zunächst ver langte man die M ündlichteit an Stelle der Schriftlichkeit. Ferner sollten die Verhandln!: gen nicht, wie bis dahin, hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich stattfinden. Außer dem hielt inan es für erforderlich, das soge nannte Inquisitionsvcrfahren durch den An- klagcprozcß zu ersehen. Endlich war man darüber einig, dast an die Stelle der gesetz lichen Bewersreqeln die freie Ucber- zeugung des Berichtes treten müsse. Neben diesen Forderungen, die heute für alle Arten von Gerichten, insbesondere auch für die nur aus Juristen bestehenden, verwirklicht sind, wünschte man noch die Herbeiziehuna des Laienclementes. Nun verfiel man aber hinsichtlich des letzten Punktes einen: seltsamen Gedankenfchlcr, der kurz dahin bezeichnet werden kann, dast man Genus und Spezies verwechselte. So berechtigt es war, die Mitwirkung von Laien zu fordern, so verfehlt war es, die S ch w:: r^ge r i ch t e als deren einzige Form anzusehen. Man besäst ja in den alten Schöffengerichten eine durch aus deutsche Schöpfung, die sich in einzelnen Gegenden Deutschlands bis in ziemlich neue Zeit hinein als örtliche Einrichtungen erhalten hatten. Aber in der großen Welt waren sic völlig in Vergessenheit geraten, und so griff inan zu den: englischen Erzeugnisse nicht deshalb, weil man es für besser hielt als das deutsche, sondern weil inan sich gewöhnt hatte, Schwurgericht und Laienbctciligung für identische Begriffe zu halten. In den Kreisen der Fachleute hat man längst diesen Fehler eingesehen, und als nach Begrün dung des Deutschen Reiches die Schaffung eines einheitlichen Strafverfahrens in Angriff gcnom men wurde, tat der von dem preußischen Justiz Minister Leonhard auSgcarbeitete Entwurf tnrz entschlossen den Schritt, bei allen Arten der Strafgerichte Laien als Schöffen zu beteiligen. Bei den Amtsgerichten sollte ein Richter mit zwei Schöffen, bei den Landgerichten zwei Richter mit drei Schöffen Recht sprechen, und über Ver brechen sollten die aus drei Richtern und sieben Laien bestehenden „großen Schöffengerichte" ent scheiden. Aber jetzt zeigte sich, dast bei den meisten Menschen nicht Bernunftgründc, sondern un klare Gefühle und Stimmungen entscheiden. In weiten Kreisen hatte inan sich gewöhnt, in den Schwurgerichten ein Palladium der politischen Freiheit zu sehen. Deshalb empfand man den Vorschlag ihrer Beseitigung, obgleich er von einem liberalen Minister ausging, als einen An schlag auf die Volksrechte. Da nun ausserdem auch solche Kreise ihren Einfluß gegen den Ent wurf in die Wagschale warfen, die eine Be teiligung der Laien überhaupt ablehnten, so war das Ergebnis, dast der Leonhardsche Entwurf scheiterte. Es wurden vielmehr drei Formen ' von Strafgerichten nebeneinander gestellt, näm lich Schöffengerichte für die kleinen, reine Be rufsgerichte für die mittleren und Schwurgerichte für die schweren Strafsachen. Dieselbe Erschei nung iviederholtc sich vor wenigen Jahren bei der geplanten Revision der Strafprozessordnung. Der von einer Sachverständigenkommission aus gearbeitete Entwurf brachte wieder die einheit liche Schöffenvcrfassung in Vorschlag. Aber auch jetzt siegte die Vorliebe für die eingebürgerten Schwurgerichte, die in: Bundesräte an die Stelle der große,: Schöffengerichte gesetzt wurden. Worin unterscheiden sich denn beide Arten? Nun, begrifflich darin, dast bei den Schöffen- g c r i cb t c n die Laien mit den Juristen zu einem einheitlichen Kollegium zusammengefastt werden, » währench bei den' Schwurgerichten beide Gruppe:: scharf getrennt sind. Offenbar ist das erstere das natürlichere, denn es bietet die beste Möglichkeit für eine gegenseitige Ergänzung. Wenn inan cinwcndet, bei der gemeinsamen Be ratung würden die Juristen ein nicht erwünschtes llebergcwicht besitzen, so ist zu entgegnen, dast davon höchstens dann die Rede sein könnte, wenn alle beteiligten Juristen unter sich einig wären. lvas höchst selten der Fall sein wird. Besteht aber unter den Juristen eine Verschiedenheit der Ansichten, so ist cs ja gerade die Aufgabe der Laien, indem sie Gründe und Gcgcngrnnde hören und gegeneinander abwägcn, derjenigen Ansicht die Mehrheit zu verschaffen, die am meisten dem Volksempfinden und dem gesunken Menschen verstände entspricht. Immerhin, wenn gegen die Schwurgerichte kein weiterer Einwand zu erheben wäre, als daß sie zwischen Juristen und Laien eine un natürliche Trennung schaffen, so wäre das Nebel noch einigermaßen erträglich. Da man grund sätzlich den Laien die Tatfrage, den Juristen die Rechts- und Strafsragc überweisen will, so müßte man das Verfahren so gestalten, daß nach der Beweisaufnahme die Geschworenen sich dar über schlüssig «nachten, welche Tatsachen sic als erwiesen betrachteten, und dast darauf die Richter auf den: Bode«: dieser Feststellung den juristischen Eharakte r der Straftat und die Höhe der Strafe bestimmten. Aber ge schieht das bei unseren Schwurgerichten? Nicht entfernt! Es ist «licht zulässig, dast die Ge schworenen einfach und natürlich mit den Hilfs mitteln der deutschen Sprache sich darüber äußerten, was sie für erwiesen halten, sondern tte dürfen nur aus best in: inte an sic ge richtete Fragen antworten, die das Ge richt formuliert, und sie dürfen bei der Be antwortung sich nicht der deutsclnm Sprache in ihrer Gesamtheit bedienen, sondern es stehen ihnen nur zwei Worte zur Verfügung: „Ja" nnd „Nein". Der Erfolg ist denn auch nicht ausgeblieben. Die „Fragestellung" ist zu einer besonderen Wis senschaft geworden, deren Geheimnisse sich nur den: eingehenden Studium erschließen, und die Angriffe gegen Urteile der Schwurgerichte pfle gen fast ausschließlich darauf gestützt zu werden, daß auf diesem Gebiete etwas verfehlt sei. Hauptfragen, Nebenfragcn und HilfSfragcn wer den in der künstlichsten Weise miteinander ver bunden, und Fälle, in denen die Geschworenen mehr als hundert Fragen zu beantworten haben, gehören keineswegs zu de«: Seltenheiten. Da kann eS nicht ausblciben, daß Unklarheiten un terlaufen, und Fehler Vorkommen. Und alles das ist lediglich deshalb erforderlich, weil es den Geschworenen nicht gestattet ist, zu sprechen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Aber auch darüber hinaus tritt die Un natur des Verfahrens hervor. Schließlich bil- Ein russisches Literaturproblem. Im September des vergangenen Jahres hatte ich nach einem Besuche bei Dalcroze in Hellerau Ge legenheit, an einem sehr interessanten Gespräch tcil- zunehmen, das mich hinterher noch lange beschäftigte und mir auch heute noch bis in kleinste Einzelheiten mit aller Lebendigkeit vor der Seele steht. Ich lernte da einen begeisterten Freund Les jungen Grafen Alexei N. Tolstoi kennen, der an der Spitze einer neuen literarischen Richtung in Rußland stehl, und nun saßen wir zu fünft in einer Veranda und debattierten. Ein paar rote Blumen hingen herein, ein wundervoll sonniger Nachmittag war es, einer jener leuchtenden Septembertage von eigentümlich kühler und klarer Schönheit — aber keiner wird sonderlich darauf geachtet haben; denn die Diskusston war allmählich ziemlich lebhaft geworden. Ueber das gegenwärtige literarische Leben in Rußland, Las sich in zwei feindliche Lager scheidet, unterhielten wir uns, über die Großen und auch über manchen der Kleineren und schließlich auch über ' Michail Kusmin, «inen der Modernsten unter den russischen Dichtern unserer Tage, von deren einer Gruppe der junge Graf Alexei Nikolajewitsch Tolstoi und von der anderen eben Michail Kusmin als Ver treter angesehen werden kann. Kusmins Freund ist der bekannte Maler So- mos f, der sich mit einer glühenden Schwärmerei für das amouröse, frivole und graziöse Rokoko einfiihrtc, um sich aber später lediglich der zeitgenössischen Porträtmalcrei zu widmen, die ichm in Petersburger Kreisen und auch anderswo, in Paris vielleicht noch «nehr, viel Bewunderung und Anerkennung ein getragen hat. Die beiden Freunde sind sich von allem Anfang an bis zum heutigen Tage immer ähn lich geblieben: hüben wie drüben als geheimer Ur quell die Erotik, eine Neigung zum Glatten und zum ästhetischen Raffinement, das alle Dinge in zarte und bunte Schleier hüllt. Zn traumhafter Leichtigkeit blüht das Leben auf wie ein Frührot über den ver schilften Lärchen und Kiefer» russischer Wälder. Eine kaum versteckt« Zroni« und dazu ei«: deutlicher inter nationaler Einschlag, und die Eigenart ihrer Kunst ist ungefähr umschrieben. Zu diesem Bilde treten später noch einige andere Züg« hinzu. Das Tändelnde weicht einer strengeren Auffassung, die Fahrten nach Kytherc werden seltener, es wird kühler, rin Streben nach Konzentration beginnt, ein Abwenden von spielerischem Kleinkram, und nur ganz zuweilen gibt es einen Nachklang früherer Zeit. Scheinbar leiden schaftslos wollen beide über allen: stehen, die künst lerische Form erobern und sorgfältig nach außen alle Spuren seelischer Hochspannung verwischen. Die Dar stellung nimmt eine gewollt sachlich« Färbung, wie sie z. B. auch Mau passant liebte und vor ihm Flaudert und nach ihm Flaubcrts großer Schüler Thomas Mann, eine Art der Darstellung, wie sie vor allem auch Stendhal-Beyle bevorzugte, der mit großen: Vergnügen immer erst eine Seite im Code Napoleon zu lesen pflegte, ehe er sich an den Schreibtisch zu seinem Manuskript setzte. Der Dichter will sich die unerhörte Empfindlich keit seiner Sinne nicht merken lassen, was auch für de«: Michail Kusmin der letzten Jahre zutrifft. Zn deutscher Uel^rsetzung erschienen von ihn: in: Ver lage Hans von Weber-München: „Die Taten des großen Alexander". Es wird berichtet, wie der junge Alexander, vo«: einer bezaubernd schönen Gestalt, seine ebenso schöne Gemahlin Roxanc c:nsam zurück läßt und mit seinen: Freunde Hephaistion hrnaus- zieht, sich eine Welt zu erobern. Allerlei reizvolle Episoden schreben sich zwischen die Haupthandlung, die im schlichten Chronikenton vorgetragen wird, lauter korrekte Gesten, die eine innere Erregung künstlich zu meistern versuchen. Leider enthält die Uebersetzung eine Reihe sprachlicher Schnitzer, was be: Michail Kusmin um so mehr ins Gewicht fällt, als er Len Typ eines raffinierten Sprachkünstlers verkörpcli. Michail Kusmin fehlt das Herbe und Schwere, seine überraschende Feinfühligkeit, oder besser: das willenlose Sichhingeben an Eindrücke bedingt einen eigenartig weiblichen Einschlag und zeugt eine große Schmiegsamkeit, kurz, in allein eine Trübung des echt Männliche«: im Charakter. Hinzu tritt weiter die Betonung der äußeren Erscheinung und die ganze Art der Lebenshaltung bei allen Künitlern dieser ästheti fierenden, unsoziaien Richtung: Bohemiens, wenn sic kein Geld hali-en, Dandies, wenn sic der Geldbeutel drückt. Sie alle haben etwas von Oskar Wilde an sich, auch Michail Kusmin, den «na«: recht eigcnt lich kennen lernt aus den: Band „Geschichten" lGeorg Müller, Verlag, München), neben den „Abenteuer«« des Ainu- Leboeuf" die berühmt-berüchtigte«: „Flügel" enthaltend, die das unerquickliche Gefühlsleben der gebildeten russische«: Jugend Ssanins unseligen An gedenkens wiedergeben. Damit haben w:r das Probten: beinahe schon halb erörtert, jedenfalls sind wir ihm sehr nahegerückt. Das traurige Unglück Rußlands enthält es: auf der einen Seite die energische«: Anhänger westeuropäisch-inter nationaler Kultur und auf der ander«: Seite di« rasse bewußten Russen, die westcuropülsches Gedankengut als Fremdkörper empfinden und in ihm die Ursache des russischen Elends erblicken. Beide Parteien wollen dem Mütterchen Rußland aufhelfen, die einen da durch, daß ste sich bemühen, „gute Europäer" zu wer den, dab«: aber allen natürlichen Halt verlieren, die andern, indem sie sich zu Dostojcwsky bekennen und nie den Namen Turgcnjeff über ihre Lippen bringen od^r nur mit V rachiung. Kan«: Rußland von Europa erlöst werden? So lautet die Kernfrage «m russischen Literaturleben der letzten Zahr.ehnle, besonders wieder in den Vorder grund gerückt durch die trüben Nachwirkungen der furchtbaren Revolution, die soviel Ungemndes und Perverses an den Tag förderten. Und aus demselben Boden blüht nu«: auch die Kusminschc Kunst mit dem süßen Gift in den Kelchen. Aber rings um ihn wacht ein starkes Geschlecht mit blutvollcn Instinkten empor. ei«: Geschlecht, das Lrernschlägt und nichts von ästheti scher Ueberreizung weis; und de«: Hautgout der w.'st- curopäischc«: Kultur haßt, wie er de«: Werke«: Michail Kusmins entströmt. Uin de«: fernen Verwandte«: des großen Tolstoi schare:: sie sich, un: den Grafen Alexei N. Tolstoi, der die brutale«: Kraftnaturei: liebt, seine Bauern und die Wolgasteppen. Bei Rütten und Loening sind Dichtungen vo«: ihn: in deutscher Sprache erschienen, die gelegentlich besonders be sprochen werden. Die Hoffnungen des jungen lite rarischen Rußlands knüpfen sich an ihn, die Hoffnun gen auf eine neue gesunde Entwicklung. Noch wehen die Traucrschleier über die russische schwarze Erde und über die mattgoldenen Roggen felder, von schwerer Stimmung sind die Lieder des Volkes erfüllt, und über seinen Tanzwcisen liegt ei«: zarter, müder Hauch, Melancholie ... Ob sich alle die Hoffnungen jemals erfülle«: werden? Wien. Kurt H U t t c l. Kunst un- Wissenschaft. * Geheimrat Marterjteig beabsichtigt, laut einer Meldung der „V. Ztg ", beim Rat der Stadt Leipzig ein Gesuch einzur«ichen, in dem er uin Vorschläge bittet, die eine vorzeitige Lösung seines Vertrages ermöglichen. Auf unsere Erkundigung hi«: wird uns diese Nachricht bestätigt. Es ist sehr zu bedauern, daß die geschäftlichen Schwierigkeiten es wahrschein lich nun doch einen: der feinsinnigsten Künstler aus den: Gebiete des Thcaterwcscns unmöglich machen, der mißliche«: Verhältnisse Herr zu werden. a Uraufführung in Köln. „Scherben", ei«: Drama vo«: Emil Kotier und Richard Wenz, erlebte gestern «m Schauspielhause seine Uraufführung und konnte zugleich über einen geradezu rauschenden Bei fall quittieren, der zwar weniger dem dichterischen Feingehalt dieser Arbeit, als der freundschaftliche«: Achtung vor den beiden in Köln ansässigen und durch manche novellistischen Arbeiten bereits bekannt ge wordenen Dichtern gelten konnte. Das Stück be handelt den schon so oft verfochtenen Kampf zweier Weltanschauungen: das Ringe«: einer auf Sitten strenge und starrem Buchstabenglaubei: gegründeten Lebensauffassung mit einen: persönlichen Auswirken und Ausleben freier Menschlichkeit. Eine Lösung wird nicht anacbahnt, wie überhaupt dies Drama in keinen: Moment eine neue Perspektive er öffnet, vielmehr in der Problemstellung wie im Dramatisch-Formalen einen weitschichligen litera rischen Komplex synthetisch zusammenschließt. — Zn: übrigen ist aus den letzten Iheaterwochen noch eine nicht eben individuelle, doch theatralisch wirksame Neuinszenierung des „Peer G y n t" nachzutragen, die beionders durch Paul Sendens ausgezeichnete Verkörperung der Titelrolle n: einem künstlerischen Ereignis wurde. Das Deutsche Theater, das seit Bernaus Weggang nach Mannheim in gemächlichen Schwankgeleijen einherstolziert, schwang sich durch eine recht ausgeglichene Aufführung von Maeter lincks „Tod des Tintugiles" noch einmal zu einer literarischen Tat auf; bedeutsames Interesse weckte ferner ein Gastspiel von Carlo Liten mit feiner französischen Gesellschaft in Verhaerens wun dervollem Drama „Das Kloster." Kaminersänger Peter Müller s. Mit den: in: Alter von 51 Jahren infolge von Herzlähmung ver schiedenen Kaminersänger P eter Müller verliert die Stuttgarter Hofbühne eines ihrer ge feiertsten Mitglieder. Vor 28 Jahren trat Müller in den Chor des Hoftheaters ein. Seine glänzenden Stimmittel veranlaßten den damalige«: Hoskapell- meister Doppler, den jungen Sänger aus ubilven und sehr bald hatte Müller den Ruj eines der besten lyrische«: Tenöre. Mascagni bezeichnete ihn als de«: hervorragendsten Turidu der deutschen Oper Das Berliner Lessingtheater gegen den Polizei» Präsidenten. Mit einer interessanten Theaterklage beschäftigte sich der Bezirksausschuß Berlin unter dein Vorsitz des Präsidenten Silber. Dir Viktor Barnowsky klagte gegen den Berliner Polizei- Präsidenten auf Aufhebung einer polizeilichen Verfügung über die Spielerlaubnis für das Lcisingtheater. Die Theaterabteilung des Polizei präsidiums hatte in der Erlaubnisurkunde für Dir. Barnowsky gemäß 8 52 der Neichsgewerbeordnung das Unternehmen nach der Höhe des Gagcnetats und der Anzahl der zu beschäftigenden Mitglieder bestimmt und die Bedingung bcigefügt. daß der Polizeipräsident sich das Recht der Einsicht in die Bücher des Unternehmens Vorbehalte. Das Oberverwaltungsgericht hat bereits entschieden, daß der Konzejsionsinhaber verpflichtet ist, die erforderlichen Angabe«: zu machen. Gegen die in der polizeilichen Erlaubnis ausge sprochenen Bedingungen strengte Herr Barnowsky die Verwaltungsstreitklage an. 2n der Verhandlung vertrat Regierungsrat Klotz den Polizeipräsidenten, Rechtsanwalt Dr. Gotthelf den Kläger. Nach längerer Beratung wies der Bezirks- ausichuß die Klageab. In der Begründung hob der Vorsitzende hervor, daß der Bezirksausschuß zwar gewisse Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des zweite«: strittigen Punktes, der Befugnis der Polizei zur Emsicht in die Bücher, gehabt, jedoch die Ver fügung auch in diesen: Punkte aufrechterhalten habe, und zwar deshalb, weil diese Vor christ keine selb ständige Bedingung sei, sondern lediglich der Er läuterung und Durchführung der in der Konzession getroffenen Festsetzung über die Höchstzahl des am Theater zu beschäftigenden Personals und die Höhe des Gagenetats diene. * Aus der Eelehrtenwelt. In der philosophischen Fakultät der Berliner Universität hat sich soeben der Forschuugsreisende Dr. Walter Behr« mann für das Fach der Geographie habilitiert. In der medizinischen Fakultät habilitierte sich gleich zeitig Dr. Hans Kleinschmidt für das Fach der Kindertunlkunde. * Fritz Lütq s. In Breslau ist der etatsmähige Proiestor und Vorsteher des Instituts für anorganrsch- chemische Technologie an der dortigen Technischen Hochschule Fritz Lüty im 57. Lebensjahre ge storben Prof. Lütv, der dem Lehrkörper der Breslauer Hochschule seit dem Herbst 1M1 angehörte, war früher als Direktor des Vereins chemischer Fabriken in Mannheim tätig.
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