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Wöchentlich «rschtinen drei Nummern. Pränumeration». Preis 22) Sgr. ,j THIr.Z »itlieljibrlich, 3 Tbtr. für da» ganze Jahr, ohne Er. HSHung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man xrinumerirt auf tief»» Beiblatt der Allg. Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in der Expedition «Mohren - Straß» N». 3D; in der Provinz f» wie im Auslaute bei de» Wohiiobl. Poft-Aemtern. Literatur des Auslandes. 151. Berlin, Freitag den 18. Dezember 1835. England. UusiviN Iti^tnrv, bioKruphv »nü eritieinm. s Biographische und kritische Geschichte der Musik von de» frühesten Zeiten bis auf die Gegenwart.) Bon George Hogarth. London, 1835. Ein Handbuch, wie dieses, war ein großes Bcdürsniß in ter musika lische» Literatur Englands. Für das Britische größere Publikum, das wohl unter anderen Gegenständen der allgemeine» Belehrung auch von der per sönlichen Geschichte berühmter Musiker, von den Blüthezettm der Eompo- silio» und von der allmäligen Vervollkommnung dieser Kunst gern etwas lesen möchte, könne» die gewichtigen Quartanten von Burney und Hawkins nichts Anziehendes haben. Diese Geschichtsschreiber werden mehr genannt als gelesen; wäre aber auch der Preis ihrer Werke von der Art, daß sie in einer modernen Bibliothek Platz finden köitulen. so würden doch wenige Leser so viel Geduld und Zeit haben, nm sich zu ihrer Unterrichtung durch so weitläustigc und ausführliche Abhand lungen durchzuarbeilktt. Die ko» jene» Schriftsteller» zusammengelra- gencn Materialien versinken also für den größten Theil des Publikums in den Staub des Allerlhums und nutzen fast so wenig, als wenn fit gar nicht vorhanden wären. An und für sich genommen, ist tle Geschichte der Musik, das kann man nicht leugne», ein trockener und langweiliger Gegenstand. Ihr bedeutendster praktischer Werth ist chronologische Genauigkeit; hat der Leser diese erlangt und einen Ueberblick über die verschiedene» Stand punkte gewonnen, welche die einzelne» Nationen in t Hinsicht aus diese Kunst cinuebmeu, so ist er oft eben so sehr, wie der philosophische Gesehichtserzähler, im Stande, sich seine eigene» Lcrmulhuogc» über die Ursachen zu bilden, die den Genius der Musik in dem eine» Jahr hundert oder Lande zur Entwickelung gebracht, in dem anderen unter drückt haben. Die fein gesponnene» Theorie«, und sogenannten philo, sopbischcn Untersuchungen, aus welche in der Geschichte der Musik so viel Gewicht gelegt worden ist, sind gewöhnlich mehr Schaustücke eines scharfsinnigen Geistes, als wirklich nutzrciche Offenbarungen der Wahrheit. Um jedoch nicht in den Fall zu kommen, daß der historische Theil seines Werkes ein bloßes Gerippe von Daten und trockene» Lhatsachen darbicie, bat unser Autor demselben biographische Notizen über ausge zeichnete Komponisten cingesiochlcii, die der Wahrheit so getreu und so brauchbar sind, als man es nur verlangen kann, und die gewiß Jeder mann willkommen sehn werden. Diese Lebens-Beschreibungen sind aus vielerlei Quellen entnommen und enthalten manches Schätzbare und manche neue Anekdoten, die bisher nur zerstreut zu finden waren und sich zum Theil unter der allgemeinen Tages-Literatur verlöre». Musi kalische Biograph!«» dürften vielleicht mehr als alle andere die Neugier reize». Ein Toiidichter, der uns durch seine metaphysische Sprache be zaubert, erweckt in uns den Wunsch, etwas von seinem häuslichen Le ben und Ton zu erfahren; aber ach! nur zu ost finde» wir uns in u»- scrcn Vorstellungen durch das völlige Eegculhcil von dem, was wir er warteten, recht lächerlich getäuscht. Solch ein Näthsel ist der Mensch! Dennoch sind wir dem Verfasser dankbar für die von ihm gesammelten Thatsachen, wenn diele auch nur dazu dienten, das wunderliche Wesen des Genius und die Unbegreiflichkeit seiner Natur zu zeigen; und wenn auch Herr Ruffcll, als er im Jahre 1821 in Wien war, Beethoven in einer Schenke aufsuchcn mußte und ihn dort in einem Winkel sitzen sand, „in Zeitungen verliest, Bier und Wein trinkend, Käse und Bück linge essend und sich überhaupt höchst sonderbar gcbcrdcnd", so ist da durch doch unser Entzücken an seine» Adagios nicht um ein Jota ge schmälert worden; ja, cs möchten ihm sogar vielleicht seine genialsten Gedanken bei jener pikanten Kost zugcfloffcn scyn. Jedenfalls läßt sich innere Phantasie gern durch solche Erzählungen in die Vergangen heit leite», cs macht ihr Vergnügen, einmal rückwärts zu leben und in Gesellschaft des sanftmüthige» Eorclli, des närrischen Purcell, des lei denschaftlichen Händel und des empfindsamen und amnuchsvollcn Mo zart der Erfahrung vorauszucilcn. Der dritte Besiandtheil des Hogarthschen Werkes, Peine Kritik, die von echter Liebe und Würdigung des Tüchtigen beseelt ist — wen» man sich auch über manche Punkte geneigt fühlte, eine Lanze mit ibm zn brechen — stößt seinem Buche Leben und Geist ei». Der Verfasser ist frei vo» de» engherzigen pedantischen Ansicht«!, die dem Kritiker von Profession leider sehr ost anklcben, und bceiferl sich, dem Vortrefflichen in jeder Gattung — vom Oratorium bis zur Ballade — den ihm ge bührende» Antheil von Bewunderung zu zolle». Dari» stellt er ei» herrliches Beispiel aus, denn der höchste musikalische Geschmack ist der umfassendste; er legt bei seinem Unheil zwar einen hohen Maaßstab am aber er verwirft keine Art von Originalität, wenn ihr Grad auch noch so niedrig ist; und so lange ein musikalischer Kunstrichler kein Gefall«, an schlechtem Zeuge findet, können diejenige», welche in demselben Wein berge mit ihm arbeiten, ihn immer getrost empfehlen und ihm kleine Jrrthümer zu Gute halten. Was die Kunst der Verbreitung gediegener Urihcile verdankt, das kann ihr Fortschritt in England seit den letzten sieben bis acht Jahre» beweise». Während dieses Zeitraums ist das Feld der musikalischen Kritik von eifrigen Verehrern klassischer Harmo nie und reinen Geschmacks bebaut worden, und an die Stelle der skla. vischen und schmarotzenden Anbeter«, die früher mit Künstlern und Composilionen getrieben zu werden pflegte, ist in den Schriften und Rezensionen über Musik ein durch hohen und gewissenhaften Kunstsinn sich auszcichneiidcr Ton getreten. Schwerlich würde wohl gute Musik durch sich allein einen solchen Grad von Anziehungskraft erlangt haben, wie sie ihn jetzt unter uns ausübt, wenn der Zeiumgsschwutst und die feilen Artikel kaufmännischer Spekulanten die einzigen Mittel zur Ver breitung von Einsicht gewesen wären. Nu» aber die Theil,rahme ein mal geweckt ist und der Geschmack durch Kritiker geleitet wird, die sich durch wiederholte Bewährung das Vertrauen der Leser erworben haben, ist die Liebe zur Musik, vermöge dieser aus freier Liebe geschriebenen, unbesangencu Kritiken, eine Art von Freimaurerei geworden, und dir Rezensenten, wenn sic auch ihre tägliche oder wöchentliche Plage etwas beschwerlich finden möchte», haben doch goldene Momente des Trostes, wenn sie sehen, daß, ungeachtet des beständigen ZunchmenS dcr Zahl dcr Kunstjünger, widersprcchcnde Ansichten, die früher das Gist der musikalischen Gesellschaften waren und den Marktschreiern freien Spiel raum gewährt«,, immer mehr im Abnchmen sind. Fu dieser allgcmci- iicn Ausbreitung des wahren Geschmacks wird das vorliegende Buch ge wiß nicht wenig beitragen. „Der Zweck des Verfassers ist", so sagt er uns selbst, „über die Entwickelung der Musik, über die persönliche Geschichte dcr ausgczcich- nclstcii Musiker und über tcn jetzigen Zustand der Musik in England und in anderen Ländern dasjenige mitzuiheilcn, was jetzt sür jeden Ge bildeten wissenswerih, ja unerläßlich «achtet wird. Er hat sich einer tinsachcn, verständlichen Sprache beflissen und alle technische Phraseo logie und unerquickliche Erörterungen vermieden; dieser bedarf cs auch gär nicht, wen» man über die Musik schreibt, die keine dunkle Wissen schaft, sonder» «ne dcr herrlichstcn unter dc» schöncn Künstcn ist. Er ist, so wcil dcr Plan cincS gkdräugicn und sür das große Publikum berechneten Buches es irgend zulicß, auf eine Prüfung dcr Werke der großen Meister Angegangen und dabei bemüht gewesen, solche kritische Grundsätze aufzustcllcn, äus welche sich ein gesundes Urthcil über musi kalische Gegenstände bauen läßt. Seine Ansichten stimmen freilich nicht immer mit denen überein, die von Kritik«» ausgesprochen mmdc», welche ibm überlegen sind; aber er ist auch sehr fern davon,- ehre zn hohe Meinung von den scinigen zu haben und sic für ufffkhlbnr z» hallen. Er mag von einem zu cugcn Gesichtspunkt anSgkßMgen sch» und sich auch (wie Manche srincr Meister) zuweilen vom Vornrtbcil haben blenden lassen; wenigstens bat er sich aber seine-Ansichtcn mit Ucbcrlcgung gebildet, und Jrrthümer, die darin vorkosiiillen möge», sind gewiß nicht die Folge absichtlich verkehrter Beurtbrilttng Nachstehende Blätter enthalten cine Uebcrsicht von dem Zustande dcr Musik bci de» Altcn, cine Schilderung ihres Wiederauflebens'im Mittelalter und eine Geschichte ihrer Fortschritte in Italien, Dcutschland, Frankreich und England bis aus die gegenwärtige Zeit. Außerdem umfasse» sie biogra phische Skizzen von den größten Musikern und kritische Bemerkungen über ihre Werke." Herr Hogarth preßt einer Menge von Schriftstellern Beitrage zu seiner Geschichte der Musik aus; Anthony a Wood, Swift, Addison, dcr cbrcnwcrlhk Rogcr North, Ladp Morgan und Andere wcedc» in Eontribulioii genommen. Unter all dc» berühmten Name» und „bc- rühmtcn Unbckanntcu", die in fcincm Buche hcrhaltc» müsse»,, bat uns aber keiner besser gefallen, als Master Thomas Mace. Verfasser des „Denkmal der Musik", dessen Schilderung vo» dcr Absingung cincs Psalms wahrcnd dcr Belagerung von Dock im Jahre 1614 eben so sehr von tiefem Gefühl für die Wirkung der Musik zeugt, als durch die komische Geschraubtheit des Stils ergötzt. Es möchte auch wohl bei nahe unmöglich scvn, cinem Leser die Empfindung, welche uns bcinr Anhörcn schöner Musik erfüllt, IN schildern, ohne ein wenig ins Lächer liche und Abgeschmackte zu vcrfallcn. Thomas Mace versucht cs, dc» elektrischen Fimkcn von sich aus seine Leser zn übertrage», indem, er, nach vorausgcschickter Versicherung, daß cin so schön« Kirchengcsang seit Mcnschcngcdrnkcn nicht «lebt und gehört worden, solzenderzestalr sorisähn: