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UN- Anzeiger. — ^ S53. Dienstag den 19. December. 1854. WeihnachlsbUder. i. Der Himmel wö:bt sich trüb und Schnee verheißend über den HLusergiebein des Marktplatzes, die Sterne aber scheinen herabge sunken zu sein auf den engen Raum des Christmarkts, al- wollten sie Zeugniß geben von dem Tage, an welchem einst de- Himmel- lichte Botschaft herniederdrang zur Erde. — Es ist Weihnachten. Eine bejahrte Frau wandelt durch die Reihen mit einem Kinde an der Hand ; eine lebhafte, wohl die einzig lebende Erinnerung an frühere bessere Zeit. Das Kind staunt die ihm neue Herrlichkeit an, am entzück testen heftet sich sein bewundernder Blick auf eine Rüstkammer unschuldiger Art — in dem Knaben spukt der künftige Mann. „O Mutter! sieh den schönen Helm, den blanken Säbel, hell wie Silber blitzt er beim Lichterscheine; kaufe mir den, liebe Mutter, ich will General sein wenn ich mit Nachbar- Kindern Soldaten spiele auf dem freien Platze am Hause." „Kind, sei still, danken wir Gott daß wir nothdürftig zu leben haben für die lieben Feiertage, laß die- Waffenspielzeug den Rei cher». Wenn ich Waffen sehe fällt mir so Trübes ein. Armer U«i1, dein Vater war ein braver Soldat und ist als Braver ge falle». Deinen Bruder zog eS vor Jahre« auch hinaus in die Fremde, der Trommel nach. Er war ein guter Ueber Junge, aber er hatte des BaterS unruhigen Geist geerbt, es trieb ihn fort ari der Ruhe. Mir zu Liede hatte er ein Handwerk gelernt, aber die Aeit kam, wo ihm die Wände der Werkstatt zu eng wurden. Ich habe dies Jahr lang nichts von ihm gehört; ach, er wird auch ge storben sein im fremden Lande! Wenn ich ihn nur einmal noch ans Herz drücken könnte." „Mutter, liebe Mutter, weine nicht; sieh' doch die schönen Sachen an." Die Mutter antwortet nicht ; schweigend drückt sie dem kleinen Tröster die Hand und schreitet mit ihm ihrer Wohnung zu über den knisternden Schnee. Sie steigt die Treppen hinauf, viele Stufen — die Armen wohnen ja meist dem Himmel am nächsten. Sie sucht den Schlüssel am bekannten Verstecke — sie findet ihn nicht; ängstlich tappt sie nach der Thüre, sie öffnet sie und ein Lichtstrahl, ein Strahl des Weihnachtslichte- schlagt ihr entgegen. Ein« schlanke, lichttragende Tanne prangt auf ihren ärmlichem Tischchen, darunter liegen, festlich geordnet, nützliche Geschenke. Das Kind jauchzt laut auf, die Mutter schreckt freudig erstaunt zurück. — Sieh', da lehnt am schmalen Fenster eine Mannesge stalt, sinnend, Freude und Wehmuth streiten in seinen Aügen. Die Mutter hat ihn geschaut und hat ihn erkannt, „das Mütteraug' hat iln ja gleich erkannt." Mit dem Freudenruf „mein Sohn" stürzt sie ihm entgegen, sie sinken sich ln die Arme, Mutter und Sohn. Das lockige Kind hüpft um die WethnachtSbrscherung herum, den stemden Mann hat es kaum angedlickt; es weiß ja nicht, was dem Kinde rin Bruder sein kann. Jndeß erzählt der Sohn der horchenden Mutter seine Schick sale: Schwer verwundet wurde er von seinen Kameraden getrennt und in fremder Stadt allein zurückgelaffe«. Langsam genesend hat er da- gelernte Handwerk wieder ergriffen und Gott hat seiner Hände Arbeit gesegnet. „Mutter, „da- Handwerk hat einm goldnen Boden", sagtest Du mir oft, wenn es mich au- der Werkstatt Hinaustrieb, das Sprüchwert hat sich an mir bewährt. Run bin ich gekommen. Euch mit mir zu nehmen dahin, wo ich eine zweite Heimath ge funden, Dich und den Bruder." Draußen stürmt da- Schnerwetter — da- ärmliche Aimmer schirmt drei glückliche Menschen. H. Schuster. Universität. AuS dem eben jetzt auSgegehenen Personalverzeichniffe der hiesigen Universität für das Wintersemester 1854—1855 ergiebt sich in Be zug auf die Frequenz der Hochschule folgendes Resultat: Bestand de- vorigen Semesters: im Ganzen 806, nämlich 577 Inländer und 229 Ausländer. — Vom 8>. Mai bis 30. November 1854 gingen ab. im Ganzen 15V, nämttch MJn- länder und 7t Ausländer.— Es verblieben also: im Ganzen 647, nämlich 489 Inländer nnd 158 Ausländer. — Neu inscribirt wurde«: im Ganzen 166, nämlich 80 Inländer und 86 Aus länder. — Bestand: 8LS, nämlich 569 Inländer und 244 Aus länder. Von diesen studirrn: Theologie 17V (darunter 32 Thesl. und Philol.), Jurisprudenz 343 (darunter 37 Jur. und Camer.), Medicin 172, Chirurgie 28, Pharmacie 17, Naturwissenschaft (Chemie und Physik) 2V, Philosophie 13, Pädagogik 3, Philo logie 18, Mathematik 13, Cameralia 7. Eine Wanderung durch die petersstraßc nach dem petersthore. Da in einer der letzten Sitzungen der verehrt. Stadtverordneten der Antrag gestellt woiden, da- Petersthor abzutragen, dürften wohl einige Notizen über dieses ehrwürdige Denkmal willkommen sein. Wir entlehnen dieselben einem Büchlein, da- kürzlich unter dem Titel: „Ganz Leipzig für fünfzehn Neugroschen", oder „neuester Wegweiser durch Leipzig und seine Umgegend", von l)n. A. B. Reichen- dach, Leipzig bei Rocca erschienen ist. Der Verfasser, ein ge- borner Leipziger, der sich stets mit besonderer Vorliebe für die Ge schichte seiner Vaterstadt interessirte, hat in diesem Werkchen ein reiches Material zusammengedrängt und giebt 1) einen kurzen Abriß der Geschichte der Stadt Leipzig. 2) Eine allgemeine Orts beschreibung, mit besonderer Berücksichtigung des Lause-der Flüsse. 3) Wanderungen, vom Markte aus, durch die vier Haupt- und ihre Nebenstraßen, mit Angabe der interessantesten Gebäude. 4) Spaziergang durch die Promenade um die innere Stadt und durch die Vorstädte. 5) Spaziergang in die äußeren Borstädte und die neuen Anbaue. 6) Alphabetische Nachweisungen über Alles, was namentlich de« Fremden interesfiren könnte, z. B. Nach weis der städtischen Institute und Gebäude, der bemerkenswertheften Privatanstaltrn, Sehenswürdigkeiten, öffentlichen Pergnügungs- orte u. s. w. Auch eine Schilderung der Schlachtfelds ist hier gegeben. 7) Kleine Reiserouten durch die Umgegend von Leipzig. Da auch in der Petersstraße sich manche interessante Gebäude be^ finden, so «ollen wir eine Wanderung durch dieselbe nach dem Petersthore an der Hand unsere- treuen Führers antreten. „Wie in der Grlmma'schen, finden wir auch in der Peters straße fast in jedem Hause Kaufläden. Die Häuser selbst find